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Ausgabe:

April/2011

Spalte:

423-424

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Marga, Amy

Titel/Untertitel:

Karl Barth’s Dialogue with Catholicism in Göttingen and Münster. Its Significance for His Doctrine of God.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2010. VIII, 199 S. gr.8° = Beiträge zur his­torischen Theologie, 149. Lw. EUR 79,00. ISBN 978-3-16-150148-7.

Rezensent:

Anne Käfer

Eine Hommage an Karl Barth ist Amy Margas Dissertation auf jeden Fall. Die Arbeit wurde bei Bruce McCormack in Princeton geschrieben und ist nun in überarbeiteter Fassung veröffentlicht. M. macht in aufschlussreicher Weise die Entwicklung deutlich, die sie für Karl Barths Theologie in den Jahren 1922–32 wahrnimmt. Dieser theologische Prozess verdanke sich maßgeblich Barths Be­schäftigung und Austausch mit der katholischen Tradition sowie zeitgenössischen katholischen Theologen; bedeutsam sei er vor allem für Barths Gotteslehre. Gegen u. a. Hans Urs von Balthasars Darstellung und Deutung der Theologie Karl Barths will M. mit ihrer Untersuchung zeigen, dass schon Barths Auseinandersetzung mit dem Römischen Katholizismus in den 20er Jahren des vergangenen Jh.s Barths Theologie entscheidend geprägt habe (3). Auch habe die Auseinandersetzung nur zum Teil in die Richtung geführt, die von Balthasar festgehalten hat (111 f.).
Barths theologische Entwicklung und sein Dialog mit dem Römischen Katholizismus haben nach M. geschichtliche Voraussetzungen, die sie im ersten Kapitel beschreibt. Ihre pointierten Ausführungen reichen zurück bis 1803 und enden mit dem Hinweis auf Barths Teilnahme am Zweiten Vatikanischen Konzil als Beobachter; eingebettet in den historischen und den biographischen Kontext wird in den Kapiteln II bis V Barths theologischer Erkenntnisfortgang entfaltet.
Nach M. beginnt Barths Beschäftigung mit dem Katholizismus, angeregt durch Erik Peterson, 1923 mit der Lektüre von Thomas von Aquin. Dabei habe Barths leitendes Interesse der Frage nach der Gegenständlichkeit Gottes (objective and concrete presence) und de­ren Erkennbarkeit gegolten. Dass Barth überzeugt gewesen sei, Gottes Gegenständlichkeit könne aufgrund seiner Selbstoffenbarung durch die Inkarnation im Heiligen Geist erkannt werden, behandelt das zweite Kapitel. M. stellt dar, welches Offenbarungs- und Inkarnationsverständnis Barth während seiner Göttinger Lehrtätigkeit in Auseinandersetzung mit dem Katholizismus und seinem Kollegen Peterson gewonnen hat.
Während seiner Lehrtätigkeit in Münster (Kapitel III; M. wertet hier die noch ungedruckten Teile aus Barths Dogmatik-Vorlesung 1926–28 aus) habe sich Barth in seinem Verständnis von Gegenständlichkeit und Offenbarung Gottes mit der katholischen Theologie nicht nur einig gemeint, sondern im Blick auf die Theologie des Ersten Vatikanums sogar von superior cleverness gesprochen (108). Denn auch hier sei eingesehen, dass die Wirklichkeit der Gotteserkenntnis keinesfalls von Gottes Offenbarung getrennt sein könne – »a separation which Protestant theology, in its modern myopia, has asserted a hundred-fold« (108). Ob dieses Pauschalurteil von M. selbst stammt, ist nicht klar; es mangelt im gesamten Buch an indirekter Rede. Zum Zweck ökumenischer Verständigung habe Barth in Münster für seine eigene Theologie den Ausdruck analogia entis verwendet. Noch sei er gewiss gewesen, dass der Inkarnation Gottes die Natur und die Existenz des Geschaffenen vorausgesetzt seien und daher in der Offenbarung durch die Inkarnation zwischen Gott und den Kreaturen analogia entis bestehe (111).
Kapitel IV umfasst die Debatte zwischen Barth und Erich Przywara, die im Rahmen eines Thomas-Seminares im Jahr 1929 stattgefunden habe. M.s Ausführungen basieren auf bisher unveröffentlichten Seminarprotokollen. Diese ermöglichen einen wertvollen Einblick in die Kontroverse, die dazu geführt habe, dass Barth die analogia entis verwarf und seinen »Aktualismus« radikalisierte; nun habe Barth angenommen: »reality is nothing but the actual fact and form of existing, moment by moment« (139).
Im fünften Kapitel weist M. – im Ausblick auf Barths Kirchliche Dogmatik – auf, dass Barths Dialog mit dem Katholizismus schließlich zu einer entscheidenden neuen Einsicht geführt habe. Barth habe die Erkenntnis von Gottes Gegenständlichkeit nicht länger als durch die Inkarnation und eine ihr vorausgesetzte Wirklichkeit bedingt erachtet; die Erkenntnis Gottes sei nicht an das Geschaffensein von Welt und Mensch gebunden, sondern allein in Gottes innertrinitarischem Sein begründet. Die Erkenntnis von Gottes Gegenständlichkeit »is already fulfilled by God’s own Trinitarian being« (155). Diese Annahme führt nach M. dazu, dass Barth »a theology of the First Article« ablehnt und den Katholizismus, den er dazu im Widerspruch findet, scharf verurteilt (168 f.).
Anders als Barth findet M. keine kritischen Worte. Dabei ist doch auffallend, dass – wie M. zeigt – ein Theologe, dessen Theologie stark den Gegebenheiten seiner Zeit und seines Lebens verhaftet ist, schließlich feststellt, das menschliche Verfasstsein sei für die Erkenntnis Gottes bedeutungslos. Auch dass Barth am Ende der beschriebenen Entwicklung die schöpferische Tätigkeit Gottes zu­gunsten seiner Trinitätstheologie zurückdrängt, sollte von einer lutherischen Theologin nicht unkommentiert bleiben. M.s Veröffentlichung schließt ein Desiderat der Barth-Forschung. Die systematisch klare und überaus ertragreiche Monographie ist sehr gut lesbar. Sie zeigt, wie wichtig die noch unveröffentlichten Materialien aus Barths Zeit in Münster für das Verständnis seiner Entwick­lung sind. Einige Tippfehler ziehen sich leider durch bis in die Register; so heißt es nicht sola fides, sondern sola fide (199).