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Ausgabe: | Februar/1996 |
Spalte: | 137–139 |
Kategorie: | Allgemeines |
Autor/Hrsg.: | Kottsieper, I., J. van Oorschot, D. Römheld und H. M. Wahl |
Titel/Untertitel: | [Kaiser, Otto]: "Wer ist wie du, HERR, unter den Göttern?" Studien zur Theologie und Religionsgeschichte Israels. Festschrift für Otto Kaiser zum 70. Geburtstag. |
Verlag: | Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1994. XI, 508 S. m. 10 Abb., 1 Porträt gr. 8o. Kart. DM 125, ISBN 3-525-53631-3. |
Rezensent: | Reinhard G. Kratz |
Festschriften gibt es zur Zeit wie Sand am Meer. Otto Kaiser gehört zweifellos zu den Wenigen, denen eine gebührt. Daß er darum aber gleich unter die Götter zu zählen wäre, wie die unglückliche oder etwa witzig gemeinte? Wahl des Titels suggeriert, dürfte am allerwenigsten ihn selbst gefreut haben, der nach einer Festschrift zum Fünfundsechzigsten (BZAW 185, 1989) nun auch zum Siebzigsten noch einmal in dieser Form geehrt wird.
Der Band ist 508 Seiten stark und enthält nach einem schönen Foto des Jubilars und der Titelei "dreiunddreißig Beiträge", zu denen "Wissenschaftler aus dem In- und Ausland unter hermeneutischen, religionsgeschichtlichen und exegetischen Gesichtspunkten Einzelstudien zum Alten Testament und seiner Umwelt beigetragen haben" (Vorwort), dazu Abkürzungsverzeichnis sowie Stellen- und Begriffsregister am Schluß. Die Beiträge sind in drei Teilen nach Sachgebieten geordnet, die die ganze Breite des Fachs umfassen. Oberthema sollte offenbar die Rede vom israelitischen Gott im Verhältnis zu anderen Göttern sein, methodisch gesprochen: das Verhältnis von Religionsgeschichte und Theologie. Die verschiedenen Beiträge fügen sich natürlich nicht alle in dieses Konzept, doch ist das Thema weit genug gefaßt, so daß alle darunter Platz finden.
Der erste Teil vereinigt drei Beiträge "zur Theologie und Hermeneutik des Alten Testaments", die auf sehr unterschiedliche Weise das Oberthema exponieren. F. Deist (13-19) plädiert in offenen Worten für einen offenen, vorurteilsfreien religionsgeschichtlichen Vergleich, H.-P. Müller (20-31) reflektiert in schwierigen Formulierungen das schwierige Verhältnis von Offenbarung und Religion, und H. M. Wahl (32-48) votiert nach einem allzu arglosen Abwägen von (christlicher) Religionsgeschichte, Biblischer Theologie und Theologie des Alten Testaments, die insgesamt wiederum gegen die jüdische Auslegung abgehoben werden, für den Vorzug der im Erscheinen begriffenen Theologie seines Lehrers. Die folgenden Beiträge lesen sich danach wie die Probe aufs Exempel.
Der zweite Teil ist mit "Israels Religion und seine Umwelt" überschrieben. Vier Beiträge befassen sich mit Einzelthemen der altorientalischen Religionsgeschichte, zu denen sie eine Fülle von Material, aber wenig Deutung bieten; ein Bezug zum Alten Testament wird selten hergestellt. M. Dietrich (51-64) zitiert einige mesopotamische Texte, aus denen hervorgeht, daß die Vernachlässigung der Gottheit böse Folgen hat; A. Malamat (65-74) zitiert sich selbst und führt die einschlägigen Belege für das Mittelmeer als "heiliger Stätte" vor; M. Metzger (75-90) macht das Epitheton "Kerubenthroner" für JHWH anschaulich; W. M. Müller (91-107) kommentiert eine altsabäische Bustrophedoninschrift (TUAT II 628f) und zitiert weitere Belege für die dort erwähnte altarabische Adler- bzw. Geier-Gottheit.
Der dritte und letzte Teil ist "Einzelproblemen der Religionsgeschichte und der Theologie des Alten Testaments" gewidmet und nach der kanonischen Ordnung der biblischen Bücher strukturiert, wobei die Bezeichnungen allerdings etwas durcheinandergehen.
Unter "1. Tora" finden sich vier Beiträge, die die unterschiedlichen Standpunkte der neueren Pentateuchdebatte erkennen lassen: V. Fritz (111-126 = OBO 139, 1994, 403-411) zu den Gottesnamen in den vorpriesterschriftlichen, in die Königszeit datierten Geschichtswerken J und E; L. Schmidt (156-168) zur Väterverheißung in den Quellenschichten von Gen 28; W. H. Schmidt (169-179) zur Rezeption des Deuteronomiums in der Priesterschrift; J. van Seters (219-228) zur Theologie seines nachdeuteronomistischen Jahwisten. Im weiteren Umkreis dieser Debatte bewegen sich auch H. C. Schmitts (180-198) Erkundungen zum Prophetenverständnis in der Endgestalt von Num 22-24 und J. Schreiners (199-213) literarhistorische Bemerkungen zu Ex 34,11-26; A. Soggin (214-218) steuert Beobachtungen zum theologischen Profil von Gen 18,16-32 und E. Otto (142-155) eine Analyse der Ämtergesetze in Dtn 16,18-18,22 bei. E. S. Gerstenberger (127-141) schließlich bleibt ganz dem Oberthema verpflichtet. Sein nachgerade rührender Versuch, "unter dem Druck postchristlicher Verhältnisse" irgendwie mit der Polemik des Alten Testaments gegen "die anderen" Götter und Völker zurechtzukommen, ist nur darum hier eingereiht, weil er u.a. mit Lev 18-20 befaßt ist.
Der Abschnitt "2. Geschichtsbücher" gehörte nach den sonst gebrauchten Bezeichnungen des hebräischen Kanons eigentlich unter die "Propheten". Er bietet aus den Samuel- und Königsbüchern zwei Beispiele für die Konfrontation Israels mit fremden Mächten bzw. fremden Bräuchen. R. E. Clements (231-246) führt 2Kön 18,17-19,37 (Jes 36,1-37,36) statt auf historische Ereignisse auf die theologische Auseinandersetzung mit dem mesopotamischen Imperialismus zurück; W. Thiel (247-262) nimmt sich der vernachlässigten Nebenfrau Sauls, Rizpa, an (2Sam 3,7f; 21,2-11) und geht insbesondere den religionsgeschichtlichen Konnotationen ihres Trauerrituals in 2Sam 21, 10 auf den Grund.
Im Abschnitt "3. Propheten" zeigen vor allem zwei Beiträge die gegenwärtige redaktionsgeschichtliche Neuorientierung der Prophetenforschung an. K.-F. Pohlmann (325-341) macht sie als solche zum Thema und verbindet damit Überlegungen zu Entstehung und Datierung der unbedingten Unheilsprophetie in den "vorexilischen" Propheten; M. Köckert (277-300) führt den Neuansatz am Beispiel des Erwählungsgedankens im Jesajabuch vor. Hinsichtlich der damit ins Rutschen gekommenen Datierungen ist die Frage von J. Conrad (265-276) nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden von vor- und nachexilischer Prophetie wichtig. Auch die übrigen Beiträge zu einzelnen Texten liegen jeder auf seine Weise auf derselben Linie: C. Levin (301-317) erklärt die Entstehung der Rechabiter in Jer 35 und 2 Kön10,15f.23, W. McKane (318-324) den Kult der Himmelskönigin in Jer 44, J. Vermeylen (342-354) Wir-Gruppe und Gottesknecht in Jes 53 und W. Werner (356-372) die abgewiesene Buße von Hos 5,15-6,6 aus der redaktionellen (Text- und) Fortschreibungsgeschichte der Prophetenschriften.
Im Abschnitt "4. Schriften" dominieren die Beiträge zu den Psalmen, und zwar zur Kompositionsgeschichte des Psalters, was ebenfalls einem neueren Trend der Forschung entspricht. Das eingespielte Gespann F.-L. Hossfeld und E. Zenger (375-388) betrachtet den für das Oberthema des Bandes einschlägigen Ps 29 im Kontext der Psalmengruppe 25-34; J. van Oorschot (416-430) beschreibt das redaktionelle Profil der Korachpsalmen Ps 42-49. Einzelpsalmen behandeln O. Loretz (402-415) unter methodischen Gesichtspunkten (Ps 137), G. Wanke (445-453) nach Maßgabe des Oberthemas (Ps 89). Aus den übrigen "Schriften" kommt im Beitrag von J. A. Loader (389-401) die religionsgeschichtliche und theologische Problematik der Konversion Ruths "unter die Flügel Jhwhs" zur Sprache, im Beitrag von H. Spieckermann (431-444) die Satanisierung Gottes im Hiobbuch, die im Durchgang durch Novelle, Dialog und Gottesreden eine Auslegung erfährt.
Ein Abschnitt "5. Nachalttestamentliches Schrifttum" beschließt den Band. Von den beiden darunter subsumierten Beiträgen handelt der eine über einen Text aus einem Buch des griechischen (und lateinischen) Alten Testaments, der andere über eine Perikope aus dem Neuen Testament. O. H. Steck (457-471) untersucht die Rezeption von Hi 28 im apokryphen Baruch (Bar 3,9-4,4), die auf ihr Weise die zuvor von Spieckermann aufgewiesene Aporie der Weisheit im Hiobbuch zu überwinden und gegen außerisraelitische Weisheit zu behaupten sucht. Sh. Talmon (472-485) sammelt Argumente für die These, daß das Gleichnis vom barmherzigen "Samariter" (Lk 10,30-37) ursprünglich ein Gleichnis vom barmherzigen "Israeliten" war.
Alles in allem: Eine Sammlung von mal mehr, mal weniger lesenswerten Aufsätzen vermischten Inhalts, die man dem breiten Wirkungskreis und siebzigsten Geburtstag von Otto Kaiser verdankt.