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Ausgabe:

April/2011

Spalte:

391-392

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Kurzewitz, Christian

Titel/Untertitel:

Weisheit und Tod. Die Ätiologie des Todes in der Sapientia Salomonis.

Verlag:

Tübingen: Francke 2010. 194 S. 8° = Texte und Arbeiten zum neutestamentlichen Zeitalter, 50. Kart. EUR 49,00. ISBN 978-3-7720-8349-5.

Rezensent:

Martina Kepper

Das Werk stellt die für den Druck überarbeitete Fassung einer Göttinger Dissertation bei Reinhard Feldmeier dar, die in der Tendenz der neueren Forschung steht, nach Erscheinen der großen Kommentare diese wichtige Schrift des alexandrinischen Judentums nun thematisch auszuwerten. Christian Kurzewitz greift mit der Frage nach dem Ursprung des Todes ein zentrales Thema auf: Die Frage, wie der Tod und das Weiterleben nach dem physischen Tod in Sap gedacht und begrifflich fixiert wird, hat die Forschung seit Bückers’ Untersuchung über die Unsterblichkeitslehre der Sapientia (1939; diese erste thematisch einschlägige Studie führt K. nicht auf) beschäftigt. Die dort entwickelte und vor allem von Kolarcik (1991) präzisierte Ansicht, die Sapientia unterscheide zwischen der Sterblichkeit als einem ersten, physischen Tod, gleichsam die conditio humana, und einem zweiten, nämlich eschatologischen Tod, liegt auch K.s Untersuchung zugrunde, die nach einer kurzen Ori­entierung über den kulturellen Kontext der Schrift und die Einleitungsfragen eine ausführliche Exegese von Sap 1,11 bis 2,24 bietet. Damit behandelt K. völlig sachgemäß die erste sog. Gottlosenrede mit den zwei sie rahmenden Passagen zum Tod, befasst sich aber mit den anthropologischen Aussagen in Kapitel 7 sowie 8,19 und 9,15 nur am Rande. K. interpretiert die Rede als relecture der bib­-lischen Schöpfungs- und Sündenfallgeschichte. Maßgeblich greift er dabei auf semantische Analysen der griechischen anthropolo­gischen Termini zurück, die er jeweils mit der Verwendung innerhalb des jüdischen Schrifttums (Septua­ginta und jüdisch-hellenis­tischen Schriften) als auch der Gräzität insgesamt korreliert.
Stringent arbeitet K. heraus, dass Sap den griechischen Leib-Seele-Dualismus über den Begriff psyche adaptiere, allerdings an­ders als in den paganen Schriften nicht auf alle Menschen beziehe, sondern an die Toraobservanz binde: Echte Unvergänglichkeit ist nur den toratreuen Gerechten vorbehalten (63). Die innerhalb der Septuaginta singuläre Aussage, Gott habe alles zum Sein ge­schaffen (1,14b), interpretiert K. auf dem Hintergrund der platonischen Phi­losophie mit ihrer »ontologischen Sprache« (71), die die Sap übernehme. K.s Ausführung, zum Sein bedeute gerade keine unvergängliche Qualität des Menschen, sondern umschreibe die über den physischen Tod hinausreichende Gottesnähe alles Ge­schaffenen, kommt dann aber etwas überraschend. Im von K. zi­tierten stoischen Fragment (71) des Galen meine zum Sein gerade keine on­tologisch-substanzielle, sondern eine akzidentielle Qualität.
Im weiteren Durchgang kommt K. zu einer Fülle von Einzelbeobachtungen, die sich dahingehend summieren lassen, dass der Autor der Sap um die griechische Begrifflichkeit gewusst, sie aber nur insofern adaptiert hat, als er sie der jüdischen Tradition unterordnet. Aus diesem Ringen um das rechte Verständnis von Tod und Leben unter den Bedingungen der hellenistischen Zeit formuliert nach K. die Sap so etwas wie eine »jüdisch-hellenistische Theologie« (178). Damit weist er der Sap die Position innerhalb der jüdisch-hellenistische Schriften zu, die ihr sicherlich gebührt.
Dem Werk sind keine Register beigegeben, was z. B. im Falle der griechischen Begriffe schade ist. So lässt sich der Ertrag der semantischen Analysen nicht als Ganzes wahrnehmen, sondern man muss sie jeweils zur Stelle aufsuchen. Desgleichen wäre eine kurze Stellungnahme zu der zeitlichen Einordnung der Referenztexte aus der hellenistischen Zeit hilfreich gewesen, um eine gewisse Matrix für die Einordnung des speziellen Wortgebrauches der Sap an der Hand zu haben. Trotz dieser kleinen Anmerkung stellt die Studie eine Fundgrube für die Auslegung der Gottlosenrede dar und arbeitet luzide die theologische Arbeit des hellenistischen Judentums an und mit der alttestamentlichen Tradition heraus.