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Ausgabe: | März/2011 |
Spalte: | 312-314 |
Kategorie: | Kirchengeschichte: Reformationszeit |
Autor/Hrsg.: | Garbe, Irmfried, u. Heinrich Kröger [Hrsg.] |
Titel/Untertitel: | Johannes Bugenhagen (1485–1558). Der Bischof der Reformation. Beiträge der Bugenhagen-Tagungen 2008 in Barth und Greifswald. Hrsg. im Auftrag d. Theologischen Fakultät Greifswald, d. Plattform Plattdüütsch in de Kark, d. Niederdeutschen Bibelzentrums Barth, d. Arbeitsgemeinschaft f. pommersche Kirchengeschichte. |
Verlag: | Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2010. 458 S. m. Abb. gr.8°. Geb. EUR 38,00. ISBN 978-3-374-02809-2. |
Rezensent: | Gert Haendler |
Einleitend begründet Irmfried Garbe den Buchtitel »Bugenhagen als Bischof der Reformation«. Cranach zeigte auf dem Altar der Wittenberger Stadtkirche 1547 die Trias Luther, Melanchthon und Bugenhagen, die auch sonst auftauchte, dann aber dem Duo Luther-Melanchthon wich. Ernst Wolf erinnerte 1935 an Bugenhagen als »bischöflichen Lehrer« (15). 1980 nannte Wolf-Dieter Hau-schild ihn den »evangelischen Bischof für ganz Deutschland« (17). 2008 sollte diese Linie unterstrichen werden durch zwei Tagungen in Pommern: In Greifswald fragte man nach Bugenhagen als dem Bibeltheologen in pastoraltheologischen und kybernetischen Aufgaben. In Barth ging es um Bugenhagens Autorität für die Reformation im niederdeutschen Sprachraum. Durch exegetische Arbeit und seinen Predigtdienst wuchs ihm »das Amt des pastors pastorum zu« (18).
Heinrich Assel erinnerte zur Eröffnung der Greifswalder Tagung an Hans-Günter Leders Forschungen über Bugenhagen und den Bericht von David Chytraeus über Bugenhagens Bekehrung (25). Volker Gummelt geht in seinem Beitrag über Bugenhagen als Exegeten des Neuen Testaments speziell darauf ein, wie dieser nach dem apostolischen Amt gefragt hat. So kam Bugenhagen von exegetischer Arbeit zu grundlegenden theologischen Erkenntnissen (37). Thomas Willi untersucht Bugenhagen als Ausleger der Psalmen, der von dem Hebraisten Felice a Prato gelernt und »sich selbständig um das Hebräische bemüht« hat (55).
Heinrich Kröger schildert Bugenhagens plattdeutsche Bibelübersetzung und ihre lange Wirkungsgeschichte. Inge Mager thematisiert seelsorgerliche Akzente in pastoraler und schriftstellerischer Tätigkeit. Neben der Predigt sind Taufe, Beichte und Abendmahl Gelegenheiten, »um für die Seele eines Menschen zu sorgen« (92). Jens E. Oleson formuliert das Thema »Staat und Stadt – über die Rolle der Landesväter und Behörden im Denken und Handeln Johannes Bugenhagens« (93–110). In seinen Kirchenordnungen hat Bugenhagen sich im Vergleich zu Luther weniger auf Fürsten als auf die Bibel gestützt, doch handelte auch er »realpolitisch nach existierenden Strukturen, Gewohnheitsrechten und Rechtstraditionen, ohne dabei seine Grundsätze zu opfern« (110).
Matthias Schneider und Beate Bugenhagen berichten über Bugenhagen und die Musik im pommerschen Messgottesdienst. Quellen sind die pommersche Kirchenordnung von 1535 und Agenden von 1542 und 1569. In Greifswald fand 2008 ein rekonstruierter Messgottesdienst statt (111). Neben Luthers Einfluss stehen Bugenhagens »pragmatische Entscheidungen« (127). Anneliese Bieber-Wallmann bietet einen Einblick in ihre Arbeit als Editorin mit dem Beitrag »Von der Autorität des Stadtpfarrers zu Wittenberg – Bugenhagen und der Sammeldruck ›Von der Evangelischen Messz‹«. Es ist unsicher, ob Bugenhagen der Autor jener Schrift ist, aber sein Name wurde in Anspruch genommen. Das zeigt »die Autorität, die seine Zeitgenossen ihm als Exeget, Reformator und Pfarrer der Reformation zuerkennen« (153).
Ute Gause beschreibt Bugenhagens Seel- und Fürsorge für schwangere und gebärende Frauen. Fortschritte gegenüber dem Mittelalter sind evident: Ungetauft verstorbene Kinder werden nicht verdammt, »Mütter sind während der Geburt und des Wochenbetts nicht unrein«. Sie haben im Todesfall Anspruch auf »Beerdigung auf dem Kirchhof und nicht außerhalb« (170). Heiner Lück fragt »nach dem Recht in Bugenhagens Kirchenordnungen« (172). Er bekräftigt die Hypothese, »daß die Gesetzgebung der Neuzeit im modernen Sinne ganz maßgeblich von den Kirchenordnungen geprägt worden ist, wenn nicht sogar mit diesen ihren Anfang genommen hat« (189). Tim Lorentzen beleuchtet die »Reformation der öffentlichen Fürsorge – im Spiegel pommerscher Quellen«. Bugenhagen hatte ein »originelles Programm« (190). Die Funktionstüchtigkeit des Programms ist in der Praxis erwiesen.
Irmfried Garbe untersucht Bugenhagens Visitationen und Ordinationen: »Der Bischof ›dieser ganzen Sekte‹«. Das Zitat geht auf ein Protokoll des damaligen päpstlichen Legaten Vergerius 1535 zurück. Der Titel Bischof wurde Bugenhagen von Luther in Briefen und Tischreden zuerkannt. In Dänemark führte Bugenhagens Ordination der ersten sieben Superintendenten zur »dänischen Staatskirche«. Auch die Krönung des Dänenkönigs rückte Bugenhagen »nolens volens auf die repräsentative Höhe pontifikalen Handelns«. Luther redet ihn 1539 in einem Brief an als: »Ecclesiae Wittenbergensis episcopo et in Dania legato Christi …« (221). Bei Visitationen und Ordinationen in Wittenberg sind Handauflegungen vorgesehen, aber ungeweihte Gemeindeglieder sind immer mit dabei »wohl mit dem Sinn, daß auch nicht die Spur eines pontifikalen Weihesakraments entstehen könnte« (243).
Das Barther Symposion unter dem Titel »… dat yck de Sassische Biblia wedder reyn Luthers makede« beginnt mit Heinrich Krögers Überblick über die niederdeutsche Bibeltradition und Bugenhagen (247–254). Robert Peters bringt einen Übersetzungsvergleich zwischen Bugenhagen und seinem Vorgänger Theodor Smedeken. Für eine Wittenberger Ausgabe 1524 hat Bugenhagen ein Nachwort geschrieben, in dem er sagt, ein Unbekannter habe übersetzt und er habe dazu Rat gegeben. Bernd Jörg Diebner vergleicht kommunikative plattdeutsche Übersetzungen heute mit den Übersetzungen Martin Luthers und Bugenhagens. Dazu bietet er eine Synopse von sechs Übersetzungen der Geschichte vom Barmherzigen Samariter (271–288). Volker Gummelts Vortrag »Johannes Bugenhagen – ein Kirchenmann in Zeiten des Umbruchs« führt überzeugend zu dem Ergebnis, Bugenhagen gebühre »ein Platz unmittelbar an der Seite Martin Luthers und Philipp Melanchthons« (302). Ingrid Schröder nennt ihren Beitrag »Johannes Bugenhagen – Reformation auf Niederdeutsch« und formuliert nach vielen Beispielen, dass man »Zweisprachigkeit als differenzierte Ausdrucksmöglichkeit und als kulturellen Mehrwert nutzen kann« (314). Boris Dunsch bietet Gedanken zur Latinitas in Bugenhagens »Pomerania«, die »zwischen mittelalterlichem Chronistenlatein und humanistischer Formulierungskunst« steht (326). Anneliese Bieber-Wallmann untersucht Bugenhagens Sendbrief an Herzogin Anna, der 1524 niederdeutsch und 1525 hochdeutsch gedruckt wurde (331–344). Norbert Buske geht auf Titeleinfassungen von Bugenhagens Schriften ein und bietet 35 Abbildungen, um die Entwicklung der reformatorischen Bilderwelt zu illustrieren. Lore Pölchau schildert Bugenhagens Einfluss auf die Reformation in Livland. Schon 1522 wurde auch lettisch gepredigt. Zudem gab es Rückwirkungen aus Livland: Johannes Block war 1514–28 Prediger in Dorpat und kam 1533 nach Barth, wo er als Propst die Geistlichkeit leitete (399). Ein auf Initiative von Norbert Buske 1985 zum 500. Geburtstag von Bugenhagen in Radio DDR II gesendetes Hörspiel wurde 2008 in Barth verlesen (401–415). Anita Christians-Albrecht berichtet über »Plattdüütsch in der Kark – för Kinner und Groten«. Ein Verein verschickt einen »Rundbreef«, es gibt eine moderne »Kinnerbible« (416–420). Norbert Buske dokumentiert die Veranstaltungen zum Gedenkjahr 2008 (423–443).
Eine Fotogalerie und Personenregister beschließen den inhaltsreichen und vielfach anregenden Band.