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Ausgabe:

März/2011

Spalte:

261-264

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Hachlili, Rachel

Titel/Untertitel:

Ancient Mosaic Pavements. Themes, Issues, and Trends. Selected Studies.

Verlag:

Leiden-Boston: Brill 2009. XXVIII, 317 S. m. zahlr. Abb. 4°. Geb. EUR 312,00. ISBN 978-90-04-16754-4.

Rezensent:

Günter Stemberger

Rachel Hachlili ist vor allem durch ihre Bände Ancient Jewish Art and Archaeology in the Land of Israel (Leiden 1988) und Ancient Jewish Art and Archaeology in the Diaspora (Leiden 1998) sowie The Menorah, The Ancient Seven-armed Candelabrum (Leiden 2001) weit über die Spezialisten hinaus als die beste Kennerin jüdischer Kunst in der Spätantike hochgeschätzt. So ist es erfreulich, dass sie ihre zahlreichen Arbeiten zu Mosaikfußböden Palästinas (und Jordaniens) in diesem Band vereinigt, überarbeitet und zu einer Einheit zusammengefügt hat, so dass er ein umfassendes Handbuch zum Thema geworden ist, das noch lange (trotz immer zu erhoffender neuer Funde) das Referenzwerk schlechthin sein wird und die wichtigen Arbeiten ihres großen Lehrers Michael Avi-Yonah zum Thema (gesammelt in Art in Ancient Palestine, Jerusalem 1981) mehr als ersetzt.
Ein einleitendes Kapitel bespricht die Mosaiken aus der helle­nistischen und frührömischen Zeit, die vor allem in herodianischen Bauten gefunden wurden und gewöhnlich rein ornamental und strikt anikonisch sind. Profane Mosaiken der spätrömischen Zeit (vor allem das Haus des Dionysos und des Orpheus in Sepphoris, die schon monographisch dargestellt wurden) übergeht H. und legt das Hauptgewicht auf die vielen Mosaiken des 4. bis 8. Jh.s besonders in Synagogen und Kirchen. Umfassenden Deutungen der in Synagogen verbreiteten dreiteiligen Mosaikfelder gegenüber bleibt H. sehr skeptisch und denkt lieber an den Wunsch der Gemeinden nach einem ausgeglichenen, spezifisch jüdischen Gesamteindruck, wofür man sich an Musterbücher hielt. Das gilt vor allem von dem obersten, direkt vor dem Toraschrein angebrachten Mosaikfeld mit jüdischen Symbolen, dem Toraschrein und ihn flankierenden Menorot und Kultsymbolen wie Schofar, Feststrauß für Sukkot und Weihrauchschaufeln. Das folgende Ka­pitel gilt dem Tierkreis, der in einer Reihe palästinischer Syna­gogen das mittlere Feld des Mosaiks einnimmt. Wie im gesamten Buch ist auch hier H. vor allem an der Ikonographie intereressiert, vergleicht die verschiedenen Gestaltungen des Sonnengottes in der Mitte der einzelnen Tierkreiszeichen und der vier Jahreszeiten, die die Ecken des Quadrats füllen, in den der Tierkreis eingepasst ist, und stellt ihnen Beispiele von Tierkreisen in der gesamten römischen Welt gegenüber, um das spezifisch Jüdische der Synagogenmosaiken herauszustellen. Sie betont den dekorativen Effekt des Tierkreises, sieht aber darin doch auch eine symbolische Gestaltung des Kalenders.
Es folgt ein Kapitel über biblische Themen, vor allem die Darstellung der Opferung Isaaks im Vergleich mit christlichen Parallelen, die sie aber durchaus als Kontrast deutet – christlich eine Vorbereitung des Todes, jüdisch ein Bekenntnis zum Leben –, dann die Arche Noahs in Gerasa und Mopsuestia (das sie als Synagoge und nicht als Kirche betrachtet, wie andere vorschlagen), auch hier wieder im Vergleich zu zahlreichen klar christlichen Belegen, vor allem aus den Katakomben. David als Orpheus in der Synagoge von Gaza findet sein Gegenstück in der Synagoge von Dura Europos, dem vielleicht (höchst fragwürdig) jüdischen Orpheus einer Villa in Sepphoris, aber auch im christlichen Orpheusmosaik von Jerusalem. David umgeben von den Waffen Goliats in der Synagoge von Merot, Daniel in der Löwengrube (Na’aran und Susiya usw.), ebenfalls im Vergleich mit christlichen Belegen, und die Einsetzung Aarons als Hohepriester in Sepphoris sind weitere Beispiele. Ausführlich befasst sich H. mit möglichen Vorlagen, Musterbüchern, Cartoons oder monumentalen Vorbildern, in der für sie typischen Zurückhaltung, die auch für die Deutung der Bilder gilt, für die ihr das dekorative Element am wichtigsten erscheint. Dass man die Bilder betreten konnte, zeigte nach ihr allein schon, dass man keine Gefahr lief, Bilder kultisch zu verehren.
Die häufigen Nilszenen auf Mosaiken, auch hier jüdisch wie christlich, werden ebenfalls in ihren ikonographischen Details wie Nilometer, Booten, Wasserpflanzen, Krokodil usw. analysiert. Welche Elemente auf welchen Mosaiken vorkommen, fasst eine Tafel zusammen (107). Der in Synagogen wie Kirchen der Zeit verbreitete Typus der belebten Weinranken wird nach Grundmustern und Details des Repertoires ausführlich untersucht und ebenfalls durch inhaltsreiche Tabellen veranschaulicht. Ein eigenes Kapitel gilt den Szenen aus dem Landleben, die ebenfalls vor allem in den belebten Weinranken zu finden sind. Traubenernte, Flötenspieler, Hasenjagd und Tiere im Kampf miteinander sind beliebte Motive sowohl in Kirchen wie auch in Synagogen, aber auch im profanen Raum über das ganze römische Reich hinweg. Personifizierungen von Meer und Flüssen, Land und Stadt, Zeit und Jahreszeiten, Monaten und Tierkreiszeichen sind ebenso verbreitet.
Von besonderem Interesse ist ein Kapitel, das Hinweise auf Ikonoklasmus in den erhaltenen Mosaiken sowohl von Synagogen wie auch von Kirchen sammelt. Dabei wurden gewöhnlich Darstellungen von Menschen, manchmal auch von Tieren zerstört, die Umrisse der zerstörten Bilder aber blieben gewöhnlich erhalten, wie etwa in der Synagoge von Na’aran bei Jericho oder der Klosterkirche von Kursi am See Gennesaret. Viele der meist im 7. oder frühen 8. Jh. zerstörten Mosaiken wurden später durch solche mit geometrischen oder Pflanzenmustern ersetzt. Ob die Zerstörungen im Einzelfall auf Moslems, bilderfeindliche Christen oder auch radikalere Juden zurückgehen, ist ungeklärt. Ebenso wichtig ist der folgende Vergleich zwischen Kirchen- und Synagogenmosaiken, der Gemeinsamkeiten wie auch Unterschiede herausarbeitet und auch die Mosaikinschriften mit einbezieht. Auch wenn H. stärker die Unterschiede als die gemeinsamen Elemente betont, hebt sie doch auch die engen Kontakte zwischen den religiösen Gruppen und die gegenseitige Beeinflussung klar hervor. Insgesamt ist diese Dokumentation für die Religionsgeschichte Palästinas ebenso wichtig wie die literarischen Quellen, die im Allgemeinen viel stärker auf die Unterschiede abheben.
Das letzte Kapitel schließt daran an, indem es allgemeiner der Frage nach den Mosaikkünstlern, ihren Werkstätten und ihrem Repertoire nachgeht. Sowohl in Synagogen wie auch in Kirchen haben sich gelegentlich die Künstler auf dem Mosaik auch mit ihren Namen verewigt, andere unterscheiden sich deutlich durch ihren Stil, so dass man manchmal zwei verschiedene Künstler am selben Mosaik erkennen, aber auch zeigen kann, dass derselbe Mann in Bet Schean sowohl für Kirchen wie auch für Synagogen arbeitete. Dass es auch Mosaikschulen mit weitem Wirkungskreis gab, sieht man besonders in den Schulen von Gaza wie von Madaba.
Der reich illustrierte Band ist die einzige Gesamtdarstellung der Synagogen- und Kirchenmosaiken im spätantiken Palästina. Nicht nur Kunsthistoriker finden hier reiches Material; der Band ist auch für die jüdische und christliche Geschichte der Spätantike, das Zu­sammenleben und die je eigenen Ausprägungen der Religionen, für Kontinuität und Wandel zentraler religiöser Vorstellungen eine unerschöpfliche Fundgrube. Man kann nur hoffen, dass sie auch intensiv genutzt wird. H.s zurückhaltende Deutung lässt für weitere Untersuchungen und Interpretationen Raum und regt zur Wei­terarbeit an. H. verdient für diesen meisterhaften Band den Dank aller Interessierten und höchsten Respekt für eine große Leis­tung.