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Ausgabe:

Februar/2011

Spalte:

211-213

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Noack, Winfried

Titel/Untertitel:

Seelsorgerliche Diakonie. Leitfaden für ehrenamtliche Helfer in Kirchengemeinden und Mitarbeiter in diakonischen Einrichtungen.

Verlag:

Berlin: Frank & Timme 2010. 223 S. 8°. Kart. EUR 24,80. ISBN 978-3-86596-287-4.

Rezensent:

Arnd Götzelmann

Im Vorwort bestimmt Winfried Noack (geb. 1928), Professor für Sozialwesen und Angewandte Theologie an der freikirchlich-adventistischen Theologischen Hochschule Friedensau, den Terminus »seelsorgliche Diakonie« als dritte Form bzw. »dritten Weg der Diakonie« neben den »diakonischen Einrichtungen« und der »Diakonie der Ortskirchen«. Wie sich die ortskirchliche Diakonie – N. nennt als Beispiele dafür »Suppenküchen, Treffpunkte für Ob­dachlose und Bedürftige, Jugendcafé, Schülerhilfe, … Seniorenbüros, … Pfadfinder, Mädchenarbeit, Kleiderkammer usw.« – von der »seelsorglichen Diakonie von Gemeindegliedern für Gemeindeglieder« (5) unterscheidet, bleibt unklar. Zentrales Spezifikum der »seelsorglichen Diakonie« ist nach N. »das Gespräch«, das für die ehrenamtliche Beratungs- und Seelsorgearbeit auf Gemeindeebene eine herausragende Rolle spielt.
Bevor dieses Themenfeld im großen zweiten Teil des Buches (39–211) durchgearbeitet wird, widmet sich N. in der Einleitung unter dem Titel »Der Dienst der Barmherzigkeit« (11–15) dem Diakonat in seiner urchristlichen Entstehung und Arbeitsteilung mit dem »Apostelamt zur Verkündigung des Evangeliums« (11). Auf die wachsende Bedeutung der seelsorglichen Begleitung in Gemeinde und sozialen Diensten sowie des Ehrenamtes weist N. hin. Da das Buch ein Leitfaden für Diakone ist, wird bald auch gefragt, welche Fähigkeiten für diesen »Dienst der Barmherzigkeit« (12) denn hilfreich seien. Verwiesen wird auf die Beziehungsfähigkeit, die Vorurteilslosigkeit, das geistliche Leben und die Geistesgaben, weitere Eigenschaften wie Treue, Zuverlässigkeit, Ausdauer, Kooperationsfähigkeit, Zielbezogenheit und Be­ratungswissen.
Im ersten Hauptteil erfolgt die »sozialtheologische Begründung der Diakonie« (17–38). Dazu skizziert N. auf gut vier Seiten eine kurze Geschichte der Diakonie, um darauf eine diakonische Got­-tes­lehre trinitarisch zu entfalten. Die Bedeutung der Rechtfertigungslehre als Grundlage der Diakonie bildet ein Scharnier, um »die soziale Gemeinde« (26–29) zu postulieren, also eine diakonische Ek­klesiologie zu entwickeln. Am Ende des theologischen Grundlegungsteils kommt N. auf den gesellschaftlichen Wandel zu sprechen. Hier diskutiert er besonders die Relevanz der Säkularisierung für diakonisches Handeln und gelangt im Ergebnis zu der These: »Wir leben in einer veränderten, säkularisierten und sich immer schneller verändernden Gesellschaft. Damit befinden wir uns in einer ähnlichen Situation wie die christliche Urgemeinde.« (35) Deshalb habe die christliche Gemeinde heute einen zugleich missionarischen und diakonischen Auftrag.
Im zweiten und umfangreichen Hauptteil wird unter der Überschrift »diakonische Seelsorge« (39–211) eine Art Pastorallehre für den Diakon entfaltet, und zwar nach dem Gliederungsprinzip der »Diakonie der Lebensalter« (6). D. h. nach einer allgemeinen Einführung in Beratung, Begleitung, Kommunikation und Selbstverständnis der Beratungsperson werden folgende Lebensphasen bzw. Zielgruppen in einzelnen Kapiteln behandelt: Kinder, Jugend, Familie, Erwachsene, Senioren. Für jede Zielgruppe bzw. Lebensphase werden jeweils die spezifische psychosoziale Situation und die zu bewältigende Lebensaufgabe herausgearbeitet, ausgewählte Erkenntnisse aus Psychologie, Pädagogik, Soziologie und Philosophie für den beraterischen Umgang mit bestimmten Problemstellungen und die Aufgaben des Seelsorgers dargestellt. Hinzu kommen jeweils praktische Hinweise zur Einbindung der betreffenden Klientel in die christliche Gemeinde. Hier werden viele wichtige Erkenntnisse für die Beratung von Menschen in bestimmten Lebensphasen, in besonderen Lebenslagen und mit spezifischen Problemen zusammengetragen, für die praktische Anwendung fruchtbar gemacht und immer wieder auf die heilende Gemeinschaft der christlichen Gemeinde vor Ort bezogen. An manchen Punkten merkt man deutlich die freikirchliche Herkunft N.s, z. B. wenn er schreibt: »Mit 16 Jahren entscheiden sich die meisten gläubigen Jugendlichen für die Taufe.« (126), was nicht der volkskirchlichen Situation entspricht. Manche Erkenntnisse und Empfehlungen mögen auf die persönliche Erfahrung N.s zurückgehen, sie wirken jedoch zuweilen etwas statisch und wenig kontextbezogen: »Der diakonische Hauskreis unterscheidet sich vom missionarischen. Letzterer findet wöchentlich oder alle 14 Tage statt. … Der diakonische Hauskreis hingegen kommt nur alle vier Wochen zu­sammen.« (191)
N. gibt in seinem Buch Hilfestellungen, Informationen und praktische Tipps für Diakone und Diakoninnen, die ehrenamtlich in der Gemeinde tätig sind. Im Untertitel wird sein Band bezeichnet als »Leitfaden für ehrenamtliche Helfer in Kirchengemeinden und Mitarbeiter in diakonischen Einrichtungen«. Was er unter »Seelsorgliche Diakonie« versteht, wird am Ende des Bandes deutlich: »Die seelsorgliche Diakonie wendet sich nach innen. Sie will den Gemeindegliedern in seelischen, sozialen oder auch materiellen Nöten beistehen. … Aber die Ortsgemeinde wird sich auch nach außen wenden. Denn die Kirchengemeinde ist integriert in eine kleine Stadt oder einen Stadtteil, für die sie da ist. … Schließlich ergänzt und überschreitet die Kirchengemeinde ihre örtliche Diakonie durch die öffentliche Diakonie, die durch die Wohlfahrtseinrichtungen der Kirchen und Freikirchen Hilfswerke unserer Gesellschaft sind.« (210 f.) Genau diese Überschreitung hin zu professionellen Formen der Diakonie und Seelsorge leistet N. in seinem Band nicht.
Obschon er hier und da rät, dass »der Diakon« manchmal sinnvollerweise an andere Stellen und Experten für Seelsorge und Beratung delegieren soll, bleibt doch alles, was an »seelsorglicher Diakonie« in übergemeindlichen diakonischen oder seelsorglichen Organisationen geleistet wird, außen vor. Dass auch ehrenamt­liche Seelsorgehelfer in der Gemeinde oder hauptamtliche Diakone das professionelle Beratungs- und Fortbildungsangebot etwa einer Deutschen Gesellschaft für Pastoralpsychologie oder der Seelsorge- und Beratungsfachverbände des Diakonischen Werkes nutzen könnten, kommt nicht in den Blick. Das Buch bleibt ganz auf den wichtigen, aber doch zu engen Fokus der christlichen (Bekenntnis-) Gemeinde vor Ort begrenzt.
Als Zielgruppe seines Buches nennt N. »die ehrenamtliche Diakonin bzw. den Diakon der Barmherzigkeit« (5). Aus welchen Gründen Diakone und Diakoninnen ausschließlich als ehrenamtlich Tätige im Blick sind, bleibt unreflektiert. Als Lehrbuch für ehrenamtliche Helferinnen und Helfer in der Seelsorge und für hauptamtliche Diakone und Diakoninnen kann der Band von denen sinnvoll eingesetzt werden, die sich von einer gewissen freikirchlich-theologischen Enge, ein paar Tippfehlern, mancher nicht mehr ganz aktuellen Literatur und der suboptimalen Einbandausstattung nicht abschrecken lassen.