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Ausgabe:

Februar/2011

Spalte:

184-185

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Vinzent, Markus

Titel/Untertitel:

Der Ursprung des Apostolikums im Urteil der kritischen Forschung.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2006. 480 S. gr.8° = Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte, 89. Geb. EUR 82,00. ISBN 978-3-525-55197-4.

Rezensent:

Paul J. J. van Geest

Obwohl der Titel etwas anderes vermuten lässt, bietet Markus Vinzents Buch eine nicht im Geringsten trockene Historiographie der Forschung zum Apostolischen Glaubensbekenntnis. Im Gegenteil. Zwar wird der Leser mitgenommen durch die Einsichten, die 2002 in den Niederlanden insbesondere durch Liuwe Westra (The Apostles’ Creed: Origin, History, and Some Early Commentaries, Turnhout, 2002, Instrumenta Patristica et Mediaevalia, 43) in die Diskussion geworfen und im Lauf der Zeit mit Bezug zum Ursprung dieses Glaubensbekenntnisses weiterentwickelt wurden. Aber die Wellenbewegung in der wissenschaftlichen Forschung, die da­durch entstand, dass einige ältere Sichtweisen, auf neuen Argumenten basierend, wieder aufgenommen wurden, wird durch V. hervorragend dargestellt.
Entschiedener als in einer seiner früheren Studien mit dem Titel »Die Entstehung des ›römischen Glaubensbekenntnisses‹« (in: W. Kinzig, Chr. Markschies, M. Vinzent, Tauffragen und Bekenntnis. Studien zur sogenannten »Traditio Apostolica«, zu den »Interrogationes de fide« und zum »Römischen Glaubensbekenntnis«, Berlin-New York 1999, Arbeiten zur Kirchengeschichte, 74) richtet V. nun das Augenmerk darauf, dass über den Ursprung des Credos kaum etwas mit Sicherheit angeführt werden kann. Diese Schlussfolgerung basiert auf einer äußerst detaillierten Wiedergabe und Eva­-lua­tion verschiedenster Standpunkte, die über diesen Ursprung eingenommen wurden und verschiedenster diesbezüglicher Studien – vom Altertum bis ins 21. Jh. Auffallend ist, dass die Besprechung fast jeder wissenschaftlichen Studie sorgfältig und mit Fairness geschieht. Auch wenn V. Fragen an neuere Einsichten formuliert, hütet er sich davor, die Diskussion abschließen zu wollen.
Die ausführliche Historiographie der Forschungswege beginnt mit einer Analyse des Beginns kritischer Forschung. Danach wird eine Differenzierung vorgenommen zwischen der Regula Fidei, dem Symbolum (und der Vorordnung der Glaubensregel) und den Glaubensbekenntnissen als Taufbekenntnissen. Verschiedene Studien zu den Stufen der Bekenntnisgenese werden vorgestellt. So­dann setzt sich V. mit der heute geltenden Meinung, das Bekenntnis habe einen interrogatorischen und deklaratorischen Gehalt, auseinander. Ob der Kontext des Apostolischen Glaubensbekenntnisses nun ursprünglich liturgisch, dogmatisch oder katechetisch war, lässt V. wohlweislich offen. Er macht stets auch deutlich, dass die Fragen, auf die die heutige Forschung eine Antwort sucht, schon im 18. Jh. gestellt wurden und dass es sich lohnt, die damals gefundenen Antworten in die aktuelle Forschung aufzunehmen. Einige Antworten weichen kaum ab von denen, die vor einigen Jahrhunderten schon gegeben wurden. Interessant werden die Übersichten dadurch, dass V. die Einsichten zum Apostolischen Glaubensbekenntnis mit dem religiösen Hintergrund anerkannter Forscher in Beziehung setzt, wodurch er manchmal nolens volens den ideologischen Charakter bestimmter Standpunkte andeutet.
Es muss erwähnt werden, dass die Forschungsgeschichte bis zur ersten Hälfte des 20. Jh.s übersichtlicher wiedergegeben wird als die in der Periode danach. Das ist wohl auch nicht weiter verwunderlich. Der Staub, den die jüngeren Studien aufgewirbelt haben, ist wegen seiner Menge kaum noch zu durchschauen. Zudem ist es schwierig, Forschungen mit verschiedenen Ausgangspunkten und unterschiedlicher Qualität gegeneinander abzuwägen.
Was V. zeigen will, ist, dass viele Forschungen über das Aposto­lische Glaubensbekenntnis zu sehr durch die Forschungsgeschichte als solche und weniger durch die Forschungsliteratur beeinflusst sind. Auch hier richtet er das Augenmerk darauf, dass beim Forschen nach Texten und Themen im frühen Christentum manchmal auch ideologische Motive einen großen Einfluss auf die späteren Resultate hatten. Diese Feststellung trägt dazu bei, dass diese großartige Historiographie in der Tat auch eine Reflexion darüber enthält, auf welche Weise in Zukunft die Erforschung des Apostolischen Glaubensbekenntnisses stattfinden muss. Auf der Basis dieser Evaluation der bisher geführten Diskussion leitet V. faktisch eine neue Wende ein. Seine historiographische Forschung hat ihn offensichtlich zu der Einsicht geführt, dass die Gelehrten gegen die Fragmentarisierung ihres Forschungsgebietes vorgehen müssten, indem man sich in die Einsichten vertieft, die zu früheren Zeitpunkten schon von anderen vorgetragen wurden. Das Buch ist selbst ein vortrefflicher Ausdruck dessen, dass Forschung an Tiefe gewinnen kann, wenn Gelehrte nicht allein und nicht zuerst ihre eigene Einsicht unterbauen wollen, sondern dazu auch einen synchronen und diachronen Dialog mit anderen anstrengen. Dass V. am Ende seines Buches auch betont, dass die Textanalyse von unverminderter Bedeutung bleibt und dass die Interpretation der relevanten griechischen und lateinischen Texte weiterhin stattfinden muss, ist gleichfalls eine bereichernde Einsicht.
Kurzum: V.s Monographie leistet einen guten Dienst. Diejenigen, die Forschung betreiben wollen bezüglich Ursprung, Inhalt und Ziel des Apostolischen Glaubensbekenntnisses, werden diese Propädeutik, die V.s Buch zweifelsohne ist, mit großem Gewinn lesen.