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Ausgabe:

Februar/2011

Spalte:

182-183

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Peterson, Erik

Titel/Untertitel:

Ekklesia. Studien zum altchristlichen Kirchenbegriff. Hrsg. v. B. Nichtweiß. M. e. Beitrag v. Kardinal Lehmann.

Verlag:

Würzburg: Echter 2010. 222 S. gr.8° = Ausgewählte Schriften, Sonderband. Kart. EUR 19,80. ISBN 978-3-429-03286-9.

Rezensent:

Eduard Lohse

Im Jahr seines 120. Geburtstages wird ein Sonderband in die Reihe der Ausgewählten Schriften von Erik Peterson eingefügt, der Problemen der altkirchlichen Ekklesiologie gewidmet ist. Hatte P. sich vor allem in den 1920er Jahren immer wieder mit dem Kirchenbegriff der frühen Christenheit beschäftigt, das Vorhaben eines umfangreicheren Buches aber nicht verwirklichen können, so stellt die verdiente Herausgeberin seines Werkes nun einige einschlägige Texte zu einem eindrucksvollen Bild zusammen. Dazu gehören bisher unveröffentlichte Ausführungen, die als Vorarbeiten für den Traktat »Die Kirche« konzipiert wurden, aber auch kürzere Fragmente sowie die Einleitung zum »Buch von den Engeln«, in dem P. einige Einsichten über den altchristlichen Kirchenbegriff noch einmal zusammenfassend formulierte.
Mit klarer Entschiedenheit beschreibt P., die Ekklesia setze voraus, dass es eine Polis gibt (17). Die Ekklesia ist die Vollversammlung der stimmberechtigten Bürger – christlich: aller Getauften. Die Polis aber, auf die sie bezogen ist, ist die Himmelsstadt, »das himmlische Jerusalem, das wahre Zion, das von einer großen Schar von Engeln … besucht wird. Es ist eine festliche Versammlung …, die hier zusammentritt« (27). Als solche hat die Ekklesia »Versammlungsleiter«, die durch die zwölf Apostel eingesetzten Bischöfe. »Zu der himmlischen Polis gehören die Apostel. Ihre Namen stehen auf den Grundmauern des himmlischen Jerusalem.« (75)
Dieses christliche Verständnis der Ekklesia ist von und in der Heidenkirche ausgebildet worden. Nachdem sich die Juden der Botschaft des Evangeliums verschlossen hatten, wandten sich die zwölf Apostel an die Völker. Von ihnen leitet sich die apostolische Sukzession her, nicht von Paulus, dem Apostel der Ausnahme. Im Bereich der Griechen wurde daher die rechte Lehre der Kirche ausgebildet, in dem der Römer aber die rechtlich geordnete Gestalt der Ekklesia. Diese – hier nur mit wenigen Strichen skizzierte – Auffassung der Ekklesia bedarf kritischer Auseinandersetzung und überlegter Ausgestaltung. Wie diese Aufnahme und Fortführung aussehen kann, wird im Anschluss an die Texte P.s in drei gehaltvollen »Kommentaren« bedacht. Zuerst bietet Barbara Nichtweiß »An­merkungen zur Entstehungs- und Wirkungsgeschichte sowie zur Edition der Ekklesia-Texte«. Mit vorbildlicher Genauigkeit sind die einschlägigen Texte zusammengestellt und mit genauen Nachweisen zu Zitaten und Anspielungen auf Gedanken der alten, aber auch der neueren Theologiegeschichte versehen.
Hans-Ulrich Weidemann hat »die antiken Belege für Petersons Ekklesia-Vorträge« überprüft und vervollständigt (151). Im An­schluss an P.s Ausführungen stellt er Überlegungen an, wie und auf welche Weise sich dessen Anregungen aufnehmen und weiterführen lassen. Das gegenseitige Verhältnis von Ekklesia, Polis und Synagoge wird bedacht, indem »vor allem Petersons Bemerkungen zur Konstituierung der Kirche und zur Beziehung zwischen Christus und Kirche« erörtert werden sowie sein Verständnis der Ämter in der Ekklesia (155). Diese Erwägungen sind von der Einsicht geleitet, »dass Petersons ›Fund‹ einer Unterscheidung und Korrelation von Ekklesia und (himmlischer) Polis … nach wie vor hohes heuristisches Po­tential enthält« (195). In einer abschließenden Betrachtung be­denkt Kardinal Lehmann das zentrale Thema »der heutigen ökumenischen Diskussion«: »die Apostolizität der Kirche und ihr[en] Bezug zur apos­tolischen Sukzession« (196). Dabei wird an P. als einen »Anreger« angeknüpft, der durch seine bisweilen schroff wirkenden Formulierungen zur Förderung des ökumenischen Dialogs auffordert. P. hatte gesagt: »Wer … die apostolische Sukzession des Bischofsamtes ablehnt, der lehnt damit implicite auch die Apostel als Grundlage der Kirche ab.« (74) Das intensive theologische Gespräch zwischen den Kirchen aber hat seither Möglichkeiten eines »differenzierenden Konsenses« (209) erörtert in der gemeinsamen Überzeugung, »dass die apostolische Sukzession in der römisch-katholischen Kirche und in den reformatorischen Kirchen gegeben ist« (209).