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Ausgabe:

Februar/1997

Spalte:

192 f

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Taxacher, Gregor

Titel/Untertitel:

Trinität und Sprache. Dogmatische Erkenntnislehre als Theologie der Sprache. Eine systematische Befragung Karl Barths.

Verlag:

Würzburg: Echter 1994. 540 S. gr.8° = Bonner dogmatische Studien, 18. DM 64,-. ISBN 3-429-01637-1.

Rezensent:

Ernstpeter Maurer

"Die Untersuchung konfrontiert Barth... mit der Erkenntniskritik Kants bzw. mit der erkenntnistheoretischen Situation, die seine Vernunftkritik aufgezeigt hat" (20). Diese Leitfrage erschließt eine Fülle interessanter Beobachtungen, mit denen Taxacher geläufige Vor-Urteile der Barth-Kritik ­ "Offenbarungspositivismus", " Platonismus", "Aktualismus" ­ aus den Angeln hebt.

Der Brückenschlag von Barths Dogmatik zur "Situation nach Kant" hat seinen Grund darin, daß in der Tranzendentalphilosophie das Grenzproblem einer "Wirklichkeit der Wirklichkeit" aufbricht. Umgekehrt scheint in den Prolegomena zur KD die Utopie durch, daß alle Wissenschaften in ihrer Spitze Theologie sein könnten (KD I/1, 3 ff.). In diese Klammer lassen sich die einzelnen Untersuchungen zu Sprache, Logik und Ontologie sinnvoll einordnen. Die "Grammatik" findet T. in der Trinitätslehre. Die Dogmatik ist bis ins Detail gegliedert durch Appropriationen, die einander perichoretisch durchdringen und ineinandergeschachtelt werden. Die immanente Trinitätslehre formuliert die Struktur, in der Gott sich uns offenbart: Wir erfahren die Nähe Gottes, aber eben darin "erkennen wir ihn als unverfügbare Freiheit; und gerade indem wir ihn so annehmen und gleichsam in seinem Nahekommen frei lassen, wird er unser Befreier" (101).

Diese trinitarische Dialektik zeichnet sich bereits auf der Ebene der theologischen Sprache ab: Für Barth sind die "großen Worte" wichtig, denn an ihnen kann das "sprachkritische Bewußtsein ihre bleibende Verhülltheit in Offenbarung... stets mitzeigen" (135). Sie können auf die Wirklichkeit Gottes nur hinweisen. Aber gerade darin erschließen sie den oftmals epischen Stil Barths, der in den gelungenen Fällen die theologische Sprache versinnlicht (149). Die Begriffe können an den Rändern des Sprechens zeigen ­ aber nur im Kontext eines erzählenden Redens von Gott. Dabei wird die transzendentale Grenze der theoretischen Erkenntnis nicht etwa "offenbarungspositivistisch" geleugnet, sondern gerade ernst genommen, im Unterschied allerdings zu Kants empiristischem Fehlschluß, wonach der Aufweis von Wirklichkeit nur innerhalb der gegenständlichen Wahrnehmung möglich wäre. Barth formuliert nicht antithetisch zu Kant, "sondern in dessen Paradigma endlicher Erkenntnis... quer zu ihm" (198). So richtet sich theologische Erkenntnis auf das Zwischen der Dinge: Das Mystische zeigt sich "im konkreten Wie der Welt", in ihren Ritzen (202). Die Wirklichkeit der Wirklichkeit ist relational. Das An-Sich der Dinge ist auf Gott bezogen und hat Bestand durch wechselseitige Beziehung. Daraus ergibt sich die Erkenntnislehre "vom intensivsten Punkt" (233): Theologie zeichnet nach, daß die Wirklichkeit der Wirklichkeit konkret und unausschöpflich, daher aber auch nicht auszudenken und insofern streng gegeben ist. Hier sieht T. mit Recht einen Lösungsansatz für das Kernproblem der Analogielehre, "daß Barth die Beziehung, in welche Gott ein Etwas stellt, als echte Seinsbestimmung... verstehen will, ohne jedoch von einer ihm eigenen... Bestimmung zu sprechen" (287).

Wie sieht die Logik der Theologie aus, wenn sie quer zu den erprobten Mustern der Erfahrungserkenntnis stehen soll? Sie muß sich darauf richten, "daß und inwiefern jede theologische Aussage, wiewohl nicht mit ihnen identisch, doch ein ganzes Bündel phänomenaler Einsichten tangiert und von ihnen selbst tangiert wird" (328). Diese Unterscheidung und Durchdringung von theologischer und phänomenaler Ebene folgt dem Modell der Formel von Chalcedon. Die Offenbarung ist ganz in unserer Erfahrungswelt, insofern nicht davon zu trennen, aber eben auch unvermischt: Die Erfahrungswirklichkeit ist weder nur Abschattung der Offenbarung ­ das wäre "platonisch" ­ noch deren glatte Verwirklichung. Was immer beschrieben wird, ist "je ganz" Erfahrungwirklichkeit und Gegenwart der Offenbarung.

Theologische Aussagen haben demnach stets eine eigentümliche ontologische Bedeutung, weil Gottes Handeln ein Gegenüber schafft. T. betont mit Recht, daß dieses Gefälle nicht umgekehrt werden darf. Die Phänomene müssen ­ als geschöpfliche Wirklichkeit ­ so beschrieben werden, daß deutlich wird: Die Geschöpfe sind fertig und doch unvollendet, selbständig und doch nur in Relation zu Gott, disponiert für den Bund mit Gott (392 f.).

Barth ist mithin "unterwegs zu einer ontologischen Denkform, welche nicht mehr das für das Wesen eines Dinges hält, was herauskommt (übrigbleibt!), wenn man von der Geschichte, in welcher seine Vermögen allein vorkommen, und von den Relationen, in denen allein es unterschieden ist, absieht" (409). Das entspricht trinitätstheologischem Reden von Gottes Wesen in relationalen Seinsweisen. Darin gründet die eigentümliche Evidenz der Theologie: in der Selbstevidenz Gottes, die sich als faszinierende und unausschöpfliche Schönheit umreißen läßt. Solche Evidenz stiftet Glaubenserfahrungen ­ die allerdings niemals der Grund des Glaubens sein können (473).

Die subtile und facettenreiche Untersuchung erschließt eine Vielfalt von Anregungen für das theologische Denken im Anschluß an Karl Barth. Es ist erfreulich, daß ein katholischer Dogmatiker eine Arbeit vorlegt, wo selbst die kritischen Anfragen an Barth keinem konfessionellen Vor-Urteil entspringen, sondern Schwachstellen im Rahmen der Kirchlichen Dogmatik präzisieren.

Allerdings wäre die Rückfrage zu stellen, ob T. mit Recht eine "Vermittlungslogik" vermißt. Seine Kritik an unvermittelten Sprüngen von der phänomenalen zur theologischen Ebene ist sicherlich zutreffend (329 ff.). Die trinitarische Grammatik erfordert jedoch "Taktgefühl" (111), ist also gerade nicht durch eine Methode in den Griff zu nehmen. Wie sollte dann eine Logik der Vermittlung überhaupt aussehen? Dafür hätte T. wohl die Struktur der trinitarischen Appropriationen und ihrer perichoretischen Durchdringung intensiver analysieren müssen. Er schreibt der "Wurzel der Trinitätslehre" in KD I/1, § 8 keine grundlegende Bedeutung zu (98). Ich halte aber die Struktur von Verhüllung, Enthüllung und Selbstmitteilung für die fundamentale Appropriation überhaupt, zumal das dialektische Ineinandergreifen der Aspekte hier besonders deutlich wird. Die Unterschätzung dieser Appropriation rächt sich in ungenauen Bemerkungen zur Gotteslehre (112), wo diese Struktur die Schlüsselrolle spielt (KD II/1, § 29, bes. 384 ff.). Hier hätte deutlich werden können, wie die dritte trinitarische Seinsweise eigentümlich hervortritt als unerschöpflich differenzierte Bewegung und wechselseitige Durchdringung der beiden anderen.

T. unterstreicht, daß Barth schon aus trinitätstheologischen Gründen die Wirklichkeit der Wirklichkeit als Geheimnis beschreibt. Deshalb kann eine jede Erkenntnis vom intensivsten Punkt her als Erkenntnis der Relation zu Gott nur Erkenntnis von Gnade her sein. Ich bezweifle aber, daß durch die Ausblendung der Sünde aus der theologischen Erkenntnislehre ein anthropologisches Kontinuum ins Spiel kommt (402) ­ auch abgesehen von der Sünde sind Verhüllung und Enthüllung als trinitarische Appropriationen dialektisch aufeinander bezogen und deshalb nur im Geist zu vollziehen (KD I/1, 349). Gehört nicht zur Erkenntnis vom intensivsten Punkt eine Unausschöpflichkeit, die sich strukturell als Kontinuitätsbruch, faszinierendes Nicht-Aufgehen und immer wieder neu zu vollziehende Vermittlung abzeichnet?