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Ausgabe:

Februar/1997

Spalte:

190 f

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Stock, Alex

Titel/Untertitel:

Poetische Dogmatik. Christologie. Bd. 2: Schrift und Gesicht.

Verlag:

Paderborn-München-Wien-Zürich: Schöningh 1996. 292 S. gr.8°. geb. DM 78,-. ISBN 3-506-78832-9.

Rezensent:

Gustav A. Krieg

Schon ein Jahr nach Erscheinen des 1. Bandes liegt jetzt der 2. Band der Poetischen Dogmatik von A. Stock vor. Der Autor setzt seinen Weg konsequent fort: Der Darstellung des "poetischen" ­ d. h. "kreativen" ­ Umgangs mit dem Jesus-"Namen" in der Geschichte folgen hier die Darstellungen der Christus-"Signatur" (d. h. des Christus- bzw. Jesus-Monogramms) und des Christus-"Gesichts".

Das Material, das S. bietet, ist wiederum reich. Einsichten in die Geschichte des XP-Monogramms (seit Konstantin, 24 ff.) wie des IHS-Monogramms (vornehmlich seit Heinrich Seuse, 35 ff.) sind ebenso erhellend wie seine Überlegungen zur Geschichte des Christus-Bildes mitsamt ihren dogmen- und frömmigkeitsgeschichtlichen Implikationen. Stoff zum Nachdenken bilden auch theologiegeschichtliche Grenz-Überlegungen des Vf.s. Das betrifft etwa den soziokulturellen Kontext, aus welchem heraus das Christusmonogramm in der "konstantinischen Wende" ­ in seiner ganzen Ambivalenz ­ zu verstehen ist (31 ff.), wie sein Nachdenken über die Zusammenhänge zwischen der Namens-Theologie im Jesuitenorden und K. Rahners ­ wiederum: des Jesuiten ­ Reflexionen zum "anonymen" Christentum (61 ff.).

Mit alledem geht es S. weiterhin um die Sichtung von "Fragmenten" der christlichen Tradition, vor allen spezifisch dogmatisch-"systematisierten" Darstellungen dessen, was "Christentum" sein könnte. Wie schon in Bd. 1 bleibt auch Gewinn für den protestantischen Leser, zumal etwa das Christus-Monogramm interkonfessionell weiter verbreitet ist als z. B. die liturgische Verehrung des "Namens Jesu", wie S. sie in Band 1 dieses Werkes beschrieben hat.

Der Rez. muß allerdings gestehen, daß er allmählich ein wenig ungeduldig wird. Zunächst: Es ist bedauerlich, daß ein Gesamt-Konzept von S.s offenbar großangelegter "Dogmatik" noch nicht vorliegt und aus den beiden bislang erschienen Bänden auch nicht abgeleitet werden kann. Woraufhin ist dieses Werk angelegt?

Keineswegs will der Rez. dem Autor mit dieser Frage wieder eine im klassischen Sinne dogmatisch-"systematisierte" Sichtung des Materials aufnötigen. Er hält es vielmehr mit dem Autor weiterhin für sinnvoll, das "fragmentarische" Vorhandensein der Christus-Überlieferung in ihrer theologie- und frömmigkeitsgeschichtlichen Polyphonie zu bedenken und sich den Raum für eigene hermeneutische Reflexion zu bewahren (vgl. ThLZ 121, 1996, 883).

Allerdings: Welche hermeneutischen Spuren hat der Autor gelegt: Mitunter hat der Rez. den Eindruck, daß S.s Arbeit leise pessimistische ­ wenn nicht resignative ­ Züge trägt. Folgt man den Verästelungen seiner Reflexion im Blick auf die neueste Zeit (vgl. etwa seine Betrachtung des Bildes von Hoehme, 259 ff.), dann geht es ja zunehmend nicht nur um die Vielstimmigkeit des generativen Umgangs mit den unterschiedlichen Christus-"Zeichen" innerhalb der Christentums-Traditionen. Mehr und mehr in den Vordergrund rückt ebenso die Frage nach dem Verblassen ihrer ursprünglichen Bedeutung (vgl. S.s Bemerkungen zum "Abgar-Kopf" von Baselitz, 124 ff.) und vor allem nach ihrer Teilhabe an der Fülle der Signets, Bilder, Etiketten der neuzeitlichen Produkt-Konkurrenten allgemein (vgl. bes. 78f.).

Und wenn der Autor ­ im Angesicht einer Kirche, die am Ende des konstantinischen Zeitalters steht, und in anrührender hermeneutischer Schwebe ­ auf die eschatologische Verifikation des Christus-Monogramms wartet, jenseits aller Etiketten der Konsumgesellschaft, nämlich mit Mt 24,30 auf das Erscheinen des "Zeichen des Menschensohnes" (34), so bleibt gleichwohl zu fragen: Wie ist die Sinnhaftigkeit dieses Wartens im Kontext der neuzeitlichen Zeichen-Vielfalt vermittelbar? Oder gilt hier nur der ­ wie auch immer "systematisch" reflektierte ­ Sprung der Theologie in den klassischen hermeneutischen Zirkel (der indes profanwissenschaftlich-positionell ebenso "weg-erklärbar" ist wie so viele hermeneutische Zirkel, so daß S.s Überlegungen ­ gegen seine eigenen Intentionen ­ ebensogut als Museumsdidaktik "konsumierbar" wären wie die Bildprogramme mittelalterlicher Kathedralen von den Teilnehmern einer "Bildungsreise" durch die Ile-de-France)?

Vielleicht verraten solche Anfragen mehr über den bekümmerten theologischen Liberalismus des Rez. als über die Intentionen des Autors. Ausweichen kann er ihnen ­ von den Simulacra der Postmoderne umgeben ­ jedoch nicht; und somit erhofft er auch in den weiteren Bänden von S.s "Poetischer Dogmatik" Impulse zu Antworten.