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Ausgabe:

Februar/1997

Spalte:

186–188

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Gonzáles-Montes, Adolfo

Titel/Untertitel:

Fundamentación de la Fe.

Verlag:

Salamanca : Ediciones Secretariado Trinitario 1994. 623 S. 8° = Collección Agape, 10. ISBN 84-88643-14-4.

Rezensent:

Hermann Brandt

Der Autor hat den Lehrstuhl für Fundamentaltheologie an der Universidad Pontificia in Salamanca inne und ist Direktor des dortigen Zentrums für Ökumenische Studien, zugleich u.a. Berater der Kommission der Spanischen Bischofskonferenz für Interkonfessionelle Beziehungen und des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen des Heiligen Stuhls. Frühere Veröffentlichungen zum Verhältnis von Glaube und Politik, Religion und Nationalismus, lutherischer Reformation und katholischer Tradition und (1993) von Glaube und Vernunft (fe y racionalidad) haben ihn als Kenner auch der protestantischen Theologie und als einfühlsamen ökumenischen Theologen ausgewiesen. In seinem hier anzuzeigenden umfangreichen Werk unternimmt er es, die Legitimität des christlichen Glaubens aufzuzeigen. Dabei leitet ihn das Motto jeglicher "fundamentación cristiana": 1Petr 3,15. Die ntl. "apologia" wird in den romanischen Sprachen mit "razón" übersetzt, und damit ist das Leitmotiv der Darstellung benannt: "De fide et ratione" (264, vgl. Vaticanum I, DS 3015-3020). Es geht dem Autor zwar nicht um die beweisende Demonstration ("apódeixis"), wohl aber um die "epídeixis", den Aufweis der Denkbarkeit des christlichen Glaubens unter den Bedingungen zeitgenössischen Denkens (601).

Das Buch enthält vier Teile mit insgesamt 15 Kapiteln. Teil I: "Die historischen Fundamente der Theologie" behandelt die Stellung der christlichen Theologie inmitten der religiösen Traditionen (vor allem: Islam!), beschreibt Ursprung und historische Entwicklung der christlichen Theologie (griechische und lateinische Kirchenväter), betont den "Primat des Glaubens" nach Augustin und interpretiert in den scholastischen Entwürfen die ratio als "Erkenntnisprinzip der Theologie unter dem Licht des Glaubens".

Teil II "Der Verlust des Objektes der Theologie in der Moderne und das Problem seiner Wiedergewinnung" diskutiert in Auseinandersetzung mit dem Empirismus und mit Kant die Entweltlichung des Gegenstandes der Theologie aufgrund der Reduktion der Wissenschaft auf "Naturwissenschaft". Dem Aufweis dieses "Verlustes" stellt Montes die "existentiale Wiedergewinnung des Objekts" entgegen. Aber Bultmann wie Barth seien durch die protestantische Zurückweisung der natürlichen Theologie "determiniert" (164), und so komme es zu einem Hiatus zwischen Glauben und Welt (bei Bultmann) bzw. zwischen Heilsgeschichte und Weltgeschichte (bei Barth). Die "exterioridad" Gottes als Gegenstand des Glaubens wird hier negiert "auf Kosten der Möglichkeit, irgendeine weltliche Erfahrung des Gegenstands des Glaubens zu machen und damit eines kognitiven Zugangs zu ihm" (175). Anders bei Rahner: Er steht für die Wiedergewinnung der Weltlichkeit des Transzendenten, seine "rehistorización"; die Wirklichkeit ist "heiliges Geheimnis" (209).

Der umfangreichste III. Teil ist dem Problem der Erfahrung und der Glaubenserkenntnis gewidmet. Zunächst werden die klassischen und neueren Versuche christlicher Apologetik kritisch diskutiert. Danach geht es um die Möglichkeit, Gott unter den Bedingungen der Moderne zu denken (Rahner, Pannenberg, Jüngel), die vor allem im Blick auf Entwürfe zur Fundamentaltheologie erörtert wird. Ein eigenes Kapitel ist dem Thema "Sprache und Erfahrung" (Cassirer) gewidmet. Der Vf. charakterisiert das Christentum als eine "religiöse Tradition, die die Realität auf der Basis der geschichtlichen Erfahrung der göttlichen Offenbarung interpretiert" (383); insofern ist das "sola fide" als epistemologisches Prinzip der Theologie "insuffizient" (394 ff.).

Kapitel IV erörtert vor allem hermeneutische Probleme, z. B. das des Zugangs zu den Offenbarungsereignissen und ihrer Vergegenwärtigung und Weitergabe ("transmisión"). Der Vf. analysiert u. a. "die ideologischen Konditionierungen der historisch-kritischen Methode", diskutiert die christliche Lektüre des Alten Testaments und behandelt ausführlich das biblische Traditionsverständnis. Das letzte Kapitel behandelt die "Spannung zwischen Tradition und Schrift" ­ eine symptomatische Reihenfolge, ist doch die Kirche das "hermeneutische Subjekt der Schrift" (572). Der Vf. verschweigt ­ wie in seinem ganzen Werk - nicht die kontroverstheologischen Differenzen, benennt aber auch "gewichtige Konvergenzen": Nur durch das Handeln Gottes ist es möglich, "durch die Schrift zu erkennen, daß Jesus ihr Inhalt ist"; oder anders gesagt: "Gott wirkt den Glauben an den Inhalt der Schrift und ihre Wahrheit vermittels der Kirche" (576).

Was dieser Überblick nicht zeigen konnte, ist der Umfang der Einbeziehung der philosophischen und theologischen Diskussionen aus zwei Jahrtausenden: Das Buch hat einen langen Atem, ohne langatmig zu wirken. Es ist ein ökumenisches Werk, für das es auf seiten protestantischer Systematik nur wenige Entsprechungen geben dürfte. Nicht nur die aktuelle exegetische Diskussion ist berücksichtigt, sondern neben den Kirchenvätern und den katholischen Klassikern werden ganz selbstverständlich auch "außerkatholische" Positionen einbezogen, um nur einige Namen zu nennen: Luther, Hegel, Schleiermacher, Bultmann, Barth, Tillich, Althaus, Cullmann, Goppelt, Ebeling, Jüngel, Pannenberg.

Im Zuge seiner weit ausholenden Erörterungen der Denkbarkeit des christlichen Glaubens unter "weltlichen" Bedingungen und seiner Auseinandersetzung mit ihren alten und neuen Bestreitern will der Vf. die Reflexion des Glaubens von der Rückzugsmentalität befreien, der ein verengtes Verständnis des Glaubens selbst zugrunde liege. Das Potential des christlichen Glaubens befähigt die theologische Reflexion vielmehr dazu, traditionelle Polarisierungen zu überwinden:

Die fides kann nicht gegen die ratio ausgespielt werden: "Der Glaube öffnet dem Erkennen jenes Licht des Wortes Gottes, das in Jesus Christus Fleisch geworden ist" (607).

Daraus folgt: Glaube und (Profan-) Geschichte schließen sich nicht aus. Vielmehr ist die Geschichte Ort der Offenbarung; Glaube ist immer auch "Interpretation der Geschichte" und insofern "fides historica" (vgl. 380). Die Enthistorisierungen der Offenbarung befinden sich im Widerspruch zu dieser selbst.

Dem entspricht die Betonung des Zusammenhangs zwischen religiöser Erfahrung bzw. Erkenntnis und Offenbarungsgeschichte: Im Erlösungswerk Christi dient "die Menschwerdung des Wortes nicht nur der Erkenntnis Gottes durch den Menschen unter den Bedingungen seines geschöpflichen Seins, sondern auch der Befähigung des Menschen, vermittels der Erlösung seines begrenzten Erkennens" (319).

Von daher ergibt sich für den Vf. die hermeneutische Schlußfolgerung: Die Schrift entsteht aus der Tradition. Um wirklich Kirche sein zu können, muß die Kirche Schrift hervorbringen ("producir escritura"); die Heilige Schrift ("Escritura") "als Objektivation... der viva vox evangelica entsteht in Wirklichkeit aber nicht als bloßer Reflex der Kirche, sondern als das, was im Bewußtsein (conciencia) der Kirche ihre eigene Bedingung begründet, Bewußtsein des Evangeliums zu sein" (597). Aus der Beziehung zwischen Tradition, Schrift und Kirche zieht Montes den Schluß: "Als Sprachereignis ist die göttliche Offenbarung institutionell der Gemeinschaft des Glaubens übergeben" (599 f.). In diesem Zusammenhang kann der Autor dann auch von der Unfehlbarkeit der Kirche (!) als dem Werk des Geistes (558) sprechen: "Ohne die Unfehlbarkeit der Kirche ist die Weitergabe des Evangeliums nicht möglich, woraus folgt, daß der göttliche Grund der Kirche, die immer eine menschliche Gemeinschaft bleibt (congregatio sanctorum, sed peccatorum etiam), nur vertreten werden kann, wenn die Gemeinschaft des Glaubens selber in das Offenbarungsgeschehen, das Subjekt der Weitergabe des Evangeliums, eintritt." (606).