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Ausgabe:

Januar/2011

Spalte:

110-111

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Cohen, Jonathan, and Elie Holzer [Eds.]

Titel/Untertitel:

Modes of Educational Translation.

Verlag:

Jerusalem: The Hebrew University Magness Press for The Hebrew University of Jerusalem, Mandel Foundation and Mandel Leadership Institute 2008. 590 S. 8° = Studies in Jewish Education, 13. Kart. US$ 62,95. ISBN 978-965-493-376-6.

Rezensent:

Bernd Schröder

»Sustained academic research in Jewish education is only about a generation old«, konstatiert einer der Herausgeber, Jonathan Co­hen, in seinem einleitenden Beitrag (15); das Periodikum der »Studies in Jewish Education« ist ein wesentliches Organ dieses Forschungszweiges (vgl. die Besprechung der Bände X und XI in ThLZ 133 [2008], 1047–1049). Der vorliegende Band adressiert eine grundsätzliche Frage von materialer ebenso wie von wissenschaftstheoretischer Relevanz: Wie können originär nicht-pädagogische Wissensbestände und Theoreme in pädagogische Theorie und Praxis übersetzt bzw. für sie fruchtbar gemacht werden? Und welche dieser Wissensbestände sind von maßgeblicher Bedeutung?
Anhand von Beispielen aus vier Arten von Tradition und Wissensbeständen jüdischer Philosophie bzw. Theologie werden diese Fragen durchgespielt. Zum ersten wird die Rezeption bzw. Rezipierbarkeit von Denkfiguren aus Philosophie bzw. »jüdischem Denken« (Jewish thought) für eine Theorie jüdischer Erziehung geprüft – so geht es etwa um das Ideal des gebildeten Juden, das Maimonides im 12. Jh. entwarf (Jonathan Cohen), die Denkfigur der zweiten Naivität (ha-tmimut ha-schnijah) bei Akiva Ernst Simon (Haim Rechnitzer), um die Bundestheologie David Hartmans (Ari Ackerman), die Philosophie Emmanuel Levinas’ (Annette Aronowicz) oder das »Erziehen zum Widerstand« bei Emil Fackenheim (Ari Bursztein). Zum zweiten wird von der pädagogischen Relevanz theologischer Begriffe (»lead concepts«) gehandelt, etwa »Bild (Gottes)« (Mo­she Meir) oder »Authentizität« (Jen Glaser). Zum dritten geht es um die Nutzbarkeit von hermeneutischen Verfahren, namentlich um moderne jüdische Bibel-Exegese (Elie Holzer) und »Midrasch«, also traditionelle rabbinische Bibelauslegung (Michael Gillis). Und zum vierten werden säkular-jüdische Selbstverständnisse, hier dasjenige von Yosef Chaim Brenner (Elisheva Moatti, Marc Silverman) sowie Horace Kallen (Daniel Marom, Daniel Pekarsky), auf ihre pädagogischen Implikationen hin ge­prüft.
Methodisch anregend ist, dass nahezu jeder Studie eine knappe, bisweilen kritische, zumeist zustimmend-weiterführende Kommentierung zur Seite gestellt wird.
Für den christlichen Leser wird anhand der genannten Themen eindrücklich klar, dass wissenschaftliche Theorien jüdischer Erziehung zwar methodisch modern sind und im Gespräch mit gegenwärtiger Erziehungswissenschaft stehen, doch zugleich keineswegs darauf verzichten, ihre eigene, plurale, jüdische Tradition stetig einer Relektüre zu unterziehen und so im Gespräch zu halten – verglichen etwa mit christlicher Religionspädagogik in Deutschland entsteht so ein völlig anderer Referenzteppich. Das anhand dieses Bandes zur Kenntnis nehmen zu können, ist nicht dessen geringstes Verdienst. In keinem Fall wird dabei ungebrochener Geltung der jeweiligen Tradition das Wort geredet; im Anschluss an Michael Rosenak plädiert insbesondere Jonathan Cohen für ein dialektisches Verhältnis von normativen und induktiven Zugängen (»a constant, dialecical interaction between the normative and deliberative modes«; 8). Bemerkenswert ist auch: Anders als dem jüdischen Schulwesen in Israel, das – von wenigen Ausnahmen abgesehen – konsequent zwischen orthodoxen und säkularen Schulen unterscheidet, liegt den Theoretikern jüdischer Erziehung daran, Traditionen unterschiedlicher, namentlich orthodoxer und säkularer Provenienz heranzuziehen – insofern teilen alle Autoren für die sich konstituierende Theorie jüdischer Erziehung das Anliegen David Hartmans, »a shared spritual language that is inclusive of religious and secular Jews« zu finden (74).