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Ausgabe:

Januar/2011

Spalte:

99-100

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Janz, Paul D.

Titel/Untertitel:

The Command of Grace. A New Theological Apologetics.

Verlag:

London-New York: T & T Clark (Continuum) 2009. X, 190 S. gr.8° = Transformation Theology. Kart. £ 23,99. ISBN 978-0-567-03359-8.

Rezensent:

Alexander Maßmann

Paul Janz, der am King’s College philosophische Theologie lehrt, möchte eine sog. »Transformation Theology« aus der Taufe heben. Das sei nötig, da die Theologie die Offenbarung als Mitteilung über einen ruhenden Sachverhalt missverstehe. Doch angesichts von Folgeproblemen – Ontotheologie oder Unaussagbarkeit Gottes – wähle sie nicht Gott selbst, sondern den Glauben oder eine philosophische Ontologie zum Gegenstand. Doch mit diesem Immunisierungsversuch widerspreche die Theologie ihrer fundamentalen Abhängigkeit von Gottes kontingenter Selbstkundgebung. Dagegen sei die Offenbarung im Wesentlichen ein Imperativ, performativ statt konstativ. Sie richte sich an die praktische Vernunft und sei selbst ein machtvoller Geschichtsfaktor. Zwar habe die kognitive Vernunft durchaus ihr theologisches Recht auch jenseits der Regulierung des Begehrens, doch allein die praktische Vernunft sei die »Schwelle«, über die die Offenbarung in die menschliche Subjektivität eingehe.
Im Hinweis auf die Geschichte und die Ablehnung der Metaphysik besteht ein wesentlicher Einfluss Bonhoeffers, zu dem sich J. wiederholt programmatisch bekennt. Auch müsse die Ethik das Gebot selbst und keine Prinzipien propagieren. Der Offenbarungsimperativ leuchte der praktischen Vernunft unmittelbar ein und sei nicht dem ethischen Diskurs zu unterwerfen, wodurch verobjektiviert würde, was nicht verobjektivierbar sei.
Positiv zu würdigen ist vor allem J.s Beharren auf dem Gegenstandsbezug und Realismus der Theologie. Er macht an substantiellen Glaubensgütern wie Inkarnation, Trinität und Auferstehung keine Abstriche, klagt zugleich die Anforderungen der kritischen Ratio ein und lehnt eine höhere, kaum fassbare Rationalität eigener Art ab. J.s theologische und philosophische Analysen sind immer wieder lehrreich.
Doch die so gestellte Aufgabe ist immens. J. möchte sie zudem nicht ohne provokative Thesen lösen. Sie beruhen jedoch auf einer künstlichen Entgegensetzung von Theorie und Praxis. Er kann es nicht vermeiden, wiederholt kognitive Dimensionen der Offenbarung fundamental zu nennen. Dass die praktische notwendigerweise die kognitive Vernunft integriere, relativiert die wiederholte These entscheidend, dass nicht die Letztere Eingangstor der Offenbarung sei. Ferner steht die Betonung der Geschichte Jesu in Spannung zu J.s Ansicht, Gottes Sein schließe alle Verendlichung aus. Die These blendet Unwägbarkeiten, die den moralischen Ansatz schwächen könnten, als objektivierend aus. In Bonhoeffers Kreuzestheologie stellen sich die Dinge dagegen komplexer dar. Unklar bleibt ferner das Verhältnis von drei bejahten Ethikkonzepten – allgemeiner moralischer Realismus und Pflichtenethik, Nachfolge Jesu und kontingentes Gebieten Gottes. Entgegen J.s Ansicht verfällt die starke Betonung der unmittelbaren Offenbarung prinzipiell der individuellen subjektivistischen Willkür. Eine diskursive Ethik widerspräche der eingeschärften Abhängigkeit von der kontingenten Offenbarung. So kann J. nicht etwa der fundamentalen Bedeutung gerecht werden, die Bonhoeffer der Gemeinde beimisst.
Dass die gegenwärtige Theologie einseitig auf das theoretische Erkennen kalibriert sei, ist insofern zu relativieren, als zumindest im deutschsprachigen Protestantismus die Unterscheidung von Gesetz und Evangelium oft kriteriologische Bedeutung erlangt hat. In diesem Sinne betont auch J. das Scheitern am Gebot. Zugleich wirft der Hinweis, die Offenbarung führe nicht mit repressiver Anklage, sondern durch Gnade zur Umkehr, die Frage auf, inwiefern das Gebot ein Gebot der Gnade sei. Wäre hier nicht eine Kognition der Glaubenden wesentlich? Mit derartigen Fragen steht und fällt auch das apologetische Anliegen des Buches, da J. interne Konsistenz für die entscheidende apologetische Tugend hält.