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Ausgabe:

Januar/2011

Spalte:

54-56

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Klaiber, Walter

Titel/Untertitel:

Der Römerbrief.

Verlag:

Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 2009. 320 S. 8° = Die Botschaft des Neuen Testaments. Kart. EUR 19,90. ISBN 978-3-7887-2378-1.

Rezensent:

Eduard Lohse

Mit diesem Band wird eine neue Kommentarreihe eingeführt. Sie soll der wichtigen Aufgabe dienen, das Neue Testament für Leser auszulegen, die selbst keine griechischen Sprachkenntnisse haben und keine Theologen sind, insbesondere für Lehrer und Lehrerinnen. Dieses Vorhaben wird im Vorwort, das diesem Buch voran­gestellt ist, präzise erläutert und dann in der Erklärung des Rö­- merbriefs auf das Beste gestaltet. Die kurz gefassten Leitlinien be­schreiben des Näheren, worum es geht: Der Ausleger ist gehalten, konsequent die Botschaft heraus­zuarbeiten, die der Verfasser der jeweiligen neutestamentlichen Schrift weitergeben wollte. Dabei soll die Erklärung dicht am Text bleiben und da, wo es geboten ist, wichtige Beobachtungen am Urtext sowie die Bedeutung leitender Begriffe erläutern. Die Ergebnisse der Bibelwissenschaft sollen für die Erklärung fruchtbar gemacht werden. Dadurch soll der Leser zur eigenen Meinungsbildung angeregt werden. Kurzum, die Auslegung soll allgemeinverständlich formuliert werden, »ohne das Niveau der Reflexion zu beeinträchtigen« (5).
Es war eine überzeugende Entscheidung, diese neue Reihe mit dem Römerbrief zu eröffnen. Denn dieser Schrift kommt eine zentrale Stellung innerhalb des Neuen Testaments zu, aber sie bereitet auch dem heutigen Leser nicht geringe Verstehensschwierigkeiten. Wird er aber mit der Botschaft des Römerbriefs vertraut, hat er auch Zugang zur Botschaft des ganzen Neuen Testaments gewonnen.
Dem Vf. des Bandes ist es auf das Beste gelungen, der gestellten Aufgabe vorbildlich zu entsprechen. Dabei kommt ihm sowohl die gründliche wissenschaftliche Bildung zustatten, die er in einem langen Theologenleben gewonnen hat, wie auch die reiche pastorale Erfahrung aus langjährigem Dienst als Pfarrer und als Bischof der evangelisch-methodistischen Kirche. Die gelehrte Forschung zum Römerbrief ist ihm auf das Beste vertraut, so dass er deren Ertrag einer weiten Leserschaft in verständlicher Sprache weiterzugeben weiß. Der Kommentar kann fortlaufend gelesen werden, ohne dass zu befürchten wäre, man könnte sich im Geflecht zu komplizierter Ausführungen verlieren. In straff durchgeführter Erklärung wird jeweils zuerst der auszulegende Abschnitt übersetzt und seine Thematik bestimmt. Die Auslegung geht dann stets genau am Gedankengang des Apostels entlang und macht jeweils auf besonders zu beachtende Begriffe aufmerksam. Die fortlaufende Kommentierung wird nicht durch Exkurse unterbrochen. Wo ein wichtiger Begriff zum ersten Mal auftaucht, wird er in seiner grundsätzlichen Bedeutung erklärt, so dass später auf diese Erläuterung verwiesen werden kann. Dem Leser ist dabei besonders nützlich, dass am Ende des Bandes ein Register wichtiger Begriffe steht. Mit dessen Hilfe lässt sich rasch auffinden, wo der einzelne Begriff genauer bestimmt wird.
Am Schluss der Auslegung jedes Abschnitts wird noch einmal eine kurze Zusammenfassung des Gedankengangs gegeben, um den Ertrag der Kommentierung in das Verständnis des ganzen Briefes einzuführen. Und am Ende des Bandes wird eine Zusam­menfassung der Botschaft des ganzen Römerbriefs vorgenommen. Dabei wird zunächst darauf geachtet, was der Apostel den Lesern seiner Zeit hat sagen wollen. Dann aber wird der Blick weiter gefasst, die Wirkung des Briefes in der Geschichte der Christenheit in knapper Übersicht skizziert und zuletzt mit wenigen Hinweisen die Bedeutung der Botschaft heute beschrieben.
Die Auslegung wird in straffer und konzentrierter Gedankenführung vorgenommen. Dabei wird immer wieder an einzelnen Beispielen darauf hingewiesen, wo auf Ergebnisse, aber auch Probleme der Bibelwissenschaft besonders zu achten ist. Zu wichtigen Stellen wird auch angezeigt, wo in der Forschung unterschiedliche Auffassungen vertreten werden (so z. B. drei unterschiedliche Er­klärungen der Begriffsverbindung »Werke des Gesetzes«, 55). Auch wird angezeigt, wo in der handschriftlichen Überlieferung des Textes unterschiedliche Fassungen überliefert sind, zwischen denen bisweilen nur schwer eine endgültige Entscheidung getroffen werden kann (so z. B. zu 5,1 [82] oder zu 9,4 [167]). Der Leser gewinnt auf diese Weise Einblicke in die Arbeit der Bibelwissenschaft und kann sich ein Bild machen, was gelehrte Forschung zu leisten vermag und wo sie noch vor offenen Fragen steht.
Der Kommentar arbeitet heraus, von welchen Leitmotiven der weit ausholende Gedankengang des Römerbriefs bestimmt ist. Dabei wird der frohe Klang des Evangeliums deutlich hervorgehoben, indem die Botschaft von Gottes Barmherzigkeit in ihrer grundsätzlichen Bedeutung ins Zentrum der Erklärung gerückt wird. Die Überschriften zu den großen Zusammenhängen des Römerbriefs lauten daher: »Gottes Ja gilt allen Menschen«, »Gottes Ja zu Israel ist unwiderruflich«, »Ein Ja zu den anderen finden«. Wie ein roter Faden zieht sich die Theologie der Rechtfertigung durch die Erklärung aller Abschnitte des Briefes. Dabei wird die reformatorische Erkenntnis von der Rechtfertigung als dem zentralen Inhalt des Evangeliums aufs Neue zum Klingen gebracht. Nicht nur im Blick auf den getrosten Glauben des einzelnen Christen, sondern auch in Hinsicht auf das Geschick Israels gilt die zentrale Bedeutung des Zuspruchs »der Rechtfertigung ohne Werke des Gesetzes allein aus Glauben« (300; vgl. auch die Hinweise im Be­griffsregister).
Von Anfang an wird in dieser Auslegung ein kräftiger missionarischer Impuls verfolgt. Gilt diese missionarische Ausrichtung grundsätzlich, so wird sie im Römerbrief auch konkret, indem Paulus im Schlussteil den Christen in Rom eröffnet, dass er nach seinem Besuch in der Hauptstadt des Reiches zur Mission nach Spanien aufbrechen will und für dieses Vorhaben die Unterstützung der Leser gewinnen möchte. Der Kommentar verschweigt nicht, wo die Christenheit den Worten des Apostels nicht gefolgt ist und schwere Schuld auf sich geladen hat: durch »Überheblichkeit der Kirche aus den Heidenvölkern über Judentum und jüdische Menschen« (199), aber auch durch falsches Verständnis »von der Rolle staatlicher Autorität« (227 zu Röm 13).
Die Leser werden somit zum kritischen Mitdenken und eigener Urteilsbildung angeregt und instandgesetzt. Dem Vf. gebührt hohe Anerkennung und reicher Dank für diesen trefflich gelungenen Kommentar, den man vielen aufmerksamen Lesern gern in die Hand legen möchte.