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Ausgabe:

Januar/2011

Spalte:

42-44

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Leuchter, Mark, and Klaus-Peter Adam [Eds.]

Titel/Untertitel:

Soundings in Kings. Perspectives and Methods in Contemporary Scholarship.

Verlag:

Minneapolis: Fortress Press 2010. IX, 219 S. gr.8°. Kart. US$ 32,00. ISBN 978-0-8006-9716-7.

Rezensent:

Otto Kaiser

Einen Sammelband, der mit verschiedenen Methoden verschiedene Themen des Buches der Könige bearbeitet, auf begrenztem Raum anzuzeigen, stellt den Rezensenten vor eine fast unlösbare Schwierigkeit. Denn er muss zwischen der Scylla der Reduktion seines Referats auf die vertretenen Thesen und der Charybdis kritischer Randbemerkungen einen Mittelweg suchen, der in jedem Fall unbefriedigend bleibt. So sei hier der Vergleich mit einem Vorspiel von Junioren der Meisterklasse über eine komplizierte Partitur gewählt, bei dem jeder der sechs Violinisten ein begrenztes oder übergreifendes Motiv variiert.
Sehen wir uns die Beiträge an: Philippe Hugo, Text and Literary History. The Case of 1 Kings 19 (MT and LXX) (15–34) kommt zu dem Ergebnis, dass die LXX den älteren, MT den jüngeren Text bietet. Das entspricht seiner Studie über 1Kön 17–18, OBO 217, 2006, und der seines Meisters Adrian Schenker, vgl. z. B. OBO 199, 2004. Eigentlich hätte Michael Pietsch (nachträglich, denn die Vorträge wurden 2007 gehalten) auf seinen Aufsatz in ZAW 119, 2007, 39–58, verweisen können, der am Beispiel von 2Kön 22–23 diese Hypothese in Frage stellt, aber dazu bietet der Band keinen Raum. Stattdessen wird Pietsch in seinem an dritter Stelle platzierten Aufsatz »Prophetess of Doom: Hermeneutical Reflections on the Huldah Oracle (2 Kings 22)«, (71–80) aus rhetorischen Gründen das Orakel in 2Kön 22,11–20 für eine Einheit erklären und das bewährte redaktionskritische Kriterium der Wie­deraufnahme für in diesem Fall ungültig er­- klären, was den Rezensenten nicht überzeugt, der ihm aber gern darin zu­stimmt, dass das Orakel jedenfalls eine nachträgliche Begründung für die Katastrophe des Jahre 587 liefert. Redaktionsgeschichtlich und zu­gleich den Blick auf die entsprechenden assy­rischen und ba­bylo­nischen Urkunden werfend argumentiert Klaus-Peter Adam. Er er­gänzt in seinem Beitrag »Warfare and Treaty­ Formulars in the Background of Kings« (35–68) die These von Alfred Jepsen über die synchronistische Königschronik dahingehend, dass sie prodynastisch gesinnt war und ursprünglich ohne alle Schuldzuweisungen die Sicherung des Reiches der Davididen gegen das nördliche Nachbarreich zum Thema hatte. Überzeugend ist die holistisch angelegte Studie von Jeremy Schipper über die dy­nas-tische Heimsuchung nach dem 7er-, 3er- und 4er-Schema (vgl. z.B. Ex 20,5 par) »Hezekiah, Manasseh and Dynastic of Transgenera­tional Punis­hment« (81–105), solange sie sich auf den Nachweis der Anwendung dieses Schemas in Sam und Kön be­schränkt. Sowie sie historisch oder gar redaktionsgeschichtlich argumentiert, löst sie das Kopfschütteln des Fachmanns aus. Gerade deshalb ist sie als Beispiel für die positive Bedeutung und die Grenzen des Zugangs beachtenswert. Jeffrey C. Geoghegan sucht in »The Redaction of Kings and Priestly Authority in Jerusalem« (109–118) zu zeigen, dass die Verwendung der Formel »bis auf diesen Tag« auf eine Vereinheitlichung der Traditionen in Dtn–2Kön hinweise, als deren Träger er Leviten aus dem ehemaligen Nordreich betrachtet. Aus ihren Kreisen stamme das zur Zeit Josias entdeckte Gesetzbuch und der Verfasser des DtrG, der die rivalisierenden Tendenzen ausgeglichen hätte, womit bereits gesagt ist, dass seine Quellen ihre eigene Vorgeschichte besaßen, so wie es selbst eine Nachgeschichte haben sollte. Mit seiner auf Albrecht Alt zurückgehenden Grundthese von der Herkunft des Dtn aus dem Nordreich steht der Beitrag einigermaßen isoliert in der gegenwärtigen Forschungslandschaft. Das aliquid veritatis bleibt jedoch zu bedenken. Leicht macht es der Beitrag von Mark Leuchter »The Sociolinguistic and Rhetorical Implications of Source Citations in Kings« (119–134). Von seiner Aufgabenstellung her kann er die Frage nach der Existenz der drei im Buche zitierten Quellen auf sich beruhen lassen. Stattdessen erscheinen die Rück­verweise auf sie als Legitimation des nachjosianischen Autors/Re­-daktors der Königebücher, der die Perspektiven der Oberschicht des judäischen Landadels und der aus dem Nordreich kommenden Immigranten zu einer neuen Identität vereinigen wollte. Damit hat er das Textbuch für die Chronik und die Ideen für das Esra-Nehemiabuch, die jüdischen und christlichen Erwartungen des Reiches Gottes und die Integration der Weisheitsbücher als salomonischer Schriften in den im Werden begriffenen Kanon vorbereitet. Die hier vorgeführte Methode ist als eine willkommene Erweiterung des Me­thodenkanons der bib­lischen Forschung zu begrüßen.
Anschließend nimmt Altmeister Graeme Auld in »Re­s­ponse. Kings without Privilege« (135–141) seine Violine, um die Melodie der Ableitung des Königsbuches und der Chronik aus ihrer ge­meinsamen Quelle, dem exilischen Book(s) of the Two Houses (vgl. Auld 1994 und 2004), anzuspielen und zu erklären, dass das Vorgetragene sich in seine im Einzelnen variable Theorie integrieren lasse. Mit Recht merkt er an, dass die Frage nach dem ältesten Text bei den Studien über das Königsbuch nicht vernachlässigt werden darf. Doch dann gibt der heimliche Konzertmeister Mark Leuchter in seinen »Closing Remarks« (143–146) ein Nachspiel, in dem er feststellt, dass das Buch der Könige kein Geschichtswerk, sondern eine ideologische Erklärung der Geschichte sei, sich der redaktionskri­tische Ansatz bewährt habe und die Annahme begrenzter redak­tioneller Schichten wie z. B. die der Prophetenerzählungen den Aus­gangspunkt der Untersuchung darstellen müsse. Diese Bearbeitung habe durch ihre Anspielungen auf Texte des Corpus Prophe­ticum eine protokanonische Verbindung zwischen den beiden ersten Teilen der Hebräischen Bibel hergestellt, das Buch selbst aber eine bleibende Bedeutung für die messianischen Erwartungen besessen.
Formal ist der Band in ein Vorwort, eine Einleitung von Mark Leuchter und Klaus-Peter Adam (1–11) und etwas gezwungen in die drei Teile »Sources and Transmission« (14–68) »Prophecy and Redaction« (69–105) und »Authors and Audiences« (107–134) gegliedert. Die nötigen Verzeichnisse, Anmerkungen und Register runden den mit seinen Thesen die Forschergemeinschaft provozierenden und damit seinen Zweck erfüllenden Band ab (147–219).