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Ausgabe:

Januar/2011

Spalte:

38-42

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Kübel, Paul

Titel/Untertitel:

Metamorphosen der Paradieserzählung.

Verlag:

Fribourg: Academic Press; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2007. X, 238 S. gr.8° = Orbis Biblicus et Orientalis, 231. Geb. EUR 54,90. ISBN 978-3-7278-1605-5 (Academic Press); 978-3-525-53030-6 (Vandenhoeck & Ruprecht).

Rezensent:

Michaela Bauks

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Giovino, Mariana: The Assyrian Sacred Tree. A History of Interpretations. Fribourg: Academic Press Fribourg; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2007. VIII, 242 S. u. 107 Abb. im Anhang. gr.8° = Orbis Biblicus et Orientalis, 230. Geb. EUR 72,90. ISBN 978-3-7278-1602-4 (Academic Press Fribourg); 978-3-525-53028-3 (Vandenhoeck & Ruprecht).
Mettinger, Tryggve N. D.: The Eden Narrative. A Literary and Religio-Historical Study of Genesis 2–3. Winona Lake: Eisenbrauns 2007. XVIII, 164 S. gr.8°. Geb. $ 29,50. ISBN 978-1-57506-141-2.


Angesichts des mangelnden Konsenses bezüglich der literargeschichtlichen Zuordnung von Gen 2–3 lassen sich die aktuellen Entwürfe theologisch positionieren zwischen der Einschätzung, dass es hier um den urzeitlichen Ungehorsam des Menschen und seine Bestrafung geht, bis hin zu einem von Ambivalenz gezeichneten Verständnis, das der prälapsarischen Naivität postlapsarische Erkenntnis gegenüberstellt. Literarisch liegen sowohl redaktionskritische als auch überlieferungsgeschichtlich argumentierende, an der Einheitlichkeit der Erzählung festhaltende Entwürfe vor.
Paul Kübel vertritt eine literarkritische Lösung, deren Argumentation bei den zwei Bäumen im Garten sowie der undurchsichtigen Verbindung der Themen Schöpfung und Verbotsübertretung ansetzt (1). Ausgehend von Wellhausens Äußerung, dass mit Gut und Böse »keine Entgegensetzung der Handlungen nach ihren sittlichen Unterschieden beabsichtigt, sondern eine Zusammenfassung der Dinge nach ihren zwei polaren Eigenschaften, wonach sie den Menschen interessieren, ihm nützen oder schaden« (11), kommt er zu seiner theologischen Bestimmung. Eine ursprünglich moralisierende oder an menschlicher Sexualität orientierte Intention schließt er ausdrücklich aus (s. auch 51–53). Im Zuge der Untersuchung der literarischen Genese der Erzählung wendet er sich literarkritischen, überlieferungsgeschichtlichen wie auch strukturalistischen Modellen zu, um zu dem Schluss zu kommen, dass auf der Basis von O. H. Stecks Entwurf nicht etwa von einer aus zwei thematischen Strängen komponierten Erzählung auszugehen sei, sondern ein Erzählsubstrat, eine »Paradiesgeschichte«, vorauszusetzen ist, die inhaltlich einige Nähe mit Ez 28,12–19 aufweist und ursprünglich auf die Figur des Mannes fokussiert ist (23 f.35 f.70).
Allerdings ist die biblische Erzählung, die sich aus dieser Paradiesgeschichte entwickelt hat, s. E. nicht das Produkt einer mündlichen Überlieferungsgeschichte, sondern lässt durchaus Rück­schlüsse auf den literarischen Entstehungsprozess zu. Als wichtiges Argument führt er die zwei Bäume an, denen Steck noch keine ausreichende Bedeutung beigemessen habe (37). Eine gewisse Sympathie für den Ansatz H. Pfeiffers wird erkennbar, weil dieser die »Frage nach dem ›literarische[n] Grundbestand‹ weiter[führt] durch die nach dem ›überlieferungsgeschichtliche[n] Substrat der Paradieserzählung‹« (50) und neben den literarkritischen auch traditions- und religionsgeschichtlichen Überlegungen breiten Raum gibt. So plädiert Kübel angesichts der zwei verschiedenen Bäume, von denen lediglich der eine für die Handlung Bedeutung hat, dass der zweite Baum ein Nachtrag sei (67). Allerdings handelt es sich mit der sekundären Ergänzung nicht – wie zumeist angenommen (s. auch Pfeiffer) – um den Baum des Lebens, den er für den ur­sprünglichen Baum der alten Paradiesgeschichte hält. Er entfaltet seine These anhand des mesopotamischen Materials (bes. Gilga­mesch-Epo s, Taf. XI).
Der Schlüssel der Erzählung liegt s. E. im ätiologischen Mythos von der Verjüngung der Schlange (75 ff.). In Gen 3 kommt ihr jedoch eine etwas andere Funktion zu, da sie den Menschen an ihrem Wissen um die Verjüngung partizipieren lässt. Gen 3,4 f. besage nämlich: »Ihr werdet nicht sterben (sondern euch verjüngen) und erkennen, was (dafür) gut ist« (80 f.). Somit tut die Schlange als göttliches Wesen göttliches Wissen kund. Ähnlich steht es um das Wortspiel von nackt und klug, das – wenn man es als Anspielung auf die Doppeleigenschaft der Schlange bezieht – der Frau vortäuscht, dass sie durch den Genuss wie die Schlange werde, um letztlich aber nur ihre Nacktheit zu erkennen (83). Die Klugheit der Schlange besteht darin, sich häuten und verjüngen zu können. Das Wissen um Gut und Böse bezöge sich demnach darauf, das Leben verlängern zu können und nicht sterben zu müssen.
Das Motiv des verbotenen Baums identifiziert Kübel mit der altorientalischen Vorstellung vom sakralen Baum, der entweder eine nährende Göttin oder einen königlichen Gott verkörpert. Dass ein solcher Baum in 1Kön 6,29–35 von Keruben flankiert wird, entspricht s. E. dem Gehalt von 3,24, demzufolge Keruben den Baum bewachen sollen, damit der vertriebene Mensch nicht weiterhin von dem Baum essen (3,22) bzw. sich ihm nähern könne, um so sein Leben wieder und wieder zu verlängern (3,3; vgl. 96 f.).
Ausgehend von diesem Motivfeld weist Kübel 2,8*.9*.16 f.* und 3,1–14.22*.24 der ursprünglich selbständigen Paradiesgeschichte zu, die seiner Ansicht nach aus vordeuteronomistischer Zeit stammt (100–102). Diese Geschichte durchläuft im Zuge eines komplizierten Redaktionsprozesses mehrere »Metamor­phosen«. An dieser Stelle greift er auf H.-P. Müller zurück (163 ff.), der bereits vor ihm die Bedeutungsvielfalt von Gen 2–3 als Sequenz von Umdeutungen erklärt hat, im Zuge derer der Erkenntnis von Gut und Böse besondere Bedeutung zukommt. Auf dem Weg von der Paradies geschichte zur -erzählung ereignen sich nach Kübel mehrere »Überschreibungen« (147), von denen die erste bei der Verwendung der Baummotivik nicht mehr den König und seine Vertreibung wegen Hybris ins Zentrum stellt (vgl. Ez 28). In der deuteronomistisch geprägten ersten Redaktion gehe es vielmehr um den Fluch des Bauern als Folge der Verehrung einer Fruchtbarkeit verkörpernden Baumgöttin, die nach der Kultzentralisierung mit dem JHWH-Kult nicht mehr vereinbar war (bes. 2,8*.17*; 3,17–18*; 148 ff.). Daraufhin folgen Reflexionen zu »Gesetz und Ge­horsam«. An die Paarstruktur von zwei Verboten und zwei Strafen werde sodann ein schöpfungstheologischer Rahmen (2,4–6; 3,23) und ein redaktioneller Zusatz zugefügt, der Gen 2 mit Gen 1 verbindet. Damit gehen eine Reihe kleinerer Ergänzungen bzw. Umdeutungen von Motiven einher wie der Frau, der Schlange und des Baums der Erkenntnis (2,7.10–14.18–23; 3,10.14–19 sowie 2,9.17; 3,1), deren genauer Redaktionsprozess jedoch nicht mehr zu rekonstruieren sei. Spätestens durch den Zusatz dieses schöpfungstheologischen Rahmens werde der Ambivalenzcharakter, der die Erzählung beherrscht, eingetragen. Auch die Rede von Nacktheit, Scham, Bekleidung könnte in einem späteren Stadium um eine weitere, nun doch auf die zwischengeschlechtliche Gemeinschaft abzielende Lesart ergänzt worden sein (160 f.). Kübel führt hier den Terminus technicus des amphibolischen Lesens ein, d. h. dass divergente theologische Verständnisformen nebeneinander belassen wurden und somit im kanonischen Endtext wichtige Positionen der theologischen Entwicklungen in Israel widerspiegeln (167). In einem umfangreichen Exkursteil (169–216) weist Kübel auf eine Reihe zumeist traditionsgeschichtlicher Beobachtungen hin, die seine Thesen hier und da noch illustrieren.
Äußerst interessant und überlegenswert ist die These, dass dem Baum des Lebens traditionsgeschichtlich Priorität einzuräumen ist. Nicht nur bildet er das religionsgeschichtlich fundiertere Motiv, auch fasst er – allein schon über die Parallelbelege in Prov – die göttlichen Eigenschaften von Unsterblichkeit und Weisheit zusammen. Ebenso bedenkenswert ist die Wiederaufnahme der Steckschen Be­obachtung, dass der (bei ihm als Einheit komponierten) Paradies­erzählung eine Paradiesgeschichte vorausgeht, die noch nicht sämt­-liche in der Erzählung gegenwärtigen Motive umfasst hat. Schon die Stecksche Analyse hat bei aller Einheitlichkeit mit überlieferungsgeschichtlich verankerten Zusätzen ge­rechnet. Kübel bemüht sich, diese präziser zu erfassen und literargeschichtlich wie theologisch zu verorten. Er gesteht bereitwillig den hypothetischen Zug seines Un­terfangens ein und belässt es bei einem Minimum redaktionsgeschichtlicher Zuweisungen. Dabei fallen manche Argu­mentationen sehr knapp aus und setzen so den häufig mit den glei- chen Be­obachtungen argumentierenden, aber zu anderen Schlüssen kom­menden »Gegenkonzepten« zu wenig entgegen. Methodisch stellt sich deshalb die Frage, ob die beigebrachten Argumente für eine redaktionskritische Analyse hinreichend sind oder ob sie nicht ebenso auch für ein im Ganzen überlieferungsgeschichtlich argumentierendes Mo­dell verwendet werden können, da die in beiden Fällen üblicherweise recht präzisen Verszuweisungen eine methodische Unterscheidung erschweren (s. u. Mettinger).
Um die Bäume des Gartens Eden geht es aus kunstgeschichtlicher und assyriologischer Sicht auch in der zweiten hier vorzustellenden Studie. Mariana Giovino widmet sich einem Motiv, das in der englischsprachigen Literatur unter dem Stichwort »Heiliger Baum« (»Sacred Tree«) und in der deutschsprachigen zumeist unter der Bezeichnung »Lebensbaum« behandelt worden ist. Sie geht ihm auf der materialen Basis von etwa 100 ikonographischen Belegen des Alten Orients unter besonderer Berücksichtigung des assyrischen Materials (bes. Nimrud, Khorsabad, aber auch Mari) nach. Die Arbeit ist weitgehend forschungsgeschichtlich angelegt und stellt die drei großen Interpretationslinien seit dem 19. Jh. dar, um am Ende zu einer vorsichtigen Zuordnung des Motivs zu kommen, dessen mythologischem Aussagegehalt sie nur am Rande ihrer ikonographischen Ausführungen nachgeht. Textquellen, die die eigent­liche Funktion erhellen könnten, fehlen weitgehend. Die drei Interpretationslinien benennt sie wie folgt: 1. In Anlehnung an Gen 2–3 geht es um die Lebensbaum- oder Weltbaummotivik (kiškānû). 2. Der heilige Baum ist eine durch Genien besonders fruchtbar bereitete Dattelpalme. 3. Der heilige Baum ist die kunstgeschichtlich verankerte Darstellungskonvention eines Kultobjekts – dieser Option spricht Giovino selbst zu.
Während in der Forschungsgeschichte vor allem die Frage be­handelt wird, welche Baumart (Dattelpalme oder Zeder) sich hinter dem Motiv verbirgt oder ob es sich eher um ein Kultobjekt in Form einer stilisierten Kompositpflanze handelt, hält Giovino diese Überlegungen für einen Nebenschauplatz, deren Kern auf die eigentliche Sachfrage nach der Beschaffenheit des Kultobjekts, seines angestammten Ortes und seines Aussagegehalts als Substitut (Kultstatue des Gottes Assur u. a.) zuläuft. Methodisch bedient sie sich der Unterscheidung E. Panofskis zwischen vorikonographischer Beschreibung und deren tatsachenhafter Bedeutung, ikonographischer Analyse und deren konventionaler Bedeutung bis hin zur ikonologischen Interpretation. Zweifelsohne bedeutsam ist dabei die Untersuchung des Bildfeldes der jeweiligen Darstellung, zu dem neben dem Baummotiv Figuren wie Genien, Keruben, Apkallu, bestimmte Tiere oder aber Zapfen und andere Objekte gehören. Aufgrund der Bildkonstellation wird zumeist auf eine Fruchtbarkeits-, Fürsprecher- oder Schutzfunktion geschlossen.
Wenn die – uns in diesem Kontext interessierende – Lebensbauminterpretation Giovino auch nicht überzeugt hat, so ist sie dennoch ausführlich dargestellt (Kapitel 1; 5; 12–14). Ausgehend von A. H. Layard, G. Rawlinson und A. H. Sayce rekonstruiert sie (13–16) das Verhältnis von ikonographisch belegten stilisierten Bäumen und isolierten literarischen Hinweisen auf einen in Eridu befindlichen kiškānû-Baum, der in Verbindung mit dingiredin »der göttlichen Herrin von Eden«, genannt ist (vgl. CT 16,46). Die Lokalisierung des (biblischen) Paradieses im Süden Mesopotamiens war somit geboren und wurde zuletzt von S. Parpola (JNES 52, 1993, 161–208) neu aufgelegt (21 f.). Eine weitere Anleihe an Gen 2–3 wie vor allem an Ez 1,4–21 und 10,8–22 findet sich im weiteren Bildkontext in dem Nebeneinander von (Lebens-)Baum und Genien bzw. geflügelten Stieren oder Löwen benannt als kurῑbu, und der möglichen etymologischen Verwandtschaft mit hebr. kerûb (A. H. Layard, F. Lenormant). W. H. Ward bezieht die Motivik des heiligen Baums nicht allein auf den biblischen Lebensbaum, sondern koppelt ihn zugleich an den Baum der Erkenntnis, um ihn näher als »Schick­-salsbaum« nach Art einer fruchtbaren Dattelpalme zu qualifizieren, von dem einigen Siegeln nach ein vogelköpfiges Mischwesen (apkallu) Früchte pflückt (130–134). Das Verständnis wurde im Baum der Fülle (tree of abundance) von W. G. Lambert und B. Porter aufgenommen. Eine Deutung, die den heiligen Baum zwischen die Lebensbaummotivik und die des Kultobjekts zur Präsentation göttlicher Macht stellt, ist die vom Erdmittelpunkt (Omphalos), der den Kosmos unterhält und stabilisiert (150–155).
Die Arbeit präsentiert eine beeindruckende Zusammenstellung der Auslegungsgeschichte eines zentralen Begriffs bzw. Motivs assyriologischer Forschung. Mit der Auswertung der Ergebnisse werden die Leser allerdings weitgehend allein zurück gelassen.
Auch in der Studie von Tryggve N. D. Mettinger kommt den beiden Bäumen zentrale Bedeutung zu. Mettinger verteidigt aber gegen die meisten vorangehenden exegetischen Entwürfe ihr ursprüngliches Parallelvorkommen in Gen 2–3: Der Baum des Lebens und der Baum der Erkenntnis symbolisieren Unsterblichkeit und Weisheit, zwei Entitäten, die in der mesopotamischen Literatur wiederholt als göttliche Prärogative nebeneinander stehen und den statusmäßigen Unterschied von Göttern und Menschen definieren. Die narratologische Untersuchung, der er auf der Basis der Studie von T. Stordalen unternimmt, führt ihn zu der Überzeugung, dass es sich um eine einheitliche Erzählung handelt, die er zwei Leitfragen unterstellt: Welches Thema hat die »Edenerzählung«? Hat es zu dieser Erzählung von der Vertreibung des ersten Menschen aus dem Garten ( the adamic myth) eine Vorfassung gegeben, die ein Licht auf die (verändert) vorliegende Fassung der Erzählung wirft? Als zentrales Thema der Erzählung bestimmt er das Testmotiv, welches aus der deuteronomistischen Literatur (Dtn 8), Gen 22 und Hiob 1–2 bekannt ist (49–58). Gott gibt dem Menschen eine Anweisung, die ihn in radikaler Weise mit der Frage von Gehorsam bzw. Ungehorsam gegenüber Gott sowie den Folgen im Falle des Ungehorsams konfrontiert. Während der Baum der Erkenntnis als der »Testfall« fungiert, stellt der zweite Baum des Lebens die Belohnung in Aussicht (124). Die Erzählung impliziert eine Ätiologie für den Verlust des Gartens (60–62). Ihre Gattung ist aber besser als Mythos zu bestimmen, der mit übernatürlichen Vorgängen zu tun hat, und in einer nicht weiter bestimmten Zeit an einem unbestimmten Ort spielt (68 f.) mit der sozialen Funk tion, in nachexilischer Zeit die Unbedingtheit deuteronomis­tischer Bundestheologie herauszustellen (71 f. mit Rückgriff auf E. Otto). Wenn Gen 2–3 literargeschichtlich so spät verortet ist, stellt sich die Frage nach vorausgehenden Traditionen. Diese setzt er neben dem Adapa-Mythos und dem Gilgameš-Epos in Ez 28 und Hiob 15,7 voraus. Denn auch hier geht es um den Adamsmythos und die Sünde durch Hybris, die Auseinandersetzung mit dem Streben nach Weisheit und Unsterblichkeit und letztlich um die Vertreibung. Dieses Grundmuster reichert die deuteronomistisch theologische Vorgabe an und bildet das Grundgerüst für die Eden­erzählung. Die mesopotamischen Vorläufer unterscheiden sich von den biblischen darin, dass hier – ähnlich wie im Proverbienbuch – Weisheit ein göttliches Geschenk ist und lediglich Unsterblichkeit zu erstreiten ist. Darin bildet Gen 2–3 ein Unikum bzw. wird dem deuteronomistischen Gehorsamsideal untergeordnet. Bei Ungehorsam erhält der Mensch Weisheit, aber nicht Unsterblichkeit. Im Falle von Gehorsam hätte er beides erhalten (129 f.).
Zuletzt geht Mettinger auch auf die Doppeldeutigkeit des To­desmotivs ein: Einerseits ist der Mensch aus Staub, und damit sterblich, geschaffen; andererseits ist die Rede von einem Baum, der im Falle menschlichen Gehorsams den Status der Sterblichkeit in Unsterblichkeit umwandeln kann. Unsterblichkeit sieht Mettinger also als potentielle Belohnung für den Fall von Gehorsam an. Diesbezüglich bleiben allerdings Fragen offen, da die Ableitung seiner These aus dem Gilgamešmaterial strittig bleibt (s. die Debatte um begrenzte Unsterblichkeit, nämlich Verjüngung, bei Kübel). Auch die Spätdatierung von Gen 2–3 kommt einer Setzung gleich (11), die die aktuellen Diskussionen nicht weiter aufnimmt.
Der Wert aller drei Untersuchungen ist nicht zu unterschätzen. Besonders die narratologischen Beobachtungen der beiden exege­tischen Studien sind von Interesse, da sie einige neue Anregungen für die Diskussion um die Einheitlichkeit der Erzählung bieten. Die Bestimmung der Bäume und ihrer zentralen erzählerischen sowie theologischen Funktion zeigt, dass die weitgehend akzeptierte literarkritische Heraustrennung des Lebensbaumes nicht nur aus traditionsgeschichtlichen Erwägungen, sondern auch aus kompositionellen Gründen neu und kritisch zu hinterfragen ist.