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Ausgabe:

Januar/2011

Spalte:

37-38

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

[Köckert, Matthias]

Titel/Untertitel:

Die Erzväter in der biblischen Tradition. Festschrift für Matthias Köckert. Hrsg. v. A. C. Hagedorn u. H. Pfeiffer.

Verlag:

Berlin-New York: de Gruyter 2009. X, 379 S. m. 1 Porträt. gr.8° = Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft, 400. Lw. EUR 99,95. ISBN 978-3-11-020978-5.

Rezensent:

Irmtraud Fischer

Diese Festschrift für den Berliner Alttestamentler Matthias Köckert ehrt mit ihrem thematischen Fokus dessen wissenschaftliches Lebenswerk, das durch seine noch unter widrigen politischen Umständen verfasste und 1988 erschienene Monographie »Vätergott und Väterverheißungen« geprägt war und in einem Kommentar zum Textkomplex ihre Fortsetzung finden wird. 18 Beiträge von Kollegen und Schülern (Karin Schöpflin ist als einzige Frau mit einem Beitrag zu Gen 18,16 ff. als schriftgelehrtem Text, der Abraham im Licht prophetischer Mittlerschaft sieht, vertreten) widmen Köckert Beiträge vor allem zu Texten über die Erzeltern in der Genesis, aber auch zu (meist biblischen) Texten, die Figuren bzw. Motive derselben aufgreifen:
Volkert Haas bespricht Texte um Ruinenstätten (Gen 19) in der hethitischen und akkadischen Literatur und erhellt den Motivzusammenhang von Zerstörung und Bestrafung in außerbiblischen Dokumenten. Jan Christian Gertz geht der alten und aufgrund seiner Schwierigkeit ewig neuen Frage nach, wo die Urgeschichte endet und wo der Beginn der Erzeltern-Erzählungen zu setzen ist, und verortet seine Beobachtungen in der aktuellen Diskussion um Eigenständigkeit und Spätdatierung der Urgeschichte. Der Preisgabeerzählung von Gen 12,10–20 in ihrer Relation zu den beiden Parallelerzählungen widmet sich Bob Becking. Dem Wechsel der Gottesbezeichungen JHWH und Elohim geht Eckart Otto nach. Er kommt zum Schluss, dass dieser für eine Literarkritik kein wirklich tragfähiges Kriterium darstelle und kippt damit wohlbegründet eines der wichtigsten Argumente im Geschäft der Quellenscheidung. Konrad Schmid fragt, ob man aus Gen 17 eine »abrahamitische Ökumene« herauslesen könne, und rührt mit seiner religionspolitischen Problemstellung an für das Gespräch mit dem Islam brisante Themen. Der Bezeichnung Abrahams als »mein Freund« in der Bibel und in der außerbiblischen Schriftauslegung, vor allem in Qumran, geht Reinhard G. Kratz nach. Welcher kulturgeschichtlicher und -anthropologischer Hintergrund zur Rivalitätsgeschichte um Jakob und Esau besteht, versucht Anselm C. Hagedorn vor allem durch die Einbeziehung griechischer Texte neu zu ergründen. Uwe Becker legt die Texte um Jakob in Bet-El und Sichem aus und erhebt die religionshistorischen Hintergründe für die Rivalität der beiden Städte nach dem Untergang Jerusalems. Der Perikope des Jakobskampfes am Jabbok geht John Barton in einem Kurzbeitrag nach, Stephen L. Mc Kenzie dem Zweck und der Herkunft der Tamarerzählung von Gen 38 im Kontext der Josephsgeschichte, wobei er vor allem an der Geschichte der Stämme in Juda interessiert ist. Ausgehend von der Geschichte um Tamar erforscht Hermann-Josef Stipp die Texte um Qedešen im Alten Testament und hält daran fest, dass diesen die Nähe zum Kult oder zur Prostitution (bzw. zu beidem) nicht abzusprechen sei, und formuliert die interessante These, dass die »sexuell aufgeladene Kultkritik im AT … in den Qedešen eine realweltliche Inspirationsquelle gefunden haben« dürfte (236). Einen Frontalangriff auf die in den letzten Jahren häufig ventilierte Forschungsannahme, dass die Erzeltern- und die Exodusgeschichte ursprünglich konkurrierende Ursprungslegenden gewesen seien, startet Hans-Christoph Schmitt und bezeichnet die These als »Irrweg der Pentateuchforschung«. Unter dem sachlich unglücklichen Titel »Sodomie in Gibea« untersucht Henrik Pfeiffer Ri 19 im Verhältnis zu Gen 19, wobei er vorrangig an der Datierung der Richterstelle interessiert ist. Dem Verhältnis der Jakobsworte in Hos 12 zu den Pentateuchüberlieferungen geht in gewohnt akribischer Manier Erhard Blum nach und kommt zum Ergebnis, dass das hoseanische Wort die Substanz der Jakobserzählung bereits voraussetzt. Markus Witte widmet sich ebenfalls der Rezeption von Pentateuchtraditionen und geht dem Jakobsbild in der Sapientia Salomonis nach, die eine Stilisierung der biblischen Figur zum exemplarischen Gerechten zeigt.
Nur zwei Beiträge sind mit dem Thema der Ursprungsgeschichten der Genesis lose verbunden: Rudolf Smend untersucht insbesondere die jüdischen Verbindungen des vor allem durch einen Genesiskommentar bis heute bedeutenden Franz Delitzsch; Otto Kaiser veröffentlicht eine Predigt über das Verhältnis der Generationen anhand von Sir 3,1–6.11–16, was insofern anrührend ist, als mit den beiden genannten Artikeln Forscher der Vätergeneration von Köckert ihren Beitrag leisten.
Die thematische Festschrift mit überaus interessanten Einzelbeiträgen ist methodisch der historisch-kritischen Forschungstradition zuzuordnen. Befremdend ist dabei die eingeschränkte Literaturkenntnis einiger Artikel, die vom wissenschaftlichen Standpunkt aus als Mangel gesehen werden muss, aber vermutlich ideologische Gründe hat: Es ist offenkundig in manchen Kreisen noch immer schick, Literatur mit gender-awareness nicht zur Kenntnis zu nehmen, selbst wenn diese dem historisch-kritischen Paradigma verpflichtet ist.