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Ausgabe:

Dezember/2010

Spalte:

1376-1381

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Boehm, Gottfried

Titel/Untertitel:

Wie Bilder Sinn erzeugen. Die Macht des Zeigens. 2. Aufl.

Verlag:

Berlin: Berlin University Press 2008. 282 S. m. Abb. 8°. Geb. EUR 34,80. ISBN 978-3-940432-00-1.

Rezensent:

Malte Dominik Krüger

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Schulz, Martin: Ordnungen der Bilder. Eine Einführung in die Bildwissenschaft. 2., überarb. u. erw. Aufl. München: Fink 2009. 221 S. m. Abb. 8°. Kart. EUR 29,90. ISBN 978-3-7705-4206-2.
Sachs-Hombach, Klaus [Hrsg.]: Bildwissenschaft. Disziplinen, Themen, Methoden. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2005 (3. Aufl. 2010). 431 S. = Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft, 1751. Kart. EUR 15,00. ISBN 978-3-518-29351-5.
Heßler, Martina, u. Dieter Mersch [Hrsg.]: Logik des Bildlichen. Zur Kritik der ikonischen Vernunft. Bielefeld: Transcript 2009. 280 S. 8° = Metabasis. Transkriptionen zwischen Literaturen, Künsten und Medien, 2. Kart. EUR 28,80. ISBN 978-3-8376-1051-2.
Ratsch, Ulrich, Stamatescu, Ion-Olimpiu, u. Philipp Stoellger [Hrsg.]: Kompetenzen der Bilder. Funktionen und Grenzen des Bildes in den Wissenschaften. Tübingen: Mohr Siebeck 2009. VIII, 354 S. m. Abb. gr.8° = Religion und Aufklärung, 16. Kart. EUR 89,00. ISBN 978-3-16-149937-1.
Hoeps, Reinhard [Hrsg.]: Handbuch der Bildtheologie. Bd. I: Bild-Konflikte. Unter Mitwirkung v. F. Bœspflug, A. De Santis, U. Franke, D. Ganz, F. Gniffke, R. Hoppe-Sailer, G. Lange, G. Larcher, Th. Lentes, W. E. Müller, J. Rauchenberger, Th. Sternberg u. A. Stock. Paderborn-München-Wien-Zürich: Schöningh 2007. 419 S. m. Abb. gr.8° = Handbuch der Bildtheologie in vier Bänden. Geb. EUR 44,90. ISBN 978-3-506-75736-4.
Hofmann, Peter, u. Andreas Matena [Hrsg.]: Christusbild. Icon + Ikone. Wege zu Theorie und Theologie des Bildes. Paderborn-München-Wien-Zürich: Schöningh 2010. 145 S. u. 20 Taf. m. Abb. gr.8° = ikon Bild + Theologie. Kart. EUR 24,90. ISBN 978-3-506-76495-9.
Scholz, Oliver R.: Bild, Darstellung, Zeichen. Philosophische Theorien bildlicher Darstellung. 3. Aufl. Frankfurt a. M.: Klostermann 2009 (2. Aufl. 2004). XII, 220 S. 8° = Klostermann RoteReihe, 1. Kart. EUR 19,80. ISBN 978-3-465-04083-5.
Zink, Markus: Theologische Bildhermeneutik. Ein kritischer Entwurf zu Gegenwartskunst und Kirche. Münster-Hamburg-London: LIT 2003. 558 S. gr.8°= Ästhetik – Theologie – Liturgik, 24. Kart. EUR 34,90. ISBN 978-3-8258-6425-5.


Die Gegenwart ist eine Kultur der Sichtbarkeit: Ob Fotografie, Fernsehen oder Computer, Illustrierte oder Wandposter – das Bild erscheint überall. Zwar gab es schon in den frühesten Zeiten der Menschheit Bilder, doch sind heute alle Bereiche des privaten und öffentlichen Lebens von Bildern geprägt. Die digitale Revolution der Medien hält ständig Bilder präsent und kann Argumente durch Bilder ersetzen. Informationen werden zunehmend visuell weitergegeben. Zeitdiagnostisch ist – nach dem »linguistic turn« und dem »pragmatic turn« – von einem »iconic turn« (Gottfried Boehm) die Rede. Der Mensch gerät als »animal symbolicum« (Ernst Cassirer) und »homo pictor« (Hans Jonas) in den Blick. Dieses Phänomen trifft auf eine Unsicherheit dem Bild gegenüber. Sie tritt vor allem in der evangelischen Theologie aufgrund ihrer Orientierung am Wort hervor – und stellt insofern eine kulturtheologische Herausforderung dar. Vor dem Hintergrund der interkonfessionellen Differenzen und der interreligiösen Konflikte um das Bild (etwa bei den Mohammed-Karikaturen in Dänemark) erscheint die theologische Arbeit am Bildbegriff sinnvoll. Auch interdisziplinär erneuert die Bildthematik – von den neuesten bildgebenden Verfahren der Medizin über die Bildmodelle der Naturwissenschaften bis hin zu den Bildbetrachtungen der Kunstgeschichte – den alten Zusam­menhang akademischer Fächer. Unter den momentan zahlreich erscheinenden Publikationen zu der Bildtheorie und Bildtheologie sind beachtliche Beiträge. Es gibt 1. Einführungen und Sammelbände, die den Horizont der Bildthematik aufscheinen lassen. Es gibt 2. monographische Einzelstudien, die einen eigenständigen Entwurf zu der Bildthematik ausarbeiten. Insgesamt erlaubt dies 3. eine Zwischenbilanz.
1. Zu der ersten Gruppe gehört die Publikation »Ordnungen der Bilder« des Medientheoretikers und Kunsthistorikers Martin Schulz (Karlsruhe). Sie bietet eine gut lesbare Orientierung über den gegenwärtigen Stand der Bildwissenschaft, die man an Genauigkeit und Tiefe sicher hätte noch steigern können. Doch dies dürfte ein gleichsam natürliches Problem einer Einführung sein – und spricht nicht gegen die vorgelegte Publikation. Unter dem an Michel Foucault angelehnten Titel »Ordnungen der Bilder« werden die kunstgeschichtlichen (29–78), philosophischen (79–117), me­dientheoretischen (118–171) und körpertheoretischen (173–209) Bilddiskurse dargestellt. Damit ist schon angedeutet, dass nach Schulz die Bildwissenschaft keine »neue Superdisziplin« (9.209) ist, sondern eine »transdisziplinäre Fragestellung und dynamische Synthese« (9) darstellt. Die Bildwissenschaft lotet im Zusammenspiel verschiedener Wissenschaften kontextsensibel aus, was unter einem Bild verstanden werden könnte. So lässt sich die Bildwissenschaft im Sinn des wiederaufzugreifenden und kontrovers diskutierten Begriffs der »Ikonologie« (14) als ein offenes, dynamisches und synthetisches Projekt verstehen. Dieser offene und synthetische Zugriff zeigt sich auch in der Studie von Schulz, die nicht bloß den gegenwärtigen Forschungsstand abbilden möchte, sondern sich als eigener Beitrag versteht (25). Die grundlegende These von Schulz besagt im Anschluss an Hans Belting: Das Bild ist in seiner Unterschiedenheit von dem Wort nur angemessen zu charakteri sieren, wenn das Bild auch als Körper und Medium besonders begriffen wird (24 f.). Vor dem Hintergrund der geschilderten Diskurse erhält diese These ihre Plausibilität. Auffällig ist eine gewisse Zurückhaltung von Schulz gegenüber dem neurowissenschaftlichen Bilddiskurs (22 f.200–209). Weiterhin ist auffällig, dass die Theologie kaum vorkommt. Unter Umständen werden ihr his­torische Kompetenzen zugetraut; weitere systematische Erwartungen scheinen kaum zu bestehen.
Unter dem Titel »Bildwissenschaft« hat der Philosoph Klaus Sachs-Hombach (Chemnitz) einen Band herausgegeben, der aus Sicht der Einzeldisziplinen das versammelt, was sie jeweils zu einer interdisziplinären Bildwissenschaft beisteuern könnten. Ausführliche Register am Schluss erleichtern die Orientierung. Der Band bietet nicht nur eine gute und kompakte Übersicht zum bildwissenschaftlichen Forschungsstand in den Einzeldisziplinen, sondern bestätigt die außertheologische Wahrnehmung: Der theo­logische Beitrag zur Bildwissenschaft wird von dem Herausgeber den historisch orientierten Bilddisziplinen zugerech-net.
Den Titel »Logik des Bildlichen« trägt ein von der Kulturhisto­rikerin Martina Heßler (Offenbach) und dem Medientheoretiker Dieter Mersch (Potsdam) publizierter Sammelband. Er wendet sich der weitgehenden »Piktoralisierung« der Naturwissenschaften und ihrer Beziehung zu Kunstbildern zu – und gibt zwei grundlegende Thesen zu erkennen: Erstens gibt es ein bildliches Denken, das vernünftig ist. Und zweitens gibt es eine bildspezifische Logik. Für die erste These spricht: Sprache und Bild sind Kulturtechniken, die sich nicht scharf voneinander trennen lassen. Wie Texte auch visuelle Phänomene sind, was häufig buchstäblich übersehen wird, so können Bilder gewissermaßen auch gelesen werden. Die bildspezifische Logik der zweiten These kann mit acht Kennzeichen beschrieben werden: Bilder haben eine Rahmung, weisen eine Ordnung des Zeigens auf, sind in ihrem Zeigen affirmativ und nicht hypothetisch, arbeiten mit Kontrasten, sind räumlich, können topologisch differenziert sein und sind auf Evidenz aus. Dagegen sind diskursive Medien auf Wahrheit und numerische Medien auf Richtigkeit aus. Die starke Bedeutung von rechnergestützten Bildern für die Erzeugung naturwissenschaftlichen Wissens lässt Wissenschaft und Kunst aneinanderrücken. Kunstbilder lenken zwar den Blick so auf sich, dass in dieser Sinnlichkeit ihr eigentümlicher Sinn liegt, während Wissenschaftsbilder weniger performativ und reflexiv sind. Doch auch Computerbilder in den Naturwissenschaften be­ziehen sich häufig nur indirekt auf einen Sachverhalt und stellen Datenmengen dar, die für den Menschen sprachlich oder numerisch unfassbar sind.
Der ursprünglich aus einem interdisziplinären Projekt der »Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft« (FEST) hervorgegangene und von Ulrich Ratsch (Heidelberg), Ion-Olimpiu Stamatescu (Heidelberg) und Philipp Stoellger (Rostock) herausgegebene Sammelband behandelt auf anspruchsvolle und inspirierende Weise, was sein Titel besagt: »Kompetenzen der Bilder. Funktionen und Grenzen des Bildes in den Wissenschaften«. Im Ganzen wird plausibel: Die Wissenschaften drängen über ihre eigene Verbalität hinaus und sind bildlich. Dabei sind Wort und Bild nicht gegeneinander auszuspielen, sondern aufeinander verwiesen. Das Bild selbst scheint, so einige Beiträge, strukturell etwas zu sein, was in seiner Präsenz zugleich Entzug, in seiner Erscheinung zugleich Verbergung ist.
Das von Reinhard Hoeps (Münster) herausgegebene »Handbuch der Bildtheologie. Band I: Bild-Konflikte« dürfte zu einem Standardwerk der bildtheologischen Diskussion avancieren: Es versammelt beachtliche Fallstudien. Sie gelten den bildtheologisch wichtigen Stationen der Geschichte des christlichen Glaubens und sind in historischer Reihenfolge angeordnet – von dem Verständnis des alttestamentlichen Bilderverbotes bis zu dem gegenwärtigen Verhältnis von Kunst und christlichen Bildwelten. Am Ende des Handbuchs finden sich gute Personen-, Sach- und Ortsregister. Die Breite und Tiefe der Forschung insbesondere der katholischen Bildtheologie werden dabei deutlich. Insgesamt wird verständlich: Die Bildtheologie ist keine neue Spezialdisziplin der Theologie, die sich der vermeintlichen Überspanntheit der Postmoderne verdankt. Vielmehr ist die Bildtheologie eine genuine und reflektierte Ausdrucksform des christlichen Glaubens. Zu fragen wäre, warum dieses wichtige Werk der katholischen Bildtheologie nicht auch die Bildtheorien von Joseph Ratzinger und Jean-Luc Marion thematisiert.
Auf ein Koblenzer Symposion im Jahr 2007 geht ein von Peter Hofmann und Andreas Matena (beide Koblenz) herausgegebener Tagungsband zurück, der interessante bildtheoretische und bildtheologische Beiträge versammelt. Sie variieren durchaus, zeigen aber insgesamt ein katholisches Profil – auch in modernitätsspezifischer Hinsicht. Letzteres wird deutlich, wenn Fichte als bewusstseinstheoretischer Bildtheoretiker verständlich wird.
2. Zu den monographischen Einzelstudien, die einen eigenständigen Entwurf ausarbeiten, gehört der inzwischen bildtheoretisch schon fast klassische Entwurf des Philosophen Oliver R. Scholz (Münster). Er geht in der vollständig überarbeiteten Zweitauflage seiner Studie »Bild, Darstellung, Zeichen« einleitend (1–16) von der Mehrdeutigkeit des Bildbegriffs aus und mustert kritisch die entsprechenden Theorien des Bildes durch. In der Tradition der analytischen Philosophie plädiert Scholz für die sog. Gebrauchstheorie des Bildes, die systemisch ausgerichtet ist (102–197): Ein Gegenstand ist dann ein Bild, wenn er in einer Gruppe im Rahmen eines sozial geordneten Zusammenhanges verwendet und verstanden wird, der als Zeichenspiel charakterisiert werden kann. Dazu ge­hört, dass der als Bild erscheinende Gegenstand das Element eines syntaktisch dichten Zeichensystems ist. Denn Letzteres unterscheidet Scholz zufolge sprachliche und bildliche Zeichen. Für das Bild gibt es keine Grammatik, insofern seine Syntax nicht disjunkt und nicht differenziert ist: Die in Sprachen übliche Aufteilung in Alphabete entfällt; beim Bild lässt sich nicht klar zwischen einfachen und zusammengesetzten Symbolen unterscheiden. Auch An­ordnungszeichen wie Punkte und Kommata in den Sprachen können im Bild nicht ausgegrenzt werden. Nichts kann im Bild grundsätzlich ausgesondert werden, weil es nicht wohlgeformt ist. In dem Sinn zeichnet sich das Bild durch syntaktische Dichte aus.
Seine Gebrauchstheorie präzisiert Scholz schließlich, indem er die Entstehungs-, Verwendungs- und Verständniszusammen­hänge des Bildes dadurch bestimmt, dass er jeweils relevante As­pekte aufzählt. Damit will Scholz nach eigener Auskunft lediglich Grundzüge einer Gebrauchstheorie des Bildes skizzieren. Dieses vorbildlich klare Buch schließt mit einem Personen- und Sachregister. Sachlich scheint es mir unabweisbar, zu fragen: Sollte die syntaktische Eigenart des Bildes nicht gegenüber der pragmatischen Dimension aufgewertet werden, um die Syntax als Grenze der Pragmatik des Bildes verständlich zu machen?
Der Entwurf des Kunsthistorikers und Philosophen Gottfried Boehm (Basel) ist hermeneutisch-phänomenologisch ausgerichtet. Boehm gilt als einer der Altmeister der Bildforschung. Aus seiner jüngsten Forschung stammen teilweise bisher unveröffentlichte Beiträge, die unter dem Titel »Wie Bilder Sinn erzeugen – Die Macht des Zeigens« erschienen sind. Im Anschluss an Hans-Georg Gadamer deutet Boehm die Bilderfahrung als eine Steigerung von Sein (243–267). Wenn nämlich etwa ein Bild mit Alltagsgegenständen eine Ansicht schafft, die diese Alltagsgegenstände in ein neues Licht taucht, kann diese Alltagsdinge ein neuer Glanz umgeben. Hermeneutisch zentral sind für Boehm die Überlegungen, die er mit dem Begriff der »ikonischen Differenz« verbindet (9–71.199–228). Danach ist ein Bild materiell – etwa eine Leinwand – und zugleich immateriell, insofern es die Darstellung bietet – etwa eine Landschaft. In dem Sinn realisiert das betrachtende Auge eine Differenz, nämlich die materiell ermöglichte Manifestation eines Immateriellen. Etwas wird sichtbar, das nicht anwesend ist. Die Macht des Bildes besteht darin, dies zeigen zu können. Dieses Zeigen erklärt die Wirkkraft der Bilder. Und es macht nach Boehm plausibel, warum der »linguistic turn« in den »iconic turn« mündet, wenn insbesondere Wittgenstein das Zeigen als Grundlage des Sagens (wieder) ins Recht setzt. Damit hängt die Funktion des Ikonischen zusammen: Bilder bringen zum Vorschein, was der sprachlichen Logik der Prädikation zugrundeliegt. Seine Bildtheorie bewährt Boehm in materialreicheren Beiträgen. Sie widmen sich der Bildgeschichte der Natur und der Moderne, der Gattungsgeschichte des Bildes (Landschaft, Porträt etc.), der ästhetischen Erfahrung und auch der Erkenntnisfunktion von Bildern (72–198.229–242). Sachlich ist meines Erachtens fragwürdig: Wenn der »iconic turn« über eine medienwissenschaftliche und kunstgeschichtliche Diagnose hinaus einen Beitrag zur logischen Semantik leisten möchte, müsste er dann nicht auch bewusstseinstheoretisch und sprachphilosophisch umfassend sein?
Die evangelisch-theologische Dissertationsschrift »Theologische Bildhermeneutik. Ein kritischer Entwurf zu Gegenwartskunst und Kirche« von Markus Zink teilt grundsätzlich die hermeneutisch-phänomenologische Ausrichtung Boehms. Genauer plädiert Zink für eine sog. personale Bilddeutung (besonders 477–516): Das Bild lässt sich nicht darauf festlegen, entweder grundsätzlich religiös oder profan zu sein. Vielmehr ist es nach Zink möglich, dass sich ein Bild aufgrund seiner Bildlichkeit für den jeweiligen Betrachter als Meditationsbild erweist, insofern es zu persönlichem Gebet oder theologischer Reflexion führt. Zur Diskussion dürfte nicht nur die hermeneutisch-phänomenolo­gische Ausrichtung unter weitgehendem Ausschluss semiotischer Theorieangebote reizen. Auch das von Zink vorausgesetzte Kri-terium der gleichrangigen Eigenständigkeit von christlichem Glauben und künstlerischem Bild (11–20) könnte prinzipientheoretisch thematisiert und dialektisch gleichsam verflüssigt werden: Wenn Glaube und Bild prinzipiell gleichermaßen eigenständig sind, kommen sie dann nicht in dem einen Prinzip der Freiheit überein?
3. Bilanzierend lassen sich meines Erachtens mindestens drei Beobachtungen festhalten. Erstens entsteht mit dem Diskurs um das Bild und die Bildlichkeit ein gegenwärtig interdisziplinärer Zusam­menhang, den zu ignorieren, tendenziell einem Selbstausschluss der Theologie gleichkommt. Dies betrifft nicht nur eine im engeren Sinn kulturtheoretische Dimension, sondern auch die Anschlussfähigkeit an methodische Überlegungen der Naturwissenschaften. Zweitens wird der Bilddiskurs meines Erachtens nur dann einen Beitrag zur logischen Semantik leisten können, wenn er über medienwissenschaftliche und kunstgeschichtliche Diagnosen hinaus den Schritt auf das Gebiet der Bewusstseinstheorie und Sprachanalyse wagt. Anregend erscheinen etwa die an die Cusanische Bildtheorie und Fichtes späte Erscheinungslehre anknüpfenden Versuche, die auch eine anthropologische und absolutheitstheoretische Akzentuierung der Bildtheorie eröffnen. In gewisser Hinsicht kann die Bildtheorie dann die Wahrheitsmomente der natürlichen Theologie geltend machen: Der Mensch wird als intersubjektives Bildwesen verständlich, das sich selbst als Bild des uneinholbar Absoluten deuten kann; und menschliche Bildkunst erscheint buchstäblich als Selbstveranschaulichung der gottesebenbildlichen Kreativität in der Kultur. Und drittens berühren sich die Probleme der Bildtheologie mit dem, was traditionell im Zusammenhang der Negativen Theologie verhandelt wird – die Alterität im Verhältnis von Entbergung und Verbergung, die Dialektik von Sagen und Zeigen, die Verschränkung von Erfahrung und Schau und der Bezug von apriorischem Begriff und aposteriorischem Erleben.