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Ausgabe:

Dezember/2010

Spalte:

1359-1360

Kategorie:

Kirchengeschichte: 20. Jahrhundert, Zeitgeschichte

Autor/Hrsg.:

Skibbe, Eugene M.

Titel/Untertitel:

Edmund Schlink. Bekenner im Kirchenkampf – Lehrer der Kirche – Vordenker der Ökumene. Übers. v. W. Schneider. Vorwort v. R. Herrfahrdt.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2009. 207 S. 8°. Kart. EUR 19,90. ISBN 978-3-525-56917-7.

Rezensent:

Michael Plathow

Die Herausgabe von Edmund Schlinks (1903–1984) fünfbändigen »Schriften zu Ökumene und Bekenntnis«, Göttingen 2004–2010, wurde gerade abgeschlossen. Fast gleichzeitig erschien die Biographie »Edmund Schlink. Bekenner im Kirchenkampf – Lehrer der Kirche – Vordenker der Ökumene«. Es handelt sich um die deutsche Übersetzung der Schlink-Biographie »A Quiet Reformer. An Introduction to Edmund Schlink’s Life and Ecumenical Theology«, 1999, des amerikanischen Theologen Eugene M. Skibbe, dessen Doktorvater Schlink war.
Die Schlink-Biographie von S., eine lebensgeschichtliche Erzählung, eingewoben in die kirchliche und politische Zeitgeschichte, verbindet bei der Darstellung von Schlinks Person und Werk theo­-logische Explikation und persönliches Glaubenszeugnis. Als au­thentische Quellen dienen S. nicht nur Schlinks veröffentlichte Monographien, Aufsätze und Artikel sowie offizielle Dokumentationen, sondern auch weniger bekannte Predigten, Briefe, Vorträge und Gesprächsbeiträge.
Die Biographie gliedert sich in drei große Teile mit zwölf Kapiteln: Teil I umfasst mit den Kapiteln 1 bis 4 die Zeit des Kirchenkampfes, Teil II mit den Kapiteln 5 bis 9 Schlinks fünf Aufgabenfelder oder »Projekte« in Kirche, Universität und Ökumene der Nachkriegszeit und Teil III mit den Kapiteln 10 bis 12 gilt der Person und dem Werk Schlinks als Lehrer der Kirche und Vordenker der Ökumene.
Das 1. Kapitel »Hitler und die Kirche« skizziert kurz die kirchliche und politische Zeitgeschichte des »Kirchenkampfes«, um dann in Kapitel 2 und 3 »Die frühen Jahre« Schlinks hierin einzuzeichnen bis zu seiner Entlassung als Dozent in Gießen im März 1935 aufgrund einer Predigt zu Mt 10,17–33 »Pflicht und Versuchung christlichen Bekennens«. Im Zusammenhang der komplexen Auseinandersetzungen um die Eidesfrage (40 ff.58 f.) stellt S. fest: »Treue zu Christus war für das totalitäre Naziregime untragbar« (38). Schlinks Betheler Jahre werden gekennzeichnet durch die Arbeit an der »Theologie der lutherischen Bekenntnisschriften« als »Auftakt« für die spätere Dogmatik. Kapitel 4 schildert »Die Kriegsjahre«, während deren Schlink an der Neustädter Marienkirche in Bielefeld und zugleich als externer Direktor des Thomasstifts in Straßburg wirkte. Die gottesdienstliche Gemeinschaft der Christen verschiedener Konfessionen in den Schrecken des Krieges und das Zeugnis der Buße in – auch aus heutiger Sicht – eindrucks­vollen Predigten am Kriegsende (67 ff.) prägten Schlinks weiteres theologisches Denken und kirchliches Wirken.
Fünf »Projekte« nahmen Schlinks Kräfte nach dem Zweiten Weltkrieg voll und ganz in Anspruch: Kapitel 5 »Neuorganisierung der Kirche«, Kapitel 6 »Neugestaltung der akademischen Arbeit in Heidelberg«, Kapitel 7 vordenkendes Wirken für die ökumenische Bewegung und im Ökumenischen Rat der Kirchen, Kapitel 8 »Annäherungen an die Russische Orthodoxe Kirche«, Kapitel 9 als offizieller Beobachter der EKD beim II. Vatikanischen Konzil. Viele interessante Einblicke und Einsichten werden gegeben: u. a. zur nachhaltigen Bedeutung von Schlinks »Gedanken zur Ordnung der EKD« im Brief an Bischof H. Meiser vom 25.1.1947 (72 ff.), zum Aufbau der Heidelberger Universitätsgemeinde (82 ff.), zur Gründung des ersten Ökumenischen Universitätsinstituts (89 f.), zum interdisziplinären Dialog der Heidelberger Professorensozietät (90 ff.), zu Schlinks Eröffnungsvortrag bei der II. Vollversammlung des ÖRK in Evanston »Christus – die Hoffnung der Welt« (102 f.), zum Besuch der EKD-Delegation in der Russischen Orthodoxen Kirche vom 26.3. bis 16.4.1958 (109 ff.), zu den Wahrnehmungen des Sprechers der Konzilsbeobachter beim II. Vaticanum (124 ff.) usw. Eine Fundgrube für Interessierte an der kirchlichen, ökumenischen und universitären Zeitgeschichte sind diese Passagen.
Das Kapitel 10 bedenkt Schlinks »späte Jahre«, in denen u. a. »Der kommende Christus und die kirchlichen Traditionen« (1961), »Nach dem Konzil« (1966), »Die Lehre von der Taufe« (1969), »Die Vision des Papstes« (1975), zahlreiche Aufsätze zu »Bekenntnis und Ökumene« und zum interdisziplinären Dialog, das sog. »Ämtermemorandum« (1973) und der Vortrags- und Diskussionsband zu »Papsttum als ökumenische Frage« (1979) entstanden, vor allem aber die »Ökumenische Dogmatik« (1983), die »Frucht von 50 Jahren Dienst an der Kirche« (130), »die Summe seines Lebenswerkes« (156). Für S. ist die Dogmatik der Fluchtpunkt der Biographie des »Bekenners im Kirchenkampf«, des »Lehrers der Kirche«, des »Vordenkers der Ökumene«. Er stellt sie von Schlinks Strukturanalyse der theologischen Aussagen her treffend als doxologische Dogmatik dar und schreibt kennzeichnend: »Schlinks ›Ökumenische Dogmatik‹ ist genauso erbaulich, wie sie intellektuell ist« (138).
Im abschließenden Kapitel 12 charakterisiert S. seinen Lehrer als »stillen Reformer« (157): Seine wissenschaftliche Arbeit weise von der »Theologie der lutherischen Bekenntnisschriften« bis hin zur »Ökumenischen Dogmatik« eine leitende Kontinuität auf; seine Lebenslinien seien getragen und geprägt von einer »zugrunde liegenden Einheit in dem, was Schlink tat« (159). Dabei nimmt S. auch die K. Barth verpflichteten Theologen D. Bonhoeffer und H. Sasse neben E. Schlink mit ihrer jeweiligen Besonderheit in den Blick und stellt für den ökumenischen Dogmatiker E. Schlink zu­sam­menfassend fest: »Auf dem Weg der christlichen Kirche hin auf die Gemeinschaft in der Vielfalt mit Christus im Zentrum kann die theologische Weisheit von Edmund Schlink durch die Veränderungen führen, die unvermeidlicherweise kommen werden.« (167)
Persönliche Notizen zu Schlinks Heidelberger Jahren von Michael Plathow, eine Sammlung der Anmerkungen, eine reiche Literaturliste und ein Personenregister bilden den Anhang.
Der Erzählstrang von Schlinks Person und die Darstellungsform seiner Theologie durch S. verbindet sich – entsprechend der Schlinkschen Strukturanalyse theologischer Aussagen als Antworten auf das lebendige Wort Gottes – mit Aussageformen der reflektierten Lehre und des kerygmatischen Zeugnisses eines bekennenden Christen, der in der kirchlichen, universitären und ökumenischen Öffentlichkeit Verantwortung lebte. Zugleich bringt S. den Respekt vor der hohen Intellektualität und tiefen Frömmigkeit seines Lehrers zum Ausdruck in dieser von dankbarer Ehrerbietung auch gegenüber Irmgard Schlink zeugenden Lebensbeschreibung.
Die Biographie ist allgemein verständlich geschrieben. Sie regt den Leser an zur eigenen Lektüre der Schriften E. Schlinks, be­sonders der »Ökumenischen Dogmatik«.