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Ausgabe:

Dezember/2010

Spalte:

1307-1322

Kategorie:

Aufsätze

Autor/Hrsg.:

Rainer Kessler

Titel/Untertitel:

A Strange Land
Alttestamentliche Ethik beiderseits von Ärmelkanal und Atlantik

Fragen der Ethik spielen in der öffentlichen Wahrnehmung der Kirchen eine herausragende Rolle. Das beschränkt sich keineswegs auf die leicht skandalisierbaren Fälle von ethischem Fehlverhalten einzelner Geistlicher oder der Kirche als Institution. Es umfasst durchaus eine hohe Erwartungshaltung an die ethische Kompetenz der christlichen Kirchen. Was die Kirchen in Fragen der Familien- und Sexualethik, der Bio- und Medizinethik oder der Wirtschafts- und Sozialethik vorbringen, wird als Beitrag zum gesell schaftlichen Diskurs wahr- und ernst genommen, wenn auch nicht unbedingt alle Teilnehmer des Diskurses sich den dabei vorgetragenen Positionen anschließen.

Die Kirchen selbst gefallen sich dabei in der Regel in der Rolle der ethischen Kompetenzträger. Seit 2007 wurde in Berlin die in einer Volksabstimmung gescheiterte Kampagne zur Einführung des Religionsunterrichts als ordentliches Lehrfach unter die Parole »Werte brauchen Gott!« gestellt. Diese Parole ist in vielfacher Hinsicht kritikwürdig: Sie fokussiert den Religionsunterricht auf die Wertevermittlung, sie funktionalisiert den Glauben als Wertestabilisator der Gesellschaft und bietet dazu die Kirche als Agentur an; und sie unterstellt, dass Menschen ohne Gottesglauben keine Werte haben könnten – einmal ganz abgesehen von dem ohnehin ethisch nicht unproblematischen Werte-Begriff überhaupt. Aber die Parole zeigt, welch hohe ethische Kompetenz sich die Kirchen selbst zusprechen.

Angesichts dieses Befundes sollte man meinen, in einer Kirche, die ihrem Selbstverständnis nach »ein ›Geschöpf des göttlichen Wortes‹«1 ist, führe das zu intensiver Befassung mit biblischer Ethik. Aber die Erwartung wird enttäuscht. Dabei geht es im Folgenden nicht um die biblische Begründung kirchlicher Stellungnahmen zu ethischen Fragen. In solchen Stellungnahmen bis hin zu den Denkschriften der EKD ist immer wieder zu beobachten, wie man auf biblische Begründungen weitgehend verzichtet und Bibelzitate allenfalls wie Garnitur um den eigentlichen Text legt. Doch dies wäre ein eigenes Thema. Im Folgenden geht es vielmehr um den Beitrag der akademischen Exegese, hier insonderheit der alttestamentlichen Exegese, zur ethischen Urteilsbildung der Kirche. In der Regel stehen die Lehrstühle für exegetische Fächer in­nerhalb der theologischen Fakultäten neben Lehrstühlen für Ethik, sei es im Rahmen der Systematischen Theologie, sei es im Rahmen eigener Lehrstühle oder Institute für Ethik. Zugleich ruht das Exis­-tenzrecht theologischer Fakultäten an staatlichen Universitäten auf deren Bezug zur gesellschaftlichen Institution Kirche. Aus beidem sollte sich ergeben, dass sich die Bibelwissenschaft intensiv mit ethischen Fragen befasst. Das aber kann man so nicht sagen.

Der letzte große Forschungsrückblick zur Ethik des Alten Testaments in deutscher Sprache stammt aus der Feder von Eckart Otto und datiert in das Jahr 1991.2 Drei Jahre später ließ derselbe Autor seine »Theologische Ethik des Alten Testaments« folgen.3 Seitdem herrscht zwar kein völliges Schweigen im deutschen Walde. Aber es ist merklich still geworden. Es gibt interessante Arbeiten zu einzelnen ethisch relevanten Fragen.4 Es gibt Sammelbände, die das Thema Ethik im Titel oder zumindest im Untertitel führen.5 Es gibt Untersuchungen, die starken Bezug auf das Alte Testament im Zusammenhang mit ethischen Fragestellungen haben. Zu erwähnen ist etwa der Versuch von Sven van Meegen, »Alttestamentliche Ethik als Grundlage einer heutigen Lebensethik« zu verstehen,6 oder der Zugang von Ansgar Moenikes, ausgehend von der Lehre Jesu die alttestamentliche Tora als deren Basis darzustellen.7 Aber all das sind keine Entwürfe oder Gesamtdarstellungen einer Ethik des Alten Testaments.

Der Befund ist auffällig, weil er sich in zweierlei Richtung profilieren lässt. Da ist zum einen die Tatsache, dass im selben Zeit­raum in Deutschland eine erhebliche Anzahl an »Theologien des Alten Testaments« erschienen ist. Ich verweise hierzu nur auf die Übersicht von Walter Dietrich aus dem Jahr 1996, die mit den Worten beginnt: »Hochkonjunktur in der alttestamentlichen Theologie!«8 Jörg Jeremias zählt 2003 in seinem Forschungsbericht9 sechs zwischen 1991 und 2003 erschienene, teils mehrbändige deutschsprachige Werke auf, die im engeren Sinn als Entwürfe einer Theologie des Alten Testaments angelegt sind und von so namhaften Autoren wie Horst Dietrich Preuß, Antonius H. J. Gunneweg, Otto Kaiser, Josef Schreiner, Rolf Rendtorff und Erhard S. Gerstenberger stammen. Der Eindruck lässt sich nicht wegdrängen, dass in Deutschland immer noch alles an der Frage hängt, was zu glauben und zu denken sei, während die Frage, wie zu leben und zu handeln sei, demgegenüber in die zweite Reihe zu treten hat.

Dieser Befund kontrastiert mit der Lage, wie sie sich darstellt, wenn man den Blick vom europäischen Festland über den Ärmelkanal ins Vereinigte Königreich und über den Atlantik in die Vereinigten Staaten von Amerika und nach Kanada (darüber hinaus bis Australien) richtet. Als 1983 Christopher Wright in England seine Ethik unter dem Titel »Living as the People of God« veröffentlichte, musste er noch feststellen, dass es kaum Literatur gäbe, an die er an­schließen könne. In der 2., völlig umgearbeiteten und erweiterten Ausgabe bezeichnet er dagegen das damalige Ur­teil als »wonderfully out of date in 2003« sei. »The past two decades have seen an abundance of monographs, symposia, articles, and even dissertations in the field« 10. Man kann im letzten Jahrzehnt des 20. und im ersten Jahrzehnt des 21. Jh.s also geradezu von einer gegenläufigen Entwick­lung im deutsch- und im englischsprachigen Bereich sprechen.

Will man 16 Jahre nach Eckart Ottos Ethik heute Fragen der alttestamentlichen Ethik erneut aufgreifen, wird man an der Diskussion im angelsächsischen Raum nicht vorbeigehen können. Die dort entstandenen Arbeiten legen nicht nur Grundalternativen dar, wie man im Spannungsfeld von kirchlicher Praxis und wissenschaftlicher Theologie biblisch und speziell alttestamentlich argumentieren kann. Sie sprechen auch eine Vielzahl einzelner Fragestellungen an, die zu bedenken sind, wenn man die in Deutschland zu beobachtende exegetische Abstinenz bei der ethischen Urteilsbildung überwinden will.

Ich beginne mit der Vorstellung zweier Arbeiten, die die grundsätzliche hermeneutische Frage nach dem Stellenwert des biblischen Arguments in der ethischen Urteilsbildung kontrovers behandeln. Dabei nimmt die jüngere im Titel Bezug auf die ältere und versteht sich zugleich als Gegenpol zu dieser. Die gemeinsame Metapher beider Werke ist die vom »fremdartigen Land«.

1. »Ein fremdartiges Land« –


die hermeneutische Grundfrage


1.1 Cyril S. Rodd: Nicht mehr als flüchtige Blicke


Für Cyril S. Rodd sind nur flüchtige Blicke auf das fremdartige Land der alttestamentlichen Ethik zu erhaschen: »Glimpses of a Strange Land«11. In einem starken Bild, das er das ganze Buch über durchhält, vergleicht er die Erkundung der Ethik des Alten Testaments mit dem Besteigen eines mittelalterlichen Turms. »For most of the time we are surrounded by blank walls, but as we clamber up we pass slit windows through which we obtain glimpses of the countryside that surrounds the castle. The view is narrowly restricted and we often find it difficult to imagine what the whole panorama looks like« (3)12. Eine systematische Darstellung ist von einem solchen Aufstieg nicht zu erwarten. Aber der Autor gibt seiner Hoffnung Ausdruck: »that what is lacking in systematic organization may be more than counterbalanced by liveliness and the odd moment of insight« (4). Durch 17 Fensterspalten fällt der Blick. In den unteren Fenstern schaut man auf Grundfragen wie das Verhältnis ethischer Vorstellungen zu den Konzepten von Reinheit/ Unreinheit und Ehre/Schande, die Beziehung von Vorschriften und Alltagspraxis zueinander und die Frage, ob es in der Hebrä­ischen Bibel so etwas wie Naturrecht oder den Gedanken der imitatio dei gibt. Das Zwischenergebnis überrascht nicht: »It is a foreign country on which we gaze« (76). Durch die nächsten Fenster blickt man auf die Zehn Gebote, das Thema der Motivationen zum Halten und der Sanktionen für das Brechen der Gebote sowie auf das Zinsverbot. Noch einmal hält der aufsteigende Autor inne, noch einmal konstatiert er, »how foreign the country looks« (158). Aber die Fragen werden präziser: »(1) to what extent do our contemporary interests distort our interpretation of Old Testament ethics? and (2) granted the wide range of ethical stances that appear within the Hebrew Bible, to what extent are we justified in fastening on the features which we judge to be ›higher‹ and then to declare that this is the ›true‹ Old Testament ethics?« (159). Noch fünf Ausblicke folgen auf diesen Zwischenhalt. In den Blick kommen als ethische Themen die Armen, der Krieg, Tiere, die Natur und Frauen. Oben angekommen bestätigt sich das Urteil: »The country is foreign« (300).

Es ist aber gerade diese bei jedem der flüchtigen Blicke zu konstatierende Fremdheit, aufgrund derer das Alte Testament eine Hilfe bei gegenwärtigen ethischen Problemen sein kann. Würde das Alte Testament, so schließt Rodd seinen Aufstieg, mit den herrschenden westlichen Normen wie Demokratie, Gleichheit, Toleranz, freie Marktwirtschaft, Hedonismus und Individualismus übereinstimmen, hätte es nichts zu bieten, was wir nicht auch an­derswo bekommen könnten. »Only by moving between that land and our own, or to retain the metaphor which has controlled most of this book, only by gazing out again and again through the dif­-fer­ent windows of the tower which we climbed with so much labour, will the Bible be able to offer assistance in our attempt to solve the many puzzling moral issues which face us today« (329).

Rodds Buch zeigt ein tiefes Bewusstsein von der Fremdheit der Texte und der hinter ihnen stehenden Welten. Aus ihm entspringt die Notwendigkeit der hermeneutischen Anstrengung, um den »garstigen breiten Graben« (Lessing)13 – das Englische hat dafür das schöne Wort »gap« (271 u. ö.) – zu überwinden. Der Autor weiß aber auch um die Chance, die das Alte Testament gerade dann bietet, wenn seine Fremdheit ernst genommen wird. »The value of the Old Testament for our own ethical quest resides in the fact that it does not provide rules which can be applied directly to the modern world to tell us what we are to do. It is able to render help in that quest only through opening our eyes to completely different as­sumptions and presuppositions, motives and aims« (328 f.).

1.2 Andrew Sloane: Einzug in das fremdartige Land


Um im Bild zu bleiben: Rodd blickt auf das fremdartige Land, aber er betritt es nicht. Das tut umso unbefangener Andrew Sloane. Er wählt seinen Titel im bewussten Kontrast zu dem von Rodd und nennt sein Buch »At Home In a Strange Land«14. Mit dem Untertitel gibt er zugleich den Zweck der Studie an: Es geht um den Gebrauch des Alten Testaments in der christlichen Ethik. In einem Literaturüberblick qualifiziert Sloane Rodds Buch als »the least help­ful of all the books listed here« (224).

Auch Sloane hält seine Metaphorik durch. Da er das fremdartige Land betreten will, rüstet er sich aus für die Reise. Dazu gehört eine Hermeneutik, die von dem Bekenntnis ausgeht, dass die ganze Schrift Alten und Neuen Testaments Gottes Wort ist, »communication from God to human beings« (23). Die Bibel enthält Worte von Menschen, aber Gott bekräftigt sie als seine eigenen: »God takes these words and makes them God’s own« (24). Sodann gehört zur Ausrüstung exegetisches Handwerkszeug, vor allem die histo­-rische Verortung der Texte und die Berücksichtigung der unterschiedlichen Gattungen. Dies wird an Beispielen vorgeführt, die zugleich ethisch relevante Texte darstellen. Die Tora kommt an der Nachlesebestimmung von Lev 19 ,9 f. zur Sprache, als Erzähltext wird die Geschichte von Davids Ehebruch analysiert (2Sam 11 f.), als poetischen Text behandelt Sloane Ps 24, als Prophetentext Mi 6,6–8 und aus der Weisheit Koh 11.

Der Weg ins Land ist nicht immer sicher. Es gilt Fallen zu vermeiden. Das sind Texte und Haltungen, die uns ethisch irritieren. Als Erstes nennt Sloane die Selbstverständlichkeit, mit der im Alten und Neuen Testament die Existenz der Sklaverei vorausgesetzt wird. Sein hermeneutisches Verständnis der Bibel als von Gott bekräftigtes und zu eigen gemachtes Wort zwingt ihn, die Denkfigur der accommodatio dei zu übernehmen: »if God is to act in human history and at the same time allow that history to have its own integrity, God’s speech and actions must be accommodated to the limitations of particular human cultures« (104). So können der Charakter der Bibel als Gottes Wort und gleichzeitig der entschieden vorgetragene Protest gegen jede Form von Sklaverei in unserer Zeit zusammengehalten werden. Weitere Fallen sind das Rein-unrein-Paradigma und die Vorstellung von einem heiligen Krieg. Nun endlich können wir das Territorium erkunden. Sloane konzentriert sich auf zwei Texte. Der erste ist Gen 1–3, wo er die Fragen der Ökologie sowie der Geschlechterbeziehungen bespricht. Sein Urteil ist klar: »We are not called to foster patriarchal social systems as if they are the sovereign will of our Creator. They are not. Rather, they are signs of the brokenness of human sin and its disruptive effects, and we are called to combat that in all its manifestations« (169). Der zweite Text sind die Zehn Gebote. Sloane kommt zu einem Schluss, der für seinen gesamten Entwurf bestimmend ist: »these commands are more (and other) than a list of principles that good people should abide by; they express and shape a remarkable moral vision« (189).

Beim Ertrag gerät dann die Metaphorik doch etwas durcheinander. Denn zum einen überschreibt Sloane das Schlusskapitel mit »Bringing the Old Testament Home« (193) und erklärt das mit dem Mitbringen von Reiseandenken, zum andern heißt der Schlussabschnitt »On Finding a Home in a Strange Land« (217) und lässt an so etwas wie die Besiedlung des Landes denken. Davon abgesehen ist Sloanes Ethik ein Beispiel dafür, dass das Ergebnis einer konservativen Hermeneutik nicht zwingend »eine konservative amerika­nische« – oder australische (Sloane ist Australier) – »Durchschnittsmoral« sein muss, wie Otto zu einem anderen Entwurf feststellte. 15 Sloane lehnt patriarchale Geschlechterbeziehungen ebenso ab wie den Anspruch eines Volkes, eine »Christian nation« zu sein (141), er wendet die biblischen Armengesetze auf das Entwicklungskonzept der Mikrokredite an (47 f.) und zitiert die UN-Entwicklungsziele für das 3. Jt. (85 f.). Der Preis seiner konservativen Hermeneutik be­steht nicht in konservativen ethischen Positionen, sondern zum einen darin, dass die Plausibilität seiner Positionen daran hängt, dass man sein Bekenntnis teilt: »I’m an evangelical Christian, and I believe that the Bible is the word of God« (128). Zum andern muss er sich, gerade weil er den Text hermeneutisch so auflädt, letztlich von ihm entfernen. Es geht ihm um »moral vision rather than specific rules or principles of behavior« (218). Gegen ein fundamenta­listisches Wörtlichnehmen ist das sicher heilsam. Aber letztlich landen wir damit bei einer allgemeinen Werteethik, auch wenn es sich dabei um »God’s values« handelt (216), »values not of wealth, power, technology, and control but rather of love and justice, of faithfulness no matter what« (217). Aber bräuchte man dazu die beschwerliche Reise in das fremdartige Land?

2. Der Charakter einer Ethik des Alten Testaments


Rodd und Sloane benutzen beide die Metapher vom »fremdartigen Land«. Sie meinen damit das Alte Testament. Doch was genau nehmen sie wahr und wie tun sie es? So eindrucksvoll Rodds Bild vom mittelalterlichen Turm mit seinen Sehschlitzen ist, die nur be­schränkte Blicke freigeben – es ist Rodd selbst, der festlegt, wo­rauf der Blick fällt. So ist er es, der uns ein Fenster auf die Frage von Ethik und Reinheit oder die Zehn Gebote öffnet, nicht aber auf Kohelet, der als ein Traktat über das Glück ganz »in den vielstimmigen eudämonologischen Diskurs der Antike« ge­hört 16 und damit wesentlich von philosophisch-ethischer Natur ist. Noch offenkundiger ist der Einfluss des Autors bei Sloanes Reise in das fremdartige Land. Wenn er ein Kapitel mit »Avoiding Pitfalls, Hacking through the Jungle« überschreibt,17 dann bringt er bereits ein Vorverständnis dessen mit, was im Alten Testament Fallen und Dschungel sind, die gemieden werden müssen, und was das Territorium ist, in dem man heimisch werden kann. Beide Autoren provozieren die Frage, in welchem Grad eine Ethik des Alten Testaments Konstruktion ist und welches die Prinzipien der Konstruktion sind.

2.1 Ethik des Alten Testaments als (Re-)Konstruktion


Das Alte Testament ist keine Ethik wie die Nikomachische Ethik des Aristoteles oder jede andere philosophische oder theologische Ethik, die seitdem erschienen sind. Es enthält Texte, die ethisch gelesen werden können. Aber es bedarf immer einer Autorin oder eines Autors, die dies tun. Insofern ist jede Ethik des Alten Testaments Konstruktion. Sie ist aber keine freie Konstruktion, sondern an den Text des Alten Testaments gebunden, weshalb ich lieber von Rekonstruktion spreche. Doch welches sind ihre Prinzipien?

Im Zuge eines religionsgeschichtlichen Fortschrittsdenkens hat man versucht, die Ethik des Alten Testaments als evolutionären Entwicklungsprozess »von vorprophetischer Zeit der Kultreligion, prophetischem Höhepunkt und schließlich dem Judentum als Zeit ethischer Ambivalenz« zu beschreiben.18 Es folgen Versuche, die alttestamentliche Ethik um einen einzigen Begriff zu zentrieren – sei es der der »Entscheidung für Jahwe«19, der des »Bundes«20 oder der »Verantwortung«.21 Diese Wege werden in neueren Ansätzen nicht weiter verfolgt. Cyril S. Rodd beschreibt die Lage so: »Most scholars who write monographs on Old Testament ethics attempt to discover a pattern lying behind the ethics and begin their studies by tracing this out.«22

Wie die Suche nach derartigen »Mustern« (pattern) aussehen kann, zeigen zwei prominente angelsächsische Arbeiten. Christo­pher Wright23 lehnt zunächst die Methode, sich hier und da ein ethisches Argument aus alttestamentlichen Texten herauszunehmen – »quoting proof-texts almost at random« –, mit dem berechtigten Hinweis ab, dass sich sofort jemand findet, der »counter-texts« zi­tiert (17), die genauso aus ihrem Zusammenhang gerissen sind. Auf der Suche nach einem zusammenfassenden Zugriff geht er von dem Grundsatz aus: »Theology and ethics are inseparable in the Bible« (17). So kommt er zu dem, was er das »ethische Dreieck« nennt, gebildet aus Gott (dem theologischen Eck), Israel (dem sozialen Eck) und dem Land (dem ökonomischen Eck). Auf diese Weise vermeidet er zum einen die individualethische Engführung der alttestamentlichen Ethik entsprechend seiner Überzeugung: »the primary ethical thrust of the Old Testament is in fact social« (11). Zum andern erschließt er sich Themenfelder, bei denen man nicht den Eindruck hat, dass sie dem Alten Testament von außen aufgezwungen sind – selbst wenn er eingesteht: »Inevitably, there is something artificial about such a scheme« (20). Diese Themen, de­ren Abhandlung den Hauptteil des Buches ausmacht, sind: Öko­-logie und die Erde, Wirtschaft und die Armen, das Land und christ liche Ethik, Politik und die Völker, Recht und Gerechtigkeit, das Gesetz und Gesetzessysteme, Kultur und Familie und – davon abgesetzt – der Weg des Individuums. Durch das Dreieck aus theologischer, sozialer und ökonomischer Sicht gelingt es Wright, die ethischen Aspekte des Alten Testaments umfassend zur Sprache zu bringen und zugleich deren primär sozialethischen Charakter hervorzuheben.

Einen anderen Ansatz, die Vielfalt alttestamentlicher Ethik durch ein pattern zu fassen zu bekommen, unternimmt der Kanadier Waldemar Janzen.24 Er benennt als Ziel: »It is my goal to provide Christians with a model for grasping the Old Testament’s ethic­al message in a comprehensive way, thereby avoiding a reductionist concentration on any one genre, like law, or any one selection of texts, like the Ten Commandments or the prophetic calls for justice« (1). Als Zugang zu dem »model for grasping the Old Testament’s ethical message« wählt Janzen die Gattung der Erzählung. Zum einen ist sie seiner Auffassung nach neben der kultischen Praxis das wichtigste Mittel theologisch-ethischer Unterweisung im alten Israel, zum andern ist das Alte Testament selbst so etwas wie eine Erzählung. Dies führt ihn zu fünf Modellgeschichten, die jeweils ein bestimmtes »Paradigma« repräsentieren – was auf den Untertitel »A Paradigmatic Approach« verweist: »A Familial Model Story: Genesis 13« (9), »A Priestly Model Story: Numbers 25« (12), »A Wisdom Model Story: 1 Samuel 25« (14), »A Royal Model Story: 1 Samuel 24« (15) und »A Prophetic Model Story: 1 Kings 21« (17). Damit sind die fünf Paradigmen beisammen. Sie stehen aber nicht auf einer Ebene. Vielmehr ist das familiäre Paradigma vorherrschend. »… the remaining four paradigms – the priestly, wisdom, royal, and prophetic paradigms – are not independent and separate ethical ideals in the Old Testament’s total story. Instead, they are united because they are subordinate to the familial paradigm and work together to uphold the latter« (3).

Es ist hier nicht der Ort, Wrights »ethisches Dreieck« oder Janzens »Paradigmen« mit dem Familienparadigma an der Spitze inhaltlich zu diskutieren. Sie sind Beispiele für die Konstruktion einer Ethik des Alten Testaments, die ihre Prinzipien möglichst aus den alttestamentlichen Texten selbst nimmt. Solche Konstruktionen sind Hilfsmittel, um sich den Texten zu nähern. Sie schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern ergänzen sich und können durch weitere Anordnungsmodelle ergänzt werden. Vor allem dürfen sie nicht dazu führen, die Vielfalt der alttestamentlichen ethischen Vorstellungen zu nivellieren und zu vereinheitlichen.

2.2 Vielfalt und Einheit


Alle neueren Studien zur Ethik des Alten Testaments unterstreichen, dass es nicht die eine einheitliche Ethik im Alten Testament gibt, sondern eine Vielzahl von Stimmen, die keineswegs alle dasselbe sagen, sich gelegentlich sogar deutlich widersprechen. Selbst eine Rekonstruktion entlang eines der eben genannten Prinzipien oder auch eines anderen löst die Frage nach dem Verhältnis von Vielfalt und Einheit nicht. Muss man es bei der Vielfalt belassen und auf die Frage nach der Einheit ganz verzichten? Oder worin besteht andernfalls die Einheit der Ethik des Alten Testaments?

Eckart Otto legt sich mit Bestimmtheit fest: »Die Einheit der Ethik des AT ist ihre Geschichte. Die Darstellung kann keine an­dere als die ihrer inneralttestamentlichen Rezeptionsgeschichte sein.«25 Dies enthält freilich zwei Probleme. Das erste besteht dar­in, dass das Einheitsprinzip »Geschichte« nicht dem Alten Testament entnommen, sondern an dieses angelegt ist. Das zweite Problem ist wesentlich größer. Welches die Geschichte ethischer Positionen innerhalb der Hebräischen Bibel, welches ihre inneralttestamentliche Rezeptionsgeschichte ist, ist selbst wieder Ergebnis exege­tischer Rekonstruktion, die von Forscher zu Forscher unterschiedlich ausfällt. Das ohnehin schon gegebene Problem, dass jede Darstellung der Ethik des Alten Testaments eine Rekonstruktion ist, verdoppelt sich, wenn die historische Rekonstruktion seiner Literaturgeschichte zu ihrer Voraussetzung erklärt wird.

Nun sind die Schriften des Alten Testaments selbst nicht nach der Zeit ihrer Entstehung angeordnet. Sie stehen aber auch nicht in einer beliebig austauschbaren Abfolge. Vielmehr bilden sie einen Kanon, der sich selbst als bewusste Komposition versteht, wie vor allem an den Übergängen zwischen den Kanonteilen deutlich wird (Dtn 34,10–12 → Jos 1,7 → Mal 3,22–24 → Ps 1). Das führt mich zu dem Vorschlag, die Einheit der Ethik des Alten Testaments im Kanon zu suchen. – Damit sind nun keineswegs alle Probleme gelöst, im Gegenteil. Drei Aspekte sind zu beachten.

1. Mit der Orientierung am Kanon ist das von Otto angesprochene Problem der historischen Dimension der Texte nicht erledigt. Kein Text ist ohne Kenntnis seiner konkreten Verortung zu verstehen. John Barton hebt zwei Hauptfaktoren hervor, die bei der Beschreibung einer ethischen Aussage zu beachten sind. Das eine ist die sozialgeschichtliche Zuordnung der Aussage zu einer be­stimmten Gruppe – Priester, Propheten, Geschichtsschreiber, Ge­setzgeber –, das andere die Datierung in die Hauptperioden der Geschichte Israels. Zu jeder ethischen Position des Alten Testaments, so fordert er, sind zwei Fragen zu stellen: »For which group of Israelites was this so?«, und: »In which period[s] was this true?« Er schlägt geradezu eine Art Koordinatensystem vor: »each reconstruction, if it is to be useful, must be marked with two coordinates – we must indicate to which social group and to which period it belongs«26. Damit sind zwei Hauptdimensionen genannt, die soziale und die zeitliche. Weitere Faktoren kommen hinzu wie die Frage nach der Gattung eines Textes oder danach, ob die ethisch relevante Aussage in seinem Zentrum steht – etwa bei Gesetzes- oder Weisheitstexten – oder nur im Hintergrund erschlossen werden kann – wie bei vielen Erzählungen.

2. Der Kanon ist eine Sammlung von Texten. Primär geht es um diese Texte und nicht etwa um die soziale Realität hinter ihnen. Die Frage, ob bestimmte Sozialgesetze praktiziert wurden, ist eine Frage der Sozialgeschichte. Die Ethik fragt, was die Intention dieser Gesetze ist und mit welchen Mitteln sie diese umsetzen wollen, wohl wissend, dass Gesetz, Weisheitsregel, ethischer Traktat auf der einen und gesellschaftliche Wirklichkeit auf der anderen Seite nie zur Deckung kommen. Dennoch kann eine am Kanon orientierte Ethik nicht an der Textoberfläche stehen bleiben. Denn die Texte selbst geben eine hinter ihnen liegende Welt von Vorstellungen zu erkennen, die in den Texten oft vorausgesetzt, nicht aber entfaltet wird. Ein klassisches Beispiel ist das Denken in den Kate­gorien von rein und unrein. Aus ihm werden sexualethisch hoch relevante Forderungen abgeleitet, die bis heute – denken wir an die Frage der Homosexualität – heftig umstritten sind. Ohne den Versuch einer Rekonstruktion des hinter ihnen stehenden Denkens lassen sich solche Forderungen nicht einordnen. Aber ohne Einordnung können sie in aktuellen ethischen Diskursen nicht verantwortungsvoll eingesetzt werden. Dass dabei ein Autor wie Cyril S. Rodd zu dem Schluss kommt: »The discussion of ethics and purity has shown how far removed the Old Testament ways of thinking are from modern ethics« 27, während Andrew Sloane »Israel’s system of ritual cleanliness« von vornherein unter die »Fallen« der alttestamentliche Ethik zählt und als »simply puzzling« und »of interest only to antiquar­ians and OT scholars, having no relevance for contemporary Chris­tians« einstuft,28 steht dabei auf einem anderen Blatt.

3. Der Kanon als Einheit begründet keine Einheitsethik (so we­nig wie eine Einheitstheologie). Wir finden vielmehr eine kanonisierte Vielfalt, ja kanonisierten Widerspruch vor. Innerhalb des Kanons finden Diskurse statt, in denen unterschiedliche Positionen eingenommen werden. Aufgabe einer am Kanon orientierten Ethik des Alten Testaments kann es nicht sein, eine bestimmte in diesem Diskurs vertretene Position für verbindlich zu erklären oder eine – gar nicht zu erreichende – Einheitsposition herauszudestillieren.

Bevor ich diese Frage weiter verfolge, will ich noch kurz auf die Konsequenzen eingehen, die es für die Benutzung des Alten Testaments als einer Quelle der Ethik hat, wenn man einen Ansatz am Kanon wählt.

2.3 Die Quellen einer Ethik des Alten Testaments


Bei einer Orientierung am Kanon liegt es nahe, dass prinzipiell alle Texte des Alten Testaments ethisch relevant sein können. Bei Eckart Otto liest man das noch anders: »Will die Ethik nicht das Geschäft einer Theologie des AT betreiben, hat sie ihr Thema in den expliziten Normensystemen des AT und ihrer Geschichte«29. Infolgedessen behandelt er in seiner Darstellung ausschließlich die Ge­setzessammlungen und die Weisheitstexte. John Barton notiert das mit Erstaunen und stellt dem sein Programm entgegen: »But Law and Wisdom, even if we include psalmody in the latter, makes up less than half of the Old Testament. It puzzles me that Otto says almost nothing about the Prophets, who have traditionally figured largely in discussion of biblical ethics, or about narrative. … I want to focus on the narrative books of the Old Testament … If there is a moral vision in the Old Testament, then surely we might expect to find it there. How did Otto come to leave it out of his account?« 30

Unter ausdrücklichem Bezug auf John Barton31 legt Mary E. Mills eine ganze Monographie vor, die sich den moralischen Perspektiven in den alttestamentlichen Erzählungen widmet.32 Sie muss dazu den präskriptiven Charakter bestimmter alttestamentlicher Sätze keineswegs gering achten. Aber schon im Blick auf die Größe Tora stellt sie zu Recht fest: »In the Old Testament the term Torah has legal connotations; its English equivalent, Law, leads the reader immediately to precise matters of legal observance, of keeping the rules. It is significant to remember that Torah contains a richer range of meaning than just laws, being also a term to cover five books some of which are largely narrative in style and, ulti­-mately, is a term carrying the value ›instruction‹ or ›teaching‹« (3). Wenn es in der alttestamentlichen Ethik um »Tora« geht, dann also nicht nur um die Gesetze in den fünf Mosebüchern (»not merely obviously legalistic snippets abstracted from their biblical moor­ings« [21]), sondern auch um die Erzählungen in ihnen, aber auch um jede andere Form von Unterweisung und Lehre, und dies eben auch in narrativer Form.

Drei Mal drei Erzählungen betrachtet Mills unter dem Aspekt des Hauptcharakters (Abraham, David, Ester), unter dem der sozialen Beziehungen (Rut, Josef, Jona) und unter dem der Weltordnung (Urgeschichte, Daniel 1–7, Hiob). In allen Bereichen zeigt sich Ambivalenz innerhalb der einzelnen Erzählungen. Keine kann also in einem vordergründigen Sinn als moralische Vorbildgeschichte fungieren. Zugleich herrscht Vielfalt zwischen den Erzählungen. Folgerichtig trägt das auswertende Kapitel die Überschrift »Variety of Moral Perspectives« (243), so wie der Untertitel des Gesamt­-buches schon den Plural »Moral perspectives in Old Testament narratives« verwendet. Können diese Erzählungen dann überhaupt eine Bedeutung für moderne Leser haben, die nach moralischer Orientierung suchen? Ja, sagt Mary Mills, aber sie tut dies auf dem Hintergrund gegenwärtiger Literaturtheorie und Hermeneutik: »Text and reader are the two central aspects of the reading process« (248). »It is in the act of reading that the text produces moral vision …« (261). Leserin und Leser dürfen nicht erwarten, im Alten Testament Rezepte entgegennehmen zu können. Sie werden selber im Lesen des Textes in den Diskurs hineinverwickelt.

Dies greift unseren Ausführungen schon voraus und führt be­reits zur Frage nach der aktuellen Bedeutung einer alttestamentlichen Ethik. Es sei aber hier angeführt, weil es eindrucksvoll zeigt, welchen Gewinn die Einbeziehung des narrativen Materials für eine umfassende Entfaltung der Ethik des Alten Testaments hat. Im Übrigen sei darauf verwiesen, dass auch Frank Crüsemann als deutscher Alttestamentler einen Versuch unternommen hat, eine biblische Erzählung als Beitrag »für eine Ethik des Politischen« (85) zu interpretieren. 33 Auch ihm geht es ähnlich wie Mary Mills »um Aspekte einer narrativen Ethik auf einem Gebiet, auf dem die Rechts­texte der Tora nur wenige und indirekte Aussagen machen« (80, Hervorhebung im Original). Er behandelt das Thema von Herrschaft, Schuld und Versöhnung in der Geschichte von Jakob und seinem Bruder Esau, die zugleich für die Völker Israel und Edom stehen. Und auch hier lässt sich nicht einfach eine moralische Lehre destillieren. Vielmehr öffnet sich ein Diskursraum sowohl mit den Texten der Königebücher, die von den politischen und militärischen Konflikten mit Edom berichten, als auch mit den vor allem in der prophetischen Literatur zu findenden Texten, die voll des »massiven Edomhasses« (85) sind.

3. Der Kanon als Maßstab und Darstellungsprinzip


Die Gefahr einer Orientierung der alttestamentlichen Ethik am Kanon ist doppelt. Es ist zum einen die oben schon genannte Versuchung, eine Einheitsethik herstellen zu wollen. Die andere Ge­fahr ist die der Erzeugung von Langeweile, wenn nämlich nun einfach der Kanon der Reihe nach nacherzählt würde. Beiden Gefahren ist mit demselben Mittel zu begegnen.

3.1 Der Kanon als Maßstab einer Ethik des Alten Testaments


Nimmt man den Kanon so ernst, wie er sich präsentiert, dürfte die Gefahr, ihn vereinheitlichen zu wollen, eigentlich gar nicht gegeben sein. Sie entspringt nicht dem Kanon selbst, sondern dem systematisierenden Bedürfnis, das der christlichen Theologie eigen zu sein scheint. Der Kanon selbst stellt sich gerade nicht als systematischer Entwurf einer Theologie oder Ethik des Alten Testaments dar, sondern als ein literarischer Raum, in dem die unterschiedlichsten Positionen miteinander ins Gespräch treten und in Spannung geraten. Man denke innerhalb des Kanonteils Tora nur an die unterschiedliche Position zum Verhältnis zu den nicht-israelitischen Völkern im Land, wie sie sich in den zahlreichen Bundesschlüssen der Erzelternfamilien mit verschiedenen Vertretern der Landesbewohner in der Genesis einer- und dem strikten Bündnisverbot im Deuteronomium andererseits niederschlägt. Man denke an das spannungsvolle Verhältnis in der Frage der Freilassung von Sklavinnen und Sklaven, wie es zwischen dem Bundesbuch (Ex 21,2–11), dem Heiligkeitsgesetz (Lev 25) und dem Deuteronomium (Dtn 15,12–18) besteht. Auch die zugrunde liegenden Konzepte von rein und unrein sind im priesterlichen und im deuteronomischen Schrifttum nicht identisch.

Beziehen wir das prophetische Schrifttum ein, werden wir in 1Sam 8–12 sofort mit scharf gegensätzlichen Positionen zur Bewertung des Königtums konfrontiert. Bedeutet die Errichtung eines Königtums in Israel die Entthronung Jhwhs, oder ist der König vielmehr Jhwhs Stellvertreter, ja »Sohn«? Noch die zukunftsorientierten Texte der Schriftpropheten spiegeln diese Spannung wider, indem sie eine Zukunft sowohl ohne als auch mit messianischem Herrscher imaginieren. Die Weisheit wiederum wirft ganz eigene ethische Fragen auf, etwa die nach der »fremden Frau« in Spr 1–9. Sie nimmt auch keineswegs in den von der Tora oder der sozialkri­tischen Prophetie aufgeworfenen sozialethischen Fragen durchweg deren Position ein. David Pleins 34 kommt sogar zu einem sehr negativ-kontrastierenden Urteil. Er spricht von »ideological differ­ences, in conjunction with differences in socioeconomic status between the wise and many of the prophets« (457). Den Weisen wirft er mangelnde Konsequenz bei der sozialen Analyse vor: »Un-­like the prophetic social critique, the proverbial texts draw only the vaguest connections between the poverty of the poor and the wealth of the rich« (470). An die Stelle des Einsatzes für die Armen trete bei ihnen die bloße Wohltätigkeit: »We must look to the prophets for a group that consistently champions the cause of the poor in the gate and elsewhere in society. Assisting the poor through giving, charity, was the more important concern to the wise« (471).

Auch wenn man Pleins’ Urteil in dieser Schärfe nicht teilt, ist klar, dass es im Alten Testament eine Fülle divergierender Stimmen zu den gleichen ethischen Themen gibt. Aufgabe einer am Kanon orientierten Darstellung der Ethik des Alten Testaments kann es wie gesagt nicht sein, einheitliche Positionen zu entwickeln. Der Kanon des Alten Testaments ist so etwas wie ein Diskursraum. Aufgabe der alttestamentlichen Ethik ist es, diesen Diskursraum als Ganzen darzustellen und die in ihm geführten Diskurse selbst zu rekonstruieren. Dabei müssen keine Schiedssprüche ge­fällt werden, sondern sollte die Plausibilität der verschiedenen in einem Diskurs vertretenen Positionen erläutert werden. 35

3.2 Kanonische Abfolge in der Darstellung


Versteht man die Ethik des Alten Testaments als Rekonstruktion der im Alten Testament geführten Diskurse, sollte sich das Problem der Langeweile, die bei bloßer Nacherzählung in kanonischer Ab­folge drohen könnte, eigentlich nicht stellen. Denn dann muss jede dargestellte Position immer sogleich mit dem Verweis auf al­ternative Positionen und ihren Ort im Kanon des Alten Testaments verbunden sein, so dass Spannung entsteht.

Eine der Abfolge der Schriften nachgehende Darstellung ist ohnehin kein Sonderweg eines ausdrücklich am Kanon orientierten An­satzes. Auch Entwürfe, die nach einer systematischen Mitte der Ethik des Alten Testaments fragen, können sich ihrer bedienen. So stellt z. B. Hendrik van Oyen zunächst in den ersten beiden Kapiteln den Bund als die zentrale Kategorie der Ethik des Alten Testaments sowie das alttestamentliche Menschenbild dar, um dann in Kapitel III–V »Das Ethos der tora«, »Das Ethos der Propheten« und »Das Ethos der Weisheit« in der Reihenfolge des Kanons abzuhandeln.36

Wichtiger als das Äußere der Abfolge ist die Frage nach dem inneren Zusammenhang der Kanonteile. Dass dabei die Tora die unerschütterliche Basis darstellt, ist sowohl von der Entstehungsgeschichte des Kanons – der Pentateuch wurde mit Sicherheit am frühesten kanonisiert – als auch von seiner Rezeption her – »Mose« kann in jüdischen und christlichen Schriften für das Ganze des Alten Testaments stehen – unbestreitbar. Damit aber entsteht be­reits eine Spannung. Denn entstehungsgeschichtlich betrachtet geht wohl die religiöse und soziale Kritik der frühen Prophetie den ersten Kodifizierungen von Recht in (Israel? und) Juda, die sich dann im Pentateuch in redigierter Form wieder finden, voraus. Doch dies lässt sich durchaus für eine kanonische Lektüre fruchtbar machen.

Lässt man die (historisch-kritisch rekonstruierte) Entstehungsgeschichte ganz beiseite, kommt selbstverständlich Mose vor den Propheten zu stehen. Deren Aufgabe besteht dann in erster Linie darin, das Gesetz des Mose einzuschärfen, zur Umkehr zu rufen und gegebenenfalls Bestimmungen der Tora auf neue Situationen anzuwenden, wie etwa Jer 17,19–27 den ursprünglich agrarischen Sabbat auf städtische Verhältnisse überträgt. Berücksichtigt man dagegen die Entstehungsgeschichte, dann kommt ganz grob gesprochen die Prophetie vor dem Gesetz. 37 Sie erwächst nicht aus der Anwendung von Gesetzesbestimmungen, sondern aus dem abgründigen Erschrecken vor dem Fehlverhalten von Menschen in religiöser, politischer und sozialer Hinsicht. Aus der Erfahrung des Unrechts erwächst der Ruf nach Gerechtigkeit. Für kanonische Lektüre heißt das, dass mit der Voranstellung der Tora, die ihrem eigenen Verständnis nach ja der Inbegriff von Gerechtigkeit ist, keineswegs alles in Ordnung ist. Obwohl Israel die Tora hat – und in den Prophetenschriften wird von Jes 1,10 über Jer 8,8; Am 2,4 bis Mal 3,22 immer wieder darauf hingewiesen –, muss der prophe­tische Ruf immer wieder neu erklingen und immer wieder neu danach gesucht werden, was Gerechtigkeit heißt.

Eine besondere und bisher wenig beachtete Rolle kommt den weisheitlichen Schriften bei kanonischer Lektüre zu. In ihnen geht es bei ethischen Fragen nicht nur um die Herleitung der Maßstäbe für rechtes Verhalten aus der Erfahrung bzw. der Gottesfurcht – Otto spricht von induktiver und deduktiver Ethik.38 Die Weisheit ist ihrem Wesen nach pädagogisch. Deshalb zielt sie vor allem auch auf die Internalisierung oder Habitualisierung moralischen Verhaltens. Auf das wichtige ethische Problem, dass als bindend er­kannte Normen so verinnerlicht werden müssen, dass sie in alltäglichen Situationen ohne lange Reflexionsvorgänge abrufbar sind, macht Waldemar Janzen einleuchtend am Beispiel des guten Autofahrers aufmerksam.

»Every North American … has internalized the image of a ›good driver‹. That paradigm does not coincide fully with one’s mom, dad, driving instructor, uncle X, or anyone else. It is composed, in an immediate and nonconceptua­lized way, by the impact of the observed driving habits of all of these and others«39. So weit beruht die Internalisierung ethischer Normen auf der Nachahmung von Vorbildern. Das hebt allerdings die Bedeutung von Regeln nicht auf, es relativiert sie aber. »… everyone knows that the imprint of a composite paradigm of the ›good driver‹ produces good drivers, which the reading of legislation concerning traffic on the highways does not.« In der Endgestalt des Kanons, bei der auch die weisheitliche Ethik bereits deduktiv aus der Gottesfurcht hergeleitet wird, dürfte die Beziehung zu den Regeln der Tora eben so gedacht sein: Die Tora stellt die Normen bereit, aber die weisheitliche Erziehung ist nötig, um diese Normen für eine alltagstaugliche Lebensführung umzusetzen.

Natürlich hebt auch eine solche Zuordnung die inhaltlichen Spannungen zwischen den Normen der Tora und den Lebensregeln der Weisheitslehren – von den Sprüchen über Kohelet bis zu Jesus Sirach – nicht auf, auch wenn ge­rade Jesus Sirach die Einheit von Tora und Weisheit geradezu programmatisch vertritt.

4. Hebräische Bibel, Altes Testament und


heutiges ethisches Urteil


Ich habe diesen Beitrag mit dem Hinweis auf die ethische Kompetenz, die den Kirchen heute zugeschrieben wird und die sie für sich beanspruchen, begonnen. Umgekehrt setzen auch viele Darstellungen der Ethik des Alten Testaments mit aktuellen Fragestellungen ein. So beginnt David Bakers Studie über Wohlstand und Ar­mut im alttestamentlichen Gesetz mit dem Satz: »The magnitude of the problem of wealth and poverty at the beginning of the third millennium can hardly be overstated.«40 Kaum eine Darstellung der Ethik des Alten Testaments kommt um den Blick auf die Gegenwart herum, auch wenn die Ergebnisse sehr unterschiedlich ausfallen. Cyril S. Rodd schließt seine flüchtigen Blicke auf das fremde Land mit einem Kapitel »The Old Testament and Ethics Today« und folgert: »it is in the very strangeness of the land that its virtue lies.«41 Andrew Sloanes Schlusskapitel heißt wie gesagt (vgl. 1.2) »Bringing the Old Testament Home« und steht unter der Prämisse: »we want all of our thinking and living be informed by Scripture, our final authority on all matters of faith and practice.«42 Allen aber stellt sich notwendig die Frage, wie man von der Hebräischen Bibel über das Alte Testament als Teil der christlichen Bibel zum ethischen Urteil heute kommt.

4.1 Von der Hebräischen Bibel zum Alten Testament


Schon der übliche Titel »Ethik des Alten Testaments« signalisiert ein Problem. Vordergründig stellt es sich als Frage der Benennung dar, die beiderseits des Atlantiks heftig diskutiert wurde. John Ro­gerson notiert 2004: »In the past twenty years there has been a move in British and North American scholarship to use the term ›Hebrew Bible‹ (less often, ›Jewish Bible‹ or ›Jewish scriptures‹) in place of ›Old Testament‹« 43. In Deutschland hat auch die Bezeichnung »Erstes Testament« eine gewisse Verbreitung gefunden. Die Beschreibung des Phänomens ist nicht schwierig: Die Schriften der Hebräischen Bibel werden erst innerhalb der christlichen Bibel, die auch das Neue Testament enthält, zum Alten Testament.44 Sie sind Altes Testament nur für die christliche Gemeinschaft.

Doch damit fangen die Probleme erst an. Wenn Andrew Sloane formuliert: »We are Christians, and so our Bible includes much more than the OT – but it does include it«, dann beschreibt er nur den Sachverhalt. Doch dem stellt er zwei Sätze voran, die eine klare Überordnung des Neuen über das Alte Testament signalisieren: »We are New, not Old, Testament believers. We do, thank God, have the NT and its witness to God’s great and glorious work in and through Jesus, who is, we believe, at the heart of the Bible and its story of God’s dealings with the world.«45 Ganz offen spricht auch Christopher Wright angesichts der ethischen Bewertung der für das Alte Testament so zentralen Frage nach dem Land von einem »Christian framework that is, of course, governed by the New Testament«46.

Das damit angezeigte Problem lässt sich meinem Verständnis nach nicht innerhalb der Ethik des Alten Testaments lösen. Es ist aber auch kein Problem, das vorgängig von der systematischen Theologie entschieden werden könnte, die in einer Lehre von der heiligen Schrift den beiden Testamenten ihren Platz zuweisen könnte. Vielmehr wäre es die Aufgabe, im Neuen Testament selbst nach dessen Gebrauch der Schrift zu fragen. Das kann in den letzten Zeilen dieses Beitrags nicht en passant geschehen. Ich sehe aber alles in die Richtung weisen, dass sowohl in der Jesus-Tradition als auch im paulinischen Schrifttum die Tora (im umfassenden Sinn der ganzen Hebräischen Bibel) unbestrittene Autorität hat. In den neutestamentlichen Diskussionen über die Tora geht es zum einen um Fragen der Halacha, wie sie im Judentum zu allen Zeiten ge­klärt werden müssen (z. B. die Sabbatpraxis), und zum andern um die neue Frage, welchen Stellenwert die Tora für Christinnen und Christen haben soll, die nicht aus dem Judentum stammen.

Aus beidem lässt sich keine Überordnung des Neuen Testaments in ethischen Fragen ableiten. Damit ist aber die Frage noch nicht beantwortet, wie man von der ganzen Bibel Alten und Neuen Testaments zu heute verantwortbaren ethischen Urteilen ge­langen kann.

4.2 Von der Schrift zum ethischen Urteil


Für einige Autoren ist eindeutig, dass es ein Gefälle von der Heiligen Schrift zu ihrem Gebrauch in heutigen Fragen gibt. Die Bibel einschließlich des Alten Testaments wird als »relevant and author­itative«47 angesehen, sie gilt als »God’s word to us«, als »God’s authoritative word, which is meant to govern our lives and to shape our thinking«48. Das ruft das reformatorische Schriftprinzip in Erinnerung. Allerdings ist dieses, wie man spätestens seit Wolfhart Pannenbergs Aufsatz weiß, selbst in die Krise geraten.49 Auch wenn keiner der hier vorgestellten Autoren eine fundamentalis­tische, verbal-inspiratorische Position vertritt, besteht doch leicht die Ge­fahr, dass der Text der Bibel und »God’s authoritative word« sehr direkt in eins gesetzt werden.

Solche Ineinssetzung fällt von vorneherein schwer, wenn man den Kanon selbst als Diskursraum auffasst, in dem unterschiedliche bis gegensätzliche Positionen zu Wort kommen. Die Metapher des Diskursraums hat dabei eine doppelte Konnotation. Zum einen handelt es sich um einen begrenzten Raum. Es geht bei der Bewegung von der Schrift zum ethischen Urteil also nicht um beliebige Positionen, sondern um die im Kanon vertretenen. Zum andern aber entsteht bereits innerhalb des Kanons eine Bewegung, in die sich heutige Leserinnen und Leser hineinbegeben können. John Rogerson macht darauf aufmerksam, dass einige biblische Passagen selbst »discourse ethical implications« haben; er nennt als Beispiele die Diskussion Abrahams mit Gott um die Frage der in So­dom möglicherweise zu findenden Gerechten oder die Disputationsworte Ma­leachis. 50 Doch muss man noch einen großen Schritt weiter gehen.

Der eben zitierte John Rogerson ist insofern eine singuläre Er­scheinung, als er sich als englischer Alttestamentler intensiv mit der Diskursethik von Jürgen Habermas auseinandersetzt.51 Die Bibel enthält unbestreitbar »categorical statements such as those in the Decalogue«. Offenkundig können solche heteronomen Setzungen vor dem Urteil einer Diskursethik nicht bestehen. »From the point of view of discourse ethics, obligations cannot be imposed; they must be seen to be justified and must be capable of being will­ingly accepted«52. Rogerson verweist demgegenüber auf den Dis­kurscharakter bestimmter alttestamentlicher Stellen. Darüber hinaus ist der Gesamtcharakter des biblischen Kanons als Diskursraum zu beachten. Und schließlich ist ernst zu nehmen, dass der Kanon immer nur als ausgelegter und auszulegender existiert. Das zeigt schon das Neue Testament mit seinen halachischen Diskussionen um den Sabbat, die Frage von Reinheit und Unreinheit oder die Speisevorschriften. Das zeigt auch die gesamte jüdische Auslegungstradition. Und auch in der protestantischen Tradition, die keine lehramtliche Letztentscheidung kennt, kann die Gültigkeit der heiligen Schrift immer nur im offenen Diskurs erwiesen werden. Das gilt be­reits für die innerkirchliche Verständigung darüber, was christlich gelten soll und wie christlich zu handeln ist. Es gilt unausweichlich für den nächsten Schritt, wenn nämlich kirchliche Positionen in den gesellschaftlichen Diskussionsprozess eingebracht werden. Denn selbst theonom begründete Positionen müssen hier vor dem Forum der säkularen Vernunft plausibilisiert werden.

Versteht man das Verhältnis von biblischer Ethik zu heute zu treffenden ethischen Entscheidungen nicht im Sinn eines autoritativen Gefälles, sondern eines Diskurses unterschiedlicher und auch unterschiedlich begründeter Positionen, verlangt das von der Exegese, sich in ganz anderer Weise auf die Gegenwart einzulassen, als das bei einer bloß historischen Rekonstruktion ethischer Positionen im Alten Testament der Fall wäre. Auf John Rogersons in­tensive Auseinandersetzung mit Jürgen Habermas habe ich schon hingewiesen. John Barton seinerseits befasst sich in seinem Kapitel »Virtue in the Bible« mit der neuaristotelischen Tugendethik, wie sie u .a. von Martha Nussbaum vertreten wird.53 Doch auch ganz neue Felder ethischer Herausforderung geraten in den Blick, von denen aus sich neue Fragen an das Alte Testament stellen. So enthält ein Sammelband von 2007 unter der Überschrift »The Bible in Modern Contexts« Beiträge zur »Diaspora-Hermeneutik« am Beispiel der Hispanics in Nordamerika, über HIV/AIDS in Südafrika, über Mi­granten und Gefangene in den USA und über die Frage von Friede und Gewaltlosigkeit im bürgerkriegsgebeutelten Guatemala. 54

Das Alte Testament gibt auf keine der alten und neuen Fragen der Ethik abrufbare und unmittelbar umsetzbare Antworten. Es gibt oft überhaupt keine Antworten, sondern ruft neue Fragen hervor. Der Jewish Response von Peter Haas in dem Semeia-Band über Ethics and Politics in the Hebrew Bible erhebt dies geradezu zum Prinzip: »The Bible is not about answers but, as the Judaic tradition would have it, about what questions still need to be asked.«55

In seiner großen »Forschungsgeschichte der Entwürfe einer Ethik im Alten Testament« von 1991 kommt Eckart Otto bei der Besprechung amerikanischer Ethiken aus den 60er, 70er und 80er Jahren des 20. Jh.s zu einigen harten Urteilen. Er vermutet, dass sie »nur in engeren Kirchenkreisen wirksam werden« können, dass das »Ergebnis eines solchen Durchganges durch die materiale Ethik des Alten Testaments … eine konservative amerikanische Durchschnittsmoral [ist], die den gerechten Krieg für möglich, die Todesstrafe für nötig und die Freude am materiellen Überfluß für gottgewollt hält, solange er nicht vom Gottesdienst abführe«, ja dass man letztlich bei einem »theokratischen Modell« lande. 56

20 Jahre später zeigt sich, dass die Diskussionen um die Ethik des Alten Testaments im englischsprachigen Raum ein Niveau der Re­flexion und eine Vielfalt der Positionen er­reicht haben, von denen die müde gewordene Debatte in Deutschland nur profitieren kann.

Summary


The article discusses some of the main problems connected with the programme of Old Testament Ethics. It starts with the hermeneutical question how far or how near the »strange land« of the Old Testament is for modern readers. It then discusses Old Testament ethics as a (re)construction of the implicit ethics of the Hebrew Bible. It goes on to the question of the unity of the ethics of the Old Testament which is found in the canon. The canon is defined not as a unified theological position, but as a space of discourse. This leads immediately to the question how the Old Testament can be used in the discourses of modern societies on their actual moral problems. The stress of the whole article lies on the presentation of British, North American and Australian works on Old Testament Ethics for the German public.

Fussnoten:

1) Kirche der Freiheit. Perspektiven für die Evangelische Kirche im 21. Jahrhundert. Ein Impulspapier des Rates der EKD, Hannover 2006, 33.
2) Otto, Eckart: Forschungsgeschichte der Entwürfe einer Ethik im Alten Testament, in: VuF 36 (1991), 3–37.
3) Otto, Eckart: Theologische Ethik des Alten Testaments (Theologische Wissenschaft 3,2), Stuttgart u. a. 1994.
4) Zum Beispiel Hossfeld, Frank-Lothar: »Du sollst nicht töten!« Das fünfte Dekaloggebot im Kontext alttestamentlicher Ethik (Beiträge zur Friedensethik 26), Stuttgart 2003, und Becker, Uwe: Eine kleine alttestamentliche Ethik des »Alltäglichen«, in: BThZ 24 (2007), 227–240.
5) Ich nenne Dietrich, Walter: Theopolitik. Studien zur Theologie und Ethik des Alten Testaments, Neukirchen-Vluyn 2002, und Levinson, Bernard M./Otto, Eckart (Hrsg.): Recht und Ethik im Alten Testament. Beiträge des Symposiums »Das Alte Testament und die Kultur der Moderne« anlässlich des 100. Geburtstags Gerhard von Rads (1901–1971) (Altes Testament und Moderne 13), Münster 2004.
6) Van Meegen, Sven: Alttestamentliche Ethik als Grundlage einer heutigen Lebensethik. Ein Beitrag zum interreligiösen Dialog (Bibel und Ethik 3), Münster 2005.
7) Moenikes, Ansgar: Der sozial-egalitäre Impetus der Bibel Jesu und das Liebesgebot als Quintessenz der Tora, Würzburg 2007.
8) Dietrich, Walter: Wer Gott ist und was er will. Neue »Theologien des Alten Testaments«, in: EvTh 56 (1996), 258–285, Zitat 258.
9) Jeremias, Jörg: Neuere Entwürfe zu einer »Theologie des Alten Testaments«, in: VuF 48 (2003), 29–58.
10) Wright, Christopher J. H.: Old Testament Ethics for the People of God, Leicester 2004, 13.
11) Rodd, Cyril S.: Glimpses of a Strange Land. Studies in Old Testament Ethics, Edinburgh 2001.
12) Bei zusammenhängenden Referaten stehen im Folgenden die Verweise in Klammern im Text, ansonsten in den Fußnoten.
13) Lessing, Gotthold Ephraim: Über den Beweis des Geistes und der Kraft, in: Werke in sechs Bänden, Bd. 6, hrsg. v. F. Fischer, Zürich u. a. 1965, 283–288, Zitat 287.
14) Sloane, Andrew: At Home In a Strange Land. Using the Old Testament in Christian Ethics, Peabody/MA 2008.
15) E. Otto, Forschungsgeschichte, 31.
16) Schwienhorst-Schönberger, Ludger: Kohelet (HThKAT), Freiburg u. a. 2004, 70. Vgl. auch ders., »Nicht im Menschen gründet das Glück« (Koh 2,24). Kohelet im Spannungsfeld jüdischer Weisheit und hellenistischer Philosophie (HBS 2), Freiburg u. a. 21996.
17) A. Sloane, At Home 2008, 99.
18) So das Referat der Ethik von J. M. Powis Smith aus dem Jahr 1923 bei E. Otto, Forschungsgeschichte 1991, 12.
19) Hempel, Johannes: Das Ethos des Alten Testaments (BZAW 67), Berlin 21964, 106 et passim.
20) Van Oyen, Hendrik: Ethik des Alten Testaments, Gütersloh 1967, 24 et passim; L’Hour, Jean: Die Ethik der Bundestradition im Alten Testament (SBS 14), Stuttgart 1967.
21) Würthwein, Ernst/Merk, Otto: Verantwortung (Biblische Konfrontationen), Stuttgart u. a. 1982.
22) C. S. Rodd, Glimpses 2001, 2.
23) Ch. J. H. Wright, Ethics 2004.
24) Janzen, Waldemar: Old Testament Ethics. A Paradigmatic Approach, Louisville/KY 1994.
25) E. Otto, Ethik 1994, 12.
26) Barton, John: Understanding Old Testament Ethics. Approaches and Explorations, Louisville-London 2003, 22.
27) C. S. Rodd, Glimpses 2001, 18.
28) A. Sloane, At Home 2008, 113.
29) E. Otto, Ethik 1994, 10.
30) J. Barton, Understanding 2003, 2.
31) In diesem Fall auf Barton, John: Ethics and the Old Testament, Harrisburg/PA 1998.
32) Mills, Mary E.: Biblical Morality. Moral perspectives in Old Testament narratives, Aldershot u. a. 2001.
33) Crüsemann, Frank: Herrschaft, Schuld und Versöhnung. Der Beitrag der Jakobgeschichte der Genesis zur politischen Ethik, in: Ders., Kanon und Sozialgeschichte. Beiträge zum Alten Testament, Gütersloh 2003, 80–87. Der Beitrag, ursprünglich auf Deutsch in: Junge Kirche 54 (1993), 614–620, erschienen, wurde unter dem Titel »Dominion, Guilt, and Reconciliation: The Contribution of the Jacob Narrative in Genesis to Political Ethics« auch in den wichtigen Sammelband: Knight, Douglas A. (Hrsg.), Ethics and Politics in the Hebrew Bible (Semeia 66), 1995, 67–77, aufgenommen.
34) Pleins, David J.: The Social Visions of the Hebrew Bible. A Theological Introduction, Louisville/KY 2001.
35) Einen Versuch zum Thema der interkulturellen oder sog. »Misch«-Ehen habe ich unternommen in Kessler, Rainer: Die interkulturellen Ehen im perserzeitlichen Juda, in: A. Herrmann-Pfandt (Hrsg.), Moderne Religionsgeschichte im Gespräch. Interreligiös – Interkulturell – Interdisziplinär, FS Ch. Elsas, Berlin 2010, 276–294.
36) H. van Oyen, Ethik.
37) Für Wellhausen war bekanntlich das »Erscheinen des Gesetzes« geradezu »der Tod der Prophetie«; vgl. Wellhausen, Julius.: Prolegomena zur Geschichte Israels, Berlin 61905, 402. – In Wahrheit hilft das Entweder-Oder: Gesetz vor der Prophetie oder Prophetie vor dem Gesetz nicht weiter; vielmehr haben wir mit einem langen Prozess gegenseitiger Beeinflussung zu rechnen. Vgl. Kessler, Rainer: Zwischen Tempel und Tora. Das Michabuch im Diskurs der Perserzeit, in: Ders., Gotteserdung. Beträge zur Hermeneutik und Exegese der Hebräischen Bibel (BWANT 170), Stuttgart 2006, 116–128.
38) E. Otto, Ethik, 152–174.
39) Dieses und das folgende Zitat in W. Janzen, Ethics, 28 f.
40) Baker, David L.: Tight Fists or Open Hands? Wealth and Poverty in Old Testament Law, Grand Rapids-Cambridge 2009, XIII.
41) C. S. Rodd, Glimpses, 328.
42) A. Sloane, At Home, 194.
43) Rogerson, John: Theory and Practice in Old Testament Ethics, hrsg. v. M. Daniel Carroll R. (JSOT.S 405), London-New York 2004, 29.
44) Die Frage der sog. Apokryphen oder deuterokanonischen Schriften kann hier der Einfachheit halber beiseite gelassen werden.
45) A. Sloane, At Home, 2.
46) Ch. J. H. Wright, Ethics, 182.
47) W. Janzen, Ethics, 1.
48) A. Sloane, At Home, 2.5.
49) Pannenberg, Wolfhart: Die Krise des Schriftprinzips [1962], in: Ders., Grundfragen systematischer Theologie. Gesammelte Aufsätze, Göttingen 1967, 11–21.
50) J. Rogerson, Theory, 62–64, Zitat 62.
51) Besonders in den Kapiteln ›What Does It Mean To Be Human?‹: The Central Question of Old Testament Theology?, Discourse and Biblical Ethics und Ethical Experience in the Old Testament: Legislative or Communicative Rationality?, J. Rogerson, Theory, 50–79.
52) J. Rogerson, Theory, 62.
53) J. Barton, Understanding, 65–74.
54) In Carroll R., M. Daniel/Lapsley, Jacqueline E. (Hrsg.): Character Ethics and the Old Testament. Moral Dimensions of Scripture, Louisville-London 2007.
55) Haas, Peter J.: The Quest for Hebrew Bible Ethics: A Jewish Response, in: Semeia 66 (1995), 151–159, Zitat 159.
56) E. Otto, Forschungsgeschichte, 30 f.33.