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Ausgabe:

November/2010

Spalte:

1286-1288

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Ed. by W. J. Abraham and J. E. Kirby.

Titel/Untertitel:

The Oxford Handbook of Methodist Studies.

Verlag:

Oxford: Oxford University Press 2009. XVII, 761 S. 4° = Oxford Handbooks in Religion and Theology. Lw. £ 85,00. ISBN 978-0-19-921299-6.

Rezensent:

Christoph Raedel

Der auf eine zunächst inneranglikanisch agierende Erweckungsbewegung des 18. Jh.s zurückgehende Methodismus gehört mit ca. 70 Millionen Mitgliedern zu den großen protestantischen Denominationen der Gegenwart, auch wenn die Zahlen für den europäischen Raum dieses Größenverhältnis nicht abzubilden vermögen. Die Beschäftigung mit methodistischer Theologie und Geschichte ist daher auch in Deutschland von mindestens konfessionskundlicher Bedeutung.
Das Oxford Handbook of Methodist Studies hat sich zum Ziel gesetzt, den Ertrag der Methodismus-Forschung vergangener Jahrzehnte zu bündeln und Perspektiven für die weitere Diskussion aufzuzeigen. Für diese Anliegen sind ausgewiesene Experten, vornehmlich aus den verschiedenen Verzweigungen des Methodismus, aber auch darüber hinaus, gewonnen worden.
Der mit über 200 Seiten umfassendste Teil ist Teil I: Die Ge­schichte des Methodismus. Darin widmet sich J. C. D. Clark in gründlicher Weise den in der Forschung vorgeschlagenen Deutungen des Umfelds, in dem die methodistische Erweckung im 18. Jh. in England aufbrach. Über eine fundierte Darstellung des Lebens der Wesley-Brüder hinaus werden die Kreise der Betrachtung dann immer weiter gezogen: Die über das 18. Jh. hinausweisenden Entwicklungen in Großbritannien und Nordamerika, in Europa, unter den Afro-Amerikanern und in Lateinamerika werden weiterverfolgt, bis schließlich auch die Bedeutung des Methodismus für das Aufkommen der Pfingstbewegung in den Blick kommt (ein wichtiger Beitrag von Donald Dayton).
Teil II ist den ekklesialen Formen und Strukturen gewidmet. Die Beiträge bündeln die Diskussion zu den – auch ökumenisch bedeutsamen – Fragen nach dem Verständnis des Connexialismus (gemeint ist ein Verständnis, demzufolge die Bewegung bzw. Kirche sich Strukturen gibt, in denen Verantwortung ausgeübt, Verbindlichkeit gepflegt und Entscheidungen gemeinsam beraten und getroffen werden), des Bischofsamtes, der Kirchenordnung, des Reisepredigerdienstes (englisch: itinerancy) und der Gnadenmittel. Hier ist insbesondere der Beitrag von Dennis Campbell zum Verständnis des Dienstamtes im Methodismus und insbesondere der Itinerancy hervorzuheben, der den im Grundzug »instabilen« Charakter des methodistischen Dienstverständnisses herausarbeitet. Dieser Grundzug ist einerseits Ausdruck der Bereitschaft, sich auf wandelnde Bedingungen des Arbeitsfeldes einzulassen und zugleich befruchtend auf diese einzuwirken; er erzeugt andererseits Spannungsfelder theologischer und praktischer Natur.
Teil III stellt das gottesdienstliche Leben einschließlich der Sakramente, des Liedguts und des Predigens in den Mittelpunkt. Das wiederkehrende Muster der hier versammelten Beiträge ist eine unverkennbare Entwicklung aus Anfängen heraus, die stark von der Erweckung her geprägt waren und deshalb neben den Stärken, die in der Erfahrbarkeit der Gegenwart Gottes und der Partizipation aller an dieser Erfahrung liegen, auch Einseitigkeiten aufwies. Manche solcher Einseitigkeiten, z. B. der sehr pragmatische Umgang mit den liturgischen Facetten des Gottesdienstes und der sakramentalen Feier, sind durch die Teilnahme an liturgischen und ökumenischen Bewegungen im 20. Jh. zu Bewusstsein gekommen und, zumindest was den anhand der offiziellen liturgischen Bücher gewonnenen Eindruck angeht, ausgeglichen worden. Die methodistische Praxis freilich dürfte – zumal im globalen Maßsta b– deutlich bunter sein. In diesem globalen Kontext gesehen ist hier der sehr instruktive Beitrag von Swee Hong Lim besonders zu würdigen.
Die geistliche Erfahrung, Evangelisation, Mission und Ökumene sind der Gegenstand der Beiträge in Teil IV. In diesem Teil sind manche Beiträge stärker historisch, andere stärker systematisch angelegt. Die für die Heiligungsbewegung wichtige Phoebe Palmer wird hier dem Vergessen entrissen: Der Beitrag von Philip Meadows zum Verständnis von Evangelisation ist in seiner systematischen Struktur sehr gelungen. Das ganzheitliche Verständnis von Evangelisation als Hineinführen in die Gemeinschaft mit dem dreieinigen Gott vermag in weiterführender Weise die Einseitigkeiten eines entweder personalistischen (»Bist du gerettet«) oder eines einseitig sozialen Verständnisses (»Die Strukturen müssen verändert werden«) von Evangelisation zu überwinden.
Der theologische Teil V schreitet die methodistisches Denken bestimmenden Topoi nacheinander ab: Schrift- und Offenbarungsverständnis, Trinität, Ur-Sünde, Gnade, Christologie, Pneumatologie, christliche Vollkommenheit, Gewissheit und Erwählung. Deutlich wird an dieser Aufzählung, dass nicht alle diese Begriffe auf derselben Ebene liegen. Bemerkenswert ist der Beitrag von W. Abraham zur Vollkommenheitslehre, insofern diese hier auf der Ebene der methodistisches Selbstverständnis konstituierenden Fundamentallehren verortet wird, wobei die Spannung, in der diese Überzeugung zu heute dominierenden Interpretationen steht, nicht verschwiegen wird. In ihr, so Abraham, lägen jedoch die Ressourcen einer geistlichen Erneuerung für einen seiner Dynamik weithin beraubten Mainline-Methodismus.
Das letzte Kapitel (VI) führt in Fragen der (Sozial-)Ethik und Politik ein. Die Beiträge dieses Teils wirken recht disparat. Von der Ethik im engeren Sinne (Stephen Long und Stanley Hauerwas) geht es über Feminismus, Aspekte der Exklusion und der Politik in Afrika hin zur Beschreibung von Modellen für das Verhältnis von Methodismus und Kultur. Der diesbezügliche Beitrag von David Bebbington analysiert anhand historischen Materials, inwiefern der Methodismus 1. von seiner Umwelt geformt wurde, 2. sich kritisch mit der Umgebungskultur auseinandergesetzt und 3. dieser neue Impulse mitgeteilt hat. Die in dieser differenzierten Weise durchgeführte Untersuchung ist hilfreich und instruktiv.
Als für ihr jeweiliges Gebiet ausgewiesene Fachleute bieten die Autorinnen und Autoren des Bandes komprimierte Darstellungen der in den einzelnen Facetten der Forschung durchaus komplexen Fragestellungen. Dabei gelingt es hinsichtlich dessen, was be­schrieben wird, den aktuellen Forschungsstand übersichtlich darzustellen. Die Breite der im Mainline-Methodismus präsenten theologischen Positionen wird jedoch nicht abgebildet; z. B. ist die von der Befreiungstheologie inspirierte methodistische Theologie Gegenstand kritischer Betrachtung, kommt jedoch selbst nicht zu Wort. Der Band löst, wie auch an der Auswahl der Beiträge[r] zur Ethik deutlich wird, eher den im Vorwort nicht explizierten Anspruch ein, der weiteren Methodismus-Forschung Richtung zu geben, was ich für legitim – und in seiner Ausrichtung für begrüßenswert – halte, was aber durchaus deutlicher hätte benannt werden können.
Was den globalen Charakter des Bandes angeht, ist eine gewisse Breite erreicht worden, auch im Blick auf Gebiete mit nur schwacher methodistischer Präsenz, vgl. den Beitrag von Sergej Nikolaev zum Methodismus in Russland. Andere Gebiete wie der australisch-pazifische Bereich oder auch Korea fehlen dagegen. Insofern müsste man richtiger sagen, dass der Band die globale Perspek­tive stärker als frühere Werke, aber nicht vollständig berücksichtigt.
Fazit: Vorgelegt wird hier ein Band, der den Ertrag methodistischer Forschung in kompetenter Weise bündelt, die einschlägige Literatur durch hilfreiche Bibliographien erschließt und zu einem in immer stärkerem Maße global zu führenden Gespräch einlädt.