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Ausgabe:

November/2010

Spalte:

1284-1286

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Oeldemann, Johannes

Titel/Untertitel:

Einheit der Christen – Wunsch oder Wirklichkeit? Kleine Einführung in die Ökumene.

Verlag:

Regensburg: Pustet 2009. 198 S. 8°. Kart. EUR 16,90. ISBN 978-3-7917-2206-1.

Rezensent:

Miriam Rose

Verstummen die öffentlichen Debatten, entsteht Ruhe zur wissenschaftlichen Aufarbeitung und gelehrten Einordnung. Es wird Zeit für Handbücher und Einführungswerke. Während in den ökumenischen Bestrebungen der Kirchen unaufgeregte Alltagsarbeit geleistet wird, erscheinen in kurzer Folge zahlreiche Einführungswerke in die Ökumene. Die 2009 vom Direktor des katholischen Johann-Adam-Möhler-Instituts für Ökumenik (Paderborn) vorgelegte Einführung intendiert eine geschichtliche Bestandsaufnahme des Erreichten sowie vielfältige Anregungen für die ökume­nische Praxis in den Gemeinden.
Ökumene erschließt der Vf. durch den Begriff der Einheit: Ökumene definiert er als jene kirchlichen Aktivitäten, welche die Einheit der Christen befördern (14). Wenn er die einzelnen Kapitel durch schöne Adjektivergänzungen zu »Einheit« benennt – wie »zerbrechende Einheit« oder »erstrebte Einheit« – nimmt dabei »Einheit« implizit jeweils eine etwas andere Bedeutung an. Einheit der Kirche versteht der Vf. als »Verheißung und Verpflichtung, Gabe und Aufgabe zugleich« (23). Solche Formeln prägen sich gut ein, verdecken aber die eigentlichen theologischen Probleme, nämlich die Art der Verhältnisbestimmung zwischen beispielsweise »Gabe« und »Aufgabe«.
Weil das Buch sich aber nicht an wissenschaftliche Theologen, sondern an ökumenisch interessierte Christinnen und Christen in den Gemeinden wendet, mag das der Verständlichkeit geschuldet sein. Adressiert an solche Leser informiert der Vf. strukturiert über die biblische Grundlegung und geschichtliche Entwicklung der Ökumene, liefert eine kleine Konfessionskunde und einen Überblick über bisherige Dialogergebnisse und beschreibt gegenwär­tige ökumenische Projekte sowie ungelöste Fragen der Ökumene.
Fair stellt der Vf. dabei die verschiedenen Konfessionen und deren Positionen dar. Es gelingt ihm, theologische Debatten leicht verständlich zusammenzufassen und die berechtigten Anliegen der verschiedenen Seiten wohlwollend zu verdeutlichen. Die wichtigsten ökumenischen Dokumente stellt er sachkundig und mit einschlägigen Zitaten vor. Dass der Vf. auch ethische Kontroversen aufgreift und deren Rolle in der ökumenischen Konstellation in Deutschland analysiert, ist hoch erfreulich. Weil er jedoch konsequent alle theologischen Kontroversen weichzeichnet, verlieren die Themen viel an Tiefenschärfe und Leuchtkraft. Der heftige Ernst in vielen theologischen Auseinandersetzungen verhüllt sich in freundlicher Harmlosigkeit.
Die konfessionelle Perspektive vermerkt der Vf. bei den meisten Literaturangaben und bietet so eine nützliche Orientierung. Seine eigene, nämlich dezidiert katholische Perspektive weist der Vf. aber nicht als eine solche aus, sondern bringt sie auf ganz selbstverständliche und daher im ökumenischen Zusammenhang befremdliche Weise zur Geltung. Besonders fällt das auf bei der Frage der katholisch-evangelischen Abendmahlsgemeinschaft oder bei der Charakterisierung der katholisch-orthodoxen Beziehungen.
Das Ökumene-Konzept dieser Einführung entstammt folglich auch einer klar, aber nicht verengt katholischen Perspektive: Das Ziel der ökumenischen Dialoge soll ein differenzierter Konsens sein, von dem aus die Lehren der anderen als komplementäre Ausformungen zu begreifen sind. Ökumene als Grunddimension von Kirche habe sich daher in zwei Perspektivenwechseln zu verwirklichen: 1. Statt nach den Fehlern sollen die Konfessionen nach den Stärken der anderen fragen und davon lernen. Bei dieser konstruktiven Devise verschweigt er jedoch die Asymmetrie, die darin be­steht, dass in den verschiedenen Kirchen den Nicht-Ordinierten unterschiedlich große Mitwirkungsrechte (oder auch keine) an der Kirchenleitung eingeräumt werden. Das gegenseitige voneinander Lernen in den Gemeinden oder in den akademischen Theologien kann sich also nur in höchst verschiedenem Ausmaß auf das kirchenleitende und damit kirchenordnende Handeln auswirken. 2. Nicht das gemeinsame, sondern nur das getrennte kirchliche Handeln (auf jeder Ebene) sei begründungspflichtig. Diese zunächst einleuchtende Leitlinie übersieht aber: Wenn kirchliche Gemeinschaft ihr Zentrum in Gottesdienst- bzw. Abendmahlsgemeinschaft hat – wie es katholische Lehre besagt –, dann kann es ohne Gottesdienst- bzw. Eucharistiegemeinschaft nur enge Kooperationen, aber keine Gemeinschaft geben. Oder umgekehrt: Wenn tatsächlich alle außergottesdienstlichen Aktivitäten von katholischer und lutherischer Ortsgemeinde gemeinsam gestaltet würden (jeder Frauenkreis, jeder Bibelkreis, jedes Gemeindefest), wohin die Anregungen des Vf.s zielen, wie ließe sich angesichts solcher Gemeinschaft dann in den aber immer noch getrennten Gottesdiensten wirkliche Gottesdienst gemeinschaft erfahren?
Wenn aber in Gemeinden die ökumenische Arbeit unbefriedigend oder wenig ausgeprägt sei, lautet die Diagnose des Vf.s, dann mangele es an Sensibilität im Umgang miteinander (144). Genauer: Es fehle die Rücksichtnahme auf das Selbstverständnis der anderen Konfession, die Ökumene beschränke sich zu sehr auf die Großkirchen und es gebe zuwenig Bewusstsein davon, wie sehr sich die einzelnen kirchlichen Handlungsebenen aufeinander auswirken.
Der Vf. arbeitet sich dabei elegant an seiner Prämisse ab, die römisch-katholische Kirchenleitung mit ihrer ökumenischen Zu­rückhaltung in keiner Weise kritisieren zu wollen, die einzelnen Christen aber mit konkreten Anregungen zu weiterer ökume­nischer Arbeit zu ermutigen, dadurch also Realismus mit Hoffnung zu vermitteln. Darin ist es ein sehr katholisches, sehr konstruktives und sehr kundiges Einführungswerk in die Ökumene.