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Ausgabe:

November/2010

Spalte:

1283-1284

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Mykhaleyko, Andriy

Titel/Untertitel:

»Per aspera ad astra«. Der Einheitsgedanke im theologischen und pastoralen Werk von Josyf Slipyj (1892–1984). Eine historische Untersuchung.

Verlag:

Würzburg: Augustinus bei Echter 2009. 452 S. 8° = Das Östliche Christentum. Neue Folge, 57. Kart. EUR 42,00. ISBN 978-3-429-04178-6.

Rezensent:

Stefan Reichelt

Die unter Betreuung von Konstantin Maier am Collegium Orientale in Eichstätt entstandene Dissertation wurde in bewährter Form ediert. Feingliedrig aufgebaut folgt auf Vorwort (5 f.), In­haltsverzeichnis und Abkürzungen (12–15) die Einleitung.
Das 1. Kapitel enthält eine ausführliche biographische Skizze von Josyf Slipyj (1892–1984) (28–72). Das 2. Kapitel ist den unionistischen Konzepten des Apostolischen Stuhls seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s und der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche (UGKK) gewidmet, das 3. Kapitel Slipyj und der Unionsthematik (100–112). Kapitel 4 und 5 haben die Theologische Wissenschaft im Dienst der Unionsarbeit und die »ökumenische Theologie« Slipyjs (135–206) zum Thema und Kapitel 6 die Restauration der ostkirchlichen Tradition der UGKK als ökumenische Aufgabe. Das abschließende, 7. Kapitel wendet sich Slipyj und der Ökumene zwischen den westlichen und östlichen Kirchen nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965) zu (339–370). Wesentliche Ergebnisse der Untersuchung sind unter den Überschriften Slipyj als Ökumeniker, Wissenschaftler und Hierarch (371–373), Slipyj und die Orthodoxie (378 f.) und ›Kirchenpolitiker‹ und Hoffnungsträger zusammengefasst. Ein von ausführlichen Studien ukrainischer, russischer und westlicher Sprachen zeugendes umfangreiches Quellen- und Literaturverzeichnis sowie ein Namenregister (445–452) beschließen die Studie.
Beim Lesen der von Slipyjs Biographie bestimmten Arbeit eröffnen sich in den herangezogenen Dokumenten wesentliche Seiten ukrainischer Geschichte und Kirchengeschichte im vergangenen Jahrhundert. Eingebettet in die gegebenen Zusammenhänge er­schließt sich dem Leser facettenreich und sprachlich kompetent ein weniger bekanntes Feld osteuropäischer neuzeitlicher Geschichte.
Im Zentrum der Studie steht Slipyjs Verhältnis zur Union und Unionstheologie. Ungeachtet dessen wäre ein deutlicherer Bezug auf die u. a. mit den Namen Petrus Mogilas (1596–1646/47) und Simeon Todorskij (1699–1754/55) verbundenen großen Kiever Traditionen, wie sie durch K[onstantin] V. Charlampovič, Malorossijskoe vlijanie na velikorusskuju cerkovnuju žizn’ [Der kleinrussische Einfluss auf das großrussische kirchliche Leben], Kazan’ 1914, erläutert und zusammengetragen wurden, sehr zu wünschen gewesen.
Genauigkeit in der Darstellung des Lebenswegs des Hierarchen zeichnet die Arbeit aus. Aber es bleiben Fragen, etwa die nach dem Verhältnis der beschriebenen Einheitsbemühungen zu den Genfer ökumenischen Bemühungen.
Ungeachtet aller geäußerten Wünsche erscheint in der Arbeit doch die Ukraine als Land zwischen Ost und West, als »Schwellenland« mit den dazu gehörenden Merkmalen. Die Slipyjs Arbeits- und Lebensweg prägenden Unionsbemühungen als Mittel der Annäherung an eine Kircheneinheit werden seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil abgelehnt, der Ostkirche als eigenem Rechtskörper mit entsprechenden Traditionen wird hingegen neue Wertschätzung entgegengebracht.
So erscheinen Leben und Werk Josyf Slipyjs, Nachfolger des namhaften Metropoliten Andrej Graf Šeptyc’kyjs (1865–1944), als Ausdruck der Kirchenpolitik jener Zeit, der Weg eines orthodoxen unier­ten Hierarchen im Ringen zwischen Rom, (Konstantinopel) und Moskau, wie es etwa Wim Rood in seinem Werk Der heilige Stuhl und Russland bzw. die Sowjetunion von der Oktoberrevolution 1917 bis zum 1. Dezember 1989, Altenberge 1993, in heute kaum nachvollziehbaren Details eindrücklich beschreibt. Exemplarisch sei auf Bischof Michael d’Herbigny SJ (1880–1957), Leiter der päpstlichen Kommission »Pro Russia«, hingewiesen, der, wie viele andere, vom Untergang der Russischen-Orthodoxen Kirche infolge der Oktoberrevolution 1917 überzeugt war und eine intensive Missionsarbeit begann, um »auf den Ruinen der Orthodoxie« einen Katholizismus östlichen Ritus’ aufzubauen. Weitere Literatur dazu findet sich u. a. bei Stefan Reichelt, Nikolaj A. Berdjaev in Deutschland 1920–1950. Eine rezeptionshistorische Studie, Leipzig 1999, 133–149. In dieser Biographie darf ein exemplarisches Kapitel ost-westlicher Begegnung gesehen werden, das auch dunkle Seiten des Lebens und Wirkens, wie den Gefängnisaufenthalt in Russland 1945–1963 oder die eigenmächtige Übernahme des Titels eines Patriarchen im Jahr 1975, nicht verschweigt.
Für die das Leben und Wirken von Josyf Slipyj in ansprechender und nachvollziehbarer Form aufscheinen lassende Studie danken wir dem Vf. und wünschen seiner detailreichen Arbeit als wertvollem Beitrag in Vorbereitung gegenwärtiger Einheitsbestrebungen weite Verbreitung. – In ihren offenen Fragen ist sie Auftrag für künftige ost-westliche Begegnungen.