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Ausgabe:

November/2010

Spalte:

1272-1273

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Meyer-Blanck, Michael, Raschzok, Klaus, u. Helmut Schwier [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Gottesdienst feiern. Zur Zukunft der Agendenarbeit in den evangelischen Kirchen. Hrsg. im Auftrag d. Liturgischen Konferenz.

Verlag:

Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2009. 208 S. gr.8°. Geb. EUR 34,95. ISBN 978-3-579-08094-9.

Rezensent:

Ch. G.

Die auf einer Fachtagung zum Thema »Perspektiven des agendarischen Erneuerungsprozesses« (4.–5.3.2008 in Hildesheim) gehaltenen Beiträge beziehen sich auf die Ausarbeitung einer Projektgruppe der Liturgischen Konferenz: »Gottesdienst feiern. Erwägungen zur Fortführung des agendarischen Reformprozesses in den evangelischen Kirchen« (26–79). In diesem Dokument präsentiert die Liturgische Konferenz mit dem Terminus des »traditionskontinuierlichen Gottesdienstes« einen neuen »Sondierungsbegriff«, »eine kreative Fortschreibung der Tradition des Gottesdienstes, die dennoch ihre Verbindung zur geschichtlich gewachsenen Gestalt nicht verleugnet und der Grammatik der biblisch-christlichen Tradition entspricht« (so im Glossar, 74).
Damit wird das Bemühen des sog. Strukturpapiers von 1974 zu­rückgewiesen, neue Formen gottesdienstlicher Feiern in den agendarischen Gottesdienst zu integrieren, und entsprechend das Evangelische Gottesdienstbuch kritisiert. Positiv folgt daraus die Forderung, mit den Arbeiten für eine neue Agendenreform zu beginnen, kritisch geben Kommentatoren Folgendes zu bedenken:
Peter Cornehl skizziert prägnant wichtige Entwicklungen auf dem Weg zum Gottesdienstbuch (»Die Zukunft der Agende – aus der Perspektive des Rückblicks auf 60 Jahre Agendenreform«, 80–98). Dabei fragt er kritisch an, ob bzw. inwieweit der »traditionskontinuierliche Gottesdienst« ein Etikett für eine konservative Rück­wendung sei. So wie Cornehl will auch Birgit Weyel am Integrationskonzept des Gottesdienstbuches festhalten (»Welche Agende brauchen wir 2017?«, 150–164). Sie übt dazu Kritik an der kulturhermeneutischen Analyse des Dokuments, die sich des Konzeptes des kulturellen »Archivs« bedient, um den agendarischen Sonntagsgottesdienst als unverzichtbar zu erweisen.
Ein neues Problemfeld eröffnet Benedikt Kranemann, der u. a. auf die theologischen (und christologischen) Defizite des Papiers der Liturgischen Konferenz hinweist (»Perspektiven liturgischer Er­neuerungsprozesse – Kommentar aus katholischer Sicht«, 99–117).
Durchaus gegensätzlich stellt sich der Vorstoß der Konferenz dann aus der Sicht zweier Landeskirchen dar (Hans Christian Brandy für Hannover, Michael Nüchtern für Baden).
Insgesamt eröffnet der Band einen guten Blick auf die vielfältigen Probleme, die sich im Kontext des Evangelischen Gottesdienstbuches stellen. Dass der zwischen normativen Implikationen und hermeneutischem Anspruch oszillierende Begriff des »traditionskontinuierlichen Gottesdienstes« die weitere Arbeit an einer Theologie (bzw. theologischen Theorie) des Gottesdienstes nicht ersetzen kann, tritt deutlich zutage. Problematisch erscheint deren einseitiger Ausgang vom »Sonntagsgottesdienst als Grundmuster des evangelischen Gottesdienstes«. Denn so werden wichtige lebensweltliche Bezüge von Gottesdienst ausgeblendet, wie sie z. B. ge­genwärtig in kasualtheoretischen Studien ausgearbeitet werden.