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Ausgabe:

Februar/1997

Spalte:

155–157

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Optat de Mileve

Titel/Untertitel:

Traité contre les donatistes. Introduction, Texte critique, Trad. et Notes par M. Labrousse. Bd. 1 et 2.

Verlag:

Paris: Cerf 1995. 312 S. et 268 S. 8° = Sources Chrétiennes, 412 u. 413. Kart. fFr 186.-. u. 142.-. ISBN 2-204-05335-X u. 2-204-05336-8.

Rezensent:

Gert Haendler

Am Ende des 4. Jh.s wurde der nordafrikanische Bischof Optatus von Mileve ehrenvoll bei Hieronymus und Augustin erwähnt (I, 9). Ein Jahrhundert später bezeichnete ihn Fulgentius von Ruspe als heilig und sieht ihn in einer Reihe mit Ambrosius und Augustin (I, 10). In seinen langen Auseinandersetzungen mit den Donatisten berief sich Augustin immer wieder auf jene historische Überlieferung, die Optatus hinterlassen hatte. Die wörtliche Wiedergabe mehrerer historischer Quellenstücke ist besonders wertvoll.

Die Datierung des Traktates hat zwei Angaben zu berücksichtigen: Hieronymus schrieb (in de viris illustribus 110), O. habe seinen Traktat gegen die Donatisten unter der Herrschaft der Kaiser Valentinian und Valens verfaßt, also in den Jahren 364-367. In II, 3 aber zählt O. die römischen Bischöfe auf und nennt als letzten Bischof Siricius, der erst im Jahre 384 Bischof von Rom geworden war; alle erhaltenen Manuskripte mit römischen Bischofslisten führen bis zu Siricius. Vermutlich hat O. ursprünglich bis zum Herbst 366 die ersten 6 Bücher seiner Arbeit verfaßt, die römische Bischofsliste müßte damals freilich mit dem wenig ruhmvollen Bischof Liberius geendet haben. Nach 384 fügte er das Buch 7 hinzu und überarbeitete seine früheren Aufzeichnungen, die römische Bischofsliste wurde bis zu Siricius verlängert (I, 13). Es folgt eine Darlegung der Entstehung (I, 14-18) uind eine Analyse des Traktats (I, 18-32) sowie eine spezielle Untersuchung der Authentizität des nachgetragenen Buches 7 (I, 32-56).

Kapitel 2 "Historische Aspekte" bietet u. a. eine Chronologie der Anfänge des Donatistischen Schismas 303-316 (69 f.). Dazu vergleiche man Appendix I, der diese Epoche unter Benutzung mehrerer Quellen skizziert (I, 306 f.). Die Beziehungen zwischen Staat und Kirche werden beleuchtet. Das Wort "Kollaboration", das in der deutschen Sprache heute eher negativ klingt, wird ganz unbefangen verwendet: O. definierte »la doctrine de collaboration entre l’Église et l’État défendu plus tard par saint Ambroise et réaffirmée par Augustin« (I, 80). Kirche und Staat haben ihre eigenen Aufgaben, aber »tous deux collaborent en vue d’une même fin« (I, 80 f.). Kapitel 3 "Theologische Aspekte" stellt fest, daß O. die Gemeinsamkeiten mit den Donatisten betont: Katholiken und Donatisten stehen auf der Grundlage des nicänischen Glaubens; zumal das Bekenntnis des Donatistenbischofs Parmenian, gegen den O.polemisiert, ist »parfaitement orthodoxe« (85).

Ausführlich wird auf die umstrittene Taufe eingegangen (I, 91-100). Eine "Theologie der Kirche" (I, 100-121) stellt die Einzigartigkeit und Einheit der Kirche heraus, dem Stuhl Petri kommt ebenso Bedeutung zu wie den Begriffen Pax et unitas. Die Linien werden immer wieder zurück zu Cyprian und vorwärts zu Augustin gezogen. Die Anmerkungen bieten umfangreiche Literatur.

Eine Rolle spielte für O. die Existenz einer Liste von römischen Bischöfen; die Hgn. erinnert in ihrer Introduction an bestimmte Worte aus dem 1.Clemensbrief und aus dem Römerbrief des Ignatius, die sich bei O. freilich nicht finden (I, 109). Seine oft zitierte römische Bischofsliste nennt den römischen Bischof Siricius: "hodie qui noster est socius" (I, 246 = II,3). Die französische Übersetzung verschärft noch: »qui est aujourd’hui notre collègue« (I, 247). Von einem vorgesetzten "Papst" oder "Heiligen Vater" spricht O. also gerade nicht. Mehrfach beruft er sich auf die Gemeinschaft mit den östlichen Kirchen, "ubi secundum hominem suum natus est Christus" (VI, 3 = II, 170). O. hält jene Gemeinden, die einstmals von Aposteln gegründet worden waren, für besonders verantwortlich (II, 14 = I, 268; IV,3 = II, 86). Diese Meinung hatte schon um 180 Irenäus von Lyon vertreten im Zusammenhang mit seiner römischen Bischofsliste. Die Liste des O. wird mit zwei anderen römischen Bischofslisten verglichen (I, 308 f.).

Kapitel IV geht auf die Textüberlieferung ein, die C. Ziwsa in der Einleitung zu seiner Edition in der Wiener Reihe Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum (CSEL) untersucht hatte (Bd. 26, 1893). Ziwsas Edition war zwar mehrfach kritisiert worden, sie blieb aber für mehr als hundert Jahre die einzige kritische Edition (123). Die Hg.n der neuen Optatusausgabe setzt sich mehrfach mit Ziwsa auseinander. Für ihre Edition untersucht sie noch einmal jene Manuskripte, die schon Ziwsa untersucht hatte; dazu kommen noch ein wichtiges Manuskript (Codex Cusanus) und eine Ausgabe von 1631, die Ziwsa für seinen Text nicht berücksichtigt hatte (125). In den Anmerkungen der neuen Edition findet sich jedoch häufig das Zeichen z, das auf Ziwsa verweist. Die Manuskripte werden vorgestellt (I, 125-136), Cochlaeus hatte 1549 die editio princeps zum Druck gebracht, weitere Editionen folgten. Eine Edition von 1702 wurde bei Migne nachgedruckt (PL 11, 883 ff.). Zu Übersetzungen in die englische und italienische Sprache (142) tritt nun eine moderne französische. Es wäre zu wünschen, daß die neue, gut gelungene Edition eine vermehrte Beschäftigung mit diesem wichtigen Werk auch im deutschen Sprachraum zur Folge haben möge. Protestantische Theologen mögen sich daran erinnern lassen, daß das Augsburger Bekenntnis 1530 die Donatisten noch nach mehr als einem Jahrtausend für erwähnenswert hielt (Art. 8). Wer sich mit Sekten auseinandersetzen muß, der kann aus dem Streit mit den Donatisten etwas lernen. Insofern hat die Darstellung, die O. hinterließ, auch aktuelle Bedeutung.