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Ausgabe:

Februar/1999

Spalte:

231 f

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Becker, Dieter u. Andreas Feldtkeller [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Es begann in Halle ... Missionswissenschaft von Gustav Warneck bis heute.

Verlag:

Erlangen: Verlag der Ev.-Luth. Mission 1997. 208 S. 8 = Missionswissenschaftliche Forschungen. Neue Folge, 5. Kart. DM 50,-. ISBN 3-87214-335-2.

Rezensent:

Johannes Althausen

Anläßlich des Gedenkens an die Berufung Gustav Warnecks (1834-1910) auf den ersten missionswissenschaftlichen Lehrstuhl in Deutschland 1896 in Halle hat die Deutsche Gesellschaft für Missionswissenschaft (DGMW) 1996 in Halle ein Symposion abgehalten. Der wissenschaftliche Ertrag liegt jetzt in einer gut gemachten Edition vor.

Die ersten sechs Beiträge (A. Sames, H. Kasdorf, P. Beyerhaus, H. Rzepkowski, A. Feldtkeller und H. Balz), die die Hälfte des Buches füllen, sind gründlich gearbeitete und ausführlich belegte Studien über Warneck, die trotz eng geführter Spezialfragestellungen ein eindrucksvolles Bild des Altmeisters der Missionswissenschaft ergeben. Manchmal hätte man sich noch mehr Zeitgeschichte dazu gewünscht. Und die Überwindung des Grabens zwischen damals und heute bleibt fast völlig dem Leser überlassen.

Warnecks Haltung in Sachen Islam-Mission z. B. muß zu gründlichem Widerspruch herausfordern. Feldtkeller deutet den nur an. Aber immerhin - so ist sein sehr eindrucksvoller Beitrag, eine Erweiterung des in Halle gehaltenen Vortrags, wenigstens eine Provokation zum Gespräch. Die Warneck-Kritik von der Mitte unseres Jahrhunderts wird in den Beiträgen immer wieder zitiert. Wir wären aber nicht gut beraten, wenn wir sie bei der Warneck-Rezeption heute außer acht ließen.

Die Hallenser Fakultätsmitglieder A. Sames und H. Obst haben die Beiträge beigesteuert, in denen von der Entstehung des Warneck-Lehrstuhls und von seinem Ende die Rede ist. So verdienstvoll das ist - beide Berichte ernüchtern. Wenn nun hundert Jahre nach dem Beginn der Professur für Missionswissenschaft in Halle am gleichen Ort eine international zusammengesetzte wissenschaftliche Gesellschaft zur gleichen Disziplin tagt, so kann man dankbar feststellen, daß man noch auf die providentia Dei setzen kann. Aber die Sparzwänge oder auch rückwärts gewandte bildungspolitische Vorstellungen können für heutige Akteure eine ähnliche Gefangenschaft bewirken wie früher. Offenbar im Blick auf die sich daraus ergebende Notwendigkeit zur Wachsamkeit haben die Herausgeber am Schluß des Buches den Beitrag des Sekretärs der DGMW Dieter Beckers, aufgenommen, der nicht in Halle vorgetragen worden ist: "Junger Wein und neue Schläuche. Theologische Wissenschaft heute und der Fachbereich Religion, Mission, Ökumene". Da wird der Fachbereich nicht nur umfassend dargestellt und sensibel in das Spektrum der theologischen Disziplinen eingefügt, sondern da wird auch kräftig argumentiert und ein Verständnis von theologischer Ausbildung entwickelt, in dessen Mitte die Begegnung mit der Welt der Religionen sowie Zeugnis und Dialog in den geistigen Strömungen der Zeit stehen. Das ist ein wichtiger Beitrag zur aktuellen Diskussion um den Fachbereich.

Der Titel des Buches und des Symposions nimmt bewußt die bekannte Darstellung der Anfänge lutherischer Mission in Indien auf. "Es begann in Tranquebar" hatte Arno Lehmann sein Buch genannt. Zwei Beiträge der Hallenser Konferenz von 1996 sind dieser Thematik gewidmet. D. Jeyaraj, der in Südindien zu Hause ist und heute in Madras lehrt, hat aus der Fülle seiner Arbeiten in Halle geschöpft und ein Stück Missionsgeschichte aus der Sicht der "Empfänger" vorgelegt. A. Nørgaard hat das Thema Mission und Obrigkeit nach seiner Buchveröffentlichung noch einmal aufgegriffen. Über Arno Lehmann erfährt man etwas bei H. Obst. Daß man hier leider nur den kämpfenden Arno Lehmann erlebt, liegt an dem Thema, das dem Referenten gestellt war. Schade ist freilich, daß auf diese Weise auch die Frage nicht mehr berücksichtigt wird, was in der DDR an Missionstheologie noch vorhanden war, nachdem der Lehrstuhl Warnecks nicht mehr bestand. Es war vielleicht wirklich nicht nennenswert viel.

Aber es gab mehr Auseinandersetzungen mit dem vor-hoekendijkschen Missionsdenken, als man ahnt, freilich sicher auch, als sich im Rahmen akademischer Theologie nachweisen läßt. Daß die SED-Partei-Ideologie einen radikalen Strich gegenüber allem, wo nur das Wort Mission auftauchte, gezogen hat, war ja nur die eine Seite der Medaille. Arno Lehmann gehörte eben auch zu denen, die nicht mehr auf die Warneck-Kritik eingegangen sind. Die nächste Generation Missionstheologen in der DDR hat jedenfalls keine hilfreiche Hinterlassenschaft von dem letzten Inhaber des Warneck-Lehrstuhls be kommen. So war das von Obst dargestellte Ende ein Abbruch in doppelter Hinsicht. Und das missionstheologische Loch, das wir nach der Wende beklagen können, läßt sich nicht mit einem Gedenken allein oder mit der sonst sicher sehr berechtigten Frage nach der Zukunft des akademischen Fachbereiches Religion, Mission, Ökumene verarbeiten. Die Dokumente von der Tagung in Halle zeigen leider nicht einmal, daß man das bei der Konferenz wenigstens gesichtet hat.

Drei Beiträge führen in dem Buch auch vom Thema her über den engeren Rahmen des vom Tagungsort und vom Datum bestimmten Kasus hinaus.

Eine Darstellung der Missionstheologie von François E. Daubanton, einem Zeitgenossen Warnecks in den Niederlanden (J. A. B. Jongeneel), weist einen interessanten ökumenischen Horizont auf. Mit dem interdisziplinär belegten Beitrag über südindische Volksreligiosität und über die daran anknüpfende pfingstlerische Mission (M. Bergunder) wird ein wenig beackertes, aber wohl sehr ergiebiges Feld für die einschlägige Forschung vorgestellt. J. Aagaards Hauptreferat bei dem Symposion will Perspektiven für die postmoderne Mission aufzeigen. Die Herausforderungen, die hier formuliert werden, bedürfen dringend weiterer Konturierung. Wer das auch für sich akzeptiert, wird einen großen Gewinn von dem Buch haben.