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Ausgabe:

November/2010

Spalte:

1229-1231

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Koller, Alexander [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Die Außenbeziehungen der römischen Kurie unter Paul V. Borghese (1605–1621).

Verlag:

Tübingen: Niemeyer (de Gruyter Imprint) 2008. XVI, 527 S. gr.8° = Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom, 115. Lw. EUR 76,00. ISBN 978-3-484-82115-6.

Rezensent:

Heinrich Holze

Der Band versammelt die Vorträge einer von der DFG geförderten wissenschaftlichen Tagung, die im Mai 2005 am Deutschen Historischen Institut in Rom stattfand. Die Beiträge untersuchen zentrale Aspekte des Pontifikats Pauls V., dessen Wahl vom 16. Mai 1605 sich zum 400. Mal jährte. Thematisch behandeln die Beiträge die Gestaltungsformen des päpstlichen Anspruchs auf geistlichen wie weltlichen Primat. Insonderheit untersuchen sie die Grundlinien der päpstlichen Außenpolitik Anfang des 17. Jh.s. Wie der Herausgeber einleitend betont, war es das Ziel der Tagung, eine Zwischenbilanz der Forschung vorzulegen, die in den vergangenen Jahren durch die Arbeiten der Schule des Freiburger Mediävisten Wolfgang Reinhard sowie durch die Edition der Hauptinstruktionen für die kurialen Diplomaten des Borghese-Pontifikates durch Silvano Giordano (2003) bestimmt wurde. Die Beiträge gliedern sich in fünf thematische Gruppen.
Die erste Gruppe behandelt allgemeine Themen. Maria Teresa Fattori untersucht die Rezeption und die Deutung der Bestimmungen des Konzils von Trient mit Blick auf die päpstliche Präsenz in Europa unter Paul V. Anthony D. Wright behandelt Fragen der päpstlichen Jurisdiktion am Beispiel der Rückkehr der Jesuiten in die venetianische Republik nach Aufhebung des Interdikts. Giampiero Brunelli analysiert das Militärwesen am Anfang des 17. Jh.s und konstatiert, dass sich unter Paul V. die Konturen einer eigenständigen Militärpolitik herausschälen. Wolfgang Reinhard, auf dessen Arbeiten sich die Autoren des Bandes wiederholt beziehen, zeigt am Beispiel der Besetzung der päpstlichen Nuntiaturen das Verhältnis von Mikro- und Makropolitik, also das In- und Miteinander von persönlichen Beziehungen und institutionellen Be­dingtheiten in den Außenbeziehungen Roms während des Borghese-Pontifikates.
Die zweite Gruppe lenkt den Blick auf die außenpolitischen Beziehungen der römischen Kurie und darin insbesondere auf die politischen und konfessionellen Aspekte. Jan Paul Niederkorn zeigt, dass in der päpstlichen Außenpolitik gegenüber dem Reich während der letzten Regierungsjahre Kaiser Rudolfs II. (1605–1612) die gegenreformatorischen Ziele nur noch eine untergeordnete Rolle spielten. Alexander Koller, der Herausgeber des vorliegenden Bandes, arbeitet in seinem Beitrag heraus, dass die politische Interessenlage der Kurie gegenüber dem Reich vor allem auf eine Regelung der kaiserlichen Nachfolgefrage zugunsten von Erzherzog Ferdinand gerichtet war. Einen Sonderfall stellten die böhmischen Länder aufgrund ihrer gemischt-konfessionellen Lage dar. Václav Bůžek analysiert die unterschiedlichen Interessen des böhmischen und des mährischen Adels, denen die auf eine Rekatholisierung der obersten Landesämter gerichteten stereotypen Vorstellungen in den päpstlichen Hauptinstruktionen gegenüberstanden. Olivier Poncet lenkt den Blick auf die kuriale Diplomatie gegenüber Frankreich, die unter unruhigen politischen Verhältnissen und im Ge­genüber zu einer protestantischen Minorität die päpstlichen Interessen wirksam zur Sprache brachte. Bernardo J. García García un­tersucht die unterschiedlichen Beziehungsebenen zwischen der spanischen Monarchie und dem Heiligen Stuhl. Silvano Giordano zeigt mit Blick auf Portugal die Härte, mit der die Kurie die kirchliche Rechtsprechung und Immunität gegenüber politischer Einflussnahme verteidigte. Leszek Jarmiński macht deutlich, dass es sich mit Blick auf Polen ähnlich verhielt.
Eine dritte Gruppe von Beiträgen beleuchtet die politischen Be­ziehungen des päpstlichen Hofes zu den benachbarten italienischen Staaten. Stefano Andretta geht auf die Interessengegensätze zwischen der Kurie und der Republik Venedig ein. Guido Metzler behandelt die Neapelpolitik Pauls V. als ein Beispiel für die Außenbeziehungen der Kurie zu einer Monarchie, in der neben neapolitanischen auch die Interessen der spanischen Krone eine wesent­-liche Rolle spielten. Christian Wieland lenkt den Blick auf das Verhältnis von Mikro- und Makropolitik im päpstlichen Vorgehen gegenüber dem Großherzogtum Toskana. Toby Osborne analysiert die territorialen und dynastischen Interessen, die zwischen dem Herzogtum Savoyen und dem päpstlichen Hof strittig waren. Moritz Trebeljahr beschreibt, wie die Kurie auf unterschiedliche Weise darauf hinwirkte, die Geschicke des Johanniterordens zu­gunsten päpstlicher Politik zu beeinflussen. Julia Zunckel zeigt an Mailand, wie die oberitalienischen Städte darum bemüht waren, ihre Unabhängigkeit gegenüber päpstlicher Einflussnahme zu bewahren.
Zwei Aufsätze behandeln die außereuropäischen Beziehungen der Kurie. Matteo Sanfilippo beschreibt den Zusammenhang von Mission und Kolonisation Anfang des 17. Jh.s in Nordamerika. Giovanni Pizzorusso untersucht die Politik des Papsttums an der außereuropäischen Mission mit Blick auf Asien, Afrika und Südamerika.
Eine letzte Gruppe von Beiträgen geht auf die sog. Reformnuntiaturen unter Paul V. ein. Elisabeth Zingerle analysiert die Spätphase der Grazer Nuntiatur, die Einblicke in die unterschiedlichen Ebenen päpstlichen Handelns erlaubt. Peter Schmidt behandelt das Zusammenspiel von Inquisition, Zensur und päpstlicher Diplomatie in der Kölner Nuntiatur zur Zeit Pauls V. Urban Fink lenkt den Blick auf die schweizerische Eidgenossenschaft, in der es um die Luzerner Nuntiatur immer wieder zu Konflikten mit Bischöfen, Bewohnern und Kantonen kam. Bruno Boute schließlich zeigt am Beispiel der päpstlichen Nuntiatur in Brüssel das spannungsreiche Verhältnis zwischen dem vielgestaltigen Katholizismus Flanderns und der auf Einflussvermehrung gerichteten römischen Politik auf.
Die Beiträge dieses Tagungsbandes bewegen sich durchweg auf hohem Niveau und repräsentieren den gegenwärtigen Forschungs­stand. Den Autoren und Autorinnen gelingt es, die unterschiedlichen Aspekte der Politik des Borghese-Pontifikates zu beleuchten und damit dem Zeitabschnitt, der in Mitteleuropa mit dem Beginn des 30-jährigen Krieges zusammenfällt, schärfere Konturen zu geben. Der Fokus der Beiträge ist darauf gerichtet, das In- und Miteinander von politischer und kurialer Geschichte zu beleuchten. Aspekte der Theologie- und Geistesgeschichte werden nur gelegentlich angesprochen. Ein Personen- sowie ein Ortsregister helfen, Querverbindungen zwischen den Beiträgen zu entdecken, deren thematischer Zusammenhang vom Herausgeber in der Einleitung aufgezeigt wird. Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Beiträge dieses Bandes in ihrer thematischen Vielfalt einen wichtigen Abschnitt der nachreformatorischen und frühneuzeitlichen Papstgeschichte beleuchten und zahlreiche Anregungen für die Weiterarbeit geben. Es wäre freilich wünschenswert gewesen, wenn den auf Deutsch, Englisch, Spanisch, Französisch oder Italienisch geschriebenen Texten kurze Zusammenfassungen in den jeweils anderen Sprachen beigefügt worden wären. Dies würde die Rezeption dieses Sammelbandes deutlich befördern.