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Ausgabe:

Februar/1997

Spalte:

149–151

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Strauss, Mark L.

Titel/Untertitel:

The Davidic Messiah in Luke-Acts. The Promise and its Fulfillment in Lukan Christology.

Verlag:

Sheffield: Sheffield Academic Press 1995. 413 S. gr.8o = Journal for the Study of the New Testament, Suppl. Series 110. £ 35.­. ISBN 1-85075-522-1.

Rezensent:

Reinhard von Bendemann

Mark L. Strauss untersucht in seiner (überarbeiteten) Aberdeener Dissertation aus dem Jahr 1992 die Frage, wie die Motivik der alttestamentlichen David-Verheißungen im Rahmen des "christological purpose" des lk Doppelwerkes narrative Verwendung findet (vgl. 34). Die bisherige Forschung lasse "a comprehensive and satisfying treatment of the topic" vermissen (15; vgl. 19 die Kritik an Chr. Burger [Jesus als Davidssohn, 1970]). Die Untersuchung ist redaktionsgeschichtlich orientiert und bezieht Ansätze des narrative criticism ein (33). Als Ausgangspunkt fungiert im 1. Kapitel ("Introduction": 14-34) die den Untertitel präzisierende These, daß sich für Lk die Rezeption alttestamentlicher Texte als "proclamation from prophecy and pattern" beschreiben lasse (15 mit Bezug auf den gleichlautenden Titel der Arbeit von D. L. Bock [JSNT.S 12, 1987]).

Das gegenüber der Dissertation gekürzte 2. Kapitel ("Setting: The Davidic Promise Tradition in first-century Judaism and early Christianity": 35-74) inventarisiert "key components" (35) alttestamentlicher David-Verheißungstraditionen sowie ihrer frühjüdischen und frühchristlichen Rezeption.

Mit E. Lohse u. Chr. Burger wird ein Rückgang bzw. eine Umterminierung davidischer Hoffnungen in der hinsichtlich der messianischen Erwartungen vielfältigen Zeit des zweiten Tempels herausgestellt, die in eine Renaissance in der späthasmonäischen und frührömischen Zeit mündet. "[T]he domination of Palestine by Rome appears to have increased hope for a king from the line of David who would rule justly and establish God’s righteousness" (44). Für den historischen Jesus rechnet S. mit einer "Davidic lineage" (59). Der traditionellen Aussage Röm 1,3 f. (vgl. 2Tim 2,8) liege nicht eine ’zweistufige Christologie’ zugrunde; vielmehr werde einen "two-step proof of messiahship" (63.92) gegeben.

Im 3. Kapitel ("The Fulfillment of the Promise announced: The Lukan Birth Narrative": 75-129) arbeitet S. im Anschluß an Bock (vgl. 28) in der Einzelanalyse von Lk 1,26-38.68-79; 2,1-20 heraus, daß für Lk das "Davidic theme represents the controlling Christology of the nativity..." (87). Lk 1 u. 2 zeichnen "the promise at the dawn of its fulfillment" (86) und sind als Einführung und Antezipation nicht nur des Evangeliums, sondern der zweibändigen Gesamterzählung konzipiert (84.125).

In der ersten Erwähnung Jesu wird dieser gemäß 2Sam 7 und Ps 89 beschrieben (Lk 1,32 f.: Größe, Gottessohnschaft, Verleihung des Throns Davids, ewige Regentenschaft). Jesu Gottessohnschaft wird in Lk 1,35 in einer der David-Verheißungstradition fremden Weise begründet und präzisiert (93), behält aber in der lk Erzählung eine klare Affinität zu dieser. Lk 1,54 f.69.72 f. zeigen, daß "Luke places the fulfillment of the promise to David at the heart of his promise ­fulfillment scheme ­ not in isolation, but as the epitome and summation of the promises, oaths and covenants which God made to his people" (97). Die davidische Provenienz Jesu ist durchgängig akzentuiert (1,27; 2,4). 2,11 ist von zentraler Bedeutung für die lk Erzählung, da hier der "Christus Kyrios" in davidischen Kategorien ’definiert’ werde (114); 2,25 f. nehmen hierauf Bezug. 2,32 bringt mit der Anspielung auf Jes 42,6; 49,6.9; 46,13 das für die Gesamterzählung konstitutive Thema des ’Lichts für die Heiden’ und damit des universalisierten Heils ein. Das Motiv der ’Weisheit’ Jesu (2,40.52) gehört in die Traditionsgeschichte von Jes 11,1-3 (123).

Kapitel 4 unternimmt einen Brückenschlag von der Geburtsgeschichte zu Apg 2,14-41; 13,16-41 u. 15,13-21 ("The Fulfillment of the Promise achieved: The Speeches of Acts": 130-193). S. analysiert jeweils die Struktur der Reden-Abschnitte und diskutiert sorgfältig die Bedeutung und Funktion ihrer einzelnen Aussagen im Kontext.

In Apg 2,14 ff. interpretieren sich Pss 16,8-11, 132,11 u. 110,1 gegenseitig, um dem Erweis zu dienen, daß Jesus davidischer Messias ist, der in seiner Erhöhung den Thron Davids besetzt hat, welcher selbst ’nicht in die Himmel aufstieg’ (Apg 2,34). Apg 13,16-41 hat Modellcharakter für die paulinische Missionspredigt und bietet nach S. die Struktur eines ’homiletischen Midrasch’ zu 2Sam 7 (150 ff.). Apg 15,15 ff. läßt Lk Jakobus Am 9,11 f. zitieren, indem er die verheißene Wiederaufrichtung der ’Hütte Davids’ "takes... as a reference to the restoration of the Davidic dynasty accomplished through the life, death, resurrection and exaltation of Jesus" (190 mit Vergleich von 4QFlor 1,11-13).

Die Kapitel 5 ("The Inauguration of Messiah’s Ministry": 199-260) und 6 ("To Jerusalem and Beyond: The ’Exodus’ of the Royal Messiah": 261-336) nehmen den zunächst fallengelassenen Erzählfaden des Evangeliums wieder auf und versuchen zu zeigen, wie sich die davidisch-königliche Christologie der Kindheitsgeschichten in der lk Erzählung durchhält.

Im Christus-Titel kann die ’Definition’ aus Lk 2,11 vom Leser weiterhin mitgehört werden (v. a. 9,20). Doch ist z. B. die These, in der auf Adam zurückführenden Genealogie Lk 3,23-38 liege das lk Hauptinteresse auf dem "establishment of Jesus’ Davidic descent" (214), nicht unproblematisch und dokumentiert die durchgängige Schwierigkeit, das Gewebe der narrativen ’Christologie’ des Lk auf einen Strang hin zu entflechten.

Die programmatische Antrittspredigt in Nazareth Lk 4,16-30 "portrays Jesus in prophetic terms" (227; vgl. Lk 7,16.39; 13,33f.; 24,19; Apg 3,22f.; 7,37). Doch eigne dem Text zugleich ein "distinctly royal ’flavour’" (232). Pointiert wird herausgestellt, daß Lk Jesaja als literarische Einheit liest (vgl. Lk 2,32; 3,4 ff.; 4,17 ff.; 22,37; Apg 8,28 ff.; 28,25 ff. u. a.). Diese synchrone Lektüre impliziert, daß Lk "links the roles associated with both the servant and the prophet-herald with the person of the Davidic king" (249). In Jes 61,1 f.(58,6) sind für Lk Jes 9,1-7, 11,1-5 ebenso wie die Knechtslieder aus Jes 40-55 präsent (245, 341). Lk 24,26 wird auf diesem Hintergrund als Korrektur eines "incomplete reading" verständlich (256).

Für den lk Reisebericht weist S. mit guten Gründen die These ab, der Schlüssel zu seinem Verständnis liege in einer dtn/dtr Konzeption, mit der Jesus primär als "journeying-guest prophet like Mose" gezeichnet werde (277 in Auseinandersetzung mit D. Moessner, Lord of the Banquet, 1989). Den "Exodus" Jesu, von dem Mose und Elia auf dem Berg der Verklärung reden (Lk 9,31), sieht S. in der Linie der prophetischen Verheißung eines neuen Exodus. Hier bleiben m. E. manche Fragen offen und bedürften weiterer Analyse. In Lk 18,35-43; 19,11-27.28-40 "Luke reiterates Jesus’ royal status in three key passages" (306). Die in Lk 20,41-44 aufgeworfene Frage der Davidssohnschaft ist erst nach der Auferstehung/Himmelfahrt in Apg 2,34f. einer Antwort zuzuführen. Von Lk 22,37 her ist Jesus in der Passionsgeschichte als leidender Knecht konzipiert, den Gott erhöhen und verherrlichen wird (324 ff.). Lk 22,69 f. (vgl. 23,2) schließen die jüdischen Autoritäten Jesu Hinweis auf Ps 110,1 mit Ps 2,7 kurz (321).

Das 7. Kapitel ("Conclusion": 337-356) faßt die Resultate der Arbeit zusammen und stellt sie in den weiteren Horizont der Grundprobleme einer Rekonstruktion lk Theologie. Die lk Christologie kann angesichts von Indizien einer "high Christology" nicht als ’subordinatianisch’ bezeichnet werden. Die Frage eines "limited christological purpose within a wider ecclesiological aim" bedürfe darüber hinaus weiterer Erforschung (351). In der Soteriologie verlagert sich für Lk der Schwerpunkt von der Heilsbedeutung des Todes Jesu auf die "saving significance" der ganzen Jesusgeschichte, darin vor allem auf die Auferstehung/Himmelfahrt (353). Die Frage der Zukunft Israels wird begründet für Lk als zentral herausgestellt (vgl. 176, 346). S. verweist auf Indizien, "that Luke may envision a still future ingathering of Israel" (348 Anm.2).

Insgesamt hat S. einen wichtigen Beitrag zur Diskussion der "Christologie" des Lk vorgelegt. Diese ist funktional, indem Jesus von dem her verstanden wird, was er zur Durchsetzung des göttlichen Auftrags vollführt. Unterschiedliche alttestamentliche Stränge sind zu einem Gewebe verbunden, in dem der des davidischen Messias einen initial wichtigen ­ unter anderen ­ ausmacht. Daß für die Kohärenz dieses Gewebes die lk Jesaja-Rezeption einen wichtigen Faktor bedeutet, hat S. eindrücklich herausgearbeitet (die Rezeption von Jes 5,1-7 in Lk 20,9-19 ist nicht untersucht).

Gerne hätte man im Zusammenhang mehr zur lk Lektüre der Davidspsalmen erfahren; (vgl. z. B. Ps 31,5 in Lk 23,46 [vgl. 324 Anm.2]). Für Lk gewinnt das Regententum des davidischen Herrschers ein neues Profil, indem es auf die Heiden als universalisiertes Israel ausgeweitet wird. Innovativ ist die lk Aussage, daß Jesus seine Herrschaft als König und Sohn des Höchsten auf dem Thron Davids (Lk 1,32 f.) endgültig mit der Auferstehung/Himmelfahrt (Apg 2,29-36) antritt. Er ist für Lk damit nicht nur ’mehr’ als ein Prophet, ’mehr’ als ein leidender Gerechter und Knecht, sondern auch ’mehr’ als ein davidischer Messias.

Der von S. angezielte Versuch (vgl. 20), aus den narrativen Strategien des lk Doppelwerkes Informationen über seine Entstehungsverhältnisse, eine vorausgesetzte Gemeindesituation, einen apologetischen Kommunikationsvorgang zwischen Verfasser und realen Adressaten und somit Aufschluß über die Relation von erzählter und besprochener Welt zu gewinnen (vgl. 116, 125, 180, 259f., 345 f., 348), erwächst nicht schlüssig aus den Textanalysen und wirkt vielfach aufgesetzt (S. selbst: "somewhat conjectural" [260]). Damit ist freilich ein Grundproblem der Lk-Exegese berührt.

Versehen im Griechischen: 99 Z.7; 103 Anm.2; 123 Z.9; 155 Z.39; 169 Z.17; 177 Z.21; 202 Z.23; 212 Anm.1; 249 Anm.2 u. 331 Z.13; 255 Z.36; 264 Anm.5; 314 Anm.2; 357 Z.3