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Ausgabe:

Oktober/2010

Spalte:

1140-1141

Kategorie:

Titel/Untertitel:

Die Protokolle des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland. Bd. 7 1953. Bearb. v. D. Pöpping u. P. Beier. Hrsg. v. S. Hermle.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2009. 828 S. m. 2 Abb. gr.8° = Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte. Reihe A: Quellen, 16. Geb. EUR 149,00. ISBN 978-3-525-55767-9.

Rezensent:

Martin Greschat

Zwei Ereignisse sorgten 1953 in der deutschen Öffentlichkeit für besondere Aufmerksamkeit, Erregung und Empörung: zum einen die Bedrückung und Verfolgung der Kirchen, voran der evangelischen, und insbesondere der Jungen Gemeinde in der DDR, die plötzliche Beendigung dieses staatlichen Vorgehens und dann der Volksaufstand am 16./17. Juni; zum andern die Wahl zum Bundestag am 6. September des Jahres mitsamt dem überwältigenden Sieg der CDU/CSU. Intensiv beschäftigte sich der Rat der EKD mit den Vorgängen in der DDR. Seit Beginn des Jahres 1953 war er mit diesen Problemen befasst. Neben Eingaben an die ostdeutsche Regierung und Vorstellungen bei der Regierung der UdSSR sowie der Sowjetischen Kontrollkommission, Trost für die Mitglieder der Jungen Gemeinde sowie einer informierenden Kundgebung an alle evangelischen Christen in Deutschland ging es um die Fürsorge für die Flüchtlinge aus der DDR sowie die finanzielle Unterstützung der ostdeutschen evangelischen Kirchen. Allerdings belegte auch die Tatsache, dass der Rat dann zwei unterschiedliche Stellungnahmen zum Ende der Verfolgungen und zu dem »Neuen Kurs« in der DDR veröffentlichte (324–327) – von Dibelius einerseits und andererseits von Niemöller, Heinemann und Grüber – die politischen Differenzen, die in diesem Gremium herrschten. Ohne direkten Niederschlag blieben dagegen in den Ratsprotokollen die erbitterten sachlichen und persönlichen Auseinandersetzungen, die sich Hermann Ehlers und der »Evangelische Arbeitskreis der CDU« auf der einen und Heinemann, Niemöller mitsamt ihren Freunden in der »Gesamtdeutschen Volkspartei« auf der anderen Seite während des Wahlkampfes lieferten. Hilfreich wäre bei der Notiz über die nach der Wahl geplanten Gespräche der EKD mit der SPD und den Gewerkschaften (430, Anm. 4) der Hinweis auf Kunst und seine politischen Analysen gewesen, die er dem Rat mit zunehmender Regelmäßigkeit vortrug: Kunst regte diese Gespräche nämlich an, um den Prozess des inneren Wandels innerhalb der Sozialdemokratie zu fördern.
Eingebettet waren diese Themen in die Behandlung anderer Sachverhalte, mit denen sich der Rat zu befassen hatte, bis hin zu ausgesprochenen Quisquilien. Unter sieben Gesichtspunkten werden die disparaten Materialien, die auf sieben Tagungen des Rates sowie zwei Kirchenkonferenzen verhandelt wurden, in der Einleitung gegliedert. Diese knappen und präzisen Erläuterungen (12–37) tragen erheblich zum Verständnis der Quellen bei. Neben der Politik spielten immer wieder konfessionelle Fragen und Auseinandersetzungen eine gewichtige Rolle. Theologisches kam eher am Rande in den Blick. Große Anerkennung verdient erneut die sorgfältige Erhellung des zeitgenössischen Hintergrunds der Ergebnisprotokolle, ohne die die Texte oftmals unverständlich blieben. Wie viel an kenntnisreicher Findigkeit und mühsamer Arbeit hinter solchen Anmerkungen steckt, vermag wohl nur ganz zu würdigen, wer selbst einmal an einer Edition mitgearbeitet hat. Hervorzuheben ist schließlich der biographische Index. Diese Angaben zu den Personen wurden kontinuierlich erweitert. Im Vergleich zu früheren Bänden sind sie jetzt oftmals verdoppelt. Ein besonders auffälliges Beispiel ist der Eintrag zu Heinz Trützschler von Falkenstein: 1950 wurde er in drei Zeilen vorgestellt, jetzt sind es zwölf!
Auch dieser Band der Ratsprotokolle bietet eine ebenso erfreuliche wie beeindruckende wissenschaftliche Leistung. Da sich an einigen Stellen bereits Hinweise auf die Ratssitzungen des Jahres 1954 finden, darf man auf die Fortsetzung dieser wichtigen Edition gespannt sein.