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Ausgabe:

Oktober/2010

Spalte:

1123-1124

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Osiander, Wolfgang

Titel/Untertitel:

Die Reformation in Franken. Andreas Osiander und die fränkischen Reformatoren.

Verlag:

Gunzenhausen: Schrenk-Verlag 2008. 221 S. m. Abb. gr.8° = Reihe Fränkische Geschichte, 14. Geb. EUR 24,90. ISBN 978-3-924270-55-1.

Rezensent:

Rudolf Keller

Ein Lesebuch ist vorzustellen, das diesen Namen verdient und in sehr angenehmer Weise in die Vielfalt der fränkischen Reformationsgeschichte einführt. Der Vf. ist Studienrat und hat bereits Schulbücher verfasst. Die Einheiten, die er darstellt, sind überschaubare Einblicke. Sie werden in ansprechendem Layout dem Leser, der nicht schon Vorkenntnisse haben muss, zum Verständnis der Geschichte dargeboten. Der Vf. erklärt selbst, dass er trotz der Namensgleichheit nicht zur Nachkommenschaft des Nürnberger Reformators gezählt werden kann. Sein Studium der katholischen Theologie neben Germanistik, Geschichte und Politischer Wissenschaft führt ihn zu einer fundierten Darstellung, die sich im ökumenischen Gespräch der Konfessionen bewähren kann. Er schildert auch die Auswirkungen der Reformation auf die katholischen Gebiete in Franken, die neben den evangelischen Territorien geblieben sind. Er verarbeitet die wissenschaftlichen Arbeiten, allem voran die Gesamtausgabe der Schriften und Briefe Andreas Osianders. Die Zeitgenossen und Mitarbeiter der Reformation werden in ansprechenden Porträts dargestellt, ebenso die auf der politischen Bühne maßgeblichen Fürsten und Politiker. Die reichhaltigen Bildbeigaben verdeutlichen das, was man liest, und lassen so ein plastisches Bild vor dem Leser entstehen. In manchen Bildern kommt ja die Theologie auch selbst deutlich zum Ausdruck. Die Ausschnitte aus den Konfessionsbildern sind besonders geeignetes Anschauungsmaterial dazu. Franken eignet sich für ein derart vielseitiges Gesamtwerk besonders gut, denn für diesen Stoff sind herrliche Bilder und Bauzeugnisse reichlich vorhanden und schon immer wieder einzeln dargestellt und interpretiert worden. Viele der Bilder hat der Vf. auch selbst fotografiert. Der Vf. schreibt in einem erzählenden Stil, der sich gut liest. Er schreibt nicht trockene Wissenschaft, aber er gibt einen fundierten Überblick, der zur Kontrolle einlädt und bereit ist. Mit insgesamt 556 Anmerkungen wird man auf die Fundorte verwiesen, die man im Anschluss an den Text aufblättern kann. Ein umfangreiches und (fast) vollständiges Literaturverzeichnis schließt den Band ab.
Das Buch ist davon geprägt, dass der Vf. schöne und eingängige Zitate verbindet und das auswertet, was er gelesen und gefunden hat. Obwohl er für ein Autograph Osianders als Fundort die Hamburger Staats- und Universitätsbibliothek angibt (130), entspricht die Abbildung doch genau dem, was man in Osiander, Gesamtausgabe Bd. 4, 58, sehen kann. Das Gleiche gilt für die Holzschnitte (196), die man in Gesamtausgabe Bd. 2, 432 und 440, findet. Es wäre keine Schande gewesen, diese Fundorte zu nennen. Der Exkurs »Luther und Osiander« hat zu sehr Osianders Königsberger polemische Verteidigung gegen die Angriffe aus Wittenberg im Blick, weniger den brieflichen Austausch der Nürnberger Frühzeit. Die hier beigezogenen Zitate aus der Sekundärliteratur (Hans Roser) konnten ihn an die relevanten Briefzeugnisse nicht heranführen, weil auch da schon in freien schöpferischen Charakteristiken mit dem Ziel des Lesevergnügens griffige Farbtupfer zu einem Porträt zusammengefügt worden waren. Osianders Zweireichelehre könnte man erheblich klarer aus Texten erheben, als es der Vf. tut. Auch andere Fragen der Theologie erhalten bei Osiander eine Beleuchtung, die genauer anzuschauen sich lohnen würde. Der Fachmann wird also in diesem Buch an manchen Stellen vergeblich nach Klärung für in der Forschung noch offene Fragen oder nach neuen Erkenntnissen suchen. Aber das entspricht natürlich weitgehend der Gattung dieses ansons­ten anschaulichen Lehrbuchs. Eine Reihe von störenden Druckfehlern ist nicht beseitigt worden.
In einer Zeit, in der das Interesse für Kirchengeschichte sehr geschrumpft ist und oft auch im Sog der immer weitergehenden Präzision von Spezialuntersuchungen zu ganz genauen Detailfragen erstickt, ist dieser wertvoll ausgestattete Band ein erfreulicher Fanfarenstoß. Er lädt Leser ein und kann Lust machen, sich an die vielfältige Geschichte der Reformation in Franken und des Miteinanders der Konfessionen auf kleinem Raum heranführen zu lassen. Die Erfahrung eines Schulmanns hat da gute Früchte hervorgebracht. Die Bilder sind gut ausgewählt und helfen zum Verständnis des Texts. Da das Buch den Akzent auf Franken legt, ist die knappe Behandlung des sog. osiandrischen Streits in Königsberg durchaus nachvollziehbar, wenn auch dieser Streit den Namen Andreas Osianders in der Theologie bekannt gemacht und den Stempel erhalten hat, der in der Konkordienformel festgeschrieben wurde. Es hat lange gedauert, bis man sich für den derart gebrandmarkten Osiander, namentlich auch seine Nürnberger Frühzeit, wieder interessieren konnte. Auch nach der Fertigstellung der Gesamtausgabe (hrsg. v. Gerhard Müller und Gottfried Seebaß, Bände 1–10, 1975–1997) sind es noch nicht viele, die seither über Osiander gearbeitet und die dargebotenen Quellen aus anderen Fachinteressen genutzt haben. Hätte der Vf. an manchen Stellen vor der Drucklegung den Rat von Fachleuten gesucht, die diesen Namen verdienen, so hätte sein Ergebnis noch optimiert werden können.