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Ausgabe:

Februar/1997

Spalte:

139 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Rendtorff, Rolf

Titel/Untertitel:

Die "Bundesformel". Eine exegetisch-theologische Untersuchung.

Verlag:

Stuttgart: Kath. Bibelwerk 1995. 104 S. 8° = Stuttgarter Bibelstudien, 160. Kart. DM 39,80. ISBN 3-460-04601-5.

Rezensent:

Reinhard G. Kratz

Die kleine Studie ist der Formel "Ich will euer Gott sein, und ihr sollt mein Volk sein" gewidmet, die so oder ähnlich, ganz oder hälftig vor allem in den priesterlichen Partien des Tetrateuch (Gen 17,7 f.; Ex 6,7; 29,45; Lev 11,45; 22,33; 25,38; 26,12.45; Num 15,41), im Deuteronomium (4,20; 7,6; 14,2; 26,17-19; 27,9; 28,9; 29,12), in Jeremia (7,23; 11,4; 13,11; 24,7; 30,22; 31,1.33; 32,38) und in Ezechiel (11,20; 14,11; 34,24; 36,28; 37,23.27), vereinzelt auch in den Königsbüchern (1Sam 12,22; 2Sam 7,24; 2Kön 11,17) sowie in Sach 8,8 und 2,15 vorkommt und nach ihrem Inhalt die Bundesformel genannt wird. Ihr nahestehende Formulierungen begegnen in Ex 19,5 und Hos 1,9; 2,25.

In einer Vorbemerkung (7) äußert sich R. selbst zu Anlaß und Charakter seiner Schrift. Zum einen: "Die Studie ist entstanden aus der Arbeit an einer Theologie des Alten Testaments." Das erklärt den stark deskriptiven, mehr affirmativen als kritischen Zuschnitt der Ausführungen. Zum anderen: "Die folgenden Darlegungen zeichnen den Weg nach, den ich selbst bei meinen Untersuchungen gegangen bin." Das erklärt, warum die einschlägigen Belege "...immer wieder unter wechselnden Ge-sichtspunkten betrachtet (werden)". Das Material wird nicht ohne gewisse Redundanz insgesamt dreimal ausgebreitet, und zwar - nach methodologischen Vorüberlegungen (12-16) - einmal der kanonischen Bücherfolge nach (17-41), dann nach thematischen Bezügen der Formel (42-58) und schließlich in einer Zusammenschau von Fundstelle und thematischen Bezügen (59-93). Am Ende des letzten, dritten Durchgangs stehen zwei Kapitel (80 ff.88 ff.), die sämtliche Belegstellen auf einen literarischen und theologischen Nenner zu bringen versuchen und damit zu dem Anliegen der atl. Theologie zurücklenken. In den Anhängen (94 ff.) finden sich eine Tabelle der besprochenen Formeln, ein Verzeichnis der zitierten Literatur sowie Autoren- und Bibelstellenregister.

R. setzt ein mit einer Betrachtung von Neh 9,6-8, wo "Er-wählung" und "Bund" nebeneinander erwähnt sind, beides nach Gen 15 und 17 auf Abraham bezogen und mit der deuteronomischen, ursprünglich auf das Volk Israel bezogenen Erwählungsterminologie verbunden. Der Text setzt den literarischen Zusammenhang vorher getrennter Traditions- und Literaturbereiche voraus und versteht ihn als Ganzheit. R. möchte es ihm gleichtun und nimmt noch die Bundesformel hinzu, die sich etwa in Gen 17 mit dem Bund, in Dtn 7 und 14 mit der Erwählung berührt. Der Ansatz hat zweifellos seine Berechtigung. Die Theologie des Alten Testaments ist Synthese und nicht Analyse, und auch unabhängig davon ist man bei der gegenwärtigen Forschungslage gut beraten, das Alte Testament nicht von seinen Anfängen, sondern von seinen Endstadien her zu erklären. Nur muß man sich im klaren sein, was dabei herauskommen kann und was nicht. Mit einigem Geschick oder Glück stößt man auf das Selbstverständnis sekundärer Kompositionen, nicht aber in jedem Fall auf die Aussage "der Texte selbst", die sich ebenso wie die Intention einer Komposition nur aus der "hinter dem Text stehenden Geschichte" (beides S. 12), richtiger: aus der Geschichte der Texte selbst und ihres Zusammenwachsens erschließen läßt. Die von R. wie von vielen anderen heute aufgemachte Alternative von synchronem und diachronem Ansatz (12-16.17 f.) weist R. selbst am Ende mit Recht als unsachgemäß zurück (88 f.).

Wie schon in der Untersuchung von R. Smend aus dem Jahr 1963 (= Ges.St. 1, 1986, 11 ff.), nur etwas breiter, werden in den drei Textdurchgängen die Belege der Formel nach ihrer sprachlichen Form differenziert (18 ff.42 ff.) sowie thematisch (bes. 42 ff.46 ff.49 ff. und noch einmal 59 f.) und literaturgeschichtlich sortiert (20 ff.27 ff.33 ff.35 ff.40 ff. und noch einmal 52 ff.53 ff.57 ff. sowie 59 ff.64 ff.71 ff.). Auch R. ergibt sich dabei wieder der auffallende Befund, daß die Priesterschrift mit Ausnahme von Ex 6,7 und Lev 26,12 (H) die erste Hälfte ("Ich will euer Gott sein"), das Deuteronomium mit Ausnahme von Dtn 26,17-19 und 29,12 hingegen die zweite Hälfte der Formel ("und ihr sollt mein Volk sein") bevorzugt und nur in den Prophetenbüchern (Jer und Ez) mehrheitlich die ganze Formel begegnet. In seinen detaillierten Textbeobachtungen bestätigt R., daß diese Verteilung nicht zufällig ist, sondern den spezifischen theologischen Tendenzen der verschiedenen Literaturbereiche Rechnung trägt.

Was Smend seinerzeit das Wichtigste war, die Frage nach dem ältesten Beleg, den er in Dtn 26,17 f. fand und mit Josia in Zusammenhang brachte, blendet R. ganz aus (17 f. und passim). Zwar fügt sich nicht jeder Beleg in das theologische, näherhin kanonische Gesamtkonzept, in dem R. die Formel zu verstehen sucht, und wie er zum Verhältnis von Gen 17,7 und Dtn 29,12 treffend schreibt, "... spiegeln [diese Unterschiede] die diachrone Schichtung der Texte wider" (70 f.). Doch weiter als bis zur Differenzierung der größeren Komplexe will R., aus welchen Gründen auch immer, nicht gehen. Dabei wäre die genauere Analyse nicht unerheblich auch für das Verständnis des vorliegenden Texts, enthält dieser doch schon innerhalb eines größeren Literaturkomplexes (P, Dtn, Jer, Ez) mehr als nur eine Möglichkeit, das in Hos 1,9 negierte, natürliche Gottesverhältnis auf eine neue, theologisch reflektierte und begrifflich fixierte Grundlage zu stellen. R. hat das Material gründlich aufbereitet, wohl wissend, daß damit nur die halbe Arbeit getan ist. Man kann nach dieser Studie und mit R. selbst (88) nur "ausdrücklich dazu einladen", die Frage nach Herkunft und inneratl. Werdegang der Formel erneut aufzunehmen und die von R. aufgezeigten theologischen Großperspektiven theologie- und literarhistorisch zu präzisieren.