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Ausgabe:

September/2010

Spalte:

919-932

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Matthias Konradt

Titel/Untertitel:

Die Rezeption der Schrift im Matthäusevangelium in der neueren Forschung

Hat sich in der neueren Matthäusforschung die These, dass sowohl in theologischer Hinsicht als auch im Blick auf die Verortung der matthäischen Gemeinde der jüdische Kontext die maßgebliche Bezugsgröße des Matthäusevangeliums darstellt, als magnus consensus etabliert,1 so werden zugleich nicht nur Details dieser grundsätzlichen Einbettung nach wie vor kontrovers diskutiert. Im Blick auf die soziale Verortung der Gemeinde bleibt z. B. um­stritten, ob Matthäus mit seiner Weise der Neuerzählung der Jesusgeschichte auf einen schmerzhaften Prozess der Trennung der eigenen Gruppe vom Judentum bereits zurückblickt und diesen zu verarbeiten sucht.2 Oder aber ist die Vehemenz, mit der in der von Matthäus erzählten Konfliktgeschichte die Auseinandersetzung mit den Pharisäern geführt wird, im Verbund mit der matthä­ischen Tendenz, zwischen Volksmengen und Autoritäten zu differenzieren, und angesichts der Betonung der Aufgabe der Gemeinde an den »verlorenen Schafen des Hauses Israel« (10,6) als Hinweis zu werten, dass die Gemeinde sich in einem aktuellen und für sie bedrängenden Konflikt mit dem pharisäischen Gegenüber befindet, 3 wer legitimer Sachwalter der theologischen Traditionen Is­raels ist?4 Dem steht die kontroverse Erörterung der Israeltheologie des Matthäusevangeliums zur Seite. Der traditionellen Interpretation im Sinne einer Ablösung Israels durch die Kirche bzw. der Zuwendung zu Israel durch die »Heiden«- bzw. Völkermission aufgrund der vermeintlich kollektiven Ablehnung Jesu durch Israel steht in der jüngsten Forschung eine Reihe von alternativen Ansätzen zur Seite, so etwa von Axel von Dobbeler5, Florian Wilk6, Gernot Garbe7 und dem Autor8 dieses Beitrags.

Da Garbes Studie bisher nicht in der ThLZ rezensiert wurde, sei ihre Hauptthese kurz referiert: Garbe entnimmt dem Matthäusevangelium eine heils­-geschichtliche Periodisierung in die drei Phasen des irdischen Wirkens Jesu, des Reiches des Menschensohnes zwischen Auferweckung und Parusie Jesu Christi und des mit dem Endgericht anbrechenden Reiches Gottes. Israel komme in jeder dieser Phasen eine Sonderrolle zu. Garbe bewegt sich dabei zu­nächst weithin auf eingefahrenen Gleisen: Der Wirkungsbereich des irdischen Jesus sei auf Israel begrenzt; am Ende erfahre Jesus nicht nur bei den führenden Gruppen, sondern beim ganzen Volk Ablehnung (27,24 f.) (37–75). Im Zentrum steht aber die These, dass das Strafgericht mit der Zerstörung Jerusalems vollstreckt wurde und die Schuld damit auch abgetan sei (120). Die Aufgabe der Israelmission bleibe bestehen (125–150.210). Israel komme ferner auch in der matthäischen Eschatologie eine Sonderrolle zu: Der Sammlung der Erwählten als Gericht über die Gemeinde (24,29–31) stehe in 25,31–46 das die Völker unter Ausschluss Israels betreffende Gericht zur Seite, während das Gericht über Israel in 19,28 thematisiert sei, und zwar nicht als Verurteilungsgericht, sondern im Sinne eines Gerichts »mit offenem Ausgang« (192). Zentrale Bedeutung nimmt dabei die Interpretation von 23,34–39 ein. 23,39 wird von Garbe gar zum »Dreh- und Angelpunkt der Auslegung des Matthäusevangeliums« (201) erhoben. In 23,34–39 werde (nur) der zur Zeit Jesu lebenden Generation Israels das Gericht angekündigt, das sich in der Zerstörung Jerusalems innergeschichtlich manifestiert habe; 23,37–39 sei der Gattung nach ein befristetes Gerichtswort (102.203).

Garbe stellt m. E. mit Recht heraus, dass in der matthäischen Konzeption die Zuwendung zu Israel durch den Missionsbefehl in 28,19 nicht revoziert wird und Israel durch 28,19 auch nicht seiner Sonderstellung beraubt wird. Die Überwindung eingespielter Interpretationsmuster geht bei ihm aber m. E. nicht weit genug. Vielmehr ist weitergehend zu fragen, ob Matthäus tatsächlich ganz Israel mit der Schuld am Tod Jesu belastet und die Zerstörung Jerusalems als Gericht an Israel zu verstehen ist. Insbesondere die Gegenüberstellung von Festpilgern und Jerusalem in 21,9–11 rät hier zur Vorsicht, Jerusalem als Repräsentantin ganz Israels zu verstehen. 9

Neben der Diskussion des historischen Standorts der matthäischen Gemeinde und der Erörterung des Verhältnisses von Israel, Völkerwelt und Kirche in der theologischen Konzeption des Matthäus hat sich die neuere Forschung zugleich intensiv der Aufgabe gestellt, nach der Einbettung der matthäischen Jesusgeschichte in die Gedankenwelt des antiken Judentums zu fragen.10 Einen wichtigen Teilbereich der Erforschung des jüdischen Kolorits des Matthäusevangeliums bildet dabei die Analyse der Schriftrezeption, die in der gegenwärtigen Forschung zu neuer Blüte gelangt ist. Im Folgenden sollen daher einige neuere Studien zur Schriftrezeption vorgestellt und kritisch diskutiert werden.

1. Zum forschungsgeschichtlichen Kontext


Zu den hervorstechenden Charakteristika des Matthäusevangeliums gehört, dass der Evangelist seine Jesusgeschichte intensiv im Lichte der Schrift reflektiert hat. Die Erfüllungszitate (Mt 1,22 f.; 2,15.17 f.23; 4,14–16; 8,17; 12,17–21; 13,35; 21,4 f.; 27,9 f.) sind dabei nur ein besonders augenfälliger Ausdruck für die Relevanz, die der Schrift in der matthäischen Jesusgeschichte insgesamt zu­kommt.11 Den Erfüllungszitaten ist gleichwohl besondere Aufmerksamkeit zuteil geworden.12 Die Diskussion, inwiefern diesen aufgrund ihrer Textform eine Sonderstellung zukommt, und die damit verbundene Debatte über die Herkunft der Zitate sind hier in ihren Verästelungen nicht aufzurollen.13 Die Beantwortung der Frage nach der Textform ist zum einen dadurch erschwert, dass um die Zeitenwende, wie unter anderem die »biblischen« Handschriften in Qumran illustrieren, mehr Textformen umliefen als erhalten sind. Zum anderen hat der Evangelist zuweilen selbst Zitate seinem Kontext angepasst. Folgt man Maarten J. J. Menken, hat Matthäus bei den Erfüllungszitaten und auch sonst eine revidierte LXX benutzt, die enger als die erhaltene LXX-Version mit dem hebräischen Text übereinstimmte und ein verbessertes Griechisch aufwies. 14

Die Konzentration auf das Phänomen der Erfüllungszitate ist in neueren Arbeiten verschiedentlich kritisiert worden, da diese nur im Gesamtzusammenhang der für Matthäus charakteristischen Reflexion der Jesusgeschichte im Lichte der Schrift adäquat zu würdigen seien. Vor allem aber ist gegenüber der die älteren Studien – wie die umfassenden Untersuchungen von Stendahl und Gundry15– kennzeichnenden Konzentration auf die Textform der Zitate die Tendenz zu verzeichnen, die Analyse der Schriftrezeption in umfassendere Interpretationszusammenhänge einzustellen.16 Ein wichtiger Aspekt ist hier zum einen die Verknüpfung mit dem sozialen Kontext des Evangeliums, d. h. mit der Auseinandersetzung der Gemeinde mit dem pharisäischen Gegenüber,17 in welchem den Rekursen auf die Schrift in dem Bestreben, die christusgläubige Gemeinde als wahre Sachwalterin der theologischen Traditionen Israels auszuweisen, eine zentrale Funktion zukommt. Zum anderen hat die neuere Intertextualitätsforschung18 der Untersuchung der Schriftrezeption im Matthäusevangelium neue Impulse verliehen.19

Die in sich verzweigte Diskussion um Intertextualität ist hier nicht darzustellen.20 Integriert man den Intertextualitätsdiskurs in das Lesemodell der historisch-kritischen Exegese, steht im Rahmen eines produktionsorientierten Intertextualitätsbegriffs21 die Untersuchung gezielter Verweise und Anspielungen als Moment der rhetorischen Strategie des Autors in seiner Kommunikation mit den Adressaten im Zentrum.22 Eine wichtige Frage ist dabei, inwiefern mit Bezugnahmen auf alttestamentliche Texte deren Kontexte und die übergreifenden Zusammenhänge, in die sie eingebettet sind, mit evoziert werden sollen23 und so durch die intertextuelle Dimension des Textes dessen Sinn mit generiert wird. Dies geht als historische Fragestellung nicht ohne Erörterung der biblischen Enzyklopädie der konkreten Adressaten und damit der frühjüdischen Schriftrezeption. Sind neben explizit ausgewiesenen Zitaten auch Anspielungen in die Untersuchung einzubeziehen, stellt sich die schwierige Frage nach Kriterien für deren Identifizierung. Richard Hays hat im Rahmen einer Studie zur Schriftrezeption bei Paulus einen Katalog von sieben Kriterien aufgestellt, 24 die – trotz mancherlei Kritik25 – in mehreren neueren Arbeiten als kritischer Leitfaden für eine methodisch kontrollierte Analyse der intertextuellen Dimension neutestamentlicher Texte aufgenommen wurden.

Der Ausweitung der Fragestellung korrespondiert eine deutliche Tendenz zur Spezialisierung der Studien, sei es, dass einzelne Zitate, die Rezeption eines bestimmten alttestamentlichen Korpus oder einzelne Motive herausgegriffen werden. Besondere Aufmerksamkeit ist dabei in der jüngsten Forschung zum einen der Rezeption des Sacharjabuches und zum anderen – in sehr unterschiedlicher Weise – der Aufnahme des Hirtenmotivs bei Matthäus zuteil geworden. Ferner soll im Folgenden noch die 2009 erschienene Arbeit von Huizenga zur Isaaktypologie gewürdigt werden.

Hingewiesen sei darüber hinaus vorab noch darauf, dass 2008 der zweite, dem Matthäusevangelium gewidmete Band in der auf fünf Bände geplanten Reihe »Biblical Interpretation in Early Chris­tian Gospels« erschienen ist,26 die sich zum Ziel gesetzt hat, »to situate the current state of research and to advance our under­stand­ing of the function of embedded Scripture texts and their traditions in the narrative and socio-religious contexts of early Chris­tian Gospels« (VII). Die Beiträge des Matthäusbandes fügen sich allerdings nicht zu einem thematisch strukturierten und einem ge­meinsamen methodischen Ansatz verpflichteten Ganzen zu­sam­men; vielmehr bietet der Band einen bunten Strauß von Einzelstudien. 27 Auf einzelne Aufsätze werde ich im Folgenden an Ort und Stelle hinweisen.28

2. Neuere Studien zur Sacharjarezeption bei Matthäus


Dem Einfluss des Sacharjabuches auf die matthäische Jesusgeschichte ist in der jüngsten Forschung gleich in zwei unabhängig voneinander entstandenen monographischen Studien nachgegangen worden, zum einen in einer kurzen Monographie von Clay Alan Ham,29 zum anderen in einer 2002 an der Universität Durham (GB) eingereichten, aber erst 2008 im Druck erschienenen Dissertation von Charlene McAfee Moss.30

Charlene McAfee Moss bezieht gegenüber früheren Studien, die sich auf die Rezeption von Sach 9–14 in der matthäischen Passionsgeschichte konzentrierten, zum einen Sach 1–8 mit ein und weitet zum anderen den Blick auf Mt 1–2 und die Galiläakapitel aus. Beachtung verdient ihre Überlegung, dass das in Mt 21,5 eingebaute, durch Kürzung auf das Motiv der Sanftmut des Königs konzentrierte Zitat von Sach 9,9 bereits in 11,29 auf die Einfügung von ὅτι πραΰς εἰμι καὶ ταπεινὸς τῇ καρδίᾳ in den Parallelismus 11,28a.b und 11,29a.c eingewirkt habe. Sach 9,9 wird damit eine formative Bedeutung in der Ausgestaltung der matthäischen Christologie zugeschrieben (79): »the language of Zech 9.9 has provided Matthew the means to document the combination of exaltation and humility as messianic traits« (79 f.). Von Gewicht ist Sach nach McAfee Moss sodann auch am Ende des öffentlichen Wirkens Jesu in Jerusalem in Mt 21–23. Durch das Zitat von Sach 9,9 in Mt 21,5 auf der einen Seite, den Verweis auf Sacharja in Mt 23,35 (103–122) und zudem Anspielungen auf Sach 1,1–6 in Mt 23,29–36 auf der anderen ergibt sich nach McAfee Moss eine Rahmung, aus der sie eine weitreichende Schlussfolgerung zieht: »In this reading, all that Mat­-thew’s Jesus says and does in the Jerusalem temple is undergirded by allusions to Zechariah – allusions both to the prophet and to his words – in the Matthean substructure at the boundaries of Jesus’ ministry in Jerusalem« (126). Der Einfluss von Sach setzt sich nach McAfee Moss in Mt 24–25 fort. Die postulierten Bezüge verteilen sich dabei von Sach 2 bis Sach 14 (Sach 2,10; 9,14 → Mt 24,31; 12,10 → 24,30; 14,15 → 25,31), so dass im Grunde das Sacharjabuch als Ganzes als Referenzgröße der matthäischen Reflexion des Parusiegeschehens erscheint.

Besonders dicht sind die Bezüge auf Sacharja in der matthä­ischen Passionsgeschichte. Die Rede vom »Blut des Bundes« ist nach McAfee Moss von Ex 24,8 wie von Sach 9,11 beeinflusst. In 26,31 zitiert Jesus Sach 13,7. Sach 11,4–14 ist in Mt 26,14–16 und 27,3–10 von leitender Bedeutung. Möglich ist ferner, dass Mt 27,51–53, wie McAfee Moss mit Verweis auf das Motiv des Erdbebens, der Spaltung der Erde und des Kommens der Heiligen vorbringt, neben Ez 37 auch von Sach 14,4 f. beeinflusst ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Evangelist Sach 14,4 f. vor Augen hatte, wird von McAfee Moss dadurch unterstrichen, dass die vollständige Wendung τὸ ὄρος τῶν ἐλαιῶν in der LXX einzig in Sach 14,4 begegnet (s. ansonsten 2Sam 15,30; 1Kön 11,7; 2Kön 23,13; Ez 11,23) und im Kontext aller drei (allerdings von Mk übernommenen) Erwähnungen des Öl­bergs im Matthäusevangelium (21,1;24,3; 26,30) Bezüge auf das Sacharjabuch begegnen. Im Lichte dieser intertextuellen Referenz wird durch die Erwähnung des Ölbergs ein apokalyptisch-eschatologischer Erwartungshorizont aufgebaut (213).

Obwohl McAfee Moss verschiedentlich die Erwägung vorbringt, Matthäus hätte mit dem griechischen wie hebräischen Text von Sacharja arbeiten können, übt sie am Ende ihrer Studie bei der Frage, inwieweit Matthäus alle Anspielungen und Echos bewusst waren, eine auffällige und nach den vorangehenden Kapiteln auch überraschende Zurückhaltung: »it would … be un­-wise to claim with full confidence that particular traditions reflect Matthew’s conscious choice of Zechariah material … To state it broadly, some traditions had already been variously combined or clustered by exegetes, before or roughly contemporaneous with Matthew. This makes it neither possible nor desirable to trace or assign where Matthew has been indisputably intentional in his use of Zechariah traditions« (215).

Clay Alan Ham untersucht in seiner knappen, ohne Bibliographie und Register nur 126 Seiten umfassenden Studie neben den expliziten Zitaten »textual and conceptional allusions« (15) und »the thematic and theological function of Matthew’s use of Zechariah« (15). Im Hauptteil zu den drei expliziten Zitaten (20–83) steht für Ham nicht »the use and categorization of hermeneutical techniques« im Vordergrund, »but rather the contribution of the texts from Zechariah to Matthew and its theological presentation« (20). Um dieses Ziel zu erreichen, hätte es freilich einer präziseren Analyse der matthäischen Konzeption im Allgemeinen und der Einbindung der Zitate in ihren jeweiligen Kontext im Speziellen bedurft. So ist gleich zum ersten Sacharjazitat im Matthäusevangelium, dem Zitat von Sach 9,9 in Mt 21,5, anzumerken, dass die Ersetzung der Einleitung von Sach 9,9 durch εἴπατε τῇ θυγατρὶ Σιών aus Jes 62,11 kaum allein »Matthew’s knowledge of Jerusalem’s negative response to Jesus’ entry (Mt. 21.10)« und schon gar nicht »the eventual rejection of Jesus by the Jews« (40 [Hervorhebung von mir]) reflektiert; vielmehr wird das Zitat durch die Voranstellung von Jes 62,11 der spezifischen Szenerie der Einzugserzählung im Matthäusevangelium angepasst, in der jüdische (!) Volksmengen den in Jerusalem einziehenden Jesus als »Sohn Davids« akklamieren und damit Jerusalem das Kommen des davidischen Messias ansagen (21,9 f.).

Die Zuschreibung des Zitats in Mt 27,9 f. an Jeremia verdankt sich nach Ham zum einen der frühjüdischen Praxis »of citing the name of the more notable prophet when combining elements from more than one text« (62). Ferner lenke Matthäus mit der Erwähnung Jeremias die Aufmerksamkeit auf die Anspielungen auf das Jeremiabuch (Jer 18,1–12; 19,1–13; 32,6–9), wobei Ham in Jer 19 mit Recht den wichtigsten Bezugstext sieht: »Both Jer. 19.1–13 and Mt. 27.3–10 include the involvement of the chief priests and elders, the association of a potter with a piece of land, locations used for burial places with names connoting bloodshed …, and judgment against the shedding of innocent blood« (63).

Der Untersuchung von »textual and conceptual allusions« im zweiten Hauptteil liegt nicht eine eigene Sichtung des Materials zugrunde; vielmehr überprüft Ham lediglich Auflistungen von möglichen Bezugnahmen, wie sie unter anderem im Anhang des Nestle-Aland geboten werden. Anders als McAfee Moss sieht Ham vor Mt 21 an keiner Stelle eine Bezugnahme auf das Sacharjabuch.31 Im Blick auf Mt 21 ff. besteht darin Übereinstimmung, dass in Mt 24,30.32 der Einfluss von Sach 12,10–14 und 2,10 erkennbar ist (Ham, 94–9732zu McAfee Moss s. o.) und Mt 25,31 durch Sach 14,5, Mt 26,15 durch Sach 11,12 sowie Mt 26,28 durch Sach 9,11 inspiriert wurde (98–101). Dagegen verneint Ham einen Bezug von Mt 27,51–53 auf Sach 14,4 f. sowie von Mt 21,1 (Ölberg) auf Sach 14,4, so dass alle Referenzen durch die Zitate in 21,5 und 27,9 f. gerahmt sind. Gewichtiger als die Entscheidung zu einzelnen Stellen – Ham zeichnet hier im Vergleich zu McAfee Moss im Ganzen eine größere Zurückhaltung aus – ist dabei, dass Hams Ausführungen kaum über die bloße Erörterung hinausgehen, ob das Vorliegen einer Anspielung wahrscheinlich ist oder nicht. Thematisch sieht Ham die Bedeutung der Sacharjarezeption darin, dass diese einen Beitrag zum in der matthäischen Christologie gewichtigen Moment leistet, Jesus als sanftmütigen König und zurückgewiesenen Hirten darzustellen.

Vergleicht man die beiden Studien von McAfee Moss und Ham miteinander, zeigt sich nur partiell ein Konsens über das Vorliegen von über die expliziten Zitate hinausgehenden Verweisen auf Sach im Matthäusevangelium. Die Studie von McAfee Moss ist dabei in der Erörterung von Anspielungen insgesamt deutlich elaborierter als die Untersuchung von Ham. Auch dann, wenn man nicht allen ihren Thesen zu einzelnen Texten zu folgen vermag, wird deutlich, dass Sach als Intertext der matthä­ischen Jesusgeschichte eine nicht zu unterschätzende Rolle zu­kommt. Im Blick auf den für die Rezeption von Sach besonders wichtigen Text Mt 27,3–10 ist dabei m. E. noch einmal neu zu fragen, wie stark sich die matthäische Version über das Ende des Judas, die sich von Apg 1,18–20 bekanntlich signifikant unterscheidet, überhaupt erst einer intensiven (durch das Sacharjazitat in Mk 14,27 mit angestoßenen?) Lektüre und Reflexion von Sach (und Jer) verdankt.

3. Die intertextuelle Dimension des matthäischen Hirtenmotivs


Bieten die Monographien von Clay Alan Ham und Charlene McAfee Moss Detailstudien zur Interaktion des Evangelisten mit einem bestimmten Intertext, so lässt sich daneben schriftenübergreifend nach der intertextuellen Dimension matthäischer Leitmotive fragen. Analog zu den beiden Arbeiten zur Sacharjarezeption ist die intertextuelle Dimension des Hirtenmotivs bei Matthäus, auf die zuvor insbesondere John P. Heil hingewiesen hatte,33 gleich in zwei monographischen Studien thematisiert worden.

Young S. Chae34 geht in zweifacher Hinsicht über die These von Heil, dass Ez 34 in der matthäischen Darstellung Jesu als des messianischen Hirten eine leitende Rolle zukommt, hinaus. Er stellt das matthäische Hirtenmotiv zum einen in einen breiteren alt-testamentlichen Referenzrahmen ein: Matthäus stehe nicht nur in einem intensiven Dialog mit Ez 34–37, sondern ebenso mit Mi 2–5 und Sach 9–14. Zum anderen wird die frühjüdische Rezeptionsgeschichte des Hirtenmotivs in 1Hen 85–90; PsSal 17–18, Qumranschriften und weiteren Texten einbezogen.

In der matthäischen Jesusgeschichte wird die Präsentation Jesu als des messianischen Hirten durch die Zitate von Mi 5,1 in Mt 2,6 und von Sach 13,7 in Mt 26,31 gerahmt; innerhalb dieses Rahmens (s. Mt 9,36; 10,6; 15,24) hat Chae zufolge Ez 34–37 eine prominente Rolle gespielt. Weichenstellende Bedeutung für seine Interpretation kommt dabei zu, dass er aus dem Nebeneinander der Rolle Jhwhs als Hirte des Volkes in 34,11–22 und der Einsetzung des davidischen Hirten in 34,23 f. (vgl. 37,24 f.) ein chronologisch strukturiertes Zwei-Hirten-Schema ableitet (68 f.72.74 f.), das unter Einbeziehung des Motivs des zurückgewiesenen Hirten aus Sach 9–14 die Gesamtkonzeption der matthäischen Jesusgeschichte zu er­schließen helfe. Jesus agiere zunächst in der Rolle des eschatologischen Hirten, die in Ez 34,11–22 Gott selbst zugewiesen ist. Er übernehme in der Passion die Rolle des zurückgewiesenen Hirten von Sach 11,4–14; 13,7, werde aber mit seiner Auferweckung als der in 34,23 f.; 37,24 f. verheißene davidische (!) Hirte eingesetzt; Ez 34–37 wird damit von Chae zum Schlüsseltext für das Verständnis von 28,16–20 erhoben (340–371). Der so eingesetzte Hirte werde schließlich Gericht halten (25,31–46), wobei in Mt 25,32 f. Ez 34,17–22 im Hintergrund stehen soll. Dieses Postulat macht die Folgehypothese nötig, dass – der von Chae zugrunde gelegten Unterscheidung zwischen dem eschatologischen Hirten von Ez 34,11–22 und dem davidischen Hirten zum Trotz – die Tätigkeit des Ersteren auf den davidischen Hirtenkönig und Richter übertragen sei. Chae trägt überdies in die Rolle des davidischen Hirten von Ez 34–37 – wie auch in das Michazitat in Mt 2,6 (177.179.185 f.) – einen universalistischen Akzent ein und gewinnt damit aus Ez 34–37 ein Schema, nach dem Jesu Zuwendung zu den »verlorenen Schafen des Hauses Israel« (10,6; 15,24) »would be seen as preparatory for YHWH to appoint the Davidic Shepherd at the end of the process of gathering the scat­-tered flock (cf. Matt 26:31–32) to reach out to the nations with peace (Matt 28:19–20; Ezek 34:23–24; 37:24–25; cf. Matt 2:6; Mic 5:1–4)« (216). Mit anderen Worten: Chae findet über die Bezugnahme auf Ez 34–37 eine Erklärung für den Übergang von der auf Israel beschränkten Aussendung in Mt 10,5 f. zur universalen Mission in 28,19 (vgl. 392 f. sowie 356–359). Zudem würde so auch verständlich, warum analog zu Ez 34,1–22 zunächst das heilende Handeln des Hirten im Vordergrund steht, während in 28,19 f. dann von der Lehre die Rede ist, denn der davidische Hirte leite nach Ez 37,24 f. ein Volk, das nach den Anordnungen Gottes wandelt, weil Gott dem Volk ein neues Herz und einen neuen Geist gegeben hat (Ez 36,26 f.) (301 f.362 f.389).

Zu überzeugen vermag diese Konstruktion nicht. Zwar stellt Ez 34 tatsächlich für Matthäus einen wichtigen Referenztext dar, mit dem er nicht nur Jesu Rolle, sondern auch die seiner Gegner, denen die schlechten Hirten von Ez 34,1–10 entsprechen, von der Schrift her zu konturieren vermochte. Aber Matthäus entnimmt Ez 34(–37) schwerlich ein Zwei-Hirten-Schema, dessen Rollen unterschiedliche Phasen des Wirkens Jesu markieren. Näher liegt es, dass Matthäus das Wirken des davidischen Hirten (Ez 34,23 f.) ganz selbstverständlich im Lichte von Ez 34,11–16 versteht. Matthäus hat die Rede von Jesus als Sohn Davids bekanntlich mit seinem heilendem Wirken verbunden (9,27–31; 12,22 f.; 15,21–28; 20,29–34; 21,14 f.). Die durch Ez 34,23 f. inspirierte Auffassung von Jesus als davidischem Hirten kann man dabei nicht von der Präsentation Jesu als Sohn Davids lösen, indem man den Sohn Davids mit dem »eschatolog­ical shepherd« von Ez 34,11–22 verbindet und den davidischen Hirten von Ez 34,23 f. von dem so interpretierten »eschatological shepherd« unterscheidet. Für Matthäus kommt die Identität Jesu als des verheißenen davidischen Hirten vielmehr dezidiert in seiner Zuwendung zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel (10,6; 15,24, s. auch die Anfügung von 2Sam 5,2 in Mt 2,6, die Chae in ihrer Bedeutung herunterspielt) im Rahmen seines irdischen Wirkens zur Geltung. In dem sog. »Zwei-Hirten-Schema« (380 f. und öfter) auf Seiten des davidischen Hirten einen universalistischen Horizont zur Geltung zu bringen, ist im Übrigen schon für Ez 34–37 bestenfalls gesucht. Kurzum: Der universalistische Horizont der matthäischen Jesusgeschichte ist nicht zu bestreiten. Aber er wird von Chae an der falschen Stelle zur Geltung gebracht. Matthäus’ Interesse an der davidischen Messianität Jesu, in deren Zusammenhang die Rezeption des Hirtenmotivs gehört, korreliert mit der Betonung der Zuwendung zu Israel im Rahmen des vorösterlichen Wirkens Jesu und seiner Jünger.35 Im Übrigen ist von einem lehrenden Hirten auch in Ez 37,24 f. zumindest explizit nicht die Rede. Methodisch verweist die Fragwürdigkeit der Konstruktion von Chae auf die Bedeutung von Hays’ Kriterium der thematischen Kohärenz:36 Sinnaspekte, die über die postulierte intertextuelle Dimension des Textes eingespielt werden, müssen sich kohärent mit der thema­tischen Linienführung des Textes verbinden lassen.

Einen ganz anderen Weg als Chae hat Joel Willitts37 beschritten, denn er verknüpft die Einbettung der matthäischen Jesusgeschichte in ihren alttestamentlich-frühjüdischen Kontext mit der Betonung der politischen Dimension des Matthäusevangeliums:38 Die Rede von den »verlorenen Schafen des Hauses Israel« (10,6; 15,24) und die Darstellung Jesu als des davidischen Hirtenkönigs, die anhand von Mt 2,1–6; 9,35–38 und 26,31 f. als Leitmotiv aufgewiesen wird, seien in den Zusammenhang der politisch kolorierten davidischen Messiaserwartung im Frühjudentum und der Hoffnung auf territoriale Restauration einzustellen.

Willitts zufolge wird bereits in dem Mischzitat in Mt 2,6 mit der durch Gen 49,10 inspirierten Rede von der γῆ Ἰούδα die eschatologische Hoffnung auf territoriale Restauration eingespielt (108); in 9,36 verweise die Rede von den hirtenlosen Schafen auf die Unterdrückung, Besetzung und Zerstreuung durch »foreign enemies« (131); und in 26,31 werde der Aspekt der territorialen Erneuerung über die Einfügung von τῆς ποίμενης in das Zitat aus Sach 13,7 eingebracht, denn diese Wendung sei als Anspielung auf Ez 34,31 (»Ihr seid … die Schafe meiner Herde«) zu erklären, wo im Kontext von 34,22 ff. der Ton auf der Wiederherstellung Israels im eigenen Land liege (146–149). Darüber hinaus sieht Willitts mit den »verlorenen Schafen des Hauses Israel« nicht ganz Israel, sondern »Jews living in rural Galilee and the northern region of the ideal Land of Israel who were remnants of the old Israelite population of the Northern Kingdom of Israel« (179, vgl. 31) bezeichnet, so dass sich die Konzeption einer gestuften, im Nordreich beginnenden nationalen Restauration durch das Wirken des davidischen Messias ergibt (225). Diese Deutung hat zugleich Konsequenzen für das viel diskutierte Verhältnis von 10,6 zu 28,19, denn wenn 10,6 » no mission to ›Israel‹ in some generic theological sense« (229) anvisiert, entfällt damit im Blick auf das heilsgeschichtliche Verständnis des Verhältnisses von 10,6 und 28,19 dessen erste Stufe. Freilich dürfte Mt 4,25 deutlich gegen Willitts Interpretation von 10,6 sprechen, denn in 4,25 werden die bei Jesus zusammenkommenden Volksmengen, die in 9,36; 10,6 als die hirtenlosen, verlorenen Schafe erscheinen, als Volksmengen aus allen Gebieten des biblischen Landes Israel bestimmt. Zudem liegt in den Bezeichnungen »König der Juden« (2,2; 27,11.29.37) und »König Israels« (27,42) die Differenz allein in der ethnischen Identität der Sprecher, was ebenfalls gegen eine Eingrenzung des »Hauses Israel« auf den Norden spricht.

Die Auseinandersetzung mit der Matthäusinterpretation von Willitts führt ähnlich wie bei Chae zu einer methodischen Grundsatzfrage intertextueller Lektüren: Wie ist zu kontrollieren, welcher semantische Import aus Texten, auf die ein Autor anspielt, von diesem tatsächlich intendiert ist? Kann man durchweg davon ausgehen, dass ein Bezugstext mittels einer Anspielung in allen ihm eigenen semantischen Horizonten eingespielt werden soll? Methodisch ist hier m. E. ein behutsames Prüfen geboten, denn im Regelfall dürfte zum einen von einer selektiven Rezeption auszugehen sein, und zum anderen ist mit kreativen Momenten im Rezeptionsvorgang zu rechnen. Als ein Leitkriterium für die Beurteilung beabsichtigter semantischer Importe kann die Frage der Konvergenz mit Tendenzen im Text selbst gelten. Willitts’ These zur national-politischen und territorial-restaurativen Dimension der matthäischen Rezeption des Motivs des Hirtenkönigs vermag diesen Test m. E. schwerlich zu bestehen.

4. Jesus als neuer Isaak?


Die in methodischer Hinsicht profilierteste neuere Arbeit hat Leroy A. Huizenga mit seiner Studie »The New Isaac. Tradition and Intertextuality in the Gospel of Matthew« (NT.S 131, Leiden 2009) vorgelegt. Huizenga folgt dem semiotischen Modell von Umberto Eco als einem »disciplined, determinative, historical reader-response ap­proach that permits adequate consideration of Matthean narrative dynamics and thus the phenomenon of Matthean allusion« (22), das er durch eine eingehende Reflexion des Intertextualitätsdiskurses zu profilieren sucht. Indem er gegenüber der Fokussierung auf kanonische bzw. kanonisch gewordene Text(form)e(n) konsequent die frühjüdische Interpretationsgeschichte einbezieht (»one should listen not simply for echoes of Scripture but for echoes of interpreted Scripture« [10]), gelangt er zu einer Weiterentwick­lung der von seinem Doktorvater Richard Hays vorgebrachten Kriteriologie für die Identifikation von Intertexten (58–65).

Huizengas These ist, dass im Matthäusevangelium »a significant Isaac typology« zu finden sei, »that spans the breadth of the Gospel, from Jesus’ miraculous conception and birth to his sacri­-ficial death« (265); »the purpose of this typology is to present Jesus Christ as the decisive sacrifice along the lines of a Christus Victor model in service of the Matthean theme of temple replacement« (20). Huizenga findet in Mt 1 gleich drei mögliche Evokationen Isaaks: Das auffällige Nebeneinander von Sohn Davids und Sohn Abrahams in Mt 1,1 bezieht er nicht auf den Zusammenhang von Zuwendung zu Israel und universaler Ausweitung des Heils(angebots) auf alle Völker, sondern er deutet es als Exposition von (davidischer) Messianität Jesu und Isaaktypologie, wobei mit Letzterer das Moment des gekreuzigten Retters eingeführt werde (142). Zweitens wird für die 3 x 14 Generationen von Mt 1,17 ein Hinweis auf Isaak erwogen, da die Bindung Isaaks im Jubiläenbuch kurz vor dem Anfang des 42. Jubiläums datiert wird (s. Jub 13,16; 17,15; 19,1). Während Huizenga selbst konzediert, dass diese beiden Referenzen für sich genommen noch »somewhat elusive and ambiguous« (151) seien, betrachtet er den dritten Fall als eindeutig (was zugleich die Wahrscheinlichkeit der ersten beiden erhöhe): Die Geburtsankündigung in Mt 1,20 sei nach dem Vorbild von Gen 17,19 modelliert (144 f.). Allerdings folgt Mt 1,20 f. einem im Alten Testament auch andernorts begegnenden Geburtsankündigungsschema, und der im direkt nachfolgenden Kontext von Matthäus zitierte Vers Jes 7,14 steht dabei insofern dem Wortlaut nach noch näher, als an diesen beiden Stellen anders als in Gen 17,19 (»sie wird dir gebären«) ein Dativobjekt fehlt.

Großes Gewicht misst Huizenga Mt 3,17 zu. Entgegen der opinio communis, die Worte der Himmelsstimme nähmen auf Ps 2,7 und Jes 42,1 Bezug, postuliert Huizenga, dass die Rede vom geliebten Sohn auf Gen 22,2.12.16 anspiele. Eingespielt werde damit sowohl ein Hinweis auf den Opfertod Jesu als auch das Gehorsamsmotiv, da in der frühjüdischen Isaaktradition die Tendenz zu beobachten ist, dass Isaak in seine Opferung gehorsam eingewilligt hat (4Q225; LAB 18,5; 32,3; 40,2; 4Makk 13,12; Josephus, Ant 1,232, s. auch 1Klem 31,3). Die Relevanz des (leidenden) Gottesknechtes aus Deuterojesaja wird hingegen gewissermaßen an der Wurzel bestritten: »The ›Suffering Servant‹ as defined by modern scholarship … was not a meaningful category within the ancient Jewish encyclopedia within which the Gospel of Matthew operates« (189). 39 Im Gefolge von 3,17 wird die Isaaktypologie sodann auch für die Himmelsstimme in Mt 17,5 postuliert. Eine Anspielung auf Jesu Kreuzigung (224) passt hier jedoch nicht so gut in den Kontext, wie Huizenga glauben machen will. Matthäus erzählt zwar die Passion Jesu betont als Passion des Gottessohns, doch geht es in 17,1–9 um die proleptische Schau des auferstandenen Gottessohnes (und damit des in 16,28 Angekündigten). Der Weg ins Leiden ist das zentrale Moment des Kontextes in 16,21–26; 17,12b; aber 17,1–9 ist dem so zugeordnet, dass den anwesenden Jüngern hier Einblick darin gewährt wird, wohin der Weg durchs Leiden führt (vgl. 17,9 fin). Entsprechend überzeugt auch nicht, dass die in 17,5 über 3,17 hinausgehenden Worte der Himmelsstimme »auf ihn hört« Petrus (warum angesichts des Plurals »hört« nur diesen?) mahnen sollen, sich der vorangehenden Leidensankündigung zu erinnern (217.228). Plausibler ist nach wie vor die verbreitete Deutung, dass es hier umfassend um die Unterweisung Jesu geht, auf die der Auferstandene (!) in 28,19 f. seine Jünger verpflichtet. Stimmt dies, bleibt zugleich Dtn 18,15 – entgegen der Bestreitung von Huizenga (215–217) – prominenter Kandidat als möglicher »Intertext« in Mt 17,5.

Die Verbindung der Akedah mit dem Passafest (s. Jub 17,15; 18,18f.) führt Huizenga dazu, auch die Mahlszene in Mt 26,17–29 mit der Isaaktypologie in Zusammenhang zu bringen (246–248). Präsentiert Matthäus »Jesus’ Passover sacrifice as the ultimate and decisive sacrifice«, so fungiere Isaak als »Vorbild« der Passalämmer (247). In der Gethsemane-Perikope sieht Huizenga in Mt 26,36 in Jesu Aufforderung »Setzt euch hier, bis ich hingegangen bin und dort gebetet habe!« eine Verbindung zu Gen 22,5 sowie in dem Versuchungsmotiv in 26,41 zu Gen 22,1 (251). »Significant verbal correspondence« (251) macht er sodann auch bei der Gefangennahme aus, obgleich die Einzelelemente in den beiden Texten unterschiedlich angeordnet sind: Die Schwerter und Hölzer fänden eine Entsprechung in Gen 22,6.10 sowie 22,3.6.7.9, das Handanlegen von Mt 26,50 in Gen 22,12, das Ausstrecken der Hand (Mt 26,51) in Gen 22,10 und das Ergreifen des Schwertes (Mt 26,52) in Gen 22,10 (251 f.). Dem steht nach Huizenga eine thematische Korrespondenz zur Seite: »the willing obedience of Jesus in Gethsemane to endure sacrificial death reflects Isaac’s willing obedience at the Akedah« (254).

Huizenga hat ein methodisch wie inhaltlich herausforderndes Buch geschrieben. Er operiert mit einem reflektierten Modell. Mit seinem programmatischen Verzicht auf die diachrone Perspektive der Redaktionskritik verkürzt er freilich unnötig sein Wahrnehmungsfeld. Redaktionskritik und Huizengas synchron ausgerichtetes Lesemodell schließen einander aber nicht aus, sondern er­-öffnen gemeinsam einen multiperspektivischen Zugang, der es ermöglicht, den Text in umfassender Weise als Kommunika­tionsgeschehen von der Produktion bis zur Rezeption in den Blick zu nehmen. Für ein adäquates historisches Verstehen der intertextuellen Dimension des Matthäusevangeliums dürfte es von großem Gewicht sein, eine Theorie zu entwickeln, wie es zu der vorliegenden Textgestalt gekommen ist. Wenn man (ob mit der Modifikation eines Deuteromarkus oder nicht) die Zweiquellentheorie zugrunde legt (Huizenga lehnt diese Voraussetzung ab), kann man aus vielen Mosaiksteinen einen Gesamteindruck gewinnen, inwiefern Schriftanspielungen in den Quellen (Mk; Q) erkannt wurden und zur weiteren Reflexion inspiriert haben, aber auch wie stark im Matthäusevangelium zugleich ohne direkt nachweisbare Inspiration durch die bekannten Quellen Schriftbezüge quantitativ wie qualitativ ausgebaut wurden. Liest man so, bleibt die biblische Enzyklopädie des zeitgenössischen Judentums zentrale Referenzgröße, doch zugleich ist ein besonderes Augenmerk auf solche Intertexte zu legen, die die Schriftreflexion des matthäischen Kreises aufgrund der überkommenen »christlichen« Quellen mitgeprägt haben bzw. die von diesen her als elementarer Bestandteil der Schriftlektüre in den Versammlungen nahegelegt werden.

Für Mt 3,17 bedeutete dies, danach zu fragen, ob Matthäus und sein Kreis erkannt haben, dass in Mk 1,11 Ps 2,7 anklingt. Ps 2 dokumentiert wie 2Sam 7 das Moment der Annahme des davidischen Herrschers als Gottessohn (vgl. 4Q174; 4Q24640). Im Matthäusevangelium führt der Zusammenhang von David- und Gottessohnschaft Jesu ins Zentrum der (narrativen!) Christologie des Evangelisten.41 Wenn das Matthäusevangelium konsequent im Horizont der Schrift und der frühjüdischen Tradition zu lesen ist, kommt man kaum an der Annahme vorbei, dass die Zentralität dieses Aspektes matthäischer Christologie mit einer eingehenden Re­-

flexion des alttestamentlichen (und frühjüdischen) Motivs der Got­tessohnschaft des davidischen Herrschers verbunden war. Bei Matthäus wird allerdings nicht der Davidide als Sohn Gottes angenommen, sondern umgekehrt der Sohn Gottes durch Josef in die da­vidische Linie hineingestellt (1,18–25).

Die Änderung der zweiten Person Sg. zu »dieser ist …« in Mt 3,17, durch die sich Matthäus vom Wortlaut von Ps 2,7 entfernt, trägt dabei der Vorverlagerung der Einführung der Gottessohnschaft Jesu in 1,16.18–25 Rechnung. Wenn aber Ps 2,7 – schon von Mk 1,11 her – ein gewichtiger Text der chris­tologischen Schriftreflexion im matthäischen Kreis war, trägt gerade die Erkenntnis der Differenz zu Ps 2,7 zum Verständnis von Mt 3,17 bei. Hatten die Hörer oder Leser auch den Fortgang des Psalmverses (»heute habe ich dich gezeugt«) im Ohr, kann man ferner fragen, ob Matthäus’ Rede, dass das in Maria »Gezeugte« aus Heiligem Geist ist (1,20, vgl. 1,16.18), als eine freie Anspielung eben auf Ps 2,7 zu werten ist. Ist das richtig, lässt sich über die Vermeidung eines möglichen »adoptianischen« Missverständnisses von Mk 1,11 hinaus zugleich noch profilierter erklären, warum Matthäus die Himmelsstimme geändert hat: Seinem christologischen Konzept zufolge wurde der Sohn Gottes nicht erst bei der Taufe »gezeugt«.

Das schließt nicht aus, dass darüber hinaus eine Anspielung auf Gen 22 mitzuhören ist; für die Verbindung von υἱός und ἀγαπη­τός ist Gen 22, wenn man nach einem alttestamentlichen Referenzpunkt sucht, tatsächlich die erste Adresse.42 Überhaupt wird man die Möglichkeit von Bezügen auf frühjüdische Isaaktraditionen zukünftig in der Matthäusexegese nicht a priori ausklammern können. Aber es ist fragwürdig, die konkreten Schriftbezüge, die durch die überkommenen Jesustraditionen, seien sie schriftlicher oder mündlicher Gestalt, vorgegeben sind (im Fall von Mt 3,17 etwa Ps 2,7), demgegenüber hintanzustellen.43 Huizenga bringt mit be­denkenswerten Beobachtungen eine vielfach überhörte Stimme im intertextuellen Klangbild des Matthäusevangeliums zu Gehör, aber er tendiert dazu, diese gegenüber anderen Stimmen zu stark in den Vordergrund zu rücken. So bietet die frühjüdische Isa­-akrezeption zwar eine interessante Analogie im Blick auf die Freiwilligkeit von Jesu Opfertod, aber das für die matthäische Passionsgeschichte zentrale Moment des Zusammenhangs von Vollmacht des Gottessohns und Verbergung bzw. Verzicht auf diese im Gehorsam gegen den Heilswillen Gottes 44 erschließt sich nicht von der von Huizenga postulierten Isaaktypologie her.

5. Ausblick


Bei aller kritischen Diskussion, die im Einzelnen zu führen ist, bleibt festzuhalten, dass die neueren Studien auf ein wichtiges Forschungsfeld aufmerksam machen. Die Erforschung der Bedeutung der Bezüge auf die Schrift in der matthäischen Jesusgeschichte ist in eine neue Phase getreten, die einen signifikanten Fortschritt für das Verständnis des Matthäusevangeliums verspricht. Es ist daher zu hoffen, dass weitere Detailstudien zur matthäischen Schriftrezeption folgen. Die breite Einbeziehung der frühjüdischen Interpretationsgeschichte sollte dabei als Standard gesetzt sein. Verheißungsvoll wäre es m. E. zum Beispiel, detailliert der matthäischen Rezeption des Propheten Jeremia, der in der alttestamentlich-frühjüdischen Tradition aufs Engste mit der Zerstörung des (ersten) Tempels verbunden ist, im Lichte der Hochkonjunktur der Jere­mia­rezeption nach 70 n. Chr. nachzugehen. Die bislang einzige Monographie dazu von Michael Knowles 45 konzentriert sich auf das Motiv der Zurückweisung der Propheten in der matthäischen Darstellung Jesu und auf den neuen Bund, womit das Gewicht der Jeremiarezeption im Matthäusevangelium allerdings insofern noch nicht hinreichend ausgeleuchtet ist, als die Bezugnahmen auf Jeremia zugleich der Charakterisierung der Gegner Jesu (und nicht nur zur Unterstreichung ihrer Gerichtsverfallenheit) dienen. Knowles’ Studie operiert zudem mit einer zu undifferenzierten Sicht Israels als Gegnerschaft Jesu, 46 womit die Wechselwirkung zwischen der eingangs genannten Erforschung der theologischen Konzeption des Matthäusevangeliums und der Schriftrezeption zutage tritt.

Methodisch ist zwischen Kriterien zur Identifizierung von Anspielungen und Frageaspekten für die intertextuelle Interpretation zu unterscheiden. Für Letzteres bleibt die kontrovers diskutierte Frage nach der Bedeutung des Kontextes des zitierten Textes zentral. Dabei ist die Möglichkeit nicht auszuschließen, dass die matthäische Schriftverwendung hier nicht auf einen Generalnenner zu bringen ist. Für das Zitat von Jes 53,4 in Mt 8,17 hat Lidija Novakovic in überzeugender Weise einen atomistischen Gebrauch nachgewiesen. 47 Aber dies schließt nicht aus, dass andernorts Kontexte mitzuhören sind, nur ist auch in solchen Fällen jeweils be­hutsam zu prüfen, wie weit die semantischen Importe gehen.

Ein weiteres Desideratum bildet eine Untersuchung zum Fragekomplex, welche Rückschlüsse aus der Schriftrezeption im Blick auf die Trägergruppe48 und den Entstehungsprozess des Evange­liums gezogen werden können. Wie lässt sich die Genese nicht nur des engen intratextuellen Netzes an Querverweisen, sondern auch der dichten Bezugnahmen auf die Schrift erklären? Modellhaft ist m. E. davon auszugehen, dass sich die Endgestalt des Evangeliums einem längeren Reflexionsprozess einer judenchristlichen Gruppe um den bzw. jedenfalls mit dem Evangelisten verdankt, die in ihren Versammlungen zum einen die ihm überkommene Jesus­-tradition (mit den in ihr bereits vorhandenen Schriftzitaten und -anspielungen) zur Sprache brachte und zum anderen intensiv eigenständig die Schrift reflektierte. In einem solchen Setting läge es jedenfalls nahe, beide Größen eng aufeinander zu beziehen und einander 49 interpretieren zu lassen. Dabei ist, wie angedeutet, auch daran zu denken, dass die Schriftreflexion bei der Ausgestaltung der Jesustradition ein eminent kreatives Potential entfaltet hat. Um hier weiterzukommen, bedarf es neben weiterer Detailstudien zum einen einer die Forschung kritisch evaluierenden Synthese, die einen Gesamtüberblick über die Bedeutung der expliziten und impliziten Schriftbezüge für die vom Evangelisten intendierte Kommunikation verschafft, zum anderen einer Verbindung der Matthäusforschung mit Erkenntnissen zur Verbreitung von Schrifttexten50 und Lesegewohnheiten bzw. Lesezyklen im zeitgenössischen Judentum.

Summary


Matthew’s gospel is characterized by an intensive reflection of the story of Jesus in the light of Scripture. Inspired by the discussion on intertextuality, recent research on Matthew’s Gospel has moved beyond the focus on the fulfillment quotations and their text form and has inquired the intertextual dimension of Matthew’s gospel more comprehensively. The article discusses some major recent contributions to the field, namely studies on the reception of the book of Zechariah in Matthew’s Gospel, on the intertextual dimension of the shepherd motif, and on Matthew’s Isaac typology. Furthermore, the article reflects on methodological problems of intertextual readings of Matthew’s Gospel such as the question how to control, which semantic import from the original context of a quotation is intended by the author.

Fussnoten:

1) Pointiert Donald Senior, Between Two Worlds: Gentiles and Jewish Chris­tians in Matthew’s Gospel, CBQ 61 (1999), 1–23: 5: »Matthew’s interface with Judaism … is the fundamental key to determining the social context and theological perspective of this gospel«. Siehe neben Senior ferner z. B. Ulrich Luz, Das Evangelium nach Matthäus, 1. Teilbd.: Mt 1–7, EKK 1.1, Düsseldorf u. a. 52002, 85–89.
2) Als ein prominenter Vertreter dieses Ansatzes ist Ulrich Luz zu nennen. Siehe Luz, Evangelium I (Anm. 1), 96; ders., Der Antijudaismus im Matthäusevangelium als historisches und theologisches Problem. Eine Skizze, EvTh 53 (1993), 310–327: 319.
3) Vgl. vor allem J. Andrew Overman, Matthew’s Gospel and Formative Judaism. The Social World of the Matthean Community, Minneapolis (MN) 1990, 35–38.68–70.79–90.115 f.; Anthony J. Saldarini, Matthew’s Christian-Jewish Community, Chicago Studies in the History of Judaism, Chicago-London 1994, 44–67.
4) M. E. weist die zweite Option in die richtige Richtung. Vgl. dazu meine Überlegungen in Matthias Konradt, Israel, Kirche und die Völker im Matthäusevangelium, WUNT 215, Tübingen 2007, 379–391.
5) Die Restitution Israels und die Bekehrung der Heiden. Das Verhältnis von Mt 10,5b.6 und Mt 28,18–20 unter dem Aspekt der Komplementarität. Erwägungen zum Standort des Matthäusevangeliums, ZNW 91 (2000), 18–44.
6) Jesus und die Völker in der Sicht der Synoptiker, BZNW 109, Berlin-New York 2002 (vgl. die Rezension von Knut Backhaus in ThLZ 128 [2003], 1251–1253).
7) Garbe, Gernot: Der Hirte Israels. Eine Untersuchung zur Israeltheologie des Matthäusevangeliums. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 2005. XII, 242 S. 8° = Wissenschaftliche Monographien zum Alten und Neuen Testament, 106. Geb. EUR 39,90. ISBN 978-3-7887-2086-5.
8) Siehe oben, Anm. 4.
9) Vgl. dazu Matthias Konradt, Die Deutung der Zerstörung Jerusalems im Matthäusevangelium, in: Josephus und das Neue Testament. Wechselseitige Wahrnehmungen, II. Internationales Symposium zum Corpus Judaeo-Hellenisticum 25.–28. Mai 2006, Greifswald, hrsg. v. Ch. Böttrich und J. Herzer unter Mitarbeit von T. Reiprich, WUNT 209, Tübingen 2007, 195–232.
10) Ich verweise exemplarisch auf die Arbeiten von Martin Vahrenhorst, »Ihr sollt überhaupt nicht schwören«. Matthäus im halachischen Diskurs, WMANT 95, Neukirchen-Vluyn 2002, James F. Davis, Lex Talionis in Early Judaism and the Exhortation of Jesus in Matthew 5.38–42, JSNT.S 281, London-New York 2005, und Lidija Novakovic, Messiah, the Healer of the Sick. A Study of Jesus as the Son of David in the Gospel of Matthew, WUNT II.170, Tübingen 2003.
11) Vgl. Donald Senior, The Lure of the Formula Quotations. Re-assessing Matthew’s Use of the Old Testament with the Passion Narrative as Test Case, in: The Scriptures in the Gospels, hrsg. v. C. M. Tuckett, BEThL 131, Leuven 1997, 89–115: 90.104–108; Richard B. Hays, The Gospel of Matthew: Reconfig­ured Torah, HTS 61 (2005), 165–190: 168 f.
12) Monographisch Wilhelm Rothfuchs, Die Erfüllungszitate des Matthäus-Evangeliums. Eine biblisch-theologische Untersuchung, BWANT 88, Stuttgart u. a. 1969; Geoge M. Soares Prabhu, The Formula Quotations in the Infancy Narratives of Matthew, AnBib 53, Rom 1976; Jean Miler, Les citations d’accomplissement dans l’Évangile de Matthieu. Quand Dieu se rend présent en toute humanité, AnBib 140, Rom 1999. Speziell zu Mt 12,17–21 Richard Beaton, Isaiah’s Christ in Matthew’s Gospel, MSSNTS 123, Cambridge (UK) 2002. Besondere Aufmerksamkeit ist den Erfüllungszitaten auch in der Studie von Krister Stendahl, The School of St. Matthew and its Use of the Old Testament, Nachdr., Ramsey (NJ) 1991 (ASNU 20, Uppsala 1954), hier bes. 97–127.183–206, gewidmet.
13) Für eine knappe Übersicht s. Luz, Evangelium I (Anm. 1), 193–196, und Clay Alan Ham, The Coming King and the Rejected Shepherd. Matthew’s Reading of Zechariah’s Messianic Hope, New Testament Monographs 4, Sheffield 2005, 3–12.
14) Maarten J. J. Menken, Matthew’s Bible. The Old Testament Text of the Evangelist, BEThL 173, Leuven 2004, 280 f. Ausnahmen sind die Zitate aus dem Dtn in Mt 4,4; 18,16 (281, vgl. unten Anm. 50).
15) Robert Horton Gundry, The Use of the Old Testament in St. Matthew’s Gospel with Special Reference to the Messianic Hope, NT.S 18, Leiden 1967. Zu Stendahl oben, Anm. 12.
16) Siehe das dezidierte Urteil von Sjef van Tilborg noch aus dem Jahr 1989: »The real questions concerning the intertextual relationships are posed hardly at all. Therefore, if one wants to find out what changes in meaning and in significance have been installed in Matthew’s text by the specific use of scriptural allusions, translations and quotes, one searches in vain in the previous literature« (Matthew 27.3–10: An Intertextual Reading, in: Intertextuality in Biblical Writings [FS B. van Iersel], hrsg. v. S. Draisma, Kampen 1989, 159–174: 159).
17) Siehe dazu besonders Overman, Gospel (Anm. 3), 73–90, sowie Senior, Lure (Anm. 11), 101 f.
18) Der Terminus wurde eingeführt von Julia Kristeva, Sémeiotiké. Recherches pour une sémanalyse, Paris 1969. An grundlegender Literatur s. ferner z. B. Gérard Genette, Palimpsestes. La littérature au second degré, Paris 1982, bes. 7–16, und Ulrich Broich/Manfred Pfister (Hrsg.), Intertextualität. Formen, Funktionen, Anglistische Fallstudien, Tübingen 1985.
19) Siehe neben den im Folgenden besprochenen Studien noch Hays, Gos­pel (Anm. 11); Ulrich Luz, Intertexts in the Gospel of Matthew, HThR 97 (2004), 199–137; Stefan Alkier, From Text to Intertext: Intertextuality as a Paradigm for Reading Matthew, HTS 61 (2005), 1–18, und Michael Schneider/Leroy A. Huizenga, Das Matthäusevangelium in intertextueller Perspektive, ZNT 8 (2005), 20–29.
20) Für einen Überblick über die Debatte s. Stefan Alkier, Intertextualität – Annäherungen an ein texttheoretisches Paradigma, in: Heiligkeit und Herrschaft. Intertextuelle Studien zu Heiligkeitsvorstellungen und zu Psalm 110, hrsg. v. D. Sänger, BThSt 55, Neukirchen-Vluyn 2003, 1–26.
21) Siehe dazu Manfred Pfister, Konzepte der Intertextualität, in: Broich/ Pfister (Hrsg.), Intertextualität (Anm. 18), 1–30: 14–19.23 f.
22) Vgl. Luz, Intertexts (Anm. 19), 122.
23) Vgl. exemplarisch Hays, Gospel (Anm. 11), 176 f.
24) Richard B. Hays, Echoes of Scripture in the Letters of Paul, New Haven-London 1989, 29–32. Diese Kriterien sind: availability, volume, recurrence, thematic coherence, historical plausibility, history of interpretation, satisfaction. – Siehe daneben ferner die Ausführungen zur Skalierung von Intertextualität von Pfister, Konzepte (Anm. 21), 25–30.
25) Siehe z. B. Stanley E. Porter, The Use of the Old Testament in the New Testament: A Brief Comment on Method and Terminology, in: Early Christian Interpretation of the Scriptures of Israel: Investigations and Proposals, hrsg. v. C. A. Evans und J. A. Sanders, JSNT.S 148, Sheffield 1997, 79–96: 82–84.
26) Hatina, Thomas R. [Ed.]: Biblical Interpretation in Early Christian Gospels. Vol. 2: The Gospel of Matthew. London-New York: T & T Clark International (Continuum) 2008. XII, 232 S. gr.8° = Library of New Testament Studies, 310. Geb. £ 70,00. ISBN 978-0-567-04194-4.
27) Die Anordnung der Beiträge nach der alphabetischen Reihenfolge der Verfasser zeigt dies exemplarisch.
28) Siehe Anm. 30.32.39 sowie bei Anmerkungsziffer 47. – Hingewiesen sei ferner noch auf den knappen »Kommentar« zur Schriftverwendung im Matthäusevangelium von Craig L. Blomberg in: G. K. Beale/D. A. Carson (Hrsg.), Commentary on the New Testament Use of the Old Testament, Grand Rapids-Nottingham 2007, 1–109.
29) Siehe oben, Anm. 13.
30) McAfee Moss, Charlene: The Zechariah Tradition and the Gospel of Matthew. Berlin-New York: de Gruyter 2008. X, 271 S. gr.8° = Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche, 156. Lw. EUR 88,00. ISBN 978-3-11-019695-5. – Zu verweisen ist darüber hinaus auf die Aufsätze von F. F. Bruce, The Book of Zechariah and the Passion Narrative, BJRL 43 (1960/1), 336–353; von Paul Foster, The Use of Zechariah in Matthew’s Gospel, in: The Book of Zechariah and Its Influence, hrsg. v. C. M. Tuckett, Burlington (VT) 2003, 65–85, und John Nolland, The King as Shepherd: The Role of Deutero-Zechariah in Matthew, in Hatina (Anm. 26), 133–146.
31) In Zweifel gezogen wird eine Anspielung von Mt 5,33 auf Sach 8,17, von Mt 9,4 auf Sach 7,10 bzw. 8,17, von Mt 9,36 auf Sach 10,2, von Mt 11,21 f. auf Sach 9,2–4, von Mt 19,26 auf Sach 8,6.
32) Vgl. dazu Clay Alan Ham, Reading Zechariah and Matthew’s Olivet Discourse, in: Hatina (Anm. 26), 85–97.
33) John Paul Heil, Ezekiel 34 and the Narrative Strategy of the Shepherd and the Sheep Metaphor in Matthew, CBQ 55 (1993), 698–708.
34) Jesus as the Eschatological Davidic Shepherd. Studies in the Old Testament, Second Temple Judaism, and in the Gospel of Matthew, WUNT II.216, Tübingen 2006.
35) Nur nebenbei sei auf das die gesamte Studie durchziehende Problem hingewiesen, dass Chae immer wieder zwischen der literarischen Ebene der matthäischen Erzählung und der Ebene des historischen Jesus wechselt (s. exemplarisch 214).
36) Siehe oben, Anm. 24.
37) Matthew’s Messianic Shepherd-King. In Search of the ›Lost Sheep of the House of Israel‹, BZNW 147, Berlin-New York 2007. – Da ich die Studie in ThLZ 134 (2009), 569–571 rezensiert habe, beschränke ich mich im Folgenden auf eine ganz knappe Skizze.
38) Vgl. vor allem Warren Carter, Matthew and the Margins. A Socio-Political and Religious Reading, JSNT.S 204, Sheffield 2000, und J. Riches/D. C. Sim (Hrsg.), The Gospel of Matthew in its Roman Imperial Context, JSNT.S 276/ ECC, London-New York 2005.
39) Ebenso zuletzt Lidija Novakovic, Matthew’s Atomistic Use of Scripture: Messianic Interpretation of Isaiah 53.4 in Matthew 8.17, in: Hatina (Anm. 26), 147–162: 149–154.
40) Zur Interpretation s. Johannes Zimmermann, Messianische Texte aus Qumran. Königliche, priesterliche und prophetische Messiasvorstellungen in den Schriftfunden von Qumran, WUNT II.104, Tübingen 1998, 128–170.
41) Ausführlich dazu Konradt, Israel (Anm. 4), bes. 18–52.303–334.
42) Zu verweisen ist ansonsten nur auf Jer 38,20LXX und entfernter auf Am 8,10.
43) Huizenga, Leroy A.: The New Isaac. Tradition and Intertextuality in the Gospel of Matthew. Leiden-Boston: Brill 2009. XX, 337 S. gr.8° = Supplements to Novum Testamentum, 131. Geb. EUR 114,00. ISBN 978-90-04-17569-3; 166: »Even if such texts [sc. Ps 2,7; Jes 42,1, M. K.] were part of the baptismal tradition at some level, one finds no compelling redactional evidence that the author saw and heard these texts.«
44) Dazu Matthias Konradt, Die Taufe des Gottessohnes. Erwägungen zur Taufe Jesu im Matthäusevangelium, in: Neutestamentliche Exegese im Dialog. Hermeneutik – Wirkungsgeschichte – Matthäusevangelium (FS Ulrich Luz), hrsg. v. P. Lampe/M. Mayordomo/M. Sato, Neukirchen-Vluyn 2008, 257–273: 267–272.
45) Jeremiah in Matthew’s Gospel. The Rejected Prophet Motif in Matthaean Redaction, JSNT.S 68, Sheffield 1993.
46) Zur matthäischen Differenzierung der Reaktion auf Jesus in Israel s. Konradt, Israel (Anm. 4), 95–180.
47) Siehe oben, Anm. 39.
48) Ansätze dazu finden sich jetzt bei Aaron M. Gale, Redefining Ancient Borders. The Jewish Scribal Framework of Matthew’s Gospel, New York-London 2005, 101–161, der hinter dem Matthäusevangelium einen Kreis von Ge­lehrten vermutet.
49) Treffend dazu Senior, Lure (Anm. 11), 104: »the relationship to the Hebrew scriptures is dialogic rather than linear. ›Fulfillment‹ does not mean simply a matter of applying Old Testament quotations to events in the life of Jesus. The events of Jesus’ life are illuminated and their authority revealed in the light of the Old Testament and, at the same time, new understandings of the voice of God in the scriptures and the history of Israel are revealed in the light of Jesus’ person and mission.«
50) Luz, Evangelium I (Anm. 1), 191, folgert aus der Zuschreibung des Zitats in 27,9 f. an Jeremia – m. E. zu Unrecht –, dass es in der matthäischen Gemeinde keine Prophetenrolle außer Jesaja gab. Anders Menken, Bible (Anm. 14), 282: »Matthew had a revised LXX text for Isaiah, Jeremiah, the Mi­nor Prophets, and the Psalms, and an unrevised LXX text for Deuteronomy.«