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Ausgabe:

Juli/August/2010

Spalte:

775-804

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Irene Dingel

Titel/Untertitel:

Philipp Melanchthon – Freunde und Feinde

Das 21. Jh. ist das Jahrhundert der großen Reformationsjubiläen. Das Gedenken an wirkmächtige Ereignisse des 16. Jh.s und herausragende, die Entwicklung von Theologie und Kirche beeinflussende Persönlichkeiten hat gegenwärtig regelrecht Hochkonjunktur. Im Jahre 2005 z. B. jährte sich der Abschluss des Augsburger Religionsfriedens zum 450. Mal und wurde, ebenso wie die 500. Wiederkehr der Geburt Calvins im Jahre 2009, mit Ausstellungen und großen Symposien gefeiert. Weniger publikumswirksam dagegen war die Rückerinnerung an den 450. Todestag Johannes Bugenhagens im April 2008, die den vor allem in kirchenorganisatorischer Hinsicht einflussreichen, dritten großen Theologen neben Martin Luther und Philipp Melanchthon in dem damals vielseitig agierenden Wittenberger Reformatorenkollektiv 1 in den Mittelpunkt gestellt hatte. Philipp Melanchthon rückt demgegenüber schon mehr in das Zentrum des Interesses, wenn auch immer noch weniger prominent als Luther und Calvin, deren theologisches Profil von ihrer konfessionsbildenden Kraft her rückblickend als wirkmächtiger angesehen wird. Schließlich sind Luthertum und Calvinismus als evangelische Konfessionen weltweit präsent. Person und Lehre Melanchthons dagegen sind bis heute theologischen Vereinnahmungstendenzen ausgesetzt. Die einen wollen in ihm den treuen »Lutheraner« erkennen, die anderen machen ihn zu einem »Reformierten«. Dass Melanchthon – ebenso wie Luther und Calvin – seine Lehre im Kontext der politischen, gesellschaftlichen, geistes- und theologiegeschichtlichen Herausforderungen seiner Zeit profilierte und sie in der Auseinandersetzung mit Gegnern schärfte, ohne die Eigenständigkeit seines Denkens preiszugeben, wird meist übersehen. Der entscheidende Grund für diese Subsumierungstendenzen liegt wohl darin, dass sich neben Luthertum und Calvinismus eben kein konfessioneller »Melanchthonianismus« herausbildete und dazu vorhandene Ansätze im Spannungsfeld des internationalen Calvinismus einerseits, welcher in der Confessio Helvetica posterior ein Referenzbekenntnis fand, und des sich unter der Konkordienformel konsolidierenden Lu­thertums andererseits regelrecht zerrieben wurden.2 Die Vereinnahmung der Theologie Melanchthons entweder als lutherisch oder als reformiert wiederum hat dazu geführt, dass die Forschung dazu neigt, in erster Linie und überwiegend den »Praeceptor« und seine Verdienste für eine umfassende Bildungsreform in den Blick zu nehmen,3 wenn es darum geht, das für Melanchthon Charakteristische herauszuarbeiten. Tatsächlich übertrifft die Wirkung Me­lan­chthons auf diesem Gebiet diejenige Luthers, und wohl auch Calvins und Martin Bucers, bei Weitem. Sie stößt in europäische Dimensionen vor und ist bis heute gegenwärtig. Aber auch seine Ausstrahlung als Kirchenpolitiker sowie als von den politischen Obrigkeiten gern und häufig konsultierter Berater war nicht unerheblich. Der Theologe Melanchthon übte vor allem durch seine Schüler in ganz Europa Einfluss aus. Seine systematisierenden Ordnungsmodelle, nicht nur für Schule und Universität, sondern auch in Lehre und Bekenntnis, genossen weite Verbreitung und wirkmächtige Rezeption.4 Dem umfassend nachzugehen, ist nach wie vor ein Desiderat.5

An dieser Stelle soll es deshalb weniger um den Lehrer und Bildungspolitiker Melanchthon gehen als vielmehr darum, dem persönlichen und theologischen Profil Melanchthons nachzuspüren, wie es in den von Freunden und Feinden bestimmten Netzwerken in Austausch und kommunikativer Interaktion Konturen gewann, aber auch zwischen die sich bildenden innerprotestantischen konfessionellen Fronten geriet.6 Dies geschah in besonders pointierter Weise in der Auseinandersetzung mit anderen Lehrmeinungen oder in Reaktion auf Angriffe, denen Melanchthon nicht nur, aber vor allem in den letzten zehn Jahren vor seinem Tod ausgesetzt war. Die Gegnerschaften und Feindseligkeiten, mit denen er nach dem von kaiserlicher Seite erlassenen Augsburger Interim von 1548 und seiner maßgeblichen Mitwirkung bei der Erstellung des Leipziger Alternativentwurfs7 zu tun hatte und die ihm – wie er selbst bezeugte – erheblich zusetzten,8 trugen nicht wenig zur Ausbildung einer typisch »melanchthonischen« Theologie und zugleich zu deren Infragestellung bei. Aber auch Freunde beeinflussten das, was in späteren Generationen als typisch für Melanchthon galt, und wirkten sogar über seinen Tod hinaus auf die Rezeption seiner Lehre und auf die rückblickende Beurteilung seiner Persönlichkeit ein. Es ist daher durchaus lohnend, Melanchthons theologische Entwicklung im Spannungsfeld von Freund- und Feindschaften in den Blick zu nehmen. 9 Unsere Perspektive muss sich auf einige aussagekräftige Beispiele beschränken. Freund- und Feindschaften Melanchthons, sein Austausch mit Freunden und Gegnern, bilden die Folie, vor der sich Melanchthons theologisches Profil abzeichnet, ebenso wie die Infragestellung seiner Positionen sowie die bald nach seinem Tod einsetzende Vereinnahmung. Gelegentlich fällt dabei auch Licht auf das Private, auf Vertrauen und Zuneigung, auf Sorgen und Freuden im Alltag. Freunde und Vertraute bestimmten aber auch die Perspektive späterer Generationen auf Philipp Me­lanchthon, indem sie einerseits aufzuarbeiten versuchten, was die Feinde dem Freund – zumindest in ihren Augen – an Unrecht zugefügt hatten, ihn andererseits aber auch für eigene Anliegen vereinnahmten.

I. Austausch mit Freunden


Wer nach den freundschaftlichen Beziehungen Melanchthons fragt, muss zunächst bedenken, dass die Vorstellungen von Freundschaft in unserer Gegenwart nicht ohne Weiteres in die Frühe Neuzeit rückprojiziert werden können und dürfen. Denn der Begriff der »Freundschaft« und das dahinterstehende Konzept haben durch die Jahrhunderte hindurch zahlreiche Wandlungen durchgemacht. Das heute vorherrschende Verständnis, das erheblich durch das romantische Ideal des 19. Jh.s geprägt ist und sowohl Intimität und Emotionalität als auch Dauerhaftigkeit und moralische Uneigennützigkeit bzw. Selbstlosigkeit als unhintergehbare Charakteristika freundschaftlicher Beziehungen betont, ist in keiner Weise mit dem kompatibel, was frühere Generationen unter Freundschaft verstanden. Die Tatsache, dass sich die Bedeutung von Freundschaft in der Geschichte permanent wandelte, der Begriff daher schwer zu fassen ist und schillernd bleibt, führt dazu, dass er – schauen wir in die Vergangenheit zurück – »fast jede mögliche Form positiver menschlicher Zuwendung abdecken kann« 10, einschließlich des Modells, über Freundschaften – heute würde man sagen: über Empfehlungen und persönliche Beziehungen – jeweils individuelle Ziele zu verfolgen und Erfolgschancen zu sichern. Dies, nämlich die anderen zugute kommende Patronage11, spielte auch in den Beziehungsnetzen Melanchthons eine große Rolle. Das bedeutet im Blick auf Melanchthon, dass sich eine lange Liste von Namen derer aufstellen ließe, mit denen er auf diese Weise freundschaftlichen Austausch pflegte.12 Dies ändert sich auch dann nicht, wenn wir den Freundschaftsbegriff einzugrenzen versuchen und voraussetzen, dass sich Melanchthon im humanis­tischen Sinne einem Freundschaftsideal der Antike verpflichtet sah, das »nur die um des Guten oder der Tugend willen unter Guten geschlossenen Freundschaften« als adäquat und dauerhaft wertete und die »ge­wollte Gegenseitigkeit« und die auf das Gute gerichtete Interessengleichheit sowie die »Goldene Regel« 13 im Umgang miteinander in den Mittelpunkt stellte.14 Man muss deshalb eine gezielte Auswahl treffen, um über Melanchthons Freundschaften zu seiner Person selbst und zu den Charakteristika seiner Theologie vorzudringen.

Melanchthons engster Freund war ohne Zweifel Joachim Ca­merarius (1500–1574). Er hatte im Jahre 1518 sein Studium in Erfurt aufgenommen und von 1521 an in Wittenberg fortgesetzt, wo er Schüler des nur drei Jahre älteren Melanchthon wurde. Dieser empfahl ihn 1526 an das neu gegründete Ägidiengymnasium der Reichsstadt Nürnberg, wohin er auch durch seine Freundschaft mit Hieronymus Baumgartner und später Veit Dietrich enge Kontakte unterhielt. Camerarius wechselte 1535 als Professor an die Universität Tübingen und erhielt 1541 eine Professur in Leipzig, wofür sich Melanchthon aktiv eingesetzt hatte. Die Nähe von Wittenberg und Leipzig ermöglichte nicht nur häufige Besuche, sondern erleichterte auch die gegenseitige Unterstützung, die sich die Freunde sowohl in Angelegenheiten von Glauben und Lehre als auch in der »Wissenschaftsorganisation« zukommen ließen. 15 Ca­merarius war wie kein Zweiter Melanchthons Vertrauter. Durch ihre Korrespondenz erhalten wir in beeindruckender Weise Einblick in ihre enge Verbundenheit. Sie zeigt sich z. B. darin, dass sich Melanchthon gelegentlich in seinen Briefen über die Freundschaft im Allgemeinen und ihre Freundschaft im Besonderen äußerte. Selbstverständlich schwingen dabei auch humanistische Topoi mit. Dennoch ist bemerkenswert, dass sich Melanchthon in solch vertrauter Weise eben nur Camerarius gegenüber äußerte. So schrieb er z. B. um den 15.12.1545 von Wittenberg an Camerarius in Leipzig, dass er nirgendwo lieber leben würde als bei ihm,16 dem Freund. Zu anderer Gelegenheit bemerkte er, dass ihm besonders die Eintracht der Kirche und eben private Freundschaften am Herzen lägen. Sie sollten, so schrieb er am 26.8.1546 zu Beginn des Schmalkaldischen Krieges, möglichst so angelegt sein, dass sie das drohende Ende politischer Strukturen überdauern könnten.17 Und wenig später äußerte er sich Camerarius gegenüber erneut über den Wert ihrer Freundschaft.18 Wie groß das Vertrauensverhältnis zwischen beiden war, erweist sich aber vor allem in der Tatsache, dass Melanchthon Camerarius sozusagen ungeschützt Einblick in seine ganz privaten und familiären Sorgen und Nöte erlaubte. Er teilte ihm seinen sich fast zur Verzweiflung ausweitenden Kummer über die ausgesprochen schwierige und unglückliche Ehe zwischen seiner Tochter Anna und seinem ehemaligen Schüler Georg Sabinus mit und brachte seine Sorgen um die geliebte Tochter und die von Seiten des Sabinus erfahrene Enttäuschung immer wieder zur Sprache. 19

Nicht nur die Möglichkeit einer Ehescheidung thematisierte er,20 sondern auch den gelegentlich auftretenden Le­bensüberdruss angesichts des gegenwärtigen Zustands in Kirche und Welt und erlebter privater Krisen21 fasste er in Worte. Die tiefe Trauer um die viel zu früh verstorbene Tochter war weiter ein persönlicher Gegenstand des über Korrespondenzen geführten vertraulichen Zwie­gesprächs. Camerarius seinerseits war voll Sorge um das Leben seines Freundes, als die Stadt Wittenberg im Schmalkaldischen Krieg kapitulieren musste, und bat seinen alten Studienfreund Christoph von Carlowitz um Schutz für Melanchthon.22 Das Sterben des Freundes freilich hat er dann doch nicht miterlebt, denn zwei Tage bevor der Tod am 19. April 1560 eintrat, war Camerarius wieder nach Leipzig abgereist, nachdem er bereits seit dem 13.April Melanchthon in seiner Schwäche und Krankheit beigestanden hatte. Erst zum Begräbnis konnte Camerarius wieder zurück in der Stadt sein. Der von den Wittenberger Professoren verfasste ausführliche Sterbebericht nimmt darauf und vor allem auch auf die unverbrüchliche Freundschaft der beiden Bezug.23 Trotz aller zeittypischen Stilisierung des Sterbeprozesses und der Beschreibung der Dialoge kommt dabei doch etwas von dem zum Ausdruck, was die Freundschaft zwischen diesen beiden Gelehrten zutiefst charakterisierte. Die Verfasser halten deren letzte Begegnung wie folgt fest:

»Da spricht Philippus zum Camerario / als ob er jn gesegnen wolt / Mi domine Ioachime, wir sindt nun bey viertzig jaren gute Freunde mit einander gewesen / vnd hat einer den andern lieb gehabt / nicht vmb Geniess willen / sondern aus freiem hertzen / vnd sindt beide Schulmeister vnd trewe Gesellen gewesen / ein yeder an seinem ort / vnnd hoffe zu Gott / vnser arbeit solle nicht vergeb­lich gewest sein / Sondern viel nutz geschaffet haben / ist es Gottes wille / das ich sterbe / so wollen wir vnsere Freuntschafft im zuku[e]nfftigen leben weiter mit ein ander vnuerruckt halten. … Da kam der Herr Camerarius / vnd gesegnet jhn / Da antwortet Philippus / vnd saget / Der Sohn Gottes / der da sitzet zur Rechten seines Himlischen Vaters / vnd den menschen gaben gibt der enthalt euch vnd die ewern / vn[d] vns alle mit einander … Also gesegneten sich auff diss mal dise beide ausserwelten freunde aneinander zum letzten mal / Vnnd hat hinfort einer den andern nicht mehr gesehen / vnd dorffte sich der gute frome Man Camerarius nicht erwegen / das er jn hernach Todt gesehen hette / so gar seer gieng jm des freundes Abgang zu hertzen.« 24

Neben Joachim Camerarius gehörten die beiden Nürnberger Hieronymus Baumgartner und Veit Dietrich zu den bevorzugten Korrespondenzpartnern Melanchthons. Baumgartner (1498–1565) zählte zu den nicht wenigen Nicht-Theologen im Freundeskreis des Wittenbergers. Der Sohn eines Nürnberger Patriziers hatte sich schon im November 1518 – also wenige Monate nach der Ankunft Melanchthons in Wittenberg – an der Leucorea immatrikuliert und bei ihm studiert, bevor er 1522 nach Nürnberg zurückkehrte.25 Melanchthon widmete ihm seine griechische Textausgabe der Phainomena des Aratos von Soloi (ca. 310 v. Chr.; † 245 v. Chr.). Widmungsvorreden waren eine oft praktizierte Form des Freundschaftserweises. Als Baumgartner am 31.5.1544 auf der Rückreise von Speyer nach Nürnberg überraschend von Ritter Albrecht von Rosenberg in Geiselhaft genommen und über ein Jahr lang festgehalten wurde,26 berührte dies Melanchthon tief. Zusammen mit Martin Luther versuchte er sogar, aktiv in das Geschehen einzugreifen und Philipp von Hessen als Vermittler zu gewinnen, jedoch erfolglos.27

Melanchthons Trostbriefe an den gefangen gehaltenen Freund, von denen wahrscheinlich nicht alle erhalten und nur ein Teil in die Hände des Adressaten gelangt sind,28 legen von dieser freundschaftlichen Verbundenheit ebenso Zeugnis ab wie seine Schreiben an die Frau Hieronymus Baumgartners29 sowie die gelegentlichen, sorgenvollen Erwähnungen des Vorfalls in der Korrespondenz mit Camerarius30 und dem Nürnberger Prediger Veit Dietrich.31 Of­fenbar hat Melanchthon sogar erwogen, sich selbst als Geisel für Baumgartner zu stellen, wie er in einem Brief an den Freund nach dessen Freilassung anmerkte.32

Intensiv war auch Melanchthons Austausch mit Veit Dietrich (1506–1549), der sich im Jahre 1522 an der Universität Wittenberg immatrikuliert hatte und sowohl zu Melanchthon als auch zu Luther enge Beziehungen pflegte.33 Als er 1535 die Stadt verließ, empfahl ihn Melanchthon an Camerarius in Tübingen, aber die Gelegenheit, eine Predigerstelle an St. Sebald in Nürnberg anzunehmen, führte ihn in seine Heimatstadt zurück. Dietrich hat nicht nur Nachschriften von Luthers Vorlesungen und Predigten herausgebracht, sondern auch Schriften Melanchthons übersetzt, darunter den bekannten »Tractatus de primatu et potestate Papae« von 1537. Melanchthon seinerseits schätzte ihn als Vertrauten, den er auch als Mittelsmann nutzen konnte, um gelegentlich seine Anliegen Martin Luther nahezubringen. Die häufige Korrespondenz zwischen den beiden, die eine große Spannbreite an Themen behandelte, erstreckte sich bis zu Dietrichs Tod im März 1549. Hier kamen – wie bei Camerarius – der theologische Austausch ebenso zum Tragen wie private Sorgen und Anliegen. Dietrich gegenüber äußerte sich Melanchthon sogar offen und rückhaltlos über seinen Wittenberger Kollegen und Freund Martin Luther, zumal er voraussetzen konnte, dass der Nürnberger seine Einschätzungen aus eigener Anschauung und Erfahrung verstehen, wenn nicht sogar teilen konnte. In Melanchthons gelegentlichen Bemerkungen Veit Dietrich gegenüber gewinnt nicht nur ihr Vertrauensverhältnis Gestalt, sondern es wird zugleich etwas davon sichtbar, wie Me­lanchthon sein Verhältnis zu Luther beurteilte. Während er sich auf theologischer Ebene in Einklang mit Luther sah, erfasste er sehr deutlich die Inkompatibilität ihrer Charaktere. So äußerte er am 22.6.1537 in einem Brief an Veit Dietrich:

»Wie Du weißt, formuliere ich manches weniger schroff: über die Prädestination, die Zustimmung des Willens zur Gnade, die Notwendigkeit unseres Gehorsams nach der Rechtfertigung, die Todsünde. Ich weiß, dass Luther über all dies tatsächlich derselben Meinung ist. Aber die Ungebildeten lieben zu sehr seine groben Formulierungen, weil sie nicht sehen, in welchen Zusam­menhang sie gehören. Ich will mich mit ihnen nicht anlegen. Sollen sie an ihrem Urteil Freude haben. Nur sollen sie mir erlauben, als Aristoteliker, der die maßvolle Mitte liebt, zuweilen nicht so stoisch zu reden« 34.

Das Verhältnis zwischen Philipp Melanchthon und Martin Luther (1483–1546) ist oft Gegenstand von Untersuchungen gewesen. Meist ging es darum, die beiden großen Protagonisten der Wittenberger Reformation voneinander abzugrenzen.35 Und theologisch gesehen hat sich Melanchthon in der Tat zu einem von Luther unabhängigen Theologen entwickelt, der z. B. in der Frage der Abendmahlslehre, aber auch in Bezug auf den sog. »tertius usus legis« und im Blick auf die Kraft des menschlichen Willens in der Gottesbeziehung des Menschen36 eigene Wege ging. In der Rechtfertigungslehre freilich, als dem theologischen Zentrum der von Wittenberg ausgehenden Reformation, war er – anders als dies vergangene Forschergenerationen versucht haben herauszustellen – durchaus mit Luther einig. Dass man beide keineswegs in Vertreter einer effektiven (Luther) und einer imputativen (Melanchthon) Rechtfertigungslehre auseinanderdividieren kann, ist in der wissenschaftlichen Literatur bereits überzeugend nachgewiesen worden, so dass es sich hier erübrigt, au f’s Neue darauf einzugehen.37 Auch wenn Melanchthon schon früh eigene, von Luther unabhängige Lösungen theologischer Fragen entwickelte, wie sich dies z. B. in seiner kontinuierlichen Fortschreibung der Confessio Augus­-tana38 und in den Überarbeitungen der Loci Theologici39 spiegelt, tritt das für Melanchthon typische, theologische Profil weniger in einem womöglich zu veranschlagenden frühen Abgrenzungsprozess der beiden Wittenberger Reformatoren voneinander hervor als vielmehr in den späteren, nach dem Tod Martin Luthers (1546) und nach dem Erlass des Augsburger Interims (1548) einsetzenden Debatten. Erst hier wurde den Zeitgenossen deutlich, dass das Team der beiden großen Wittenberger unterschiedliche Profile entwickelt hatte. Manche frühere Freundschaften entwickelten sich jetzt zu theologischen Gegnerschaften. An dieser Stelle soll aber vorerst ein kurzer Blick auf die gegenseitige Wahrnehmung Luthers und Melanchthons genügen.

Das Verhältnis zwischen diesen beiden, das als Lehrer-Schüler-Beziehung begonnen hatte, wandelte sich schnell zu Kollegialität und zu einem von gegenseitigem Respekt und Hochachtung getragenen Miteinander. Dies war Freundschaft in dem weiten, von humanistischen Idealen getragenen Sinne des Begriffs.40 Die Verbundenheit beider spiegelt sich sehr deutlich in den gelegentlichen Bemerkungen, die Luther über den 13 Jahre jüngeren Melanchthon machte. Er nannte den 1518 frisch nach Wittenberg Berufenen voller Bewunderung für dessen philologische Versiertheit »graeculus«, den kleinen Griechen, und zollte dessen Bildung uneingeschränktes Lob. Wie die damaligen Kollegen und Studenten an der Leucorea war auch Luther von der für die Bildungsreform wegweisenden Antrittsrede Melanchthons begeistert, die seine nicht gerade imponierende äußere Erscheinung in den Hintergrund treten ließ. »Wir haben von seiner äußeren Gestalt gar bald weggesehen und preisen uns glücklich und bewundern, was wir an ihm erlangt haben. … Ich mag keinen anderen Lehrer der griechischen Sprache haben, solange er lebt.« 41

Tatsächlich verbesserte Luther sein Griechisch bei Me­lan­chthon, dieser wiederum studierte bei Luther. Und der Lehrer konnte durchaus akzeptieren, dass der Schüler über ihn hinauswuchs. »Dieser kleine Grieche übertrifft mich sogar in der Theologie«, stellte Luther schon im Jahre 1519 fest,42 nachdem er bereits wenige Monate nach der Ankunft Melanchthons in Wittenberg an dessen ehemaligen Lehrer, Johannes Reuchlin, in fast schon überschwänglicher Begeisterung geschrieben hatte: »Unser Philipp Melanchthon [ist] ein wunderbarer Mensch, ja einer, an dem fast alles übermenschlich ist, er ist mir dennoch ganz vertraut und befreundet«43. Auch Melanchthons theologische Arbeiten lobte Lu­ther über die Maßen. Für den Römerbrief- und den Kolosserbriefkommentar hatte er ebenso hohe Anerkennung wie für Melan­-chthons dogmatische Leistung in den Loci communes und für die Erstellung der Confessio Augustana und ihrer Apologie.44 »Brevitatem vnd perspicuitatem kan ich nicht also zusamen bringen als Philippus«, äußerte er einmal in einer Tischrede.45 Der deutschen Fassung des Kolosserbriefkommentars von 1529, in dem Melan­-chthon u. a. gegen die von Erasmus vertretene Lehre vom freien Willen Stellung genommen hatte,46 stellte Luther eine Vorrede voran, aus der u. a. hervorgeht, wie sehr sich die beiden Gelehrten bei aller charakterlichen Verschiedenheit theologisch ergänzten:

»Jch hab zwar selbs solche Magistri Philipps bu[e]cher lieber denn die meinen, sehe auch lieber die selben beyde ym lateinischen und deudschen auff dem platz denn die meinen. Jch bin dazu geboren, das ich mit den rotten und teuffeln mus kriegen und zu felde ligen, darumb meiner bu[e]cher viel stu[e]r­misch und kriegisch sind. Jch mus die klo[e]tze und stemme ausrotten, dornen und hecken weg hawen, die pfu[e]tzen ausfullen und bin der grobe waldrechter, der die ban brechen und zurichten mus. Aber M. Philipps feret seuberlich und still daher, bawet und pflantzet, sehet und begeust mit lust, nach dem Gott yhm hat gegeben seine gaben reichlich.« 47

Diese Aussage ist umso bemerkenswerter, als daraus nebenbei hervorgeht, dass die Auseinandersetzung zwischen Johannes Agricola und Melanchthon um die Gesetzespredigt und die Rolle des Gesetzes im Leben des Christen im Sinne eines von Melanchthon vertretenen »usus paedagogicus« oder »tertius usus legis« die Hochschätzung Luthers für Melanchthon in keiner Weise getrübt hatte. Auch die Neubearbeitung der Loci communes durch Melanchthon, die 1535 in die sog. »secunda aetas« mündete, lobte Luther, während Conrad Cordatus – lutherischer noch als Luther selbst – seine Un­zufriedenheit mit dieser Fassung der Loci äußerte. Sie »mißfalle ihm so sehr, wie sie Erasmus gefallen werde«48. Stein des Anstoßes war wohl wiederum Melanchthons Lehre vom Gesetz und weniger seine inzwischen weiterentwickelte Anschauung von der Wirkkraft des menschlichen Willens, dem er zugestand, neben dem Wort Gottes und dem Heiligen Geist bei der Bekehrung des Menschen insofern eine Rolle zu spielen, als es auf seine zustimmende Haltung ankam. Über die Wirkkraft des Gesetzes und der daraus hervorgehenden Buße entzündete sich 1536 denn auch ein heftiger Streit zwischen Melanchthon und Cordatus. Dennoch sah Luther keinen Grund für eine Distanzierung von Melanchthon. Es ist überliefert, dass er mitten in jener Phase der Auseinandersetzung, nämlich am 1.8.1537, mit Kreide auf die Tischplatte geschrieben haben soll: »Res et verba Philippus, verba sine re Erasmus, res sine verbis Lutherus, nec res nec verba Carolostadius« 49. In der theologischen Sache und in der Weise, sie zu formulieren, sah Luther also offenbar keine Differenz zu Melanchthon. Damit stimmt überein, dass er seine uneingeschränkte Hochachtung für die von Melan­-chthon als Lehrbuch konzipierten Loci bewahrte und sie seinen Studenten in geradezu enthusiastischer Weise empfahl. So äußerte er in einer Tischrede vom Winter 1542/43: »Wer ein θεολογο will werden, der hatt erstlich ein grossen vortheil: Er hatt die bibel. … Darnach lese er darzu locos communes Philippi; die lese er vleissig vnd wol, also das ers gar im kopff habe. … Jr find kein buch vnter der sonnen, da die gantze theologia so fein beieinander ist als in locis communibus«50. Selbst wenn er dabei vornehmlich die »dialektische Brauchbarkeit« im Blick gehabt haben sollte,51 so fand er doch auch im Blick auf den theologischen Gehalt keinen Anlass zur Distanzierung. Angesichts all dessen erübrigt es sich im Grunde, erneut der Fehlinterpretation entgegenzutreten, die Melanchthon im Anschluss an eine Äußerung Luthers auf der Coburg anlässlich der Erstellung der Confessio Augustana zu einem »Leisetreter« ab­-gestempelt hat.52 Luther empfand hohe Wertschätzung für die diplomatischen Fähigkeiten Melanchthons, der mit dem Augsburger Bekenntnis ein Konsensdokument vorgelegt hatte, das auf eine größtmögliche Übereinstimmung der allmählich auseinanderfallenden Religionsparteien zielte.53

Aber auch in Melanchthons Äußerungen über Luther spiegelt sich ein freundschaftliches Verhältnis zu dem älteren Lehrer und Kollegen. Als sich Luther nach dem Wormser Reichstag auf der Wartburg verborgen hielt, schrieb Melanchthon an Johannes Heß in Breslau: »Ich würde lieber sterben als von diesem Manne ge­trennt werden«54; und wenig später an Johannes Schwebel in Pforzheim: »Martinus ist viel größer und bewunderungswürdiger, als ich es mit Worten ausdrücken könnte. Du weißt, wie sehr Alkibiades seinen Sokrates verehrte; ich verehre Luther auf eine ganz andere Weise, nämlich christlich, und sooft ich ihn mir vor Augen führe, wächst er über sich hinaus«55. Melanchthon wusste sehr wohl um seine theologische Übereinstimmung mit Luther in den reformatorischen Grundsätzen und bekannte in seinem Testament vom November 1539: »Ich habe von ihm das Evangelium gelernt«56. Allerdings gibt es in seinen Briefen auch Spuren der dunklen Kehrseite dieser engen Verbindung zweier unabhängiger Geister. So scheint Melanchthon die letzten Lebensjahre Luthers als eine »schier unerträgliche Knechtschaft«57 empfunden zu haben. Jedenfalls ließ er dies in einem Schreiben an Christoph von Carlowitz aus dem Jahre 1546 durchblicken.58 Und in einem Brief an Veit Dietrich vom 3.4.1545 klingt nebenbei an, dass Melanchthon Luther als zornig und in seinen Reaktionen unbedacht erlebt hatte, vor allem wenn es um die leidige Abendmahlsfrage ging.59 Dies änderte aber nichts an der respektvoll freundschaftlichen Sympathie und Anerkennung. Später äußerte Melanchthon Herzog Albrecht von Preußen gegenüber, in seiner Stellungnahme im Osiandrischen Streit Luther gefolgt zu sein, mit dem er vieles »freundschaftlich besprochen habe«60. Es handelte sich dabei um die Ablehnung der von Andreas Osiander entwickelten Lehre, die Rechtfertigung vollziehe sich über die Einwohnung der göttlichen Gerechtigkeit im Menschen.61 Respektvolle Verehrung und zwangsläufig auch eintretende Spannungen, gegenseitige Beeinflussung und autonome theologische Weiterentwicklung fügten sich in der Beziehung zwischen Luther und Melanchthon zu einer freundschaftlichen Kollegialität. Nach dem Tod des Freundes war es Melanchthon, der nicht wenig zur bereits begonnenen Überhöhung der Person Luthers als gottgesandtem Propheten beitrug. Nicht nur rühmte er ihn als »verehrten Vater und Lehrer« 62, der das Evangelium wiederent­deckt und erschlossen habe, sondern er stilisierte ihn auch – unter Rückgriff auf den schon in den 20er Jahren des 16. Jh.s gebräuchlichen Topos – als neuen Elias.63 In seiner Grabrede auf Luther stellte er ihn in die Abfolge der vielen seit Beginn der Zeiten von Gott gesandten Frommen, Propheten, Apostel und Lehrer. An ihrem Ende kommt Martin Luther zu stehen, der nach der inzwischen in die Kirche eingebrochene Verderbnis und Finsternis das Evangelium wiederentdeckt und sein Licht neu zum Leuchten gebracht habe.64 Auch dies ist eine aussagekräftige Komponente in der vielfältigen Beziehung zwischen den beiden großen Reformatoren. Melanchthon wusste aber auch um jene Verbindungen, die Luther persönlich wichtig waren, achtete und pflegte sie. So ließ er es sich nicht nehmen, wenige Tage nach dem Tod Luthers an dessen engen Freund Nikolaus von Amsdorf, den er bald als streitbaren Gegner seines Schülers Georg Major erleben sollte, einen Trostbrief zu richten.65

II. Theologische Profilierungen im Spannungsfeld von Freund- und Feindschaften


So schwierig es ist, auf der Grundlage einer möglichst praktikablen Definition von Freundschaft die Zahl der Melanchthon-»Freunde« einzugrenzen und zusammenzustellen, so schwierig ist es, die Gegner und Feinde aufzulisten, die Melanchthon zu schaffen machten. Dies liegt zum einen wiederum an der situativ wandelbaren und schwierigen Definition von »Feind«, zum anderen aber auch daran, dass die Grenzen zwischen Freund- und Feindschaften im Umfeld Melanchthons, vor allem in den späteren Jahren, durchaus fließend sein konnten. Gerade im Blick auf die theologisch stets in bestimmte historische Konstellationen eingebettete Entwicklung Melan­-chthons konnten sich Freundschaften unversehens zu Feindschaften entwickeln. Freunde wurden zu theologischen Gegnern oder mehr noch: zu entschiedenen, auch persönlich Abstand nehmenden Feinden. Eine solche definitive Abgrenzung trat meist dann ein, wenn für die Kontrahenten das – jeweils unterschiedlich interpretierte – Wohl der reformatorischen Kirche und, damit zusam­menhängend, die Glaubenswahrheit schlechthin auf dem Spiel standen. Auch hier könnte man einen regelrechten Katalog derer zusam­menstellen, die, insbesondere in der Interimszeit von 1548 und der darauf folgenden Periode, das Bedürfnis empfanden bzw. die Notwendigkeit sahen, sich von Melanchthon abzugrenzen. Und ebenso wie bei der Frage nach den Freunden fällt es schwer, sich an klaren Definitionen zu orientieren, obwohl in der Ge­schichtswissenschaft in den letzten Jahren die Erforschung von Feindkonstellationen und die Diskussion von Feindbildern eine gewisse Hochkonjunktur erfahren haben. Denn solche Zusam­men­hänge sind vor allem dann interessant, wenn es darum geht, deren rückwirkend konsolidierende Kraft auf gesellschaftliche oder politische Identitäten zu analysieren. 66 Auch wenn sich diese Mechanismen nur partiell auf theologiegeschichtliche Sachverhalte übertragen lassen, gilt grundsätzlich auch für den aus theologischen Motiven in die Kontroverse eintretenden Gegner, dass seine ab- und ausgrenzend feindselige Haltung »im Zusammenhang mit der Ausbildung oder Sicherung von Identität« zu betrachten ist.67 Im Rahmen unserer Fragestellung verschiebt sich freilich die Perspektive insofern, als es weniger darum gehen wird, welche Feindbilder zur Konsolidierung der theologischen Identität Melanchthons beitrugen, als vielmehr darum zu beobachten, wie und aus welchen Gründen frühere Freunde zu Feinden wurden und wie sich in der Auseinandersetzung mit dem in vielen Fällen ehemaligen Lehrer die theologischen Profile bzw. Identitäten differenzierten und schärften. Vor diesem Hintergrund könnte die Tatsache, dass ehemalige Schüler in dem Praeceptor ihr Feindbild entdeckten oder konstruierten, auch als Generationenkonflikt gedeutet werden. Dies freilich trifft erst für die Ereignisse der zweiten Hälfte des 16. Jh.s zu.

Dass, wenn es um die Formulierung von Wahrheit beanspruchender theologischer Lehre ging, Freunde zu Gegnern wurden oder aber sogar entschiedene und dauerhafte Feindschaften zwischen ehemaligen Vertrauten aufbrachen, hatte Melanchthon schon früh erfahren müssen. Ein aussagekräftiges Beispiel für die Wandlung einer Freundschaftsbeziehung in eine theologische Gegnerschaft, wenn nicht sogar Feindschaft (soweit sich dies überhaupt voneinander unterscheiden lässt) stellen die Auseinandersetzungen mit Johannes Agricola im Jahre 1527 um die Rolle des Gesetzes und der Gesetzespredigt im Leben des Christen dar. Sie können als erste Phase der in verschiedenen Etappen verlaufenden und in der nachinterimistischen Zeit gipfelnden antinomistischen Streitigkeiten gewertet werden. 68 Agricola war nur drei Jahre älter als Melanchthon und hatte in den Jahren 1515/16 als begeisterter Schüler Luthers in Wittenberg studiert. Hier hatte er auch Me­lanchthon kennengelernt, mit dem zusammen er im September 1519 zum baccalaureus biblicus promoviert wurde. Ab Oktober 1519 war er Melanchthons Kollege in der Artes-Fakultät, bis er ab 1525 als Rektor an der Andreasschule in Eisleben und Pfarrer an der dortigen Nikolaikirche wirkte. 1536 kehrte er vorübergehend nach Wit­tenberg zurück und wurde 1540 Hofprediger des Kurfürsten Joachim II. von Brandenburg in Berlin.69 Als solcher nahm er an der Erstellung des Augsburger Interims teil, was ihm allseits Kritik und Häme eintrug70 und auch das Verhältnis zu Melanchthon definitiv kappte.71 Bis dahin allerdings pflegte Melanchthon eine durchaus freundschaftliche Korrespondenz mit ihm. Der einstige Streit hatte offenbar keine Spuren hinterlassen. In einem Brief Melanchthons vom 7.3.1545 an Agricola war u. a. auch von ihrer Freundschaft die Rede, die Melanchthon damals so hochschätzte, dass er von deren Fortbestand im ewigen Leben sprach.72 Und am 20.3.1546, wenige Wochen nach dem Tod Martin Luthers, gab Melanchthon in einem weiteren Brief an Agricola der zwischen beiden bestehenden Geistesverwandtschaft Ausdruck, indem er ihre gemeinsame Sorge um Eintracht in Glauben und Lehre ansprach.73 Dies war keineswegs bloße Rhetorik, sondern kann durchaus als Indiz für die damalige Fähigkeit der Wittenberger Reformatorengruppe gewertet werden, unterschiedliche theologische Positionen zu integrieren.

Wir blicken zurück: Auslöser der sich in den späten 20er Jahren des 16. Jh.s abspielenden Kontroverse um die Rolle des Gesetzes und der Gesetzespredigt waren Melanchthons lateinische Visitationsartikel74, die im Jahre 1527 unautorisiert im Druck erschienen waren. Hierin hatte er vor dem Hintergrund seiner enttäuschenden Erfahrungen mit den jungen evangelischen Gemeinden und ihren Pfarrern die grundlegende, zur Buße treibende Funktion der Predigt des göttlichen Gesetzes hervorgehoben, um der unverantwortlichen Amtsführung unverständiger Gnadenprediger75 ein Ende zu setzen. Melanchthons Sorge war, dass die Verkündigung der sündenvergebenden Kraft des Evangeliums eigentlich unverständlich und ineffektiv bleiben musste, wenn nicht zuvor durch die Predigt der im Gesetz enthaltenen Forderungen Gottes eine aufrichtige Buße im Menschen geweckt worden sei.76 Sein Insistieren auf dem Nutzen und Gewinn der Gesetzespredigt war für Agricola der Anlass, Melanchthon des Abfalls von der reformatorischen Lehre zu bezichtigen, während er, Agricola, im Gegenzug dazu jene Sätze Luthers betonte, die das Evangelium von der Güte Gottes als wirkende Kraft in den Vordergrund stellten. In seinem Katechis­mus, den »Hundertdreißig gemeinen Fragstücken für die jungen Kinder« aus dem Jahre 1527,77 konstatierte Agricola, das Gesetz sei ein vergangener und fehlgeschlagener Versuch Gottes, seine Ge­schöpfe mit Geboten und unter Anwendung von Drohung und Zwang für sich zu gewinnen.78 Es gehe aber die Christen als »der Juden Sachsenspiegel«79 heute nichts mehr an. Reue und Buße des Menschen waren in Agricolas Entwurf eine Reaktion auf die sich im Evangelium aussprechende Güte Gottes. Melanchthon warf er deshalb vor, zu lehren, dass die Buße aus Furcht vor Strafe hervorgehe und nicht aus der Liebe zur Gerechtigkeit. In seinen Augen räumte Melan­-chthon dem Gesetz eine zu große, ja regelrecht zum alten Glauben zurückleitende Bedeutung ein, so dass Agricola damit ein Grundaxiom der Wittenberger Reformation, nämlich die durch das Evangelium gewonnene christliche Freiheit, wieder infrage ge­stellt sah.

Es lag in der Konsequenz dieser Position, dass Agricola auch Melanchthons Akzent auf dem pädagogischen Wert des Gesetzes als Orientierung gebende Richtschnur im Leben des Wiedergeborenen ablehnte. »Christen thun aus lust vnd liebe / alles was Gott von yhn foddert / Denn sie sind durch den freywilligen geist Chris­­-ti versiegelt / daru[e]mb sol sie kein gesetz zwingen / Denn dem gerechten ist kein gesetze geben«80, so lehrte Agricola seine Katechismusschüler. Dieser Streit um den Stellenwert des göttlichen Gesetzes im Leben des Christen, welchen Agricola dezidiert ab-stritt, konnte erst auf einem Treffen in Torgau vom 26.–28.11.1527 beigelegt werden, an dem, außer den Streitgegnern, auch Martin Luther und Johannes Bugenhagen teilnahmen. Ausschlaggebend für die Einigung wurde eine begriffliche Unterscheidung, die Luther geltend machte. Er stellte eine fides generalis, die der Buße voraufgeht, dem eigentlich rechtfertigenden Glauben gegenüber, welcher unter dem durch die Gesetzespredigt ausgelösten Schre­-cken des Gewissens die Gnade ergreift.81 In ähnlicher Weise äußerte sich auch Melanchthon in seinem deutschen »Unterricht der Visitatoren«82 von 1528. Auch wenn beide Streitparteien die öffentliche Kontroverse fortan als beendet betrachteten, hielt Agricola in privater Auseinandersetzung mit Melanchthon an seiner Überzeugung fest, dass der Dekalog überhaupt in der Kirche keinen Ort habe.83 In den Jahren 1537–39 flammte der Streit noch einmal auf, wobei Agricola jetzt in Luther auf einen unversöhnlichen Kontrahenten traf, so dass Melanchthon, Bugenhagen und Cruciger im Jahre 1538 sogar vermittelnd für Agricola eintraten,84 eine Haltung, die Flacius später gegen Melanchthon ausspielte.

Die Konfrontation zwischen Agricola und Melanchthon zeigt nicht nur, wie wenig sich die Kategorien ›Freund‹ und ›Feind‹ voneinander abgrenzen lassen bzw. wie fließend die Grenzen gegebenenfalls sein konnten, sondern macht zugleich deutlich, wie wenig die in der Frühzeit des Reformationsjahrhunderts bereits aufbrechende theologische Pluralität innerhalb der Wittenberger Reformation als definitiv trennend wahrgenommen wurde. Verschie­dene Positionen der Wittenberger konnten noch ohne Weiteres in die reformato­rische Gesamtströmung integriert werden.

Dies galt sogar für die sich innerhalb der Wittenberger Reformation differenzierenden Entwürfe der Abendmahlslehre, die spätestens seit der Wittenberger Konkordie von 1536 und der entsprechenden Überarbeitung des Artikels 10 in der Confessio Augustana variata85 (1540) durch Melanchthon vor aller Augen war. Melan­-chthons theologischer Abstand von der von Luther vertretenen wahren Anwesenheit von Leib und Blut Christi in und unter den Elementen Brot und Wein und seine Betonung einer realen Präsenz Christi in Gottheit und Menschheit im Sakramentsvollzug mit den Elementen, wurde kaum als gegensätzlich, geschweige denn als Stein des Anstoßes wahrgenommen. Im Blick auf ihre Abendmahlslehre hätten die beiden freundschaftlich verbundenen Kollegen erbitterte Gegner sein können. Denn zu dieser Differenz kam hinzu, dass Melanchthon die von Luther und seinen Nachfolgern zusätzlich zu den Einsetzungsworten ins Feld geführte christologische Begründung für die reale Präsenz von Leib und Blut Christi, die von der Mitteilung der göttlichen Eigenschaft der Omnipräsenz von der göttlichen an die menschliche Natur Christi ausging, 86 nicht mit vollzog. Dennoch gewann die Confessio Augustana variata schon zu Lebzeiten Luthers Ansehen als maßgebliche Fassung des Bekenntnisses und wurde in Kirchen und Schulen allseits gebraucht,87 ohne dass darüber Kontroversen unter den Wittenberger Reformatoren aufbrachen. Unterschiedliche Interpretationen des Abendmahlsartikels konnten nebeneinander bestehen, ohne dass man die Frage nach dessen Eindeutigkeit überhaupt stellte und letztgültig beantwortete.

Dieses integrative Potential war – im Gegensatz zu den späteren Streitigkeiten der zweiten Hälfte des 16. Jh.s – so lange vorhanden, wie Luther und Melan­-chthon gemeinsam als Kollegen wirkten und als reformatorische Autoritäten Anerkennung genossen. Es blieb so lange wirksam, wie die Existenz des evangelischen Bekenntnisses im damaligen Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation nicht generell auf dem Spiel stand bzw. konkreten politischen Bedrohungen ausgesetzt war und deshalb Eindeutigkeit erforderte. Dies änderte sich mit der Niederlage der protestantischen Fürsten im Schmalkaldischen Krieg von 1546/47 gegen den altgläubigen Kaiser Karl V. Die sich nun wandelnden gesellschaftspolitischen Bedingungen, charakterisiert durch ein auf Rekatholisierung der evangelischen Territorien zielendes kaiserliches Religionsgesetz, das Interim, setzte dieser vorkonfessionellen »Offenheit« ein Ende, zumal sich mit dem Tod Luthers und der Beteiligung Melanchthons an der Abfassung eines Zugeständnisse anbietenden Alternativentwurfs zugleich die Frage nach einer lehrmäßigen »auctoritas« im evangelischen Raum neu stellte. Dieser Wechsel von vorkonfessioneller Integrationsfähigkeit der Wittenberger Theologie zu konfessioneller Profilbildung und Abgrenzung der beiden großen Reformatoren voneinander zeigt sich an einer weiteren, für Melanchthon in besonderer Weise belastenden Feindschaft, nämlich der mit Matthias Flacius Illyricus.

Mit Flacius erhielten die Auseinandersetzungen, die Melanchthon fortan zu bestehen hatte, eine neue Qualität. Denn theologische Gegnerschaften wurden nun zudem verschärft durch den Generationenkonflikt zwischen erster und zweiter Reformatorengeneration, zwischen Lehrer (Melanchthon)88 und Schülern, und den damit einhergehenden persönlichen Enttäuschungen über die jeweils eingeschlagenen theologischen Wege. Dieses Muster – nicht etwa die in der alten Literatur beschworene epigonale Mittelmäßigkeit – liegt vielen jener Auseinandersetzungen innerhalb des Protestantismus des späten 16. Jh.s zugrunde, die als Ausgangspunkt und Motor für die flächendeckende konfessionelle Identitätsbildung in Europa gewertet werden können. Denn in all diesen Debatten ging es im Grunde um die Frage, in welcher Weise das Erbe der Wittenberger Reformation und ihre von Luther und Melanchthon gemeinsam getragenen Inhalte zu bewahren seien. Auslöser und Hintergrund für die Kontroversen war die bereits erwähnte Tatsache, dass nach der Niederlage des evangelischen Fürstenbundes im Schmalkaldischen Krieg eine allmähliche Rück­führung der evangelischen Territorien zum alten Glauben stattfinden sollte, und zwar nach Maßgabe der Bestimmungen des kaiserlichen Interims.89 Melanchthon hoffte, dies und das damit einhergehende, bereits begonnene Exil zahlreicher Pfarrer durch seine Beteiligung an der Erstellung einer möglichst nur auf Zugeständ­nisse in Riten und Zeremonien setzenden Alternative90 abwenden zu können. Es handelt sich dabei um jenen von Matthias Flacius Illyricus polemisch als »Leipziger Interim« bezeichneten und un­-autorisiert publizierten Leipziger Landtagsentwurf. Dieser Schach­­-zug seines Gegners und die Tatsache, dass Melanchthon durch sein Verhalten die Politik des Kriegsgewinners und neuen sächsischen Kurfürsten Moritz91 zu stützen schien, diskreditierte ihn in den Augen vieler Zeitgenossen. Aus zahlreichen Schülern und Freunden wurden Feinde. Denn angesichts der im sog. Leipziger Interim vorgeschlagenen Alternative zum Augsburger Interim, die der altgläubigen Seite zwar in den Zeremonien entgegenkam, aber die evangelische Lehre im Sinne Melanchthons bewahrte, stellte sich zum ersten Mal die Frage, in welcher Ausrichtung man das theologische Erbe der Wittenberger Reformation aufgreifen und fortsetzen wollte: entweder im Sinne einer ausschließlich von Martin Luther her definierten theologischen Lehre oder aber im Sinne einer Luther und Melanchthon integrierenden Theologie oder schließlich in überwiegender Betonung der von Melanchthon ausgehenden Impulse, die das Potential dazu hatten, sich in Lehre und Leben der Kirche gegebenenfalls auf die von Genf ausgehenden theo­logischen Tendenzen einzulassen und sich konfessionell auf europäische Kontexte hin zu öffnen. 92 Die Debatten, die zur Klärung dieser nie offen thematisierten, aber unterschwellig stets vorhandenen Fragen geführt wurden, gewannen umso mehr an Schärfe, als jene Theologengeneration, die sich trotz ihres überwiegenden Studiums bei Melanchthon in besonderer Nachfolge Luthers sah, den Praeceptor immer mehr in die Isolation drängte.93

Unter diesen Schülern, deren anfängliche Freundschaft über eine heftige Gegnerschaft in theologischen Fragen in eine dezidierte Feindschaft umschlug, nahm Matthias Flacius eine herausragende Position ein. Der gebürtige Istrier war im Jahre 1541 nach humanistisch ausgerichtetem Schulunterricht in Venedig und anschließendem Studium in Basel (1539–40) und Tübingen (1540–41) nach Wittenberg gekommen, wo er seit 1544 als Professor für Hebräisch an der Leucorea wirkte. 94 Zu beiden Reformatoren stand er in enger Beziehung. Mit Luther verband ihn eine regelrecht exis­tenziell erfahrene Erkenntnis der Glaubenswahrheit, von der er später berichtete: Luther habe ihn in seinen jahrelangen, schweren Anfechtungen, seiner Prädestinationsangst und depressiven Verzweiflung nicht nur mit dem Wort Gottes, sondern auch mit dem Hinweis auf seine einstigen vergleichbaren Erfahrungen wirksam getröstet.95 Aber auch zu Melanchthon pflegte er freundschaft­liche Beziehungen, die offensichtlich über ein bloßes Lehrer-Schüler-Verhältnis, wie es z. B. zwischen Melanchthon und Georg Major bestand, hinausgingen. Melanchthon jedenfalls betonte in einem Brief an den ehemaligen Wittenberger Studenten und Joachimsthaler Pfarrer Johannes Mathesius die »amicitia« und »familiaritas«, die zwischen ihm und Flacius herrsche.96 Und auch in Flacius’ wenigen, nicht in die damaligen Kontroversen eingebundenen Schriften scheint die Verehrung für seinen einstigen Lehrer Melanchthon und die Verbundenheit des Schülers gelegentlich auf.97 Melanchthon hatte Flacius anfangs freundschaftlich gefördert, was z. B. darin Niederschlag fand, dass er Flacius’ große hermeneutische Schrift De vocabulo fidei98 mit einer ausführlichen, die Zugänge des Flacius lobenden Vorrede an Thomas Cranmer, den Erzbischof von Canterbury, versah.99 Und auch Flacius äußerte Hochachtung für Melanchthons theologisches Werk. So empfahl er z. B. dessen Loci, jedoch nur in der ersten Auflage, als Referenzgrundlage für die rechte reformatorische Lehre.100 Die durch sein Studium bei Melanchthon angeeignete Loci-Methode zur Erschließung von Texten und Sachverhalten, die nach der Bedeutung von Begriffen und ihren Kontexten fragt, hat Flacius wirkmächtig angewandt.101 Er vermittelte Luthersche Theologie mithilfe der Melanchthonischen Methodik, und diese Synthese fand bei ihm eine beeindruckende Ausprägung.102 Dies hinderte Flacius allerdings nicht, aufs Heftigste gegen Melanchthon Position zu beziehen, als dessen Rolle für die Erstellung des Leipziger Landtagsentwurfs bekannt wurde. Er sah in seinem ehemaligen Lehrer und Freund den Hauptverantwortlichen für diese von ihm als Kompromiss zwischen Christus und Belial,103 Gott und Teufel, gebrandmarkte Alternative, die ihm umso verabscheuungswürdiger er­schien, als hier eine evangelische Lehre in das Gewand altgläubiger Riten gekleidet wurde. Flacius’ Kritik an dem, seiner Ansicht nach, in den neuen politischen Konstellationen wankelmütig gewordenen und allzu anpassungsbereiten Reformator ist mit verantwortlich für die bis heute nur schwer auszurottende, klischeehafte und unzutreffende Beurteilung Melanchthons als eines zu milden, kompromissbereiten Leisetreters.104 Flacius setzte Lutherschen Bekennermut gegen Me­lanchthonische Vermittlungsbereitschaft: ein verhängnisvoller Kontrast, den er – historisch zu Un­recht – schon auf dem Augsburger Reichstag von 1530 aufbrechen sah105 und der sich nun in der durch das Interim geprägten Zeit in der Frage der wiedereinzuführenden altgläubigen Zeremonien als sog. freie Mitteldinge, d. h. als Adiaphora, in seinen Augen wiederholte.106

Flacius verfasste über 90 Schriften gegen die »Adiaphoristen« und fand in dem ehemaligen Melanchthon-Freund Nikolaus von Amsdorf einen engen Bun­desgenossen. Er selbst wurde nicht müde, in zahlreichen gegen Melanchthon gerichteten polemischen Schriften und mit immer neuen Belegen darauf hinzuweisen, dass es sich bei den beabsichtigten Änderungen der seit Langem in evangelischer Ausprägung etablierten Zeremonien um eine verhängnisvolle »transformatio Ecclesiae Christi in ritus Antichristi« 107 handele, die gegen die durch die Reformation erworbene christliche Freiheit verstoße und – da es sich um falsche Adiaphora oder »Pseudadiaphora« handele – eine in jeder Hinsicht zerstöre­rische Wirkung auf die evangelischen Kirchen ausüben werde.108 Er zögerte nicht, an dieser Stelle sogar Melanchthon gegen Me­lan­chthon auszuspielen, indem er, auf ältere, von den kursächsischen Landesherren eingeholte Stellungnahmen anspielend, feststellte, dass dieser zu früheren Zeiten das Festhalten an papistischen Zeremonien bei gleichzeitiger refor­-matorischer Lehre als »scandalum« bezeichnet habe.109 In der sich durch das Interim ergebenden neuen Krisen- und Bekenntnissituation stand für Flacius also die christliche Glaubensfreiheit auf’s Neue in Gefahr, die er mit dem klaren Grundsatz beantwortete: »uerissimum est, nihil esse adiaforon in casu confessionis & scandali«110. Melanchthon dagegen trennte deutlich zwischen dem Bereich des Glaubens und dem der Adiaphora. Deshalb reagierte er auf die Streitschriften nicht nur mit Empörung, sondern vor allem mit Verständnislosigkeit. Für den als Politikberater versierten Wittenberger stand in grundsätzlicher Weise der Fortbestand der evangelischen Gemeinden auf dem Spiel, den er aber zu garantieren hoffte durch das Zugeständnis an die politische Obrigkeit, auf der Ebene der Zeremonien – und nur da – Einfluss auszu­üben. 111 Die Konfrontation zwischen Flacius und Melanchthon, die sich im Laufe der innerprotestantischen Streitigkeiten auf weitere theologische Fragen ausdehnte,112 macht außer dem Lehrer-Schüler- bzw. Generationenkonflikt auch deutlich, wie unterschiedlich die Perspektiven auf die historische Wirklichkeit und deren theologische Gestaltungsmöglichkeiten sein konnten.

Flacius hatte nicht wenige Bundesgenossen in seinem Kampf ge­gen die kirchenpolitischen, vor allem aber theologischen Positionen Melanchthons. Zu den Schülern und späteren Gegnern bzw. Feinden Melanchthons gehörte z. B. auch Nikolaus Gallus, der 1530 zum Studium nach Wittenberg gekommen war. Nachdem er als Rektor in Mansfeld gedient hatte, war er als Pfarrer nach Regensburg gegangen, verlor aber durch die erzwungene Einführung des Interims dort seine Stelle. Der Exulant fand in Magdeburg Unterschlupf und trat Seite an Seite mit Flacius für eine bekenntnis­bewusste, ausschließlich von Martin Luther her bestimmte Theologie ein. Melanchthon erwähnte in seiner Korrespondenz mit seinem in Bremen wirkenden Freund und theologischen Gesinnungsgenossen Albert Hardenberg und auch in Briefen an Johannes Mathesius die wachsenden Spannungen mit Gallus, die sich vornehmlich auf das Thema des freien Willens konzentrierten 113 und die ihn offensichtlich bedrückten. Während seine in die erste grundlegende Überarbeitung der Loci communes von 1535, die sog. secunda aetas, bereits eingeflossene, gegenüber den 20er Jahren veränderte Position noch kaum aufgefallen war und im Grunde nur Nikolaus von Amsdorf zu kritischen Reaktionen veranlasst hatte,114 hatte der in und nach der Interimszeit schwelende syner­-gis­tische Streit die Aufmerksamkeit auf die von Luther abweichende Lehre Melanchthons zurückgelenkt. Hier ging es nicht um die Fähigkeiten des menschlichen Willens in weltlichen Zusammenhängen, die Melanchthon selbstverständlich vertrat, sondern in ers­ter Linie um die menschliche Verantwortlichkeit in geistlichen Bezügen, die er, gegen ein mechanistisches oder gar fatalistisches Verständnis der Rechtfertigung, auch unter ethisch-pädago­gischen Gesichtspunkten, festzuhalten bestrebt war: Wenn Gott den Menschen »zieht«, dann sind es nach Melanchthon drei Kräfte, die zu seiner Bekehrung wirken, nämlich verbum Dei/Wort Gottes, spiritus sanctus/Heiliger Geist und humana voluntas/menschlicher Wille, der insofern tätig wird, als er sich dem nicht verschließt. Gallus schlug aus Sorge darum, dass hier Luthers re­formatorischer Schwerpunkt auf der Rechtfertigung allein aus Gnaden aufgegeben werden könnte, die entgegengesetzte Position ein.115 Damit setzte er einen scharfen Kontrapunkt gegen die altgläubige, auch im Interim enthaltene Lehre, die den Stellenwert der dem Menschen eingegossenen caritas betonte, welche den menschlichen Willen wieder instand setze, das göttliche Gesetz zu erfüllen und so zur Rechtfertigung beizutragen.116 Seine Gegenposition, nämlich die absolute Unfähigkeit des menschlichen Willens zum Guten, verfocht er in kompromissloser Weise, obwohl in jenen späten 50er Jahren, in denen sich der Streit abspielte, die befürchtete Ausmerzung des evangelischen Bekenntnisses durch den Ab­schluss des Augsburger Religionsfriedens von 1555 bereits gebannt war.

Die Kontroverse ist deshalb ein aussagekräftiges Indiz dafür, wie sehr man inzwischen die Unterschiede zwischen den beiden Wittenberger Autoritäten wahrnahm und die Autorität Luthers gegen jene Melanchthons ausspielte. Nur an einem Punkt fand sich die gesamte Schülergeneration, die strengen Nachfolger Luthers und die Schüler und Freunde Melanchthons, wieder einhellig und einträchtig mit dem Praeceptor zusammen, nämlich in ihren Stellungnahmen gegen die von Andreas Osiander entwickelte, spiritualistische Tendenzen aufweisende Rechtfertigungslehre, die dieser seit seiner Ansiedlung in Königsberg 1549 offen vertrat. 117 Im Osiandrischen Streit erwies sich, dass die sich in den jeweiligen Konfliktfeldern entweder an Luther oder Melanchthon ausrichtenden Gruppen- und Lagerbildungen118 keineswegs starre Fronten bildeten. Feinde Melanchthons konnten zu seinen Bundesgenossen und in diesem weiten Sinne zu »Freunden« werden, wenn es um eine gemeinsame Sache ging. In der historischen Erinnerung aber hat die von den Feinden betriebene Verunglimpfung Melanchthons auf Dauer dominiert.

III. Das Melanchthonbild der Freunde – eine gelenkte Melanchthonrezeption


Nicht nur die Gegner Melanchthons, die ihn aufgrund seiner Haltung in der Interimszeit diskreditierten und seine Theologie angriffen, haben das Melanchthonbild der Nachwelt gestaltet. Auch seine Anhänger und Freunde haben dazu beigetragen, einen bestimmten Blick auf seine Person und sein Wirken zu vermitteln. Nicht viel anders als bei seinem Wittenberger Kollegen Martin Luther verlief die Stilisierung des Melanchthonbildes über biographische Schriften und die Veranstaltung von Editionen, bei denen vor allem Korrespondenzen, aber auch Predigten in den Mittelpunkt rückten. Es wäre interessant, die auf eine solche gesteuerte Rezeption hin angelegten Veröffentlichungen, die nach dem Tode Philipp Melanchthons erschienen, insgesamt aufzuarbeiten und auf ihre intendierte Aussage über seine Person und sein Werk hin zu befragen. 119 Herausragende – wenn auch nicht ausschließliche– Promotoren dieser Melanchthon-Memoria waren sein enger Freund und Vertrauter Joachim Camerarius, sein Schwiegersohn Caspar Peucer und der in Bremen wirkende Christoph Pezel.

Schon im Jahre 1560 erschien in Wittenberg und Nürnberg ein Bericht über das Sterben Melanchthons,120 dem ein kurzer biographischer Rückblick vorgeschaltet war. Die Autoren, seine Kollegen an der Universität Wittenberg,121 hatten ihre kleine Schrift nicht nur im Sinne einer Totenmemoria, sondern auch und mit Wohlbedacht zur »Ehrenrettung« Melanchthons abgefasst.122 Denn gleich zu Beginn wiesen sie darauf hin, dass das gehässige Gerede über den Tod Melanchthons einen solchen Bericht notwendig mache.123 Es gebe nämlich keinen Zweifel,

»das diesen tewren vn[d] werden Man / sonsten auch alle vorstendige / auff­richtige vnd Christliche Menner / hohes vnnd niders Standes / bekandte vnd vnbekandte / hertzlich lieb gehabt haben / von wegen seiner trewen dienste vnd nutzlichen arbeyt / so er der gantzen Christlichen kyrchen fruchtbarlich mit getheilet hat / Vnd darnach auch von wegen vieler scho[e]ner trefflicher Tugendt / die in jm geleuchtet vnnd geschienen haben«124.

Man habe – so schlossen sie ihren Bericht – ihn konzipiert »Wider die Lu[e]gen vnd verleumbdung seiner vnnd vnserer Feind«125. Daran anschließend wurde eine Reihe von Zeugen126 aufgeführt, die für die Wahrheit des Berichteten standen. Die Schilderung des sich über mehrere Tage hinziehenden, vorbildlich christlichen Sterbens Melanchthons zielte darauf, ihn als pflicht- und verantwortungsbewussten Gelehrten vor Augen zu führen, der die Stärke hatte, sich über alle Angriffe seiner Feinde hinwegzusetzen,127 der sich nur schwer davon abhalten ließ, trotz seiner körperlichen Schwäche seinen Aufgaben an der Universität nachzukommen,128 und der von seinem überzeugten Einsatz für Frieden und Eintracht in der Kirche bis zuletzt nicht abließ.129 Zugleich versäumten die Autoren nicht, auf die allseitige Beliebtheit Melanchthons, selbst unter einfachen Leuten, hinzuweisen, die sich auf seinem Begräbnis in bewegenden Gesten der Zuneigung geäußert habe:

»Es sind auch viel frembder leute da gewest / die jhn zuuor bey leben nie gesehen hatten / die sahen jhn todt / Vnd damit mann ja sehen mag / wie die leute gege[n] jm gesinnet gewesen / so war selten einer / der jn nicht angegriffen hette / darnach es eins yeden bewegung gab / Mancher grieff jm ans kinn / mancher auffs heupt / auff die Brust / Viel namen jn bey der hand / vnd druckten jhm die hand / ettliche aber ku[e]sten jn / vnnd weineten / das sie jn mit trehnen netzten / vnd ist in summa nicht alles zu sagen / wie sich die gute leute gegen dem Todten leichnam geberenten« 130.

Der vorangestellte kurze biographische Abriss rückte demgegenüber in den Hintergrund, zumal die Autoren bereits auf ein ausführlicheres Werk, vermutlich die von Camerarius erstellte, sechs Jahre später in Leipzig gedruckte Vita Melanchthonis hinweisen konnten.131 Was sie nachdrücklich versuchten vor Augen zu führen, war die Eintracht zwischen Melanchthon und Luther, dessen ›fleißigster und getreuester Gehilfe‹ Melanchthon in Erklärung wie Durchsetzung des recht verstandenen Wortes Gottes gewesen sei.132 Dies war keineswegs abwertend gemeint, sondern spielte darauf an, dass Melanchthon in den Augen seiner Kollegen als unermüdlicher Akteur eigentlich für den konkreten Erfolg der Reformation verantwortlich war. Er war es, so machten sie ihren Lesern klar, der die Confessio Augustana, das Grundsatzbekenntnis der Wittenberger Reformation, erstellt hatte und dessen drei Jahrzehnte langer Einsatz für die Wahrheit von Glauben und Lehre sowohl auf öffentlich politischer Bühne, wie z. B. auf Reichstagen und Religionsgesprächen, als auch in seinen Schriften als vorbildlich galt.133

Dasselbe Ziel verfolgte im Grunde Joachim Camerarius mit seiner ausführlichen Lebensgeschichte Melanchthons,134 die – anders als der nicht nur auf Latein, sondern auch auf Deutsch erschienene Kurtze Bericht – nur eine gelehrte Adressatenschaft im Blick hatte. Eine volkssprachliche Version der umfangreichen lateinischen Vita existiert nicht. Camerarius legte Wert darauf, Melanchthons Freundschaft mit Luther und seine theologische Übereinstimmung mit ihm herauszustellen.135 Und er griff auch die landläufigen, insbesondere von der Gruppe um Flacius geäußerten Vorwürfe an Melanchthon auf, die diesem eine zu große Sanftmut und Furchtsamkeit in Bekenntniskontexten zur Last legten,136 um sie aus dem historischen Kontext heraus als unberechtigt zurückzuweisen. Melanchthons entschiedene, Gefahr für Leib und Leben riskierende Opposition gegen das Augsburger Interim thematisierte Camerarius ebenso intensiv.137 Konsequent versuchte er, die durch die Polemik des Matthias Flacius und der strengen Lutheranhänger genährte Diskreditierung Melanchthons und das daraus resultierende Zerrbild seines Freundes zu korrigieren. Standhaftigkeit in den öffentlichen Streitigkeiten und perfiden Verleumdungen seitens der als »Flacianer« qualifizierten Gruppe138 zeichnete Melanchthon nach Camerarius’ Darstellung ebenso aus wie be­kenntnismäßige Redlichkeit, etwa bei der Erstellung der als Wie­derholung des Augsburger Bekenntnisses konzipierten Confessio Saxonica zwecks Vorlage auf dem Konzil von Trient. Hinzu kam Melanchthons Unparteilichkeit in der Beurteilung von Kontroversen, z. B. der von den zeitgenössischen Antitrinitariern oder von Andreas Osiander in Gang gesetzten Streitigkeiten.139 Camerarius kontrastierte in seiner Biographie Melanchthons wirksam die schamlose Bosheit140, offene Unverschämtheit141 und heimtü­ckische Frechheit142 der erklärten Feinde seines Freundes mit dessen aufrichtiger und umsichtiger Haltung.143

Auch Caspar Peucer, der mit Melanchthon in einem ungebrochenen Vertrauensverhältnis stand, versuchte durch eine historische Aufarbeitung die als entstellt empfundene Wahrnehmung seines Schwiegervaters – Resultat der feindseligen Aktivitäten – geradezurücken. Darin sprach er vor allem jenen Punkt an, der in der werdenden protestantischen Konfessionalit

Summary


Assessing Melanchthon’s life from the vantage point of personal relations with friends and foes reveals how entwined his personal concerns and his personality were with his public role in church and society as well as with the development of some of his theol­ogical positions. His correspondence with Camerarius, Baumgartner, and Dietrich exposes his deep worries over friends and families as well as concerns for the welfare of colleagues, the church, and the world. His more problematic relationship with Luther, for all its turbulence, embodied not only highest respect and dedication to common efforts for reformation but also genuine fondness. Exa­min­ing his relationships with Agricola, Flacius, Gallus, and Osiander illustrates Melanchthon’s complicated reactions to those disciples who disagreed and opposed his positions. Camerarius’s biography served to counteract criticism and form a positive image of his friend. Melanchthon’s son-in-law Caspar Peucer and Peucer’s col­-league Christoph Pezel instrumentalized Melanchthon for their own theological and ecclesiastical purposes.

Fussnoten:

1) Zahlreiche zeitgenössische bildliche Darstellungen setzen das Miteinander der Wittenberger Reformatorengruppe in Szene. Besonders aussagekräftig ist das Epitaph auf Paul Eber, das sich in der Wittenberger Stadtkirche befindet. Vgl. dazu Stefan Rhein, Bugenhagen und Wittenberg. Eine Spurensuche, in: Der späte Bugenhagen. Wittenberger Bürger, Kirchenpolitiker, Theologe und Stadtpfarrer, hrsg. v. Irene Dingel und Stefan Rhein, Leipzig 2010 (Schriften der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt) [in Vorbereitung], xxx-xxx [MS 12 f.].
2) Vgl. dazu exemplarisch die ausführlich beschriebenen Entwicklungen im Fürstentum Anhalt und in der Stadt Bremen bei Irene Dingel, Concordia controversa. Die öffentlichen Diskussionen um das lutherische Konkordienwerk am Ende des 16. Jh.s, Gütersloh 1996 (QFRG 63), 280–351 und 352–412.
3) Vgl. immer noch grundlegend Karl Hartfelder, Philipp Melanchthon als Praeceptor Germaniae, Berlin 1889, 2. Repr. Nieuwkoop 1972 (Monumenta Germaniae paedagogica 7). Aussagekräftig ist auch die Festlegung des Themenjahrs 2010 der Lutherdekade auf »Reformation und Bildung«.
4) Hier ist vor allem zu denken an die große Verbreitung der von Melan­-chthon erstellten Bekenntnistexte wie der Confessio Augustana, der Apologie der Confessio Augustana und der als »Repetitio« des Augsburger Bekenntnisses verstandenen Confessio Saxonica von 1551. Auch die Loci Theologici, der Unterricht der Visitatoren (dt. 1528) sowie das Examen Ordinandorum (dt. 1552) wurden weit rezipiert. Hinzu treten selbstverständlich Melanchthons Lehrbücher für den schulischen und akademischen Unterricht. Vgl. dazu Günter Frank, Philipp Melanchthon als Universalgelehrter des 16. Jh.s. Bilanz und Perspek­tiven der Forschung, in: Dona Melanchthoniana. Festgabe für Heinz Scheible zum 70. Geburtstag, hrsg. v. Johanna Loehr, Stuttgart-Bad Cannstatt 22005, 277–311.
5) Während ein Luther Handbuch (hrsg. v. Albrecht Beutel, Tübingen 2005) und ein Calvin Handbuch (hrsg. v. Herman J. Selderhuis, Tübingen 2008) erstellt wurden, fehlt ein entsprechendes Werk zu Melanchthon.
6) Daher wird hier nicht die auch bei Melanchthon existierende Front zu dem sich bildenden konfessionellen Katholizismus in den Blick kommen.
7) Diese Vorlage für den Leipziger Landtag vom 21.12.1548 findet sich in: Po­litische Korrespondenz des Herzogs und Kurfürsten Moritz von Sachsen. Bd. 4: 26. Mai 1548–8. Januar 1551, bearb. v. Johannes Herrmann und Günther Wartenberg, Berlin 1992 (ASAW.PH 72), Nr. 212, 254–260.
8) Vgl. seine zahlreichen Äußerungen dazu, vor allem gegen Ende seines Lebens, die auf eine »diaboli rabies« oder »rabies« Bezug nehmen, z. B. in: MBW Reg. 6, Nr. 5912, 98 = CR 7, Nr. 4801, Sp. 671, MBW Reg. 6, Nr. 6316, 254 = CR 7, Nr. 5035, Sp. 925; MBW Reg. 8, Nr. 8556, 205 = CR 9, Nr. 6481, Sp. 488; MBW Reg. 8, Nr. 8574, 212 = CR 9, Nr. 6491, Sp. 514; MBW Reg. 8, Nr. 8576, 213 = CR 9, Nr. 6492, Sp. 515; MBW Reg. 8, Nr. 8611, 225 = CR 9, Nr. 6522, Sp. 545.
9) Dieser Zugang wäre gut dazu geeignet, die gesamte Persönlichkeit des Reformators und sein Wirken sowohl unter alltagsgeschichtlichem als auch unter sozialhistorischem und theologiegeschichtlichem Aspekt in den Blick zu nehmen. Dass ein solcher multiperspektivischer Ansatz hier aus Platzgründen nicht durchgeführt werden kann, versteht sich von selbst.
10) So Heinz-Horst Schrey, Art. Freundschaft, in: TRE 11 (1983), 591. Er definiert Freundschaft wie folgt: »Wie schon aus der Etymologie hervorgeht …, bezeichnet Freundschaft eine zwischenmenschliche Beziehung, in der sich ›Freiheit‹ und ›Liebe‹ in einer Weise begegnen, daß durch positive Zuwendung von Menschen menschliches Dasein Orientierung und Stabilisierung erfährt«, a. a. O., 590.
11) Dies wird Marion Bechtold in ihrer Dissertation zu dem Themenfeld »Patronage von Gelehrten im 16. Jahrhundert« vor allem am Beispiel Me­lanchthons untersuchen.
12) Vgl. dazu und zu den im Folgenden genannten Namen Heinz Scheible, Philipp Melanchthon – eine Biographie, München 1997, passim. In Pforzheim war z. B. Caspar Hedio Melanchthons Mitschüler und Schulfreund. Zu seinen Freunden und Studienkollegen aus der Heidelberger Zeit zählten u. a. Hartmann Hermanni aus Eppingen, der als Kanzler des Pfalzgrafen Friedrich kurz vor Melanchthon nach Heidelberg gekommen war. Etwa gleichzeitig mit Melanchthon ging der aus einer Straßburger Patrizierfamilie stammende Peter Sturm von Sturmeck nach Heidelberg. Weitere Studienfreunde waren Theobald Gerlach aus Billigheim, den Melanchthon später – so Scheible – »als seinen einzigen wirklichen Freund in Heidelberg, der viel begabter sei als er« (a. a. O., 19), bezeichnete. Zu nennen sind außerdem Erhard Schnepf und Jo­hannes Lachmann aus Heilbronn, Johann Schwebel aus Pforzheim sowie der zwei Jahre jüngere Johannes Brenz aus Weil der Stadt, mit dem ihn eine besonders enge Freundschaft verband (vgl. dazu Christian Peters, Melan­-chthon und Brenz. Eine Freundschaft in Briefen, in: Dona Melanchthoniana, 277–311). Den Straßburger Martin Bucer nahm Melanchthon damals noch nicht wahr, während sich dieser durchaus an den begabten Melanchthon jener Tage erinnerte. Offenbar brachte Melanchthon Bucer anfangs eine gewisse Zurückhaltung und Misstrauen entgegen, was sich aber im Zuge eines langjährigen Briefwechsels und gemeinsamer Verhandlungen bzw. Arbeit – etwa als es um die Wittenberger Konkordie von 1536 ging oder um die Aktivitäten im Zusam­menhang der sog. Kölner Reformation von 1542–1545 – zerstreute. Während seines Studiums in Tübingen lernte Melanchthon den 15 Jahre älteren Johannes Oekolampad kennen, der damals Prediger in Weinsberg war. Ihm wie dem fünf Jahre älteren Konstanzer Ambrosius Blarer sah er sich freundschaftlich verbunden. Auch Matthäus Alber aus Reutlingen zählte zu seinen Tübinger Studienfreunden. In Wittenberg war es vor allem Martin Luther, zu dem er ein tiefes Vertrauensverhältnis entwickelte, ohne seine Freiheit zur Kritik an dem 13 Jahre älteren Lehrer und Kollegen aufzugeben. Zu den Schülern und Freunden Melanchthons gehörten damals Johannes Agricola, Jakob Milichius und Paul Eber. Agricola entwickelte sich später vom Freund zum Feind (s. u.). Georg Major war wohl mehr Schüler als Freund Melanchthons. Ein enges Verhältnis bestand außerdem zu Caspar Cruciger, der allerdings schon im Jahre 1548 (am 16.11.) erst 45-jährig verstarb, sowie zu Caspar Peucer, seinem Schwiegersohn. Der andere Schwiegersohn, Georg Sabinus, anfänglich Schüler Melanchthons und Vertrauter, gab ihm immer mehr Anlass zu Sorgen und kritischem Abstand. Auch der Rechtsprofessor und Syndicus des Wittenberger Stifts, Otto Beckmann, kann zu den Freunden Melanchthons (aus seiner frühen Wittenberger Zeit) gerechnet werden. Er »galt als der Hauptvertreter des Humanismus vor Melanchthon« (Scheible, Melanchthon, 115). Interessant ist darüber hinaus die Gestalt des Johannes Koch (aus Ilsfeld bei Heilbronn), der bis zu seinem Tod im Jahre 1553 als Gehilfe im Hause Me­lanchthons lebte und ihm daher sehr nahe stand (vgl. zu diesem Verhältnis ebenfalls Scheible, Melanchthon, 257 f.). Enge freundschaftliche Beziehungen pflegte Melanchthon zu einigen Nürnberger Bürgern. Darunter war sein treuer und unzertrennlicher Freund Joachim Camerarius, aber auch der Prediger Veit Dietrich und Hieronymus Baumgartner (zu ihnen s. u.). Mit Andreas Osiander, dessen typische Rechtfertigungslehre Melanchthon kritisierte, verband ihn höfliche Wertschätzung. Hinzu kommt eine Fülle weiterer Briefpartner, Studienfreunde und Vertrauter, wie z. B. Johannes Heß, Pfarrer in Breslau, Johannes Sturm, Schulrektor in Straßburg, Michael Meienburg, Bürgermeister von Einbeck, Johannes Stigel, »Lieblingsschüler« Melanchthons und einer der beiden »Gründungsprofessoren der Jenaer Hochschule« (Scheible, Me­lanchthon, 181), sowie Johannes Pfeffinger, Superintendent in Leipzig, und Fürst Georg von Anhalt, der als geistlicher Koadjutor im Bistum Merseburg wirkte und mit Melanchthon am Leipziger Landtagsentwurf von 1548 zusam­mengearbeitet hatte. Die Liste ließe sich unschwer erweitern.
13) Vgl. Mt 7,12.
14) Zur Freundschaft in der Antike vgl. Schrey, Art. Freundschaft, in: TRE 11 (1983), 592. Hier auch die Zitate.
15) Vgl. Torsten Woitkowitz, Die Freundschaft zwischen Philipp Melan­­-chthon und Joachim Camerarius, in: Philipp Melanchthon und Leipzig. Beiträge und Katalog zur Ausstellung, hrsg. v. Günther Wartenberg, Leipzig 1997, 29–39, hier 35–38.
16) Vgl. MBW Reg. 4, Nr. 4095, 301 f. = CR 5, Nr. 3274, Sp. 855.
17) Vgl. MBW Reg. 4, Nr. 4366, 414 f. = CR 6, Nr. 3542, Sp. 220.
18) Vgl. den Brief Melanchthons an Camerarius vom 17.12.1546, MBW Reg. 4, Nr. 4498, 463 = CR 6, Nr. 3667, Sp. 323 f.
19) Anna Melanchthon hatte am 6.11.1536 den 14 Jahre älteren Philologen Georg Sabinus geheiratet. Das Verhältnis zwischen den Ehepartnern war so schwierig, dass Melanchthon zeitweise eine Scheidung in Betracht zog. Anna starb am 26.2.1547 im Alter von nicht einmal 25 Jahren. Zu den Familienverhältnissen im Einzelnen vgl. Theodor Muther, Anna Sabinus, in: Ders., Aus dem Universitäts- und Gelehrtenleben im Zeitalter der Reformation. Vorträge, Erlangen 1866, 329–367; Karl Matthes, Philipp Melanchthon. Sein Leben und Wirken, aus den Quellen dargestellt, Altenburg 1841, 246–248; Carl Schmidt, Philipp Melanchthon. Leben und ausgewählte Schriften, Elberfeld 1861 (LASLK 3), 712 f.; Clyde Leonard Manschreck, Melanchthon. The Quiet Reformer, New York 1958, Repr. Westport 1975, 304 f.; Martin H. Jung, Frömmigkeit und Theologie bei Philipp Melanchthon. Das Gebet im Leben und in der Lehre des Reformators, Tübingen 1998 (BHT 102), 176–180; vgl. darüber hinaus folgende Briefe Melanchthons an Camerarius: MBW Reg. 4, Nr. 3436, 21 = CR 5, Nr. 2852, Sp. 292–294; MBW Reg. 4, Nr. 3468, 36 = CR 5, Nr. 2873, Sp. 32 f.; MBW Reg. 4, Nr. 3518, 55 f. = CR 5, Nr. 2915, Sp. 360 f.; MBW Reg. 4, Nr. 3561, 75 = CR 5, Nr. 2943, Sp. 394 f.; MBW Reg. 4, Nr. 3566, 77 = CR 5, Nr. 2947, Sp. 397 f.; MBW Reg. 4, Nr. 3578, 82 f. = CR 5, Nr. 2955, Sp. 408 f.; MBW Reg. 4, Nr. 3582, 84 = CR 5, Nr. 2958, Sp. 410 f.; MBW Reg. 4, Nr. 3598, 92 = CR 5, Nr. 2969, Sp. 422 f.
20) Vgl. MBW Reg. 4, Nr. 3561, 75 = CR 5, Nr. 2943, Sp. 394 f.
21) Vgl. MBW Reg 4, Nr. 3598, 92 = CR 5, Nr. 2969, Sp. 422. Hier einen Selbstmordgedanken bei Melanchthon zu entdecken, ist m. E. eine zu weitgehende Interpretation der lateinischen Formulierung. So, Scheible und Walter Thüringer folgend, Jung, Frömmigkeit und Theologie, 179.
22) Vgl. Woitkowitz, Freundschaft, 38.
23) Vgl. Kurtzer Bericht / Wie der Ehrwirdig / vnser lieber Vater vnd Preceptor / PHILIPPVS MELANTHON sein Leben hie auff Erden geendet / vnd gantz Christlich beschlossen hat / Mit kurtzer erzelunge / Was sich etliche tage zuuor / mit jhm inn seiner Schwachheit zu getragen hat. Geschrieben von den Professoribus der Vniuersitet Witteberg / Die alles / was hie bericht wird / selbs gesehen vnd angeho[e]ret haben. Nu[e]rnberg. [Valentin Newber] M.D.LX., D4a (zur Ankunft des Camerarius); J3a (seine Anwesenheit und Trauer zum Zeitpunkt des Begräbnisses).
24) Kurtzer Bericht, E3a und F1a.
25) So Scheible in MBW 11: Personen A–E, Stuttgart-Bad Cannstatt 2003, 124. Zu Baumgartner vgl. darüber hinaus Otto Puchner, Art. Hieronymus Baumgartner, in: NDB 1 (1953), 664 f.
26) Rosenberg hatte es darauf angelegt, die Stadt Nürnberg zu erpressen. Baumgartner wurde nach 14-monatiger Gefangenschaft wieder freigelassen und kehrte am 4.8.1545 wieder heim. Melanchthon nahm auf die glückliche Heimkehr in einem Postscriptum zu einem Brief an Camerarius Bezug: »Ago gratias Deo aeterno …, quod Hieronymum coniugi suae et liberis restituit …«. Jung sieht darin ein Dankgebet, das er Camerarius zukommen ließ. Vgl. MBW Reg. 4, Nr. 3987, 258 = CR 5, Nr. 3249, Sp. 832, und Jung, Frömmigkeit und Theo­logie, 183 mit Anm. 800. Vgl. zur Person Rosenbergs: K[arl?] Hofmann, Albrecht von Rosenberg. Ein fränkischer Ritter und Reformator, in: Neues Archiv für die Geschichte der Stadt Heidelberg und der rheinischen Pfalz 8 (1910), 1–45.
27) Vgl. dazu Jung, Frömmigkeit und Theologie, 180–185.
28) Dies ergibt sich daraus, dass Baumgartner Melanchthon nach seiner Freilassung um Kopien der Trostbriefe bat, die seine Frau erfolglos an ihn weitergeleitet hatte. Vgl. Jung, Frömmigkeit und Theologie, 182, Anm. 796.
29) Vgl. z. B. MBW Reg. 4, Nr. 3614, 99 = CR 5, Nr. 2986, Sp. 438 f.; MBW Reg. 4, Nr. 3732, 147.
30) Vgl. MBW Reg. 4, Nr. 3598, 92 = CR 5, Nr. 2969, Sp. 422; MBW Reg. 4, Nr. 3615, 99 = CR 5, Nr. 2985, Sp. 437 f.; MBW Reg. 4, Nr. 3627, 104 = CR 5, Nr. 2993, Sp. 446 f.; MBW Reg. 4, Nr. 3638, 108 = CR5, Nr. 3002, Sp. 455 f.; MBW Reg. 4, Nr. 3700, 134 = CR 5, Nr. 3044, Sp. 494 f.; MBW Reg. 4, Nr. 3755, 156 = CR 5, Nr. 3089, Sp. 546 f.
31) Vgl. z. B. MBW Reg. 4, Nr. 3599, 92 = CR 5, Nr. 2970, Sp. 423 f.; Nr. 3646, 112 = CR 5, Nr. 3006, Sp. 458 f.
32) Vgl. MBW Reg. 4, Nr. 4012, 267 = CR 5, Nr. 3268, Sp. 850 f.
33) Er war Hausgenosse und Famulus Luthers, überwarf sich aber später mit dessen Frau, Katharina von Bora; vgl. dazu Bernhard Klaus, Veit Dietrich. Leben und Werk, Nürnberg 1958, 57–68.75–104.125–130.
34) MBW T 7, Nr. 1914, 463–465. Das Zitat, 464: »Scis me quedam minus horride dicere de praedestinatione, de assensu voluntatis, de necessitate obedientiae nostrae, de peccato mortali. De his omnibus scio re ipsa Lutherum sentire eadem, sed ineruditi quedam eius φορτικώτερα dicta, cum non videant quo pertineant, nimium amant. Nec ego cum illis pugnandum mihi esse duco. Fruantur suo iudicio. Mihi tamen concedant homini peripatetico et amanti mediocritatem minus stoice alicubi loqui«. Deutsch zitiert nach Scheible, Me­lanchthon, 159.
35) Die Forschung hat gern die großen und kleinen Krisen herausgearbeitet, die dann auch als Bewährungsproben der Freundschaft zwischen Melanchthon und Luther gedeutet wurden. Ein zusammenfassender Blick darauf findet sich bei Heinz Scheible, Luther und Melanchthon, in: Ders., Melanchthon und die Reformation. Forschungsbeiträge, Mainz 1996 (VIEG Beih 41), 142. Vgl. außerdem Markus Wriedt, Zwischen Angst und Zuversicht, in: »Man weiß so wenig über ihn«. Philipp Melanchthon – Ein Mensch zwischen Angst und Zuversicht, Wittenberg² 22004, 31 f., Anm. 60.
36) Vgl. dazu Wolfgang Matz, Der befreite Mensch. Die Willenslehre in der Theologie Philipp Melanchthons, Göttingen 2001 (FKDG 81).
37) Vgl. Reinhard Flogaus, Luther versus Melanchthon? Zur Frage der Einheit der Wittenberger Reformation in der Rechtfertigungslehre, in: ARG 91 (2000), 6–46; die Diskussion der alten Literatur, 6–9.
38) Innerhalb dieser Fortschreibungen unterscheidet man bekanntlich drei große Überarbeitungen des Bekenntnisses: die prima variata 1533, die secunda variata 1540, die sich vor allem durch ihren überarbeiteten Abendmahlsartikel auszeichnet, und die tertia variata 1542.
39) Man unterscheidet im Allgemeinen drei Abfassungsstufen: zunächst die sog. prima aetas von 1521, aber schon 1522 erfolgte ein erster Nachdruck, den Melanchthon bereits verändert und auf den neuesten Stand seiner Theologie gebracht hatte. Im Jahre 1535 legte er eine völlige Neubearbeitung der Loci vor, die secunda aetas. Die letzte gravierende Überarbeitung erfolgte 1543, die tertia aetas, an der Melanchthon bis 1559 weitere kleine Verbesserungen vornahm. Die ersten beiden Fassungen wurden von Georg Spalatin und Justus Jonas ins Deutsche übersetzt. 1553 erstellte Melanchthon selbst eine deutsche Fassung, die er der Frau seines Freundes, Anna Camerarius, widmete.
40) Vgl. dazu o., 778. Scheible möchte für das differenzierte Miteinander dieser beiden reformatorischen Größen nicht die Kategorie der Freundschaft anwenden: »Die Kategorie der Freundschaft erscheint uns dabei eher hinderlich, zu eng und zu pauschal, als daß das komplizierte Miteinander zweier Geis­­tesgrößen dadurch ausgedrückt werden könnte. Freunde müssen nach außen immer solidarisch sein, müssen mögliche Gegensätze zudecken. Kollegen sind immer auch Konkurrenten und dürfen dies sein, solange ihr Wettbewerb die gemeinsame Institution nicht beschädigt. Wenn wir Luther und Melanchthon als Kollegen betrachten, die ein Altersunterschied von mehr als 14 Jahren [sic] trennt, müssen wir nicht länger Differenzen zweier angeblicher Freunde beklagen, sondern können uns wundern, wie eng und gut diese beiden so unterschiedlichen Menschen zusammengearbeitet haben«. Ders., Melanchthon, 144. Anders z. B. Wilhem Pauck, der von einer »starken kameradschaftlichen Freundschaft« spricht und Melanchthon im Übrigen zum »Lutheraner« stilisiert. Vgl. ders., Luther und Melanchthon, in: Luther und Melanchthon. Referate des Zweiten Internationalen Kongresses für Lutherforschung, Münster 8.–13. August 1960, hrsg. v. Vilmos Vajta, Göttingen 1961, 11–31, bes. 22–31.
41) Luther an Spalatin, 31.8.1518, in: WA Br 1, Nr. 88, 192,15–19.
42) Luther an Johannes Lang, 18.12.1519, in: WA Br 1, Nr. 232, 597,10.
43) WA Br 1, Nr. 120, 269,32–35 (14.12.1518). Deutsches Zitat nach Scheible, Luther und Melanchthon, 140.
44) Vgl. WA Tr 4, Nr. 5007, 610; außerdem WA Tr 5, Nr. 6439, 661. Zu Melanchthons Römerbriefkommentar vgl. außerdem Luthers Bemerkung in WA Tr 1, Nr. 316, 130.
45) WA Tr 2, Nr. 1649, 163 (Juni/Juli 1532).
46) Vgl. dazu Timothy J. Wengert, Human Freedom, Christian Righteousness. Philip [sic.] Melanchthon’s Exegetical Dispute with Erasmus of Rotterdam, New York-Oxford 1998 (Oxford Studies in Historical Theology).
47) Luther, Vorrede zu Melanchthons verdeutschter Auslegung des Kolosserbriefs, 1529, in: WA 30/II, 68,9–69,1.
48) Cordatus an einen Freund, 1536, in: WA Br 7, Nr. 3081, 43.
49) WA Tr 3, Nr. 3619, 460. Vgl. dazu auch Erdmann Schott, Melanchthon als Theologe, in: Philipp Melanchthon. Forschungsbeiträge zur vierhundertsten Wiederkehr seines Todestages dargeboten in Wittenberg 1960, Göttingen 1961, 154 f.
50) WA Tr 5, Nr. 5511, 204, 16–25.
51) So Scheible, Melanchthon, 163.
52) Vgl. Luther an Kurfürst Johann, 15.5.1530, in: WA Br 5, Nr. 1568, 319,5–8: »Jch hab M. Philipsen Apologia vberlesen, die gefellet mir fast [= sehr] wol, vnd weis nichts dran zu bessern noch endern, Wurde sich auch nicht schicken, Denn ich so sanfft vnd leise nicht tretten kan«.
53) Vgl. dazu Irene Dingel, Bekenntnis und Geschichte. Funktion und Entwicklung des reformatorischen Bekenntnisses im 16. Jahrhundert, in: Dona Melanchthoniana, 61–81, bes. 71-75.
54) MBW T1, Nr. 84, 196,97 f. (27.4.1520). Deutsches Zitat nach Scheible, Luther und Melanchthon, 140.
55) MBW T1, Nr. 104, 227,9–13. Deutsches Zitat teilweise nach Scheible, Luther und Melanchthon, 140.
56) MBW Reg. 2, Nr. 2302, 473 f. = MBW T 8, 597–601, das Zitat 600: »Ago autem gratias reverendo domino doctori Martino Luthero, primum, quia ab ipso evangelium didici, deinde pro singulari erga me benevolentia, quam quidem plurimis beneficiis declaravit, eumque volo a meis non secus ac patrem coli.«
57) So Scheible, Melanchthon, 143.
58) Vgl. Melanchthon an Carlowitz vom 28.4.1548, in: CR 6, Nr. 4217, 879–885. Vgl. MBW Reg. 5, Nr. 5139, 281. »Ich ertrug auch vordem eine fast entehrende Knechtschaft, da Luther oft mehr seinem Temperament folgte, in welchem eine nicht geringe philoneikía [= Streitsucht, Rechthaberei] lag, als auf sein Ansehen und auf das Gemeinwohl achtete«, zit. nach Scheible, Melan­-chthon, 168. Zur – umstrittenen – Interpretation dieses Briefes vgl. Heinz Scheible, Melanchthons Brief an Carlowitz, in: ARG 57 (1966), 102–130, und Timothy J. Wengert, »Not by Nature Philoneikos«. Philip Melanchthon’s Initial Reactions to the Augsburg Interim, in: Politik und Bekenntnis. Die Reaktionen auf das Interim von 1548, hrsg. v. Irene Dingel und Günther Wartenberg, Leipzig 2007 (Leucorea-Studien zur Geschichte der Reformation und der Lutherischen Orthodoxie 8), 33–49.
59) Vgl. MBW Reg. 4, Nr. 3871, 209 = CR 5, Nr. 3171, Sp. 727.
60) Zit. nach Scheible, Melanchthon, 169. MBW Reg. 6, Nr. 6072, 157 = CR 7, Nr. 4885, Sp. 775 (1.5.1551).
61) Vgl. dazu Heinz Scheible, Melanchthon und Osiander über die Rechtfertigung. Zwei Versuche, Wahrheit zu formulieren, in: Reformation und Recht. FG für Gottfried Seebaß zum 65. Geburtstag, hrsg. v. Irene Dingel, Volker Leppin und Christoph Strohm, Gütersloh 2002, 161–175.
62) Melanchthon an die Studenten zu Wittenberg, 19.2.1546, in: CR 6, Nr. 3392, Sp. 58.
63) Vgl. Robert Kolb, Martin Luther as Prophet, Teacher, Hero. Images of the Reformer, 1520–1620, Grand Rapids 1999, 25–33.
64) Vgl. CR 11, Nr. 89, Sp. 726–734. Vgl. dazu Scheible, Melanchthon, 167; außerdem Kolb, Martin Luther, 35–37.
65) MBW Reg. 4, Nr. 4166 = CR 6, Nr. 3393, Sp. 59 f. (ca. 22.2.1546). Auch Melanchthon hatte in den frühen Jahren der Wittenberger Reformation eine durchaus enge Beziehung zu von Amsdorf gepflegt.
66) Vgl. z. B. Martin Wrede, Das Reich und seine Feinde. Politische Feindbilder in der reichspatriotischen Publizistik zwischen Westfälischem Frieden und Siebenjährigem Krieg, Mainz 2004 (VIEG 196 = Beiträge zur Sozial- und Verfassungsgeschichte des Alten Reichs 15); ders., Art. Feindbild, in: Enzyklopädie der Neuzeit 3 (2006), Sp. 878–890.
67) So Jürgen Mohn, Art. Feind/Feindesliebe I, in: RGG4 3 (2000), Sp. 57. Hier findet sich folgende Definition: »Das Motiv des Feindes steht im Zusammenhang mit der Ausbildung oder Sicherung von Identität und richtet sich gegen Menschen anderer Stämme, Staaten, anderen Glaubens oder gegen einen feindlichen Bereich der Welt«.
68) Die Frage des bereits in den beiden ersten antinomistischen Streitphasen angesprochenen »tertius usus legis« bzw. der Rolle des Gesetzes – zunächst zwischen Agricola und Melanchthon 1527/28, dann zwischen Agricola und Luther 1537 ff. – beschäftigte die Schüler Luthers und Melanchthons ab 1556 in einer dritten Streitphase.
69) Vgl. zu seiner Vita Friedrich Wilhelm Bautz, Art. Johann Agricola, in: BBKL 1 (1990), Sp. 57–59.
70) Vgl. z. B. die Schrift des Caspar Aquila, Wider den spo[e]ttischen Lu[e]gner vnd vnuerschempten verleumbder M. Isslebium Agricolam. No[e]-tige verantwortung / vnd Ernstliche warnung / Wider das Jnterim. APOLOGIA M. CASPARIS AQVILAE Bischoff zu Salfeld. M. D. XLVIII [Magdeburg: Christian Rödinger], sowie Agricolas Verballhornung als »Grickel« in: Scho[e]ner Lieder zwey / Vorhin noch nie im Truck ausgangen / Das Erste / von Grickel Jnterim / … [Magdeburg: Christian Rödinger, 1548].
71) Der letzte nachgewiesene Brief Melanchthons an Agricola stammt vom 20.4.1546, vgl. MBW Reg. 4, Nr. 4242, 364 = CR 6, Nr. 3447, Sp. 116 f. Das letzte Schreiben von Agricola an Melanchthon ist auf den 27.3.1546 datiert. Vgl. MBW Reg. 4, Nr. 4207, 350, abgedruckt in: ThStKr 54, 1881, 172–174.
72) Vgl. MBW Reg. 4, Nr. 3831, 193 = CR 5, Nr. 3148, Sp. 697.
73) Vgl. MBW Reg. 4, Nr. 4196, 346, abgedruckt in: ThStKr 54, 1881, 171 f.
74) Articuli de quibus egerunt per visitatores in regione Saxoniae, Wittembergae 1527, in: CR 26, Sp. 7–28.
75) Vgl. CR 26, Sp. 9 (Visitationsartikel lat.) und Sp. 70 (Visitationsartikel dt.).
76) Vgl. CR 26, bes. Sp. 11 und 28.
77) Es wurde folgende Ausgabe benutzt: Hundert vnd Dreissig gemeyner Frage stu[e]cke / fu[e]r die iungen kinder / ynn der Deudschen Meydlin Schule zu Eyssleben. Vom wort Gottes. Glauben. Gebete / Heiligem geiste. Creutze vnd Liebe Auch ein vnterricht von der Tauffe / vnd leibe vnd blute Christi. Johan. Agricola. [Col.: Gedru[e]ckt zu Wittemberg / durch Georgen Rhaw. 1528]. Agricola weist in seiner Vorrede darauf hin, dass er eine etwas umfangreichere Schrift für die lateinische Schule bereits im Jahr davor publiziert habe, die er hier in gekürzter Fassung als Fragstücke bzw. in Form von Katechismusfragen für die deutsche Mädchenschule biete. Vgl. A2a–A2b.
78) Vgl. Agricola, Einhundertunddreißig Fragstücke, bes. B4b–B5a, Fragen 75–80.
79) »Moses ist der Ju[e]den Sachssen spiegel / Vnd eben wie die Rho[e]mer vnd wir Deudschen / die Keyser Recht halten / also haben die Ju[e]den Mosen mu[e]ssen halten / als ein eusserlich Regiment / vnd gehet die Heyden nichts an. Acto. 15«: Agricola, Einhundertunddreißig Fragstücke, B8b, Frage 116. Damit konnte sich Agricola freilich auf Luther berufen, vgl. Martin Luther, Predigten über das 2. Buch Mose (1524–1527), in: WA 16, 378,7–13. Vgl. außerdem ders., Wider die himmlichen Propheten (1525), in: WA 18, 81,14–17, und Zweite Predigt über die Epistel Jeremia 23,5–8, gehalten am 26. Sonntag nach Trinitatis (25.11.1526), in: WA 20, 576,26–577,11.
80) Agricola, Einhundertunddreißig Fragstücke, B8b, Frage 114.
81) Vgl. Timothy J. Wengert, Law and Gospel. Philip Melanchthon’s De­bate with John Agricola of Eisleben over Poenitentia, Grand Rapids 1997 (Texts and Studies in Reformation and Post-Reformation Thought), 134 f.
82) Vnterricht der Visitatorn an die Pfarhern ym Kurfurstenthum zu Sachssen, Vuittemberg MDXXVIII, in: CR 26, Sp. 51 f., 69–71.
83) Für Luther bedeutete dies, dass Agricola das Gesetz auf das Rathaus verbanne. Vgl. Luther, Thesen gegen die Antinomer, 1537, in: WA 39/I, 344,30.
84) Vgl. den Bericht Melanchthons und seiner Kollegen an Kurfürst Johann Friedrich, 5.4.1540, MBW T9, Nr. 2409, 200–203.
85) Vgl. BSLK 65,45 f.
86) So Luther schon in seiner Auseinandersetzung mit Zwingli. Vgl. Luther, Vom Abendmahl Christi. Bekenntnis, in: WA 26, 317,19–327,32.
87) Dies wurde im Grunde erst durch die Konkordienformel von 1577 und das Konkordienbuch als »Gegenentwurf« zu dem melanchthonischen Corpus Doctrinae Philippicum wirksam rückgängig gemacht. Vgl. zur Bekenntnisentwicklung insgesamt den kurzen Abriss von Irene Dingel, Evangelische Lehr- und Bekenntnisbildung im Spiegel der innerprotestantischen Auseinandersetzungen zur Zeit des Augsburger Religionsfriedens, in: Als Frieden möglich war. 450 Jahre Augsburger Religionsfrieden, hrsg. v. Carl. A. Hoffmann u. a., Begleitbd. zur Ausstellung im Maximilianmuseum Augsburg, Regensburg 2005, 51–61.
88) Die zweite Reformatorengeneration hatte durchgehend bei Melan­-chthon studiert und seine Methodik gelernt. Selbst die von vielen vertretene genuine Theologie Luthers wurde in die Form der von Melanchthon erlernten Methodik gegossen. Vgl. dazu Dingel, Concordia controversa, 18.
89) Dass das Interim, das Laienkelch und Priesterehe gestattete, aber in Lehre und Zeremonien altgläubigen Vorgaben folgte, zunächst auch für die katholischen Stände gelten sollte, wurde auf dem Augsburger Reichstag von 1548 abgewendet. Dies wurde den Evangelischen zum Teil erst später bekannt. Vgl. dazu insgesamt Horst Rabe, Reichsbund und Interim. Die Verfassungs- und Religionspolitik Karls V. und der Reichstag von Augsburg 1547/1548, Köln-Wien 1971, 441–443.
90) Maßgeblich beteiligt waren außerdem Fürst Georg von Anhalt, die damaligen Wittenberger Theologen – das waren neben Melanchthon Johannes Bugenhagen d. Ä., Paul Eber und Georg Major – und der Leipziger Superintendent und Professor Johannes Pfeffinger.
91) Der evangelisch gesinnte, aus dem albertinischen Zweig der Wettiner stammende Moritz hatte an der Seite des Kaisers gegen den Schmalkaldischen Bund gekämpft und sich so – im Falle des dann auch eintretenden Sieges – die Kurwürde gesichert. Vgl. dazu Günther Wartenberg, Die albertinische Kirchen- und Religionspolitik unter Moritz von Sachsen, in: Moritz von Sachsen – ein Fürst der Reformationszeit zwischen Territorium und Reich, Stuttgart 2007, 163–172.
92) M. E. ist es deshalb eine Engführung, wenn man die innerprotestantischen Streitigkeiten als eine Auseinandersetzung um eine lutherisch zu definierende »Orthodoxie« wertet. So z. B. Markus Friedrich in seinem ansonsten informativen Beitrag: Orthodoxy and Variation. The Role of Adiaphorism in Early Modern Protestantism, in: Orthodoxies and Heterodoxies in Early Modern German Culture. Order and Creativity 1500–1750, ed. by Randolph C. Head, Daniel Christensen, Leiden-Boston 2007 (Studies in Central European Histories 42), 45–68. – Vgl. im Übrigen Irene Dingel, Historische Einleitung, in: Reaktionen auf das Augsburger Interim – Der Interimistische Streit, Göttingen 2010 (Controversia et Confessio 1), 3–34.
93) Die dies verstärkenden territorialen Rivalitäten zwischen dem ernestinischen und dem albertinischen Sachsen können hier nicht genauer behandelt werden. Vgl. dazu aber Irene Dingel, Dorothea Susanna von Sachsen-Weimar (1544–1592) im Spannungsfeld von Konfession und Politik. Ernestinisches und albertinisches Sachsen im Ringen von Glaube und Macht, in: Glaube und Macht. Theologie, Politik und Kunst im Jahrhundert der Reformation, hrsg. v. Enno Bünz, Stefan Rhein und Günther Wartenberg, Leipzig 2005 (Schriften der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt 5), 184–191, und dies., Historische Einleitung, 9 f.
94) Vgl. Wilhelm Preger: Matthias Flacius Illyricus und seine Zeit, Erlangen 1861, bes. 20. Vgl. für die Biographie außerdem Oliver K. Olson, Flacius Illyricus, Matthias, in: TRE 11 (1983), 206–214, und ders., Matthias Flacius and the Survival of Luther’s Reform, Wiesbaden 2002, 25–51.
95) Flacius erklärte seine streitbare Einmischung in die Interimsangelegenheiten mit dieser persönlichen Begegnung. Vgl. Entschu(o)ldigung Matthiae Flacij Jllyrici / geschriebe(n) an die Vniuersitet zu Wittemberg / der Mittelding halben. Jtem sein brieff an Philip. Melanthonem/ sampt etlichen andern schrifften dieselbige sach belangend. Verdeudscht. ... Anno 1549, D4a–b. Vgl. dazu Irene Dingel, Flacius als Schüler Luthers und Melanchthons, in: Vestigia Pietatis. Studien zur Geschichte der Frömmigkeit in Thüringen und Sachsen, Ernst Koch gewidmet, hrsg. v. Gerhard Graf, Hans-Peter Hasse u. a., Leipzig 2000 (HerChr, Sonderbd. 5), 79–81.
96) Vgl. Melanchthon an Mathesius, 5.10.1549, in: CR 7, Nr. 4605, Sp. 482 f. Vgl. MWB Bd. 5, Nr. 5645, 522 f.
97) Vgl. Dingel, Flacius als Schüler, 82 f. und die dort zu findenden Nachweise.
98) Sie kam im Jahre 1549 in Wittenberg gedruckt heraus und erschien in zweiter Auflage von 1554 unter dem Titel DE VOCE ET RE Fidei, contra PHARISAICVM HYPOcritarum fermentum: autore MATTHIA FLAcio Illyrico. Cum praefatione PHILIPPI Melanchthonis. ... BASILEAE, PER IOannem Oporinum [1555].
99) Die Vorrede findet sich a. a. O, α7b–β4a. Sie datiert auf den 1.3.1549 und stammt aus der ersten Auflage der Schrift. Flacius hatte sie allerdings jetzt, nachdem das Zerwürfnis mit Melanchthon endgültig war, für die Neuauflage selbständig erweitert. Diese Fassung, aus der dritten Auflage von »De voce et re« aus dem Jahre 1563, findet sich in CR 7, Nr. 4500, Sp. 345–349 = MBW Reg. 5, Nr. 5466, 437 f. Vgl. dazu auch Rudolf Keller, Der Schlüssel zur Schrift. Die Lehre vom Wort Gottes bei Matthias Flacius Illyricus, Hannover 1984, 101–103. 11 4f. Der Text wird demnächst in deutscher Übersetzung in »Melanchthon deutsch« erscheinen.
100) Vgl. Bericht M. Fla[cii] Jllyrici/ Von etlichen Artikeln der Christlichen Lehr/ vnd von seinem Leben/ vnd enlich [!] auch von den Adiaphorischen Handlungen/ wider die falschen Geticht der Adiaphoristen. ... [Jena: Thomas Rebart] 1559, D2b (im Blick auf die rechte Unterscheidung zwischen Gesetz und Evangelium). Vgl. auch Omnia latina scripta Matthiae Flacij Illyrici, hactenus sparsim contra Adiaphoricas fraudes & errores aedita, & quaedam prius non excusa ... Omnia correcta & aucta. [Magdeburg: Michael Lotter, 1550], Z6a.
101) Dies zeigt sich in seinen außerhalb der Interimsproblematik veröffentlichten Schriften wie in »De vocabulo fidei«, der »Glossa Compendiaria« und in der für die biblische Exegese über die Konfessionen hinweg einflussreich gewordenen »Clavis Scripturae Sacrae«, außerdem in den auf seine Organisationstätigkeit zurückgehenden Magdeburger Zenturien.
102) Zu einer solchen Synthese kamen im Grunde alle Melanchthonschüler, die sich letzten Endes doch für die entschiedene Propagierung der Theologie Luthers einsetzten. Martin Chemnitz, Nikolaus Selnecker und David Chytraeus sind nur einige Beispiele. Bei Flacius freilich fällt diese Synthese, gerade auch im Blick auf seine Hermeneutik, in besonderer Weise ins Gewicht. Waschbüsch missversteht diese auf die zweite Reformatorengeneration bezogenen historisch-quellengrundierten Beobachtungen interessanterweise als psychologisierende Interpretation. Vgl. Andreas Waschbüsch, Alter Melan­-chthon. Muster theologischer Autoritätsstiftung bei Matthias Flacius Illyricus, Göttingen 2008 (FKDG 96), 133–135.
103) So z. B. in (Flacius [Hrsg.]:) Etliche Brieffe / des Ehrwirdigen Herrn D. Martini Luthers seliger gedechtnis / an die Theologos auff den Reichstag zu Augspurg geschrieben / Anno M. D. XXX. Von der vereinigung Christi vnd Belials / Auss welchen man viel nu[e]tzlicher Lehr in gegenwertiger gefahr der Kirchen nemen kan / Verdeutscht. Jtem etliche andere schrifften / nu[e]tzlich vnd tro[e]stlich zu Lesen. ... [Magdeburg: Michael Lotter, 1549], F4b–G1a; CONTRA QVODDAM SCRIPTVM INCERTI AVtoris, in quo suadetur mutatio pierum caeremoniarum in Papisticas. Per Matth. Flacium Illyricum, in: Omnia latina scripta, D4a; Etliche tro[e]stliche vermanungen in sachen das heilige Gotliche Wort betreffend / zu dieser betru[e]bten zeit sehr nu[e]tzlich vnd tro[e]stlich zu lesen. D. Martinus Luther Anno M. D. XXX. [Magdeburg M.D.L.], A1a u. ö.
104) Wengert macht sogar den Melanchthonbiographen und -freund Ca­merarius mit verantwortlich für die Entstehung mancher hartnäckiger Klischees. Vgl. Timothy J. Wengert, »With friends like this …«. The Biography of Philip Melanchthon by Joachim Camerarius, in: The Rhetorics of life-writing in early modern Europe. Forms of Biography from Cassandra Fedele to Louis XIV, ed. by Thomas F. Mayer, Ann Arbor 1995 (Studies in Medieval and Early Modern Civilization), 115–131. Zu Camerarius’ Melanchthonbiographie s. u.
105) Vgl. die Veröffentlichung der zu jenem Zeitpunkt zwischen Luther und Melanchthon gewechselten Briefe durch Flacius: Etliche Brieffe, bes. C1a–D1a, D4b–F2a.
106) Vgl. dazu den geplanten Editionsband Controversia et Confessio 2.
107) Flacius, De veris et falsis Adiaphoris, in: Omnia latina scripta, Z7a.
108) Vgl. Flacius, De veris et falsis Adiaphoris, in: Omnia latina scripta, Z8b–Bb4b und Bb4b–Bb8b.
109) Flacius, De veris et falsis Adiaphoris, in: Omnia latina scripta, Bb7b. Vgl. außerdem Gru[e]ndliche verlegung aller Sophisterey/ so Juncker Jssleb/ D. Jnterim/ Morus/ Pfeffinger/ D. Geitz in seinem gru[e]ndlichen bericht vnd jhre gesellen/ die andere Adiaphoristen/ das Leipsische Jnterim zu be­scho[e]­nen/ gebrauchen. [Magdeburg 1550], B4b–C1a. Für diese Haltung konnte Flacius auch den auf Melanchthon zurückgehenden Brief der Wittenberger Theologen an die Nürnberger vom 17.2.1540 ins Feld führen, vgl. MBW T9, Nr. 2376, 129, 159–171, und WA Br 9, 55,169–180.
110) QVOD HOC TEMPORE NVLla penitus mutatio in religione sit in gratiam impiorum facienda. Per Matth. Flacium Illyric., in: Omnia latina scripta, C2b. Vgl. dazu (freilich zugleich perspektivisch eingebunden in die Kirchenkampfthematik jener Jahre) Hans Christoph von Hase, Die Gestalt der Kirche Luthers. Der casus confessionis im Kampf des Matthias Flacius gegen das Interim von 1548, Göttingen 1940.
111) In anderen Territorien verfuhr man in vergleichbarer Weise. Ähnlich verhielt es sich z. B. in Pfalz-Zweibrücken, wo Pfalzgraf Wolfgang ebenfalls einen Kompromissvorschlag gegenüber dem Kaiser geltend zu machen versuchte. Vgl. Irene Dingel, Konfession und Politik in den pfälzischen Territorien 1555–1580, in: Blätter für Pfälzische Kirchengeschichte und religiöse Volkskunde 74 (2007), 9–26, bes. 15–17. Über das Verhalten in den Territorien am Beispiel Stralsunds vgl. Roxane Berwinkel, Weltliche Macht und geistlicher Anspruch. Die Hansestadt Stralsund im Konflikt um das Augsburger Interim, Berlin 2008.
112) Flacius’ Protest gegen das sog. Leipziger Interim spitzte sich im Zuge der miteinander vernetzten Streitigkeiten prominent zu in der Ablehnung eines freien Willens im Gottesbezug des Menschen und in der Problematik des von ihm hoch angesiedelten anthropologischen Stellenwerts der Erbsünde. Vgl. dazu die geplanten Editionsbände Controversia et Confessio 5 und 6.
113) Später auch auf die Abendmahlslehre. Vgl. zu der Kontroverse zwischen Melanchthon und Gallus: Robert Kolb, Nikolaus Gallus’ Critique of Philip Melanchthon’s Teaching on the Freedom of the Will, in: ARG 91 (2000), 87–110; die Nachweise der Korrespondenz Melanchthons a. a. O., 91, Anm. 15 und 16.
114) Vgl. dazu Robert Kolb, Nikolaus von Amsdorf on Vessels of Wrath and Vessels of Mercy. A Lutheran’s doctrine of Double Predestination, in: Harvard Theological Review 69 (1976), 325–343, wieder abgedruckt in: Ders., Luthers Heirs Define his Legacy, Aldershot 1996, II, 325–343.
115) Vgl. zu den differenzierten Argumentationen im Einzelnen Kolb, Gallus’ Critique.
116) So schon im Regensburger Buch; vgl. den entsprechenden Artikel in: BDS 9,1, 399,12–14. Außerdem Augsburger Interim Art. [4] Von der Rechtfertigung, in: Das Augsburger Interim von 1548. Deutsch und lateinisch hrsg. v. Joachim Mehlhausen, Neukirchen-Vluyn 21996 (TGET 3), 42–47, bes. 44 f.
117) Vgl. die in den beiden letzten Bänden der Osiander-Gesamtausgabe edierten Schriften: Andreas Osiander d. Ä., Gesamtausgabe Bd. 9: Schriften und Briefe 1549 bis August 1551; Bd. 10: Schriften und Briefe 1551 bis Oktober 1552, Postumes und Nachträge, hrsg. v. Gerhard Müller und Gottfried Seebaß, Gütersloh 1994 und 1996. Lediglich Johannes Brenz versuchte, Verständnis für die Position Osianders zu entwickeln. Vgl. zu Melanchthons Stellungnahme gegen Osiander auch Scheible, Melanchthon und Osiander, 161–175. Zum Osiandrischen Streit allgemein Martin Stupperich, Osiander in Preußen 1549–1552, Berlin-New York 1973.
118) Man spricht im Allgemeinen von Flacianern, Gnesiolutheranern und Melanchthonianern bzw. Philippisten. Vgl. dazu ausführlicher Dingel, Historische Einleitung, 11, und dies., Concordia controversa, 17–19.
119) Hier können leider nur einige exemplarische Werke herangezogen werden.
120) Kurtzer Bericht, Nürnberg 1560 (Vgl. den gesamten Titel o., Anm. 23). Dass. Wittenberg: Johann Krafft, 1560. CR 10, Sp. 253–292, bietet einen von dem ersten Wittenberger Druck abweichenden Text. Die deutsche Fassung weicht im Übrigen entscheidend von der lateinischen ab, die weniger persönliche Einzelheiten bietet: BREVIS NARRATIO EXPONENS. QVO FINE VITAM IN TERRIS SVAM CLAVSERIT REVERENDVS VIR D. PHILIPPVS MELANTHON, Vnà cum praecedentium proxime dierum & totius morbi, quo confectus est breui descriptione. CONSCRIPTA A PROFESSORIBVS ACADEMIAE VVITEBERGENSIS, qui omnibus quae exponuntur interfuerunt. EXPRESSVM VITTEBERGAE [Petrus Seitz] ANNO 1560. Vgl. zur Druckgeschichte Wilhelm Hammer, Die Melanchthonforschung im Wandel der Jahrhunderte. Ein be­schreibendes Verzeichnis, Bd. I: 1519–1799, Gütersloh 1967 (QFRG 35), Nr. 206–211, 160–163.
121) Sie werden gegen Ende des Berichts (J2a–J2b) namentlich genannt: Rektor: Georg Cracovius, Dr. beider Rechte; Theologie: D. Paul Eber, Pfarrer, D. Georg Major, D. Paul Crell; Jurisprudenz: D. Laurentius Lindeman, Ordinarius, D. Joachim von Beust, D. Johannes Schneidewein; Medizin: D. Melchior Fendius, D. Caspar Peucer, D. Johannes Herman; Philosophie und Artes: D. Vitus Ortel von Winsheim, M. Sebastian Theodoricus, M. Matteus Blo[e]chinger, M. Petrus Vincentius, M. Esrom Rudinger, M. Caspar Cruciger d. J., M. Johannes Bugenhagen d. J., M. Heinrich Moller, M. Eusebius Menius, außerdem Nikolaus Reisenberger und Michael Maius.
122) Interessant ist, dass die Mechanismen einer solchen »Ehrenrettung« schon zu Lebzeiten Melanchthons einsetzten, nämlich bereits im Jahre 1558, vielleicht sogar noch früher; vgl. dazu Robert Kolb, Controversia perpetua. Die Fortsetzung des adiaphoristischen Streits nach dem Augsburger Religionsfrieden, in: Politik und Bekenntnis, 194–199.
123) Vgl. Kurtzer Bericht, A2a–A2b.
124) Kurtzer Bericht, A2b.
125) Kurtzer Bericht, J3b.
126) Die Liste gibt Einblick in die Riege derer, die als Melanchthon-Anhänger auch die für ihn typische Theologie vertraten oder von den Zeitgenossen als Freunde Melanchthons wahrgenommen wurden. Kurtzer Bericht, J3b–J4a: »Vnd setzen auff diss mal zu zeugen dieser Historien / Den Ehrwirdigen Herrn D. Paulum Eberum vnseren Pfarherrn / sampt den andern Kirchen dienern. M. Fro[e]schel / M. Johannem Sturionem / den Herren Petrum Ecelium. Aus den Professoribus / d. Georgium Maiorem / D. Paulum Crellium / D. Joachimum von Beust / D. Johannem Schneidewein / D. Vitum Winshemium / D. Casparum Peucerum seinen Eiden / D. Johannem Hermannum / D. Johannem Maiorem vom Jochimsthal / M. Sebastianum Theodoricum / M. Casparum Crucigerum / M. Esromum Ru[e]dingerum / M. Eusebium Menium / vnd viel andere Ehrliche vnd glaubwirdige Menner / vnd junge gesellen / die es zum theil mit geho[e]ret / vnd gesehen haben / vnnd ein yeder selbs an seinem ort der Wahheit zeugnis geben wird«.
127) Vgl. Kurtzer Bericht, z. B. B4b.
128) Vgl. Kurtzer Bericht, z. B. C1b, passim.
129) Vgl. Kurtzer Bericht, D2a. Das Bedauern der Streitigkeiten durchzieht den gesamten Bericht, vgl. z. B. E4a, E4a, F3a, G1a, G2b u. ö.
130) Kurtzer Bericht, H4b.
131) Vgl. Kurtzer Bericht, B4a: »vnd wird dauon / vnd anderm / was Philippus erstanden / gethan vnd ausgerichtet hat / ein sonderlicher Bericht gethan werden / mit weiterer erkleru[n]g ytzt gemelter Historien«.
132) Vgl. Kurtzer Bericht, J1a.
133) Vgl. Kurtzer Bericht, J1a.
134) DE PHILIPPI MELANCHTHONIS ORTV, TOTIVS VITAE CVRRICVLO ET MORTE, IMPLICATA RERVM MEMORABILIVM TEMPORIS ILLIVS HOminumque mentione atque indicio, cum expositionis serie cohaerentium: NARRATIO DILIGENS ET ACCVRATA Ioachimi Camerarii Pabeperg. LIPSIAE CVM PRIVILEGIO. [Col.: Ernestus Voegelin 1566]. Weitere Auflagen stammen aus den Jahren 1591, 1592, 1696 und 1777, später mit Kapiteleinteilungen, die die Übersicht und auch die intendierte Rezeption erleichtern.
135) Vgl. Kapitel IX.: Philippi Melanchthonis cum Martino Luthero contracta amicitia, indeque enata arcta familiaritatis, et assidua consuetudo.
136) Vgl. Kapitel XXXIX: Philippi Melanchtonis [sic] circumspectio, lenitas ac timiditas a multis iniuste reprehensa, et omnia ad conciliandam ei invidiam conquisita.
137) Vgl. Kapitel LXXVIII: Liber Interim euulgatus. Hunc quod cum aliis nollet recipere et probare Philippus Melanchthon, in odium Caesaris et vitae discrimen incurrit.
138) Die pejorativ gemeinte Bezeichnung bezieht sich auf Flacius und die Gruppe, die er als Gesinnungsgenossen um sich versammelte. Heute bezeichnet man im Allgemeinen nur diejenigen als »Flacianer«, die auch die von Flacius entwickelte, für ihn typische Erbsündenlehre vertraten.
139) Vgl. z. B. die Kapitel LXXXII–LXXXIII, LXXXVI, CX, CXIX, CIII–CIV u. ö.
140) So in Kapitel CXV: Aduersarium Philippi Melanchthonis impudens peruersitas.
141) So in Kapitel CXVI: Eorum aperta improbitas, ipsum veteratorem appellantium.
142) So in Kapitel CXVII: Eorundem malitiosa temeritas, ab aliis edita sub ipsius nomine scripta probris insectantium.
143) Vgl. Kapitel CXX: … Philippi Melanchthonis innocentia tuta aduersus quosuis maleuolentium laus et praeclare gestorum summa, breuiter exposita.
144) Vgl. dazu ausführlich Robert Kolb, Caspar Peucers Abendmahlsverständnis, in: Caspar Peucer (1525–1602). Wissenschaft, Glaube und Politik im konfessionellen Zeitalter, hrsg. v. Hans-Peter Hasse und Günther Wartenberg, Leipzig 2004, 111–134.
145) TRACTATUS HISTORICUS DE CLARIS: VIRI PHILIP. MELANTHONIS SENTENTIA, De Controversia Coenae Domini: A D. CASPARO PEVCERO: AN­TE PLURES ANNOS SCRIPTUS: SED IAM PRIMUM Separatim (Boni Publici ergò) excusus. Cum APPENDICE SELECTARUM EPISTOLARUM ET IUDICIORUM ALIQUOT PHILIPPI ALIORUMq[ue]; PRAEstantium virorum de eâdem materia, veritatis illustrandae gratiâ subjuncta. Studio M. QUIRINI REUTERI MOSBAC. PALAT. … AMBERGAE. ANNO M.D.XCVI. [Col.: Excudebat Michael Forsterus].
146) Historischer Bericht VOn deß Beru[e]m[b]ten seligen Herrn Philippi Melanthonis Meinung inn dem Streit von deß HERRN Abendmahl: Durch Herrn D. Casparum Peucerum vor etlich viel Jaren beschrieben / vnd in Truck geben: nun aber sampt etlich außerlesenen Schreiben / vnnd Zeugnussen Phi­-lippi, wie auch anderer trefflichen Ma[e]nner von demselben Handel / zur Befu[e]rderung der Warheit auß dem Latein ins Teutsch gebracht / Durch M. IOANNEM MAYER. COLLEGAM SCHOLAE NEVSTETTENSIS. 1597. Getruckt zu Basel / bey Conrad Waldkirch / in Verlegung Christian Egenolffs Erben.
147) Der Augsburger Religionsfrieden von 1555 hatte den sog. Augsburger Konfessionsverwandten reichsrechtliche Duldung zugesichert, ohne zu präzisieren, ob die Confessio Augustana variata oder die invariata als Referenzgrundlage dienen sollte. Dies führte dazu, dass sich auch die zum Calvinismus tendierenden Stände auf die CA zu beziehen versuchten oder zumindest die in ihrem Abendmahlsartikel offenere CA variata als Interpretation der invariata veranschlagten. Die 1577/80 in der lutherischen Konkordienformel und im Konkordienbuch gipfelnden theologischen Einigungsbemühungen traten allerdings für eine bekenntnismäßige Eindeutigkeit im Sinne der ersten, unveränderten CA ein, was entsprechende Auswirkungen auf die Auslegung des Religionsfriedens nach sich zog. Vgl. dazu Irene Dingel, Augsburger Religionsfrieden und »Augsburger Konfessionsverwandtschaft« – Konfessionelle Lesarten, in: Der Augsburger Religionsfrieden 1555, hrsg. v. Heinz Schilling und Heribert Smolinsky, Gütersloh 2007 (SVRG 206), 157–176.
148) So Mayer in der Vorrede des Historischen Berichts, (?)3a–(?)3b.
149) Vgl. z. B. Peucer, Historischer Bericht, 4.
150) Peucer, Historischer Bericht, 5.
151) Peucer, Historischer Bericht, 7.
152) Peucer, Historischer Bericht, 7 f.
153) Peucer, Historischer Bericht, 9.
154) Vgl. QVID DE EVCHARISTIA VETERES TVM GRAECI, tum Latini senserint, Dialogus … AVTORE Ioanne Oecolampadio [Basel: Hieronymus Froben] 1530.
155) Peucer, Historischer Bericht, 8.
156) Vgl. Peucer, Historischer Bericht, 9: »Man hatte auch den Argwon auff etliche / daß sie von den papisten mit gelt bestochen vnd darzu bestelt weren/ zwischen diesen beyden vneinigkeit anzurichten / eden [sic] in der Sach / darinn / wie meniglich bewust war / Melanthon mit Lutero nicht vber ein stimbte / sondern es mehr mit seinem Gegentheil hielte«.
157) Vgl. Peucer, Historischer Bericht, 13–52, bes. 21.
158) Vgl. dazu etwa die Epistola dedicatoria von: OMNIVM OPERVM REVENRENDI VIRI PHILIPPI MELANTHONIS, PARS PRIMA, IN QVA SCRIPTA CONTINEANTVR sequens pagina indicat. Additus est ad finem copiosus Index rerum & explicationumpraecipuarum. Cum Gratia & Priuilegio ad annos quindecim. VVITTEBERGAE EXCVDEBAT IOHANNES CRATO. ANNO M.D.LXII, A2a–A6a. Hier z. B. A5a: »Obstetor autem pios et bonos viros omnes, vt de doctrina, vita, affectu, et voluntate, de perpetuo eius in veritate tuenda asserendaque studio, iudicent ex his scriptis, candor adhibito, quem ipse adhibuit in suis et alienis, nec fingant eum ex calumnijs maleuolorum«.
159) Vgl. dazu das Biogramm in der Datenbank von Controversia et Confessio: http://www.litdb.evtheol.uni-mainz.de/Biographien/Pezel,%20Christoph. htm [zuletzt benutzt am 26.2.2010].
160) Diese Bezeichnung ist – historisch und theologiegeschichtlich korrekter – der Klassifizierung als »Kryptocalvinismus« vorzuziehen. Vgl. dazu Dingel, Concordia controversa, passim, und Johannes Hund, Das Wort ward Fleisch. Eine systematisch-theologische Untersuchung zur Debatte um die Wittenberger Christologie und Abendmahlslehre in den Jahren 1567 und 1574, Göttingen 2006 (FSÖTh 114), passim.
161) Vgl. dazu ausführlich Dingel, Concordia controversa, 352–412.
162) PHILIPPI MELANCHTHONIS ad DOCTOREM ALBERTVM HARDENBERGIVM EPISTOLAE. Primum nunc in lucem editae opera & studio CHRIS­TOPHORI PEZELII Theologiae Doctoris. BREMAE, Excudebat Bernhardus Petri. M.D.LXXXIX.
163) »Fuit enim D. Alberto amicissimus Philippvs Melanthon, totius Germaniae quondam praeceptor …«: Pezel (Hrsg.), Epistolae, A2b.
164) Pezel (Hrsg.), Epistolae, A3a.
165) Vgl. Pezel (Hrsg.), Epistolae, A3b.
166) Vgl. ebd.
167) Außfu[e]hrliche / warhaffte/ vnd bestendige Erzehlung: I. Was vom H. Nachtmal Christi / die Lehre der / so man vnbefu[e]gt Caluinisch nennet. II. Was im Sacramentstreitt / fu[e]r vornemme Sachen / zu desselben Hinlegung sich bey D. Luther begeben / biß zur Wittenbergischen Concordien. III. Wie der Sacramentstreitt widervmb ernewert / vnd bey welcher Meynung PHILIPPVS MELANTHON fu[e]r vnnd nach Herrn LVTHERI Todt geblieben. IV. … Durch Christophorum Pezelium, der H. Schrifft Doctorn vnd Professorn in der Kirchen vnd Schulen zu Bremen. Gedruckt zur Newstatt an der Hardt / durch Wilhelm Harnischs Erben / 1600.
168) Vgl. zu Melanchthons und Calvins Austausch über die Abendmahlslehre und Melanchthons Zurückhaltung gegenüber von Calvin ausgehenden Vereinnahmungstendenzen: Timothy J. Wengert, »We Will Feast Together in Heaven Forever«: The Epistolary Friendship of John Calvin and Philip Melanchthon, in: Melanchthon in Europe. His Work and Influence beyond Wittenberg, ed. by Karin Maag, Grand Rapids MI 1999 (Texts and Studies in Reformation and Post-Reformation Thought), 19–44, bes. 33 und 36–42.
169) Vgl. dazu z. B. die pointierte Überschrift »Philippi erkla[e]rung ist bey Lebzeiten D. Luthers niemals verdammet noch verworffen« und die sich daran anschließenden Ausführungen. Pezel, Erzehlung, 81.
170) So in einer Marginalie bei Pezel, Erzehlung, 128.
171) Vgl. Wengert, »We Will Feast Together in Heaven Forever«, 19–44.
172) Vgl. dazu Dingel, Concordia controversa, 411 f.
173) POSTILLA MELANTHONIANA. Hoc est; LECTIONVM EVANGELICArum: Quae more recepto & vsitato, in plerisque Ecclesiis Christianis, diebus Dominicis & festis proponuntur: EXPLICATIONES piae ac eruditae PHILIPPI MELANTHONIS, totius quondam Germaniae praeceptoris: In vnum quasi corpus collectae: à CHRISTOPHORO PEZELIO, Theologiae Doctore. IN QVIBVS GRAMMATICA QVADAM diligentia vocabulorum Enarratio traditur, & Circumstantiarum, quae se in Concionibus Christi, & narrationibus Euangelistarum offerunt: Et familiari atque ad captum rudiorum accomodata Methodo, & Orationis genere perspicuo & simplici exponuntur Praecipui loci vniuersae doctrinae Christianae. Et de plerisque Locis Discrimen monstratur humanae & divinae sapientiae. Pars I. A Dominica Aduentus, ad Dominicam Quinquagesimae. NEVSTADII IN PALATINATV, Apud Nicolaum Schrammium, Impensis haredum VVilhelmi Harnisij. MDCII.