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Ausgabe:

September/2010

Spalte:

1033-1035

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Bulgakov, Sergius

Titel/Untertitel:

The Burning Bush. On the Orthodox Veneration of the Mother of God. Transl., ed., and with an introduction by Th. A. Smith.

Verlag:

Grand Rapids-Cambridge: Eerdmans 2009. XXIV, 191 S. gr.8°. Kart. US$ 28,00. ISBN 978-0-8028-4574-0.

Rezensent:

Reinhard Thöle

Ungewöhnlich klingt wahrscheinlich für westliche Leser schon die Wahl des Titels »Der brennende Dornbusch« als Überschrift für eine Abhandlung über orthodoxe Theotokologie. Die Perikope Ex 3,1–15 gehört jedoch zur Leseordnung der ostkirchlichen Marien­-feste. In der gleichnamigen Ikone wird in der biblischen Szene in den brennenden Dornbusch wie ein Zeichen die Gottesgebärerin, die den Christus zeigt, hineingemalt. Die Ikone vom brennenden Dornbusch ist seit dem 17. Jh. über diese szenische Darstellung hinaus zu einer der klassischen Ikonen geworden, die verschiedene auf Maria typologisch gedeutete Motive des Alten Testamentes zusammenfasst. Der Titel ist daher als Programm für eine besondere Art theologischer Reflektion anzusehen, die eine abstrakte reflektierende Theologie bei Weitem übersteigt und nach ästhetischen, ekstatischen, herausfordernd emotionalen und visionären Mustern greift, in denen sich eine mystische Begegnung einer Offenbarungswirklichkeit aufgrund der liturgischen Überlieferung Ausdruck verschaffen will.
Der 1871 geborene Sohn einer russischen Priesterfamilie verließ wegen einer Krise des Glaubens das Priesterseminar, um, in politischer Ökonomie ausgebildet, zu einem der führenden Denker der marxistischen Weltanschauung zu werden. Eine Reise nach Westeuropa führte dann aber zu einer Krise seiner Weltanschauung und ließ ihn in Auseinandersetzung mit den Ideen der liberalen protes­tantischen Theologie eine Synthese von Christentum, Sozialismus und russischer Religionsphilosophie versuchen. An Pfingsten 1919 wurde Sergius Bulgakov, der seit 1898 verheiratet war, zum Priester geweiht. Am Landeskonzil 1917/1918 wirkte er als Delegierter mit. 1921 wurde ihm jede Lehrtätigkeit untersagt und er wurde 1923 mit anderen Intellektuellen aus der Sowjetunion ausgewiesen. Seit 1925 wirkte er am neugegründeten Orthodoxen Theologischen Institut St. Sergius in Paris, wo er 1944 verstarb. Die Begegnung mit der westlichen christlichen Welt empfand er wie eine geistliche kalte Dusche. Er grenzte sich auch gegenüber dem katholischen Mariendogma von 1854 ab und sah die Verehrung des Hl. Joseph als un­-angemessen an, weil sie das Werk des Täufers Johannes verdrängt habe. »Der brennende Dornbusch« erschien 1927 als der erste Teil einer theologischen Trilogie. Es folgten im selben Jahr die Betrachtung »Der Freund des Bräutigams« und zwei Jahre später »Die Jakobsleiter«.
B. entfaltet eine Theologie der Hl. Weisheit, die er als göttliches Wesen oder göttliches Sein den drei Personen der Trinität gleichermaßen zuschreiben kann. Zugleich heilt sie als Prinzip des Aus-sich-heraus-Gehens Gottes den Riss zwischen ihm und der geschaffenen Welt. Das ungeschaffene Göttliche verbindet sich mit der geschaffenen Kreatürlichkeit aktiv und passiv. Das Dogma von den zwei Naturen Christi fällt bei B. zusammen mit der Energienlehre des Gregor Palamas. Da die Menschen nach dem Bilde des Dreieinigen Gottes erschaffen sind, haben sie Teil an der weisheitlichen Natur. Die göttliche Weisheit ragt in die Welt aktiv hinein, wird aber zugleich passiv empfangen. Die Gottesgebärerin er­scheint da­her als vollkommene Repräsentantin des weisheitlichen Menschen. Ihre Sündlosigkeit ist ein Resultat des Erlösungswerkes Christi. Nur er ist sündlos von Natur aus, seine Mutter ist der Erbsünde unterworfen, weil sie sich aber ganz der Gnade der Weisheit hingibt, kann man sie als sündlos ansehen. Erbsünde besteht ausschließlich in der Wahl des Lebens in und für die Welt und bringt die Schwäche der menschlichen Natur, des Todes und der Sündhaftigkeit mit sich. Das außerordentliche von Gott gegebene Gnadenprivileg befreit Maria von der Erbsünde. Als sichtbare Manifestation der Hl. Sophia wird sie damit zugleich zum Bild der neuen Schöpfung, in der das ursprüngliche Ziel der Herrlichkeit der Schöpfung aufleuchtet.
In Exkursen betrachtet B. wie in poetischen Annäherungen die Lehre von der Herrlichkeit Gottes und der Weisheit im Alten Testament und die Lehre von der Weisheit Gottes bei Athanasius und den Kirchenvätern. Er findet in den typologisch auf Maria gedeuteten Prophezeiungen und Bildern des Alten Testamentes eine Offenbarung der Herrlichkeit Gottes, die im Voraus schon auf die Gottesgebärerin ausstrahlt. Den von ihm verwendeten Begriff »Doxophanie« (128) kann man als theologischen Schlüssel ansehen, der das ganze Werk durchzieht und der auf Maria fokussiert wird. »Sie ist die Weisheit in der Schöpfung und in ihr hat sich die Fülle der göttlichen Dreiheit offenbart. Sie lebt das Leben der Hl. Trinität und ist die erste kreatürliche Hypostase, die geliebte Tochter Gottes und die Mutter der ganzen menschlichen Rasse. Sie repräsentiert die Herrlichkeit der Welt, den brennenden Dornbusch, die geschaffene Natur, die in der göttlichen Flamme der heiligen und lebensspendenden Trinität brennt, aber nicht verbrennt«. (129 f.)