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Ausgabe:

Februar/1997

Spalte:

134 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Lescow, Theodor

Titel/Untertitel:

Das Buch Maleachi. Texttheorie –­ Auslegung –­ Kanontheorie. Mit einem Exkurs über Jeremia 8,8–­9.

Verlag:

Stuttgart: Calwer 1993. 208 S. 8° = Arbeiten zur Theologie, 75. Kart. DM 78,­. ISBN 3-7668-3224-7.

Rezensent:

Konstantin Zobel

Das hier zu besprechende Werk war ursprünglich zur Veröffentlichung in der Reihe "Calwer Bibelkommentare" bestimmt, wurde aber aus konzeptionellen Gründen als Monographie publiziert. Der eigentliche Kommentar wird auf den S. 61­144 geboten; zuvor stehen ein "Vorwort" (5), eine kurze "Einleitung" (11­12) sowie vorbereitende Überlegungen (13­60); abgeschlossen wird der Kommentar durch eine "Nachbereitung" (145­191), ein Literaturverzeichnis (192­197), ein Register ausgewählter Bibelstellen (198­200) sowie einem als "Anhang" beigefügten "Exkurs über Jeremia 8,8­9" (201­208).

Über das Ziel des Kommentars wird im Vorwort mitgeteilt, daß es darum geht, "die Relevanz" des vom Vf. in BZAW 211, 1992, "als ’Stufenschema’ beschriebenen literarischen StrukturmodellsŠ für die Exegese nachzuweisen" (Rez. von B. Seidel, ThLZ, 1995, 328). Daß dieser Versuch gelungen sei, begründet der Vf. mit der "Fülle überraschender Einsichten nicht nur in die Strukturen des Buches Maleachi, sondern auch in seine außergewöhnlich hohe literarische Qualität" (ebd.). Seine These lautet, daß die "sechs Torot des Maleachibuches ein kommunikatives Handlungsspiel" (KHS) "im Rahmen des Stufenschemas" (StS) seien (12). Zu den sechs Torot werden wie üblich gezählt: 1,2­5; 1,6­2,9; 2,10­16; 2,17­3,5; 3,6­12; 3,13­21.

Über das StS erfährt der Leser, daß es sich dabei um ein dreiphasiges Struktur- bzw. Organisationsmodell für dreiteilig aufgebaute Texte handelt, das zahlreiche biblische Texte mit unterschiedlichem Sitz im Leben aufweisen (vgl. 7 und 11). Unter einem KHS versteht der Vf. ein texttheoretisches Modell, das in Anlehnung an Wittgensteins "Sprachspiele" entwickelt und auf biblische Texte angewendet wurde. In einer "Texttheoretische(n) Grundlegung" (13­26) werden anschließend beide Schemata an ausgewählten atl. Texten vorgeführt.

Über die Redaktionsgeschichte des Buches Maleachi (MB) teilt der Vf. mit, daß es in drei Phasen (richtiger wohl: vier, s.u.) entstanden sei (12). Am Anfang (Phase 1) steht eine aus sechs Torot bestehende Grundschicht (G: um 480 in Jerusalem entstanden, 157), die bereits konzeptionell geordnet vorlag. Ihr Konzept besteht zunächst darin, daß jede einzelne Tora streng dreigliedrig nach dem StS aufgebaut ist: A Redeeröffnung, B Tora, C Schluß (145), wobei schon A dreiteilig sein kann, so in 1,6; 2,17 und 3,13­15. Das Konzept besteht ferner darin, daß nach Vorbild des dreigliedrigen Tora-Modells auch die 6 Torot von G in drei Blöcken vorliegen: A Einleitung, B Konkretionen, C Schluß (ebd.). In 1,2­5 (Block A) wird das Thema des MB angeschlagen: "Ich habe euch lieb, sagt JHWH." In den vier folgenden Konkretionen 1,6­3,12 (Block B) wird dieses Thema variiert und entfaltet. Schließlich wird es in 3,13­21 (Block C) in veränderter Form zur Sprache gebracht: "Hart gegen mich sind eure Worte, sagt JHWH." (46) Der anonyme Verfasser von G sei in levitischen Kreisen zu suchen und stehe der dtn/dtr Theologie nahe (147 f.).

Durch eine zweite Redaktion (Phase 2) wurden die sechs Torot "in eine Sammlung von 6 Themapredigten durch Prosaisierung und Erweiterung" umgewandelt und dadurch verändert (12). Ihre poetische Struktur geht verloren, neue poetische (!) Stücke werden hinzugefügt, die klare Gliederung der Torot wird verwischt, das dtn/dtr Theologumenon "Bund" wird zum Leitthema (149f.). Der Prediger befindet sich in "einem erheblichen zeitlichen Abstand" (155) zu G und steht in der Nähe von protoapokalyptischen Konzeptionen; JHWHs Läuterungsgericht an Israel hat das Ziel der Kultreinigung. In einem folgenden Vernichtungsgericht an Edom wird Israels Größe wiederhergestellt (154). Die Predigten gehören in die "Vorbereitungsphase" des Auftretens von Esra oder Nehemia und sind um das Jahr 410 zu datieren (158; der Vf. datiert Esra auf 398).

In einer dritten Redaktion (Phase 3) wurden dann die Themapredigten durch "Kommentierungen und Glossierungen" erweitert und teilweise verändert. Der Kommentator denkt stärker als G und der Prediger in kultischen Kategorien (155), während die Glossatoren "spontane Assoziationen" besteuern (156). Ihre Wirkungszeit gibt der Vf. mit Ende des 4. bis Ende des 3. Jh.s an (159). Durch die Endredaktion (das wäre für den Rez. Phase vier) schließlich wurde das MB noch mit einer Rahmung versehen (1,1; 3,22­24) (12).

Auf generelle methodische und formale Probleme der zu re-zensierenden Arbeit soll jetzt eingegangen werden. Obwohl im Vorwort behauptet wird, daß für die Monographie die "Anlage als Kommentar" beibehalten wurde, wird der eigentliche Kommentarteil als "Auslegung" bezeichnet. Mit insgesamt 83 Textseiten ist er deutlich kürzer als "Vor- und Nachbereitung" mit 106 Textseiten. Diesem (Miß-)Verhältnis entsprechend werden die texttheoretischen Entscheidungen nicht in der Auslegung entwickelt und begründet, sondern in der "Vorbereitung" als ad-äquatesInstrument postuliert und der Auslegung zugrunde gelegt.

Der Vf. behauptet, daß sich die Redaktionsgeschichte des MB durchweg über die Zahl "Drei" (s. o.) erschließen lasse, wobei die These, nach der die Redestücke dreigliedrig aufgebaut sind (vgl. z. B. RGG, 2. Aufl., Art. Maleachi und Maleachibuch), nicht neu ist. Diese Behauptung steht hinter der gesamten Auslegung, ohne daß sie an den jeweiligen Texten wirklich verifiziert und die Auseinandersetzung mit konkurrierenden (rg) Modellen geführt würde.

Dennoch ist festzustellen, daß es sich bei dieser Monographie um einen lesenswerten Beitrag zu Auslegung, Redaktionsgeschichte und Kanontheorie handelt, der die Diskussion über das MB beleben und weiterbringen wird.