Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

September/2010

Spalte:

1026-1027

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Gräb, Wilhelm, u. Lars Charbonnier [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Individualisierung – Spiritualität – Religion. Transformationsprozesse auf dem religiösen Feld in interdisziplinärer Perspektive.

Verlag:

Berlin-Münster: LIT 2008. 312 S. m. Tab. u. Ktn. gr.8° = Studien zu Religion und Kultur, 1. Kart. EUR 19,90. ISBN 978-3-8258-1817-3.

Rezensent:

Ch. G.

Der Band eröffnet eine neue, vom Institut für Religionssoziologie der Humboldt-Universität Berlin (Leitung: Wilhelm Gräb) herausgegebene Reihe. Inhaltlich präsentiert er Vorträge, die 2006 und 2007 im Rahmen des interdisziplinären Forschungsprojekts »Individualität« bei Arbeitstreffen gehalten wurden. Titel und Untertitel des Bandes zeigen an, dass es hier eher um Suchbewegungen als um eine bereits ausgearbeitete Theorie geht. Gemeinsamer Be­zugspunkt sind dabei die unübersehbaren, jedoch sehr unterschiedlich deutbaren »Transformationsprozesse auf dem religiösen Feld«.
Einige Beiträge im ersten Teil bemühen sich konzeptionell um die Profilierung des Begriffs »Spiritualität«. Vor allem Wilhelm Gräb arbeitet in seinem Aufsatz »Spiritualität – die Religion der Individuen« pointiert dessen mögliche Leistungskraft heraus. Das Konzept der Spiritualität ist für ihn »der Versuch einer transzendental-anthropologischen Theorie der Religion, ihre Rückführung auf die religiöse, d. h. sinndeutende Funktion des humanen Selbstbewusstseins« (33). Religionssoziologisch nimmt Hubert Knoblauch (»Spiritualität und die Subjektivierung der Religion«) diese Vorlage auf. Hartmann Tyrell grundiert dann begriffsgeschichtlich diesen Zugang: »›Individualismus‹ vor ›der Individualisierung‹: Begriffs- und theoriegeschichtliche Anmerkungen«. Der zweite Teil enthält zu den so angesprochenen grundsätzlichen Perspektiven Berichte aus der konkreten Religionsforschung. So stellt u. a. Tatjana Schnell ihre Untersuchungen zur »impliziten Religiosität« und Stefan Huber seinen durch den Religionsmonitor 2008 bekannt gewordenen »Religiositäts-Struktur-Test« vor. Der dritte Teil enthält vier Fallstudien: zur Alltagsethik Jugendlicher bzw. junger Er­wachsener (Andreas Feige), zum charismatisch-evangelikal geprägten »Alpha-Kurs« (David Plüss), zur kirchlichen Trauung (Ursula Roth) und zur TV-Serie »Sex and the City« (Ulrike Popp-Baier). Den Abschluss bilden religionswissenschaftliche und systematisch-theologische Reflexionen zum »Umgang mit religiöser Vielfalt«. Dabei skizziert Volk­hard Krech eine an messbarer Forschung interessierte Perspektive, Dietrich Korsch nimmt dagegen noch einmal den Gräbschen deutungstheoretischen Ansatz auf. So tritt deutlich die den ganzen Band durchziehende Spannung bzw. Diskrepanz zwischen einer an einem funktionalen Religionsverständnis orientierten (theologischen) Theoriebildung und (messbar) empirischer und damit inhaltsbezogener Religionsforschung hervor.