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Ausgabe:

September/2010

Spalte:

1022-1024

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Budde, Burkhard

Titel/Untertitel:

Christliches Management profilieren. Führungsstrukturen und Rahmenbedingungen konfessioneller Krankenhäuser in Deutschland.

Verlag:

Berlin-Münster: LIT 2009. 4, V, 297 S. gr.8° = Lenken. Leiten. Gestalten, 26. Kart. EUR 39,90. ISBN 978-3-8258-0830-3.

Rezensent:

Reinhard Turre

Unter der bewährten Begleitung von Alfred Jäger hat der langjährige Direktor des Marienstiftes in Braunschweig Burkhard Budde seine Dissertation vorgelegt. Sie befasst sich in ihrem größeren Teil mit den Rahmenbedingungen und im zweiten Teil mit der Organisation und dem Management der konfessionellen Krankenhäuser. Sie ist von dem Interesse geleitet, die Kompetenz der Geschäftsführungen zu stärken, und darf sicher mit Interesse auch bei den Aufsichtsräten sowohl der evangelischen wie der katholischen Krankenhäuser rechnen. Deshalb ist allgemein von konfessionellen Krankenhäusern die Rede, auch wenn B.s Erfahrungsbereich eine evangelische Komplexeinrichtung ist.
B. hat die Arbeit auf dem Hintergrund seiner aktiven Tätigkeit als Theologischer Direktor eines evangelischen Krankenhauses geschrieben. Von hier aus wirkt er in der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft und im Evangelischen Krankenhausverband Niedersachsens mit. Die Dissertation verdankt wichtige Erkenntnisse seiner aktiven Mitarbeit im Gesundheitswesen und in seiner Landeskirche. Deshalb ist der Rahmen weit über die unmittelbare Arbeit in einer Klinik hinaus gespannt.
Ausführlich werden die Voraussetzungen des deutschen Rechts- und Sozialstaates beschrieben. Seine ethischen Wurzeln, die gesetzlichen Bestimmungen und die heutigen sozialen Herausforderungen werden dargestellt. Die sich daraus ergebenden politischen Ziele werden von einer christlichen Werteordnung her bestimmt. B. nimmt die europäische Dimension in den Blick und interpretiert die Soziale Marktwirtschaft von der katholischen und evangelischen Soziallehre her.
Jedes dieser analytischen Kapitel schließt mit einem Abschnitt über die besondere christliche Mitverantwortung im jeweiligen Bereich. Bei der Aufgabe, christliches Management zu profilieren (Titel!), werden diese Abschnitte besonderes Interesse finden, weil in ihnen der Theologe sein eigenes Profil zu erkennen gibt. Er knüpft dabei an Denkschriften der EKD und an das »Gemeinsame Wort« der Kirchen »Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit« an.
Leider hat er die Denkschrift der EKD »Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive« nicht mehr berücksichtigen können, weil sie kurz nach Abschluss seiner Arbeit erschienen ist. Bei einer Neuauflage des Buches würden auch die Kapitel 6 und 7 mit einem Abschnitt über die besondere christliche Mitverantwortung ausgestattet werden können. Dabei könnten auch die größeren Veröffentlichungen über das christliche unternehmerische Handeln von Eckart Müller, Andreas Pawlas und Joachim Fetzer noch berück­sichtigt werden. Auch würde der Rezensent gern die EKD-Studie »Mündigkeit und Solidarität« und die Denkschrift »Herz und Mund und Tat und Leben« noch beachtet sehen, weil sich in ihnen wich­tige Hinweise für die Gestaltung kirchlicher Krankenhausarbeit finden. Übrigens hatte es auch schon in der DDR interessante Überlegungen dazu bis hin zu einer Rahmenkrankenhausordnung gegeben, die B. offenbar nicht zur Kenntnis genommen hat.
Nach einem langen Weg durch die deutsche soziale Landschaft werden erst ab Seite 197 die Aufgaben des Managements im Krankenhaus im engeren Sinne behandelt. Alle Teile vorher dürften für Leser auch aus anderen Bereichen der sozialen Arbeit der Kirche für die Grundlegung und Gestaltung ihres Dienstes von Interesse sein. Das Buch eignet sich daher gut als Einführung für diakonisches und karitatives Handeln von Leitungskräften. Es ist sinnvoll, dass B. nicht in eine allgemeine Erörterung der Gesundheitsreformen eintritt, sondern sich auf die Fragen der internen Krankenhausorganisation konzentriert. Bei der Mitarbeiter- und Qualitätsorientierung wäre es lohnend gewesen, auf die Entwicklung von Leitbildern und die eigenen Zertifizierungen von Diakonie und Caritas (Pro-Cum-Cert) einzugehen, weil in ihnen auch auf die christliche Orientierung der Mitarbeitenden in den Abläufen der Arbeit geachtet wird.
Auf die Vorteile und Nachteile von Einzelleitung und kollegialer Leitung im kirchlichen Krankenhaus wird hingewiesen, ohne dass B. eine Präferenz zu erkennen gibt. Die Führungskompetenzen aller in der Leitung Tätigen werden ausführlich beschrieben. Die Frage, welche besondere Aufgabe der theologischen Leitung zukommt, wäre aber eine gesonderte Betrachtung wert gewesen. – Dagegen werden Ziele und Stil der Begleitung von Patienten gut herausgearbeitet. Die Unterscheidung von Patienten und Kunden wird mit guten Gründen gemacht. Die Aufgaben der Seelsorge, der Gemeinschaftspflege und der Predigt wäre besser von den Leitungsaufgaben unterschieden in einem eigenen Abschnitt abzuhandeln. Sie werden in einer säkularisierten Gesellschaft künftig in den konfessionellen Krankenhäusern eine wichtige Rolle spielen. Sie gehören in den besonderen Verantwortungsbereich des theologischen Leiters, ohne dass er sie alle selbst wahrnehmen muss.
Als ein Kennzeichen konfessioneller Krankenhäuser stellt B. die gelebte christlich motivierte Gastfreundschaft heraus. Seine Ausführungen dazu sind konkrete Handlungsanweisungen für einen eigenen diakonischen Stil des Umgangs mit Patienten, an den in technisierten Abläufen heute besonders erinnert werden muss. Er kann nur aufrechterhalten werden, wenn die Dienstgeber von der Freiheit der Gestaltung diakonischer Arbeit den Gebrauch machen, den ihnen der demokratische und soziale Rechtsstaat einräumt. Ebenso wichtig ist es, dass sich die Dienstnehmer ihrer Verankerung in einem christlichen Unternehmen bewusst sind. Jedem steht vor Augen, welche Aufgabe dabei der theologischen Leitung heute gestellt ist auch an den Mitarbeitenden, die (noch?) nicht einer Kirche angehören. B. thematisiert diese Aufgabe unter dem realistischen Leitmotiv »zu versöhnende Verschiedenheit«.
Im Schlusskapitel wird die Führungskompetenz eher mit Stichworten abgehandelt, wie sie heute in der Managementlehre auch anderswo üblich sind. Problematische Begriffe wie Humankapital, Beziehungskapital und Marke werden übernommen, ohne dass sie mit guten theologischen Gründen hinterfragt werden. Die Ökonomisierung schlägt auch in der Begrifflichkeit voll durch. Wo die Begründung und Begrenzung der Macht der Geschäftsführung beschrieben wird, hätte die biblische Unterscheidung von Macht und Dienst und von Macht und Vollmacht herangezogen werden können. Mit dem gelungenen Abschnitt über die besondere christliche Verantwortung der Leitung schließt dieses Kapitel ähnlich wie die Kapitel 1 bis 5.
Das Buch ist weiter angelegt, als der Untertitel ahnen lässt. Es beschreibt die Rahmenbedingungen für die Einrichtungsdiakonie überhaupt und enthält Anregungen für Leitungspersönlichkeiten in allen Bereichen diakonischer Arbeit wie auch in der Kirche. Bei einer so breiten Aufnahme der vielfältigen Gesichtspunkte für gutes Management kann in einem begrenzt zur Verfügung stehenden Rahmen die theologische Reflexion nicht in allen Teilen mit der gebührenden Gründlichkeit stattfinden. Dennoch sind die Ausführungen über den Bereich der konfessionellen Krankenhausarbeit hinaus den in der Leitung von Einrichtungen der Kirche und ihrer Diakonie tätigen Persönlichkeiten zu empfehlen.