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Ausgabe:

Februar/1997

Spalte:

132–134

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Knierim, Rolf P.

Titel/Untertitel:

The Task of Old Testament Theology. Substance, Method, and Cases

Verlag:

Grand Rapids: Eerdmans 1995. XVI, 603 S. gr.8°. Kart. $ 40.00. ISBN 0-8028-0715-1.

Rezensent:

Henning Graf Reventlow

Der vorliegende Band ist eine Aufsatzsammlung des bekannten deutsch-amerikanischen Alttestamentlers. Die erste, leider in diesem Fall unerfreuliche Aufgabe eines ordentlichen Rezen-senten ist es bei Aufsatzsammlungen, die Originalfundstellen von eventuellen Wiederabdrucken zu registrieren. In der Regel nimmt ihm diese Arbeit in der Publikation selbst eine gewissenhafte Liste früherer Veröffentlichungen ab. In diesem Fall leider nicht: In der Einleitung: "On the Essays in this Volume" (XIII-XIV) findet sich lediglich eine Notiz des Vf.s, welche Beiträge erstmals abgedruckt werden. Die daraufhin in den üblichen Bibliographien angestellte Suche nach den übrigen Erstveröffentlichungen war leider nur teilweise erfolgreich:

Der Band beginnt mit dem Wiederabdruck der bekannten Diskussion in HBT 6, 1984, zwischen dem Vf. und seinen Kollegen W. Harrelson, W. S. Towner und R. E. Murphy über die Aufgabe einer atl. Theologie (1-56). ­ Älter noch ist der Essay "Revelation in the Old Testament" (139-170), eine Übersetzung des Artikels "Offenbarung im Alten Testament", in: Probleme biblischer Theologie. Festschrift G. von Rad, hg. H.W. Wolff, München 1971, 206-235. Die Notiz, (139, Anm. 1), der Essay sei von Rad gewidmet (dessen Schüler der Vf. war), führt auch den Nichtsahnenden auf die rechte Spur! ­ "Cosmos and History in Israel’s Theology" stammt aus HBT 3, 1 (1981), 59-123. ­ "On the Theology of Psalm 19" (322-350) ist in seiner zweiten Hälfte der Wiederabdruck des Beitrages aus: Ernten, was man sät. Festschrift für Klaus Koch, hg. D. R. Daniels, U. Gleßmer, M. Rösel. Neukirchen 1991, 439-458. ­ "The Composition of the Pentateuch" stammt aus K. H. Richards, ed., Society of Biblical Literature 1985 Seminar Papers. Seminar Paper 24. Atlanta, GA 1985, 393-415. ­ "The Book of Numbers" (380-388) ist der Beitrag zu: Die hebräische Bibel und ihre zweifache Nachgeschichte, Festschrift für Rolf Rendtorff, hg. E. Blum, C. Macholz und E. W. Stegemann, Neukirchen 1990, 155-163. ­ Nicht gefunden werden konnten: Die Vorlesungsreihe (São Paulo 1989): "The Interpretation of the Old Testament" (57-138).- "The Old Testament ­ The Letter and the Spirit" (298-308). ­ "Israel and the Na-tions in the Land of Palestine in the Old Testament" (309-321; ein Beitrag von 1978). ­ "Conceptual Aspects in Exodus 25: 1-9 " (389-399; offenbar relativ neu). ­ "Science in the Bible" (400-415).

Da sich eine Besprechung bereits erschienener Beiträge auch aus Raumgründen in einer Rezension erübrigt, seien die erstmals gedruckten kurz charakterisiert. Es handelt sich um die folgenden: 1. "Food, Land, and Justice" (225-243): Gerechtigkeit meint in Bezug auf Land und Nahrung alttestamentlich den Einschluß von Armen und Fremden im Recht auf Nahrung, weil sich Gottes Gerechtigkeit als Schöpfer darin äußert. ­ "Hope in the Old Testament" (244-268): Bringt eine Phänomenologie der Hoffnung im Alten Testament; danach ist die Hoffnung auf Gott, oft in Spannung oder gar Gegensatz zur Realität, für sie zentral. ­ "The Spirituality of the Old Testament" (269-297): Sie "has a particular function in the intersection of... anthropology and theology. This intersection is characterized by the twofold structure of God-Yahweh’s work in or through human lives and human self-realization in God-Yahweh’s work" (296). ­ Der Beitrag "On the Contours of Old Testament and Biblical Hamartiology" (416-467) nimmt das alte Thema des Verfassers (Die Hauptbegriffe für Sünde im Alten Testament, 1965) wieder auf, charakteristischerweise mit hermeneutischen Erwägungen. Das Interesse liegt auf der Begegnung zwischen biblischen Vorstellungen und der heutigen Situation. Methodisch wird (trotz J. Barr’s damaliger Kritik am ThWNT) der semantische Ansatz für brauchbar gehalten, verbunden mit einer in der Bibelwissenschaft noch vernachlässigten komparativen Methode. Das Ziel wäre ein biblisches Wertsystem aus beiden, gleichberechtigten Testamenten. ­ Hermeneutisch ausgerichtet ist auch der Essay "A Posteriory Exploration" (468-494): Eine Alternative zu einer (undurchführbaren) umfassenden alttestamentlichen Theologie ist die Interpretation eines alttestamentlichen Textes oder Themas in einem umfassenden atl. Horizont (469). Daraus ergibt sich dann auch die Möglichkeit einer Systematisierung: Wörter und Sätze können (entgegen J. Barr’s bekannter Kritik am ThWNT) auch abgelöst von ihrem Kontext ihre Bedeutung behalten und in einem gesamt-alttestamentlichen Zusammenhang interpretiert werden. Der Vergleich der Vorkommen innerhalb des Alten Testaments ist eine wichtige, vernachlässigte Methode. Sie kann auch "systematische Theologie" genannt werden.

M. E. der lesenswerteste Beitrag des ganzen Bandes ist der Essay "On Gabler" (495-556). Er ist nicht nur die bisher ausführlichste, sondern auch die gründlichste, auf die Einzelformulierungen eingehende Untersuchung der bekannten Altdorfer Inauguralrede (1787) J. P. Gablers (1753-1826): "De iusto discrimine theologiae biblicae et dogmaticae regundisque recte utriusque finibus", mit der die biblische Theologie als gesonderte Wissenschaft begründet wurde. Besonders anregend ist der Hinweis auf Samuel Friedrich Nathanael Morus (1736-1792), Leipziger Philosoph und Theologe, als den Lehrer Gablers, von dem er die Kenntnis über die theologischen notiae communes erhalten habe. Er weist nach, daß Gablers Zielsetzung in der biblischen Theologie entsprechend darin bestand, durch die historische Kritik gewonnene biblische Ideen herauszuarbeiten, die Grundlage einer biblischen Theologie sein könnten, und daß dies im Interesse einer konservativ-lutherischen Zielsetzung geschah, wofür das lutherische Altdorf den passenden Hintergrund bot. Dies ist eine ganz neue Blickrichtung; die weitere Forschung wird sich damit zu beschäftigen haben. Der Zusammenhang mit Knierims eigener, vorher erwähnter Position ist offensichtlich.