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Ausgabe:

Februar/1997

Spalte:

131 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Hostetter, Edwin C.

Titel/Untertitel:

Nations Mightier and More Numerous. The Biblical View of Palestine’s Pre-Israelite Peoples.

Verlag:

N. Richland Hills, Texas: Birmingham Bibal Press 1995. XIII, 172 S. gr. 8° = Bibal Dissertation Series, 3. Kart. $ 12.95. ISBN 0-941037-36-3.

Rezensent:

Helga Weippert

Die 1991 als Dissertation bei der John Hopkins University eingereichte, für den Druck geringfügig überarbeitete und um neuere Literatur ergänzte Studie hat die Listen der Völker zum Thema, die nach atl. Überlieferung in dem Land lebten, das Jahwe Abrahams Nachkommen zugesagt hatte. Im 2. Kapitel (7-50) werden diese Aufzählungen in ihrem Kontext der Reihe nach besprochen (Gen 10,15-18 = 1Chr 1,13-16; Gen 15,19-21; Ex 3,8.17; 13,5; 23,23.28; 33,2; 34,11; Num 13,29; Dtn 7,1; 20,17; Jos 3,10; 9,1; 11,3; 12,8; 24,11; Ri 3,5; 1Kön 9,20 = 2Chr 8,7; Esr 9,1 = 1Esr 8,66; Neh 9,8; Jud 5,16). Dabei geht es vorrangig um die Funktion, die die Aufzählungen in ihrem jeweiligen Kontext erfüllen, da diese Fragestellung bislang vernachlässigt worden sei, wie der Vf. in seiner Einleitung darlegt (1-6).

Die Völker unterteilt er in die "major nations" der Kanaanäer, Amoriter, Hethiter, Jebusiter, Pheresiter, Heviter und Gergasiter und in die "minor ethnic groups" der Rephaim, Amalekiter, Kadmoniter, Keniter und Kenisiter (1). Das 3. und 4. Kapitel (51-83.85-113) faßt zusammen, was über jene Völker bekannt ist, und diskutiert die wichtigsten Thesen, die über sie vorliegen. Für das Gesamtergebnis am bedeutendsten ist hierbei die Entscheidung, "Amoriter" und "Hethiter" nicht von der neuassyrischen Verwendung der Wörter "Amurru" und "Hatti" abzuleiten, sondern von ihrem Gebrauch im 2. Jahrtausend v. Chr. (53.69 f., s. auch 136.139); denn nur so kann der Vf. die Entstehung der Listen in die Zeit Davids, Salomos und kurz danach datieren (135-141). Dies geschieht im 5. Kapitel (115-146), das mit einem tabellarischen Überblick über die Listen beginnt (116f.). Die vielen Varianten in Zahl und Anordnung der ge-nannten Völker lassen sich weder gattungsmäßig (117 f.) noch nach ihren literarischen Zugehörigkeiten (118-120) und auch nicht danach einordnen, welches Volk an erster Stelle steht (120-122). Als gescheitert betrachtet der Vf. ferner den Versuch, eine chronologische Reihenfolge der Listen je nach der Plazierung der Hethiter zu rekonstruieren (122-125). Eindeutig sei lediglich die Tendenz, Amoriter, Kanaanäer oder Hethiter an den Beginn, Heviter, Jebusiter und Pheresiter ans Ende zu rücken. Darin zeige sich, daß Amoriter und Kanaanäer auch als Oberbegriff für alle Vorbewohner des Landes habe stehen können, während man der eher kleinen Gruppe der Hethiter deshalb eine Vorrangstellung eingeräumt habe, weil man sie mit den Nachfolgestaaten des hethitischen Reichs verbunden habe (125-127). In der großen Variationsbreite der Listen erkennt der Vf. den Widerschein der mehr oder weniger tatsächlichen Verhältnisse aus Israels Frühzeit (127).

Obwohl die Texte dafür einträten, die frühere Landesbevölkerung wegen ihrer Götter, wegen ihrer Unmoral oder einfach deshalb auszurotten, weil Gott das Land Abrahams Nachkommen zugesagt habe, hätten diese weiter neben den Israeliten gelebt, um schließlich unter Salomo zu Sklaven gemacht zu werden (1Kön 9,20 = 2Chr 8,7). Inhaltlich beteht ein enger Bezug zwischen den Völkerlisten und dem Landnahmethema. Daß aber für das verheißene Land kein Toponym, sondern eine Vielzahl von Völkern genannt wurde, habe darin seinen Grund, daß es nur so in seiner Gesamtheit dieseits und jenseits des Jordans habe erfaßt werden können (142 f.). An die Stelle ethnischer Zersplitterung sollte nun die "national unity within Israel" treten (143). Die Listen sollten helfen, Israels eigenes Selbstbewußtsein zu klären und in Krisenzeiten auch zu stärken (143-146). In den Schlußfolgerungen des 6. Kapitels (147-150) ordnet der Vf. seine Ergebnisse in den Kontext der gegenwärtigen Debatte über Israels Anfänge ein: Da sich in den Listen Israels tief verwurzeltes Selbstbewußtsein zu Wort melde, "new-comers" im Land zu sein (149), seien das "invasion model" wie das "migration model" noch immer der "revolution hypothesis" vorzuziehen (149 f.).

Dem Buch ist eine Karte mit den Territorien der sieben "major nations" beigegeben (151). Sie verdeutlicht noch einmal, was aufmerksamen Lesern schon bei der Lektüre auffiel: Will man trotz unseres differenzierten Wissens zu eindeutigen und damit eindrücklichen Ergebnissen gelangen, dann ist dies nur mit Hilfe von Vereinfachungen möglich. Zieht man zusätzlich zu den in der Bibliographie aufgeführten Titeln (155-172) Werke wie etwa Th. L. Thompson, Early History of the Israelite People: From the Written and Archaeological Sources (SHANE 4, Leiden-New York-Köln 1992) bei, dann stellt sich das behandelte Problem in einem wieder anderen Licht dar.