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Ausgabe:

September/2010

Spalte:

981-983

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Asselt, Wilhelm J. van, Bell, Michael D., Brink, Gert van den, and Rein Ferwarda

Titel/Untertitel:

Scholastic Discourse. Johannes Maccovius (1588–1644) on Theological and Philosophical Distinctions and Rules.

Verlag:

Apeldoorn: Instituut voor Reformatieonderzoek 2009. VII, 378 S. 8° = Publicaties van het Instituut voor Reformatieonderzoek, 4. Kart. EUR 34,95. ISBN 978-90-79771-05-9.

Rezensent:

Reinhold Rieger

Der Titel erweckt das Missverständnis, als handele es sich bei dem Band um eine Sammlung von Aufsätzen zu dem genannten Thema, herausgegeben oder verfasst von den im Titel genannten Autoren. In Wirklichkeit liegt eine Neuedition der Distinctiones et Regulae Theologicae ac Philosophicae des Johannes Maccovius mit englischer Übersetzung vor. Alle vier Herausgeber und Übersetzer hatten sich schon wissenschaftlich mit Maccovius und der »re­for­mierten Scholastik« der niederländischen Orthodoxie befasst. In der Einleitung berichten sie zuerst über den Stand der Erforschung des Maccovius und weisen auf das in neuerer Zeit zunehmende Verständnis für seine »scholastische Methode« in der Theologie hin. Es werde verstärkt die Kontinuität zwischen der spätmittelalterlichen Theologie, der frühen reformatorischen Theologie und der »reformierten Scholastik« gesehen. Die Behauptung eines scharfen Kontrastes zwischen Scholastik, Reformation und Humanismus sei überholt. Jüngere Arbeiten befassten sich mit Maccovius’ Lehre über die Prädestination, über die göttliche Verwerfung des Menschen und den Gebrauch der Philosophie in der Theologie.
Im zweiten Abschnitt der Einleitung skizzieren die Autoren die Biographie von Maccovius. Sie zeigen, dass er stark durch seinen Danziger Lehrer Bartholomaeus Keckermann (1571–1609) beeinflusst war. Wie dieser lehnte Maccovius die Lehre von der doppelten Wahrheit in Philosophie und Theologie gegen den Lutheraner Daniel Hofmann ab. Auf dem Weg über Prag, Lublin, Marburg, Heidelberg, Leipzig, Wittenberg, Jena gelangte er 1613 nach Franeker in den Niederlanden, wo er ein Jahr später zum Doktor der Theologie promoviert und nach einem Extraordinariat ordentlicher Professor für Theologie und Physik wurde. Bald geriet er in Konflikt mit seinem Lehrer und Kollegen Sibrandus Lubbertus (1555–1625), der sowohl die scholastische Methode als auch den Supralapsarismus des Maccovius mit Misstrauen betrachtete. Maccovius wurde auf der Synode von Dordrecht 1618/19 vom Vorwurf der Häresie freigesprochen, aber ermahnt, seine Lehre vorsichtiger zu formulieren. 1622 entstand ein Konflikt mit dem englischen Puritaner William Ames, der in Franeker Kollege von Maccovius geworden war.
Der dritte Abschnitt der Einleitung stellt die Schriften von Maccovius vor. Die kleinere Zahl veröffentlichte er zu seinen Lebzeiten, so eine Sammlung seiner theologischen Vorlesungen und Zusam­menstellungen seiner theologischen Thesen. Außerdem veröffentlichte er metaphysische Disputationen. Nach seinem Tod wurden die Loci communes theologici und eine Sammlung kleinerer theologischer Schriften unter dem Titel Johannes Maccovius Redivivus gedruckt. In der zweiten Auflage der letzteren Sammlung von 1654 finden sich auch die Distinctiones et Regulae Theologicae ac Philosophicae. Außerdem wurden noch seine philosophischen Werke veröffentlicht.
Der vierte Abschnitt erläutert die didaktische Gattung der Dis­tinctiones et Regulae Theologicae ac Philosophicae. Sie wurden von Nicolaus Arnoldus (1618–1680), einem ebenfalls aus Polen stammenden Studenten, aus Maccovius’ Manuskripten zusam­mengestellt und waren im 17. Jh. ein Standardwerk an den reformierten Universitäten und Akademien von England bis Transylvanien. Sie wurden seit 1652 in Franeker, Amsterdam, Oxford und Genf mindestens zehnmal auf Latein, in holländischer Übersetzung viermal gedruckt. Die holländische Übersetzung erschien 1875 noch einmal in modernisierter Form. Die Distinctiones et Regulae Theologicae ac Philosophicae dienten als Lehrbuch für die Studienanfänger in Theologie. Die Gattung der Distinctiones knüpft an die mittelalterliche scholastische Methode an, die durch oft binäre Unterscheidung von Bedeutungen die Begriffe klärte und so ein Sachfeld erschloss. Die Schrift ist eingeteilt in 22 Kapitel über die loci communes der reformierten Dogmatik.
Die Herausgeber erläutern im fünften Abschnitt der Einleitung die von Maccovius verfolgte Me­thode weiter. Scholastik bedeute eine besonders an der Logik orientierte wissenschaftliche Methode, die die reformierte Theologie des Maccovius mit der mittelalterlichen Scholastik verbinde, obwohl er sie nicht direkt zitiere. Von reformierten Autoren bezieht sich Maccovius positiv auf B. Keckermann, Petrus Martyr Vermigli, Theodor Beza, Johannes Scharpius, teilweise Johannes Piscator, kritisch dagegen auf Calvin.
Im sechsten Abschnitt der Einleitung möchten die Herausgeber sowohl ontologische und anthropologische Begriffe als auch logische Unterscheidungen klären, die bisher zu dem Missverständnis beigetragen hätten, Maccovius vertrete ein deterministisches und metaphysisch bestimmtes Prädestinationssystem. Maccovius lehne die Metaphysik des Suarez ab, die auch Gott zum Gegenstand habe. Er halte an einem Gleichgewicht zwischen Notwendigkeit und Kontingenz fest, indem er klarmache, dass die Vorherbestimmung durch Gott keine absolute Notwendigkeit bedeute. Er unterscheide zwischen libertas contrarietatis, die eine Wahl zwischen Alternativen meine, und libertas contradictionis, die die Freiheit sei, etwas zu wählen oder zu verwerfen. Der Sünder könne wohl zwischen verschiedenen bösen Handlungen wählen, aber sei nicht frei, das Gute zu wählen.
Der letzte Abschnitt der Einleitung erläutert die Übersetzung. Sie basiert auf der lateinischen Ausgabe Oxford 1656, die von Arnoldus herausgegeben wurde. Der Vergleich mit den anderen Ausgaben erbrachte keine textkritisch relevanten Varianten. Die Apparate geben die Paginierung des Textes in den anderen Ausgaben und die Parallelstellen in anderen Werken des Autors an. So soll die Ausgabe zu den anderen Werken hinführen.
Dem Text vorangestellt sind eine Widmung und ein Vorwort des ur­sprünglichen Herausgebers Arnoldus. Die Ordnung der 22 Kapitel ist bestimmt durch die synthetische Methode der Loci, wodurch Maccovius von seinem Lehrer Keckermann abweicht, der die analytische Methode bevorzugte. Die Darstellung geht nach Prolegomena (zu den Begriffen der heiligen Schrift, des Gesetzes und des Evangeliums) von der Gotteslehre mit den Themen Schöpfung, Vorsehung, Vorherbestimmung (IV–VIII) aus, wendet sich der Anthropologie mit dem freien Willen und der Sünde zu (IX–X), um dann Person und Werk Christi vorzustellen (XI–XIV), gefolgt von Themen der Ethik über gute Werke, der Ekklesiologie mit den Sakramenten (XV–XVII), und schließlich der Eschatologie mit Auferstehung, Erneuerung, Verherrlichung, Verdammnis (XVIII–XXII). Das Werk endet mit 100 in Zehnergruppen ( Decuria) eingeteilten knappen allgemeinsten Begriffsunterscheidungen.
Die 22 Kapitel enthalten nummerierte Thesen, die meist eine begriffliche Unterscheidung vornehmen. Jeder These folgt eine ausführlichere Erläuterung, die oft auf Fragen eingeht und sich mit den Meinungen anderer Autoren oder theologischer Gruppen wie den Papisten, Socinianern, Arminianern, Lutheranern auseinandersetzt. Die Ausgabe schließt mit einer Bibliographie, die leider nicht zwischen Quellen und Forschungsliteratur unterscheidet. Ein Na­men- und Ortsregister sowie ein Sachregister beschließen den Band. Ein Bibelstellenregister wäre ebenfalls hilfreich gewesen. Die Kolumnentitel sind funktionslos, da sie nur den Titel des Bandes bzw. der Schrift des Maccovius wiederholen. Hier wäre die Angabe des Kapitels und seines Themas nützlich gewesen.
Die Neuausgabe des Manuals von Maccovius erleichtert die Be­schäftigung mit der reformierten orthodoxen Dogmatik und regt zu einem Vergleich mit dem Compendium locorum theologicorum des Lutheraners Leonhard Hutter an.