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Ausgabe:

September/2010

Spalte:

980-981

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Titel/Untertitel:

The Revelations of St. Birgitta of Sweden. Vol. 2: Liber Caeles­tis, Books IV–V. Transl. by D. Searby. With Introductions and Notes by B. Morris.

Verlag:

Oxford: Oxford University Press 2008. XIX, 339 S. m. Abb. gr.8°. Lw. £ 40,00. ISBN 978-0-19-516626-2.

Rezensent:

Volker Leppin

Birgitta von Schweden gehört zu den herausragenden Gestalten der mittelalterlichen Frömmigkeitsgeschichte. Ihre Visionen, de­ren Sammlung die Revelationes caelestes darstellen, haben tief in die europäische Religionsgeschichte eingegriffen, vor allem da­durch, dass sie wie Katharina von Siena, mit göttlicher Autorität die avignonesischen Päpste nach Rom zurückrief. Im Verhältnis zu dieser kirchenpolitischen Wirkung hat ihre Theologie noch nicht die Aufmerksamkeit gewonnen, die sie verdient.
Der Band, Teil einer auf vier Bände angelegten englischen Übersetzung ihres Hauptwerkes, zeigt, wie viel hier zu gewinnen wäre. B. erscheint darin zunächst und vor allem natürlich als eine asketisch orientierte Frauengestalt, die den spirituellen Weg prägte, auf dem ihr dann der Birgittenorden folgte. Aber es finden sich auch etwa ein Dialog zwischen Teufel und Christus über die Realpräsenz in der Eucharistie (Buch 4, Kapitel 63) oder Ausführungen zur Be­deutung des Todes, über das Verhältnis von Geist und Leib. In der sensiblen Wahrnehmung der Beiträge auch von Frauen zum theologischen Diskurs ist die angelsächsische Forschung um einiges weiter als die deutschsprachige, wohl nicht zuletzt, weil diese Fragestellungen in den Kulturwissenschaften insgesamt fest verankert sind.
In diesen Kontext spricht die vorliegende Ausgabe hinein, die solide übersetzt und gründlich kommentiert ist. Manchmal scheinen die Angaben arg knapp, s. etwa 249, Anm. 1: »›Pope Gregory XI‹: pope 1370–78. He was another of the Avignon popes, whom Bir­gitta repeatedly asked to return to Rome«, und für die Bibelzitate hätte man vermutlich sinnvoller Einfügungen in den Text vorgenommen, statt jedes durch eine eigene Fußnote auszuweisen. Interpretative Erwägungen erfolgen nur dann, wenn unmittelbare Sach­in­formationen nicht zu geben sind, wie etwa im Blick auf die von Birgitta angesprochene geringe Körpergröße des Judas (178, Anm. 1). Gelegentlich wird die Übersetzung erläutert. Es handelt sich also insgesamt um einen echten, sinnvollen Arbeitsapparat, der zur Auseinandersetzung mit dem Text einlädt. Nur gelegentlich scheinen die Anmerkungen allzu abgekürzt. So reicht der Verweis auf Jes 14,12 zur Erklärung von Lucifer (177, Anm. 1) nicht aus, hier wäre auf die breite geistesgeschichtliche Tradition hierzu zu verweisen gewesen.
An dieser Stelle aber setzt die eigentliche Irritation ein: Ein angesehener englischsprachiger Wissenschaftsverlag legt eine reine Übersetzungsausgabe vor, die nach Umfang und Preisgestaltung auf ein eher anspruchsvolles Publikum ausgerichtet ist. Welche Adressaten aber soll man sich hier vorstellen? Für wissenschaftliche Arbeit wäre eine zweisprachige Ausgabe dringend erforderlich. Ein erbaulich orientiertes Publikum ist aber, zumindest wenn man an deutsche Verhältnisse denkt, für eine solche umfassende Ausgabe schwer vorstellbar. Dass es in wissenschaftlichen Kreisen üblich geworden ist, solche Werke allein in Übersetzung ohne Original einzusehen, will man nicht hoffen. So bleibt zusammen mit dem Respekt vor dem Werk und der in ihm liegenden Mühe auch eine gewisse Ratlosigkeit hinsichtlich seines Nutzens.