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Ausgabe:

September/2010

Spalte:

937-939

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Module der Theologie.

Verlag:

5 Bde. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2009. Bd. 1: Altes Testament. V. P. Mommer. 160 S. 8°. ISBN 978-3-579-08081-9. Bd. 2: Neues Testament. V. H. Roose. 159 S. 8°. ISBN 978-3-579-08082-6. Bd. 3: Kirchengeschichte. V. K. Fitschen. 156 S. 8°. ISBN 978-3-579-08083-3. Bd. 4: Systematische Theologie. V. F. Surall. 160 S. 8°. ISBN 978-3-579-08084-0. Bd. 5: Praktische Theologie. V. A. Deeg u. D. Meier. 156 S. m. Abb. 8°. ISBN 978-3-579-08085-7. Kart. Einzelpreis: je EUR 14,95. Gesamtpreis: 59,95. Gesamt-ISBN 978-3-579-08080-2.

Rezensent:

Christian Grethlein

Mittlerweile hat die Modularisierung, also die Zusammenfassung mehrerer Lehrveranstaltungen in einer Lehreinheit, auch die evangelische Theologie erreicht. Dabei scheint sich weitgehend als Konsens herauszukristallisieren, dass die traditionellen, wesentlich di­daktisch begründeten Disziplinen der Theologie bereits eine Form der Modularisierung sind. Dem folgt die Aufteilung der fünf Bände.
Gravierender für die Lehre dürfte aber eine andere Entwicklung in der evangelischen Theologie sein, auf die in den Vorworten der Bände eher indirekt angespielt wird: Die Zahl der Studierenden im Zweit- oder Drittfach nimmt zu, die der Theologie im Hauptfach Studierenden aber ab. Der Wissenschaftsrat hat in seinen Anfang 2010 veröffentlichten »Empfehlungen zur Weiterentwicklung von Theologien und religionsbezogenen Wissenschaften an deutschen Hochschulen« hierauf nachdrücklich hingewiesen. Diese Entwick­lung birgt neben der bedauerlichen Tendenz zur Marginalisierung auch eine Chance. Denn Theologie wird so stärker in die Univer sität integriert, und zwar nicht nur im Bereich der Lehramtsstudiengänge, sondern auch in neuen, vor allem kultur- bzw. religionswissenschaftlich ausgerichteten BA-Studiengängen. Weil die so Studierenden aber erheblich weniger Zeit aufbringen können, be­steht die Herausforderung für eine Elementarisierung des Faches und seiner Einsichten.
Dabei stößt man – jenseits der vielerorts bemühten sog. Kompetenzdidaktik – auf die alte didaktische Herausforderung eines Kanons, also des grundlegenden Wissens, das erst die Kommunikation innerhalb einer Wissenschaft (und weiter gefasst: Kultur) ermöglicht. So formuliert am deutlichsten der Alttestamentler Peter Mommer in seinem Beitrag als Ziel der Bände: »Vermittlung von grundlegendem Fachwissen bei gleichzeitiger Konzentration auf wesentliche Inhalte« (7). Dies ist aber nicht nur didaktisch notwendig, sondern auch wissenschaftstheoretisch interessant. Denn »Module der Theologie« lassen erhoffen, einen Blick auf den gegenwärtigen Zustand der Theologie und ihrer Integration der einzelnen Disziplinen insgesamt zu erhalten – ein spätestens seit Schlei­ermacher virulentes Problem. Dass dies auch ein Ziel der Bände ist, zeigt deren Form: gleiche Umschlaggestaltung, gleicher Umfang; sog. Kontrollfragen am Ende größerer Abschnitte; recht ausführliches, kurz kommentiertes Literaturverzeichnis am Ende. – Doch jetzt zu den Bänden im Einzelnen:
Mommer führt übersichtlich in drei Schritten ins Alte Testament ein. Zuerst wird »Die Welt des Alten Testaments« (9–66) vorgestellt. Es folgt ein kurzer Überblick über die klassisch nach Pentateuch, Propheten und Schriften gegliederten alttestamentlichen Bücher (67–137). Zur im engeren Sinn theologischen Aufgabe stoßen die abschließenden »Grundgedanken zu einer Theologie des Alten Testaments« (139–148) vor. Dabei wird das erste Gebot in den Mittelpunkt gerückt. In seiner Auslegung kommt Luthers Unterscheidung von Evangelium und Gesetz in den Blick und somit eine theologische Beschreibung des Verhältnisses von Gott und Mensch.
Hanna Roose wählt einen deutlich anderen Zugang. An die Stelle der »Welt des Alten Testaments« treten bei ihr im ersten Sachkapitel »Fragen der neutestamentlichen Wissenschaft an die biblischen Texte« (9–45). Dann folgen – in einer Parallele zu Mommer – Informationen zu den einzelnen neutestamentlichen Schriften (Paulusbriefe; synoptische Evangelien; Apostelgeschichte; Johannesevangelium und johanneische Briefe; übrige Briefe; Apokalypse) (47–144). Der Band läuft aus in einem knappen Kapitel zum Kanon (145–148). Auffällig ist hier – im Gegensatz zu dem eben besprochenen Band zum Alten Testament – das Fehlen einer eigenen the­-matischen Reflexion zur Theologie des Neuen Testaments. Dieser systematische Versuch ist Roose offenkundig aufgrund ihres mehrfach betonten »historisch-kritischen« Zugangs nicht möglich. Zu­gleich betritt sie aber bei thematischen Erörterungen, vor allem zur Rechtfertigungslehre (70–73), entschieden das Gebiet der Wirkungsgeschichte und stellt die entsprechenden theologiegeschichtlichen Differenzen (historisch) dar. Der mehrfache Hinweis auf Alternativen zur historisch-kritischen Methodik und etwa deren Bedeutung für die Religionspädagogik wird in der konkreten Darstellung der Inhalte nicht aufgenommen.
Waren viele Ausführungen in dem neutestamentlichen Band vor allem durch die Hinweise auf die Disparatheit der Forschung gekennzeichnet, so betritt man in der Kirchengeschichte – scheinbar – sicheren Boden: »Tröstlich mag sein, dass in der Kirchengeschichte vieles nicht umstritten und diskutabel ist, sondern lebenslang gilt …« (9). Klaus Fitschen gelingt es – nach einer kurzen Vorbemerkung zur Methodik –, in fünf Themenkomplexen die ganze Kirchen- und Theologiegeschichte in Grundzügen darzustellen: »Das Antike Christentum«, »Das Mittelalter«, »Die Reformation und ihre Folgen«, »Die Neuzeit« und »Die Kirchliche Zeitgeschichte«. Dies ist durch klare Pointierung möglich. Theologiegeschichtlich finden Augustin und Luther besondere Beachtung, kirchengeschichtlich steht das Verhältnis von Staat und Kirche im Mittelpunkt. Mit Roose stimmt diese Darstellung durch die strikt »historische« Ausrichtung überein. Die einen theologischen Horizont eröffnende Frage, »ob es nicht doch so etwas wie Heilsgeschichte oder ein Ziel der Geschichte gäbe« (18), wird z. B. nur ge­nannt, aber nirgends bedacht.
In dem Band zur »Systematischen Theologie« bilanziert Frank Surall seine bisherigen Erfahrungen in Proseminaren. Didaktisch geschickt beginnt er mit der dichten, einen gewissen common sense markierenden Definition Hermann Fischers von Systematischer Theologie (9). Sie durchzieht zumindest die ersten sechs Kapitel wie ein roter Faden. Ansonsten werden Themenbereiche nacheinander aufgerufen: »Systematische Theologie als Disziplin der Theologie«, »Gegenstand und Aufgabe der Systematischen Theologie«, »Die Quellen der Systematischen Theologie«, »Systematische Theologie zwischen Wissenschaft und Kirche«, »Dogmatik«, »Theologische Ethik«, »Das Verhältnis von Dogmatik und Ethik«, »Fundamentaltheologie«, »Die Wahrnehmung anderer Religionen«, »Neuere Theo­logiegeschichte« und »Ausblick: Tendenzen der Systematischen Theologie der Gegenwart« lauten die Überschriften. Dabei kommt es wiederholt zu thematischen Überschneidungen. Vielleicht reizt das Studierende des Diplomstudiengangs Evangelische Theologie zur Weiterarbeit; für Studierende im Zweit- und Drittfach wäre die – fehlende – exemplarische Erörterung von Sachthemen (wie etwa Schöpfungsglaube und Naturwissenschaft) gewiss interessanter. Insgesamt gilt das Hauptinteresse Suralls enzyklopädischen und wissenschaftstheoretischen Fragen. Inhaltlich wird vor allem recht ausführlich die Bibel als grundlegende Quelle Systematischer Theologie vorgestellt (39–51). Hier wäre interessant, ob und wie diese Ausführungen von den beiden Exegeten aufgenommen werden könnten, die ebenfalls die Frage des Kanons behandeln.
Den Abschluss bildet ein Band zur Praktischen Theologie. Hier gelingt eine überzeugende Systematisierung bei der Darstellung, indem zwei verschiedene, miteinander vielfach vernetzte Zugänge gewählt werden: eine traditionell sektorale Gliederung, in der die üblichen praktisch-theologischen Subdisziplinen kurz dargestellt werden, sowie eine an zentralen Themen der praktisch-theologischen Reflexion orientierte Rekonstruktion (Religion, Kirche, Kultur, Massenmedien, Sprache). Die Autoren betonen bei Letzterem den exemplarischen Charakter. Hier ist – im Vergleich zu den vier anderen Bänden – das Fehlen von »Bibel« auffällig. Ein besonderes Profil bekommen beide Durchgänge dadurch, dass die publizistische bzw. massenmediale Thematik eigens und recht ausführlich besprochen wird. Dies ist angesichts von deren lebensweltlicher Bedeutung begrüßenswert. Abschließend versuchen die beiden Autoren noch einmal, ein zusammenfassendes Verständnis Praktischer Theologie zu entwerfen.
Überblickt man die fünf Bände, so muss vorab konstatiert werden: Jeder von ihnen stellt eine respektable Leistung dar, knapp in die jeweilige theologische Disziplin einzuführen. Bei der Lektüre treten aber auch Probleme zutage, die wohl allgemeiner Art sind und die vorgestellten Disziplinen insgesamt betreffen. Die Bände zum Neuen Testament und zur Kirchengeschichte blenden theologische Fragestellungen weitgehend aus. Der Band zum Alten Testament zeigt dagegen, dass auch eine exegetische Disziplin durchaus zu hermeneutisch reflektierten Auskünften jenseits der historisch-kritischen Methodik kommen kann. Dazu beschränkt sich der kirchengeschichtliche Band weithin auf eine erzählende Darstellung. In der Praktischen Theologie wird dagegen der Bezug auf Geschehendes geschickt in einem hermeneutisch und wissenschaftstheoretisch mehrperspektivischen Rahmen präsentiert. Dass allerdings hier bei den ausgewählten Themen die Bibel fehlt, markiert ein – inzwischen bereits mehrfach genanntes – Desiderat dieser Disziplin. Gesamttheologisch bleibt so der in der Praxis von Predigt, Gottesdienst, Unterricht und Seelsorge kommunikationstheoretisch zu reflektierende Zugang zur Bibel ausgeblendet – gerade auch jenseits ihrer Schriftlichkeit. Zudem hat diese Lücke erhebliche Konsequenzen für die theologische Integration des Fachs. Denn die Bibel scheint der Punkt zu sein, auf den sich alle (sonstigen) theologischen Disziplinen beziehen. Eine ähnliche integrative Rolle spielt in den vorliegenden Bänden nur noch Luthers Theologie.
So macht dieses Projekt über das konkrete hochschuldidaktische Anliegen hinaus nachdrücklich auf die Integrationsaufgabe der theologischen Disziplinen aufmerksam. Die Schleiermachersche Konzentration auf die Aufgabe der Kirchenleitung reicht angesichts der Ausweitung der Studiengänge mit theologischer Beteiligung wohl nicht mehr aus. So ist von Neuem zu überlegen, wodurch die methodisch disparaten und inhaltlich unterschiedlich ausgerichteten einzelnen Disziplinen ihren theologischen Charakter erhalten. Die die Bände (weitgehend) verbindenden, wenn auch eher zufällig und nicht systematisch ausgearbeiteten Bezugnahmen auf Bibel und Reformation (vor allem Luther) weisen hier einen Weg. Es geht in der Theologie darum, »das das wort ym schwang gehe vnd nicht widerrumb eyn loren vnd dohnen draus werde« (WA 12,37). Dieses Anliegen ist auch in interdisziplinäre Studiengänge einzubringen, wenn hier Theologie studiert werden soll und nicht lediglich historische Vermutungen bearbeitet werden.