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Ausgabe:

September/2010

Spalte:

933-934

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Hrsg. v. B. Moeller mit B. Jahn.

Titel/Untertitel:

Deutsche Biographische Enzyklopädie der Theologie und der Kirchen. 2 Bde.

Verlag:

München: Saur 2005. Bd. 1: A – L. XVIII, 882 S. Bd. 2: M – Z u. Register. V, S. 883–1785. gr.8°. Lw. EUR 349,00. ISBN 978-3-598-11666-7.

Rezensent:

Ulrich Köpf

Wenn man die beiden Bände zur Hand nimmt, mag man sich zunächst fragen, ob sie mehr sind als eine jener überflüssigen Neuerscheinungen, in der ein Verlag sein jüngst erschienenes größeres Werk für einen bestimmten Leserkreis weiterverwertet. In diesem Fall handelt es sich um die zehnbändige Deutsche Biographische Enzyklopädie (DBE), hrsg. von Walther Killy. Ist überhaupt nach den Neuauflagen des Lexikons für Theologie und Kirche (LThK) und der Religion in Geschichte und Gegenwart (RGG) mit ihren vielen Personenartikeln ein solches biographisches Lexikon aus dem religiösen und kirchlichen Bereich noch sinnvoll?
Ein Vergleich mit den beiden genannten Nachschlagewerken zeigt freilich, dass dieses Werk seine spezifischen Qualitäten hat. An Zahl der Lemmata übertrifft es selbst das an Personenartikeln besonders reiche LThK bei Weitem. Dadurch, dass es sich auf Personen aus dem historischen deutschen Sprachgebiet (neben Deutschland auch aus Österreich, Südtirol, der Schweiz, dem Elsass und dem Baltikum) beschränkt, kann es zahlreiche Namen aufnehmen, die man in den großen theologischen Lexika vergeblich sucht. Mit dem Kriterium der Zugehörigkeit zum deutschen Sprachgebiet gerät man bei Theologen des Mittelalters freilich in eine Problemzone. Wird man etwa den in Paris tätigen Hugo von Sankt Viktor wegen seiner vermuteten oder wahrscheinlichen Herkunft aus Sachsen oder gar den noch immer rätselhaften, »in England oder Irland« (672) geborenen, in Deutschland wirkenden, aber nur in lateinischen Texten fassbaren Honorius Augustodunensis wirklich in einer Sammlung deutscher Biographien suchen? Seit dem Spätmittelalter wird die Orientierung an der deutschen Sprache immer einleuchtender, und je weiter die Neuzeit fortschreitet, um so dichter wird die Auswahl. Gegenüber den stärker konfessionell geprägten Lexika hat das vorliegende den Vorzug, dass evangelische und katholische Personen gleichermaßen berücksichtigt sind. Erfreulicherweise sind aber – was der Titel nicht erwarten lässt – auch Juden aufgenommen, die als Theologen und religiöse Amtsträger bedeutend waren. Im Übrigen ist die Zugehörigkeit zu Theologie und Kirche so weit gefasst, dass sie nicht nur akademische Theologen und Geistliche umfasst, sondern ebenso Architekten von Kirchen wie Otto Bartning, Maler wie Dürer und Johann Friedrich Overbeck (aber nicht Caspar David Friedrich!), Kirchenmusiker wie die Familie Bach und Heinrich Schütz, Komponisten wichtiger geistlicher Werke wie Brahms, Haydn und Mozart, aber auch Musikwissenschaftler wie Hans Joachim Moser und Peter Wagner, für die Theologie wichtige Gelehrte anderer Disziplinen wie den Philosophen Wilhelm Dilthey, den Historiker Leopold von Ranke, den Religionswissenschaftler Helmuth von Glasenapp, christliche Sozialpolitiker wie Klaus von Bismarck (aber nicht Otto von Bismarck!) und viele andere.
Der größte Teil der Artikel ist in der Tat aus der DBE übernommen. Doch sind in dem neuen Werk einige Verbesserungen angebracht. Erfreulich ist, dass Personen, die vor 1500 gelebt haben, jetzt unter ihrem »Vornamen« (bei Christen: Taufnamen) ins Alphabet gestellt sind, also z. B. Agnes Blanbekin unter Agnes, Gabriel Biel unter Gabriel. Viele übernommene Texte sind leicht überarbeitet und erweitert. Vor allem sind die Werk- und Literaturverzeichnisse ergänzt, die in DBE nur den größeren, mit Verfassernamen gezeichneten Artikeln über besonders wichtige Personen beigegeben sind. Den meisten kürzeren Artikeln sind jetzt ebenfalls Literaturangaben angefügt – allerdings oft nur Hinweise auf Artikel in anderen Nachschlagewerken. Schließlich sind einige bisherige Beiträge aus nicht immer erkennbaren Gründen weggelassen, z. B. der evangelische Theologe Johann Acoluth, andererseits eine größere Zahl von Personen – meist aus Randgebieten – neu aufgenommen, z .B. der Orgelbauer Christoph Aebi.
Natürlich kann man in derartigen Sammelwerken immer einzelne Namen vermissen oder auch überflüssig finden; aber der Kreis der fast 8000 aufgenommenen Personen ist erfreulich weitgezogen – naturgemäß weiter als in den international ausgerichteten allgemein-theologischen Lexika. Von diesen unterscheidet sich das vorliegende Werk auch dadurch, dass zwar 214 Personen durch den mehr oder weniger größeren Umfang der ihnen gewidmeten Artikel hervorgehoben sind (maximal drei Spalten Text; doch ist Karl Barth mit einer Darstellung von fast dreieinhalb Spalten mehr Platz eingeräumt als Luther), dass aber durch diese Begrenzung die Proportionen besser gewahrt sind. In seiner relativen Knappheit bleibt das Werk handlich; die Artikel bieten rasche, gehaltvolle und zuverlässige Information. Umfangreiche Personen- und Ortsre­gister (149 und 179 S.) helfen zusätzlich bei der Erschließung des Materials. So ist das Personenlexikon auch dem von Nutzen, der bereits über die größeren allgemein-theologischen Nachschlagewerke verfügt.