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Ausgabe:

Juli/August/2010

Spalte:

877

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Hedrich, Reiner

Titel/Untertitel:

Von der Physik zur Metaphysik. Physika­lische Vereinheitlichung und Stringansatz.

Verlag:

Heusenstamm u. a.: Ontos 2007. 394 S. 8° = Epistemische Studien, 12. Geb. EUR 119,00. ISBN 978-3-938793-47-3.

Rezensent:

Hans-Dieter Mutschler

Im Jahr 2001 schrieb der amerikanische Neurowissenschaftler Andrew Newberg das Buch »Why God Won’t Go Away«, in dem er zu zeigen versuchte, dass die Existenz eines »Gottmoduls« im Gehirn, das bei meditativen Zuständen aktiv ist, die Existenz Gottes ›beweise‹, weil das Gehirn, wie alle evolutiv entstandenen Eigenschaften von Lebewesen, aufgrund einer Anpassung an die Realität entstanden sei. Das gefiel den US-amerikanischen Fundamentalisten. Das Buch verkaufte sich gut. In Deutschland ist religiöser Skeptizismus oder offene Religionsfeindschaft unter Intellektuellen verbreitet, deshalb titelte der Piper-Verlag dasselbe Buch als »Der gedachte Gott. Wie Glaube im Gehirn entsteht«. Dieser Titel war der reinste Etikettenschwindel. Newberg vertritt ja die gegenteilige These. Inzwischen ist es selbst bei ›seriösen‹ Fachverlagen üblich geworden, solchen Etikettenschwindel zu betreiben.
Das Buch von Reiner Hedrich »Von der Physik zur Metaphysik. Physikalische Vereinheitlichung und Stringansatz« erweckt den Anschein, man würde an die vorderste Front der Physik geführt, um dann über ihre metaphysischen Implikationen aufgeklärt zu werden, die auch für Philosophie und Theologie relevant sein könnten. Tatsächlich aber enthält das Buch eine hochkarätige fachphysikalische Generalabrechnung mit der Stringtheorie, die es seit 30 Jahren nicht vermocht habe, empirisch testbare Implikationen herzuleiten, so dass es sich um nichts handelt als um schlechte Metaphysik (dies ist hier der Metaphysikbegriff). Ein solches Buch interessiert nur hochspezialisierte Physiker. Aber der Titel ist so gewählt, dass Geisteswissenschaftler Neigung haben werden, es zu kaufen. So weit ist es selbst mit ›seriösen‹ Verlagen gekommen!