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Ausgabe:

Juli/August/2010

Spalte:

850-851

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Steenberg, Matthew C.

Titel/Untertitel:

Of God and Man. Theology as Anthropology from Irenaeus to Athanasius.

Verlag:

London-New York: T & T Clark (Continuum) 2009. XII, 208 S. gr.8°. Kart. £ 24,99. ISBN 978-0-567-03370-3.

Rezensent:

Ekkehard Mühlenberg

Anthropologie und Theologie, so die These, gehören derart zusammen, dass sich aus der Anthropologie die Theologie ergebe. Der Vf. sichert sich durch zwei ungleiche Zeugen ab: »Feuerbach pro­­-nounced the connection in his famous observation that all theol­ogy should be understood as anthropology, an idea supplemented by Jenkins’ later insistence that ›this is so only because all anthropology must be understood as theology‹.« Sachlich sei die Zusam­mengehörigkeit von Anthropologie und Theologie in dem christlichen Grundbekenntnis zu Jesus Christus, dem Sohn Gottes, ge­-geben, wie der Folgesatz beteuert: »From the perspective of the incarnation, the two can never really be separate« (2 f.). Die früh­-christlichen Theologen sollen »nicht mit dem Wort, das später Fleisch annahm« begonnen haben. »Man beginnt mit dem Fleisch und den Knochen des Jesus von Galiläa und sieht in ihm die Ewigkeit des göttlichen Sohnes« (3). Inkarnationstheologie soll zu einer christlichen An­thropologie führen. »Die menschliche Wirklichkeit Jesu Christi, die ›Anthropologie‹ des Sohnes, ist der Zugang zur christlichen Theologie, die deswegen nicht nur äußerlich, sondern im Kern und mit Notwendigkeit eine anthropologische Aufgabe ist« (4). Die biblische Referenz für diese Perspektive ist Gen 1,26, insofern der Mensch als Abbild des Sohnes Gottes geschaffen und zur Ähnlichkeit mit Gott bestimmt ist.
In vier Fallstudien (Irenäus, Tertullian, Kyrill von Jerusalem und Athanasius) wird das Programm ausgeführt. Zwar kann man vermuten, dass die frühchristlichen Theologen ihre Anthropologie (soweit sie sich darauf einlassen) in Übereinstimmung mit ihrer Gotteslehre (Theologie) ausgeführt haben, aber Irenäus könnte tatsächlich ein vielversprechender Fall für das Programm sein. Denn deutlich ist in seinem Werk gegen die gnostischen Häresien die Rekapitulation des Geschöpfes Mensch in dem Sohn Gottes ( suum plasma in seipsum recapitulans) unterstrichen und zweitens die Vorstellung, dass der inkarnierte Sohn Gottes den nach seinem Bild (secundum imaginem) geschaffenen Menschen in seiner Vollendung (secundum similitudinem) darstellt.
Die Ausführungen des Vf.s können in drei Aussagen aufgefächert werden. Prinzipiell stellt er fest, dass Irenäus seine Anthropologie aus dem inkarnierten Sohn Gottes ableite: »Dieser Chris­tus, als das vollkommene Abbild des Vaters, der ›Sichtbare des Unsichtbaren‹, der von sich sagte: ›Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen‹ (Joh 14,9), ist das lebendige Paradigma für eine Anthropologie der Ebenbildlichkeit« (33). Das entspricht nicht der Gedankenführung des Irenäus.
Die zweite Aussage hebt darauf ab, dass eine Anthropologie der Ebenbildlichkeit im Geschöpf Mensch den trinitarischen Gott erkennen lasse. Insofern der inkarnierte Sohn Gottes das Geschöpf Mensch in sich vollende, werde der Geist Gottes bei der Taufe »auf das Wort Gottes« (beim Vf. immer Word und nie Logos) herabgesandt; folglich »stellt der inkarnierte Sohn Gottes das trinitarische Leben des Vaters, Sohnes und Geistes dar« (37: »Thus is the incarnate Son in receipt of the Spirit’s anointing at his baptism in the Jordan, becoming completely the recapitulative saviour – Jesus Christ the Lord – manifesting the interrelated life of the Father, Son and Spirit«). Das »trinitarische Leben« wird »dynamisch« genannt, »insofern als der Empfang des Geistes es ist, was den inkarnierten Sohn befähigt, des Vaters Erlösungswillen zu verwirklichen« (41).
Daran schließt sich die dritte Aussage an. Der »dynamische« Charakter der Ebenbildlichkeit des Sohnes ist der Untergrund für die Lehre, die in der deutschen Sprache »Heilsgeschichte« heißt. Ich lasse unübersetzt: »For humanity to be created not only in but into economy, that is, designed to be economic, is to find in man – as image of the Father’s Son anointed by the Spirit – a vision of human reality expressed in the history of relation to God« (43). Eigentlich müssten sich jedem, der denkt, die Haare sträuben bei der Begründung für »Heilsgeschichte«, die Irenäus gibt (vgl. Adv. haer. IV 38): Abfall von der Ebenbildlichkeit wegen Unsichtbarkeit des Ebenbildes; Unempfänglichkeit für das sichtbare Ab- bild wegen kindhafter Unentwickeltheit; Erfahrung mit dem Schlechten wegen Kennenlernen des Gegensatzes zum Guten – »und alle sündigten in Adam«. Ohne weitreichende Reflexion kann man nicht einfach feststellen: Adam, das Geschöpf Mensch, »is destined from the first for growth and development« (52). Für den Patristiker verbietet es sich, Widerlegungseinfälle gegen die Gegner, von denen Irenäus trotz seiner plakativen Abwehrschilder weiß, dass auch sie Gemeinschaft mit Gott auslegen, und Glaubensüberzeugungen, erworbene und selber ausgeprägte, zu einer frommen Dogmatik zusammenzufügen.