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Ausgabe:

Juli/August/2010

Spalte:

845-847

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Lamberz, Erich [Ed.]

Titel/Untertitel:

Concilium Universale Nicaenum Secundum. Concilii Actiones I–III.

Verlag:

Berlin-New York: de Gruyter 2008. LXXIV, 281 S. 4° = Acta Conciliorum Oecumenicorum. Series Secunda, 3/1. Kart. EUR 198,00. ISBN 978-3-11-019002-1.

Rezensent:

Hans Georg Thümmel

E. Lamberz legt in der 2. Reihe der Acta Conciliorum Oecumenicorum den ersten der auf drei Bände geplanten Edition der Akten des 7. Ökumenischen Konzils (2. Nicaenum) von 787 vor. Der Band umfasst die allgemeine Einleitung zur Überlieferung und Edition, einige Texte aus dem Umkreis des Konzils (den Begleitbrief des Anastasius Bibliothecarius an Papst Johannes VIII., das Einladungsschreiben der Kaiser an Papst Hadrian, die Erklärung des Tarasios über seine vorgesehene Erhebung zum Patriarchen und die sog. Syngraphe syntomos) und die drei ersten Sitzungen des Konzils. Der Editor liefert dankenswerterweise auch synoptisch zum griechischen Text eine kritische Edition der lateinischen Übersetzung der Akten durch Anastasius Bibliothecarius von 873, die wichtig für die Beurteilung des griechischen Textes ist.
Die Überlieferung gibt zunächst das Material für die Textedition. Lamberz hat den griechischen Text wie den lateinischen je nach vier Handschriften erstellt, die voneinander unabhängig sind. Die Edition genügt allen Anforderungen. Dass hier gründliche und genaue Arbeit geleistet worden ist, steht außer Frage. Dem Editor ist für die gewissenhafte Arbeit zu danken.
Die Überlieferung spiegelt aber doch auch die Interessenlage, beim lateinischen Text deutlicher als beim griechischen. Von den griechischen 17 Handschriften seit dem späten 11. Jh. sind nur sechs älter als das 16. Jh. Das signalisiert ein sehr geringes Interesse an einem Text, der für dogmatisch-kirchenbegründend gehalten wird. Das Konzil wie die Akten waren im Mittelalter im Westen mehr, im Osten weniger vergessen. Ähnliches gilt für die lateinische Übersetzung. Von den 14 Handschriften gehören zwei dem 9. Jh. an, also der Zeit, als das Thema akut war, eine ist um 1000 entstanden, vier entstammen der Mitte des 15. Jh.s, gehören also in den Umkreis des Florentiner Einheits-Konzils, sieben entstammen dem 16. Jh. oder sind noch später. Zwei der griechischen Handschriften sind wohl im Zusammenhang mit dem Einheits-Konzil von Lyon 1274 entstanden.
So gibt es auch die Sekundärüberlieferung nur in der kanonistischen Tradition. Auch hier sind die Zitate für die Konstitution des Textes sehr wichtig, betreffen aber die kirchenrechtlichen Festlegungen, also vor allem die Kanones, nicht die Bilderfrage. Die Konzilsentscheidungen über die Bilder sind nicht zitiert worden. Ein eigentliches Interesse an den Akten des Konzils zur Bilderfrage beginnt erst, als gegen den Calvinismus die Existenz der christlichen Bilder begründet werden musste und als durch das Tridentinum die Frage, was denn eigentlich die Tradition sei, zur Diskussion kam.
Zur Situation: Im 6. Jh. erhält das christliche Bild im Osten einen neuen Charakter. Es gilt als wundertätig, die heilige Person handelt durch ihr Bild. So wird auch die Verehrung des Heiligen an seinem Bilde vollzogen, und ein mannigfaches Brauchtum im Umgang mit Bildern bildet sich heraus. Viele sahen das als Aberglauben an, und so deutete auch Kaiser Leon III. einen Vulkanausbruch als Zeichen des Zornes Gottes und ging seit 726 gegen die Bilder vor, was eine synodale Bestätigung im Konzil von Hiereia 754 fand, das sich als siebentes zählte. Kaiserin Eirene änderte die Kirchenpolitik und betrieb die Wiedererrichtung der Bilder. Ein 786 in Konstantinopel einberufenes Konzil wurde jedoch von Gardetruppen gesprengt, einige Bischöfe schätzten die Situation falsch ein und bekannten sich zur Ablehnung von Bildern. Das Konzil wurde 787 in Nikaia ohne die Kaiser (Eirene und ihren Sohn Konstantin VI., für den sie die Vormundschaftsregierung zu führen schien) abgehalten und erklärte sich als das wahre siebente. Dieses Konzil gilt heute als das letzte gemeinsame Konzil von Ost und West.
Die Akten der 1. Sitzung bieten eine erste Teilnehmerliste, Patriarch Tarasios resümiert die Situation. Mit dem Verlesen der kaiserlichen Sakra wird die Linie vorgegeben. Im Übrigen geht es um die Rehabilitierung einiger der Häresie Verdächtiger, die als Büßer vor der Tür stehen und um Aufnahme bitten. Dies sollte sich bis zur 3. Sitzung hinziehen. In der 2. Sitzung wurden die Briefe Papst Hadrians I. an die Kaiser und an Tarasios verlesen, in der 3. Sitzung die Synodika des Tarasios und ein Schreiben, das angeblich von den östlichen Patriarchen stammte, die unter islamischer Herrschaft standen. Die verlesenen Schreiben demonstrierten eine weltweite Einheit im Bekenntnis zu den Bildern.
Auch zu jener Zeit gab es die Vorstellung, dass ein Konzil eine Versammlung von Bischöfen ist, die eine Entscheidung fällen. Die Akten belehren eines anderen. Das Konzil wird von Bischöfen gebildet, die anscheinend Bilderfreunde sind. Die mutmaßlichen Bildergegner stehen vor der Tür. D. h. bevor überhaupt das Konzil begonnen hat, ist die Entscheidung gefallen und das Ergebnis vorweggenommen. Ein Blick hinter die Kulissen zeigt anderes. Die anwesenden Bischöfe wären nicht in ihr Amt gelangt, wenn sie nicht bei der Bischofsweihe ein Bekenntnis zur Orthodoxie abgelegt hätten, und es gibt eine Reihe von Hinweisen, dass dies schriftlich geschah. Dann aber haben sich alle, außer dem neu eingesetzten Patriarchen Tarasios, zur Ablehnung von Bildern bekannt, die offizielles Dogma war, und bislang war noch kein gegenteiliges Bekenntnis erfolgt. Wer aber waren dann die als Häretiker Verdächtigten vor der Tür? Es können zwei Gruppen unterschieden werden. Vier Bischöfe waren schon so lange im Amt, dass sie noch am Konzil von Hiereia teilgenommen hatten. Drei von ihnen wurden schnell rehabilitiert, nachdem sie wohl vorbereitete bilderfreundliche Erklärungen unterschrieben hatten, und wurden in die Teilnehmerliste aufgenommen. Sieben Bischöfe hatten im Vorjahr die Situation falsch eingeschätzt. Sie bekennen sich jetzt ebenfalls zu den Bildern. Am härtesten ist mit Gregorios von Neokaisareia verfahren worden, der zu den Veranstaltern von 754 gezählt wird. Aber auch er wurde schließlich rehabilitiert, durfte seinen Platz im Konzil einnehmen und sein Bistum behalten.
Auf die baldige Fortsetzung der Edition ist zu hoffen.