Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Juli/August/2010

Spalte:

811-812

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Flusser, David

Titel/Untertitel:

Judaism of the Second Temple Period. Vol. 2: The Jewish Sages and Their Literature. Transl. by A. Yadin.

Verlag:

Grand Rapids-Cambridge: Eerdmans; Jerusalem: The Hebrew University Magnes Press; Jerusalem: Jerusalem Perspective 2009. X, 380 S. gr.8°. Geb. US$ 42,00. ISBN 978-0-8028-2458-5.

Rezensent:

Michael Tilly

Der Sammelband enthält 26 Aufsätze des am 15. September 2000 verstor­benen jüdischen Religionswissenschaftlers David Flusser in eng­lischer Übersetzung. Themenschwerpunkte sind die Ge­schichte und Literatur des Judentums zur Zeit des Zweiten Tempels, die Verbindungslinien zwischen antikem Judentum und frühem Christentum sowie die frühe rabbinische Traditionsliteratur.
Der erste Beitrag (1–5) fragt nach den Gründen der Aufnahme des Danielbuches in die verbindlichen Sammlungen jüdischer heiliger Schriften. Es folgen eine ausführliche Darstellung der jüdischen Religionsgeschichte in der Zeit des Zweiten Tempels (6–43) und eine materialreiche Untersuchung zur zeitgenössisch-aktuellen und heilsgeschichtlich-futurischen Bedeutung Jerusalems in jüdischen Texten aus hellenistisch-römischer Zeit (44–75). F.s Untersuchung zur Wahrnehmung des Märtyrertodes der zelo­-tischen Verteidiger Masadas in spätantiken Texten (76–112) setzt durchweg die Historizität der von Josephus in Bell 7,252–406 geschilderten Ereignisse voraus. Ebenso wird in einem Aufsatz zur erneuten Einweihung des Jerusalemer Tempels durch die Makkabäerbrüder (113–136) die Authentie des in 2Makk 1,10–2,18 wie­­-dergegebenen Briefes an die ägyptischen Juden betont. Weitere Studien behandeln die Rezeption und Interpretation der Makkabäerbücher im mittelalterlichen Judentum (137–155), das Motiv der jüdischen Philanthropie in hellenistisch-jüdischen und rabbinischen Texten (156–161) und die Deutung von biblischen Hapax legomena wie האיגש (Ps 19,13) und ראכ (Ps 22,17) (162–171).
F. untersucht die Bezugnahmen auf den Dekalog im Neuen Testament (172–190), die Reflexe einer apotropäischen Deutung der Beschneidung in jüdischen und christlichen Texten (191–198) sowie Aspekte der Entstehung der Benediktion über die Tora (199–206). Die Gestalt Hillels d. Ä. im Spiegel der rabbinischen Tradition ist Thema eines gemeinsam mit Shmuel Safrai verfassten Beitrags (207–209); F. selbst fragt nach den Gründen der (generell moderaten) Ausrichtung der Lehren dieses bedeutenden Tannaiten (210–215). Ein kurzer Essay macht auf Verbindungslinien zwischen Philon aus Alexandria und Martin Buber aufmerksam (216–220). Ein weiterer Essay beleuchtet die Verbindungen zwischen der stoischen Popularphilosophie und der Charakterisierung der jüdischen Gruppierungen im Werk des Josephus (221–231). F. fragt sodann nach den Ursprüngen der halachisch relevanten Wendung ץרא ךרד (232–247), nach der frühchristlichen Inanspruchnahme zentraler Motive der jüdischen Martyriumsvorstellung (248–257) und nach der eigenständigen Deutung jüdischer Messiaserwartungen im Neuen Testament (258–288). Ein weiterer zusammen mit Shmuel Safrai verfasster Aufsatz beschäftigt sich mit der Deutung von Lev 10,1–3 bei Philon und bei den Rabbinen (289–296).
Von besonderem Interesse für die Erhellung der späten haggadischen Tradition ist F.s Übersetzung und Interpretation der Legende vom Zauberer Virgil in einer spätmittelalterlichen hebräischen Handschrift aus der Bodleian Library in Oxford (297–304). Einem Beitrag zur Ätiologie des Monatsnamens סירבונײ in y AZ 39c (305–308) folgt eine Betrachtung der antijüdischen Polemik in der paganen hellenistisch-römischen Literatur (309–330). Diskutiert werden weiterhin das Verhältnis zwischen hellenistischer Kultur und jüdischer Tradition in der Verkündigung Jesu aus Nazareth (331–342), die Bedeutung der Hohenpriesterlisten im Seder ha-Kabbala und im Seder Olam Rabba (343–348) und die Möglichkeit einer Beziehung zwischen dem Toponym Γεννησάρ und der Hasmonäerherrschaft über Galiläa (349–350). Im letzten Beitrag verleiht F. der These Ausdruck, das Matthäusevangelium in seiner vorliegenden Endgestalt enthalte deutliche Hinweise auf eine dezidiert antijüdische Überarbeitung seiner ursprünglichen Textform (351–353). Beigegeben sind ausführliche Register der Namen (354–359), Sachen (360–364) und Stellen (365–380).
Es ist sehr zu begrüßen, dass die in dem Buch enthaltenen wichtigen Arbeiten F.s nun gesammelt und in englischer Sprache vorliegen. Unverständlich ist hingegen, dass durchweg keine Angaben über die ursprünglichen Veröffentlichungsorte der Aufsätze ge­macht werden. Der sorgfältig edierte und ebenso präzise wie flüssig übersetzte Sammelband enthält zahlreiche interessante philologische und religionsgeschichtliche Informationen und Impulse, die seine Lektüre zu einem Gewinn machen.