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Ausgabe:

Januar/1997

Spalte:

92–94

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Haile, Getatchew

Titel/Untertitel:

The Mariology of Emperor. Zär’a Yacqob of Ethiopia. Texts and Translations.

Verlag:

Roma: Pontificium Institutum Studiorum Orientalium 1992. XII, 210 S. gr.8° = Orientalia Christiana Analecta, 242. ISBN 88-7210-292-8.

Rezensent:

C. Detlef G. Müller

Äthiopien ist seit jeher für seine Verehrung der Jungfrau Maria bekannt. Daher war es ein glücklicher Gedanke, die Mariologie des Kaisers Zär’a Yacqob (= Sproß Jakobs; 1434-1468) herauszuarbeiten ­ eines Kaisers, der sich in besonderem Maße der Theologie und der kirchlichen Sitte annahm. Er verkörpert geradezu das Idealbild des äthiopischen Herrschers als Kirchenoberhaupt.

Das Buch ist so eingerichtet, daß auf ein Literatur- und Abkürzungsverzeichnis eine allgemeine Einleitung folgt. Nach kurzen Hinweisen auf die äthiopische Tradition wird der Kaiser ­ dem Gelübde seiner Mutter folgend ­ als der Einführer des Marienkultes in Äthiopien vorgestellt, der jährliche und monatliche Feste zu Ehren der Jungfrau festlegte und sie wie den Sonntag beachtet wissen wollte. Wunder Mariens wurden überall gesammelt, in das Äthiopische übersetzt und gegen den Widerstand theologischer und geistlicher Autoritäten in der Kirche verlesen. Man machte durchaus Front gegen einen übertriebenen Marienkult. Doch der Kaiser wies in allen seinen Werken auf die Wichtigkeit der Marienverehrung hin und fügte entsprechende Ab-schnitte ein. Bis auf den heutigen Tag spielen Arbeiten, die diesen Kaiser als Verfasser haben, eine Rolle im kirchlichen Leben Äthiopiens.

Getatchew Haile bietet dann in englischer Übersetzung drei Geschichten, die möglicherweise der Kaiser und sein Klerus zu Ehren der Jungfrau verfaßten. Sie gehören noch heute zu den täglich gelesenen Texten in den Kirchen und Klöstern. Sie zeigen die überschwengliche Marienverehrung der Äthiopier. Schon Adam und Eva als Ahnen wurden um ihretwillen geschaffen. Sie gilt als reiner als die Engel. Sie kennt nicht nur den Himmel, sondern auch die äußerste Finsternis und weiß, was die Sünder erwartet. Ihren Sohn bittet sie inständig um die Erfüllung ihres Herzenswunsches, die Rettung der Verdammten. Schon der aus dem Paradiese vertriebene Adam wird getröstet, wenn der Heiland ihn darauf hinweist, daß Er von seiner Tochter geboren werden werde. Eine Geschichte illustriert ihre Hilfe, die selbst einem Menschenfresser zuteil wird. Die Geschichte von dem reichen Bankrotteur und dem Satan illustriert besonders deutlich die Bedeutung der Gottesmutter für Äthiopien. Der Satan hilft unter der Bedingung, daß er Christo, den Cherubim und Seraphim, Taufe und Christentum, sowie der Heiligen Jungfrau Maria abschwöre. Er ist zu allem bereit, nur Maria kann und will er nicht verleugnen.

Nach dieser, die äthiopische Marienverehrung verdeutlichenden Einleitung folgen die Texteditionen: Zunächst eine Homilie zu Ehren des Erzengels Gabriel für den 19. Tahsas, an dem der Verkündigung an Maria gedacht wird. Der Kaiser Zär’a Yacqob sucht auch auf diese Weise die Marienverehrung zu fördern. Eine ausführliche Einleitung analysiert den Text. H. sieht seine Bedeutung nicht in dem, was über den Erzengel ausgesagt wird, sondern in der theologischen Ansicht über die Jungfrau und Inkarnation des Wortes Gottes durch sie. Damit sie ihr Heilswerk durchführen kann, wurde sie schon im Mutterleibe gereinigt, um unbefleckt geboren zu werden. Der Erzengel wird als "Bringer guter Botschaft" bezeichnet ­ ein Ehrentitel, den ihm bereits die Ägypter gaben.

Die Verkündigungsszene wird in englischer Übersetzung nach allen dem Vf. bekannten äthiopischen Texten entsprechenden Inhalts geboten. Erst dann folgt die Homilie Äthiopisch und Englisch in synoptischer Anordnung. Ein kritischer Apparat, die benutzten Handschriften betreffend, begleitet den äthiopischen Text; kurze Erläuterungen und Hinweise auf Bibelstellen die englische Übersetzung. Das Opus wird zu Beginn als Dersan gekennzeichnet. Als Homilie im eigentlichen Sinne wird man es kaum be-zeichnen können, eher als Traktat oder erbauliche Betrachtung, was August Dillmann in seinem äthiopischen Lexikon als weitere Übersetzungsmöglichkeiten verzeichnet. Die rhetorische Form der Homilie fehlt dem Text vollständig, der sich auch jedweder Verfasserangabe enthält. In der Tat ist er in erster Linie dem Wirken Gabriels als Freudenbringer und damit theologischen Fragen gewidmet ­ angefangen von Adam und Eva bis hin zu der Inkarnation des Heilandes. Auch Daniel erklärte er den Sinn seiner Visionen. Henoch wird weiter zitiert. Gabriel wurde auch zu Joseph und Ni-kodemus gesandt und übergab Claudius das Schwert. Das Wunder in der Kirche von Gabal an-Naqlu-n (Fajjum) wird zitiert. Gabriel stärkt den Märtyrer Abba Akawh.

Ein Schlußteil weist auf die Verehrung Gabriels hin, wobei der Vf. sich als Sünder bezeichnet. Zwei Manuskripte nennen eine Zäkkaryas als Vf., zwei sind ohne Namen. In Übersetzung wird noch ein Kolophon für das Gesamtmanuskript geboten. Ob der Kaiser alles schrieb oder von dem genannten Zacharias schreiben ließ, bleibt unklar. Leider geht der Editor den Quellen nicht nach. Warum werden eine ägyptische Kirche und ihr Marienwunder erwähnt? Sind koptische Quellen (in arabischer Übersetzung) benutzt? Auch der naheliegende Vergleich mit der nach Stil und Form bereits besser erschlossenen koptischen Homiletik fehlt völlig. Sonst hätte der Editor sicher nicht die Bezeichnung "Homilie" gewählt, wie oben dargelegt wurde.

Als zweiter Text wird eigentlich eine Gruppe von Texten geboten, die Maria betreffen und jeweils einleitend als Offenbarung eines Wunders (nämlich Mariens) bezeichnet werden, die Johannes, dem Donnersohn zuteil wurden. Es handelt sich um vier Traktate, die abwechselnd vor den Marienwundern gelesen wurden. Es geht um die Reinheit der Jungfräulichkeit Mariens, die der Hg. mit den Ausführungen über die Göttlichkeit Jesu im Johannesevangelium vergleicht: Jesus als Heiland ­ Maria als reine Jungfrau. Schriftworte über den Heiland werden ohne weiteres auf Maria übertragen. Der erste Traktat schildert Maria als Jungfrau im Geist und Leibe. Der zweite geht auf die 81 kanonischen Schriften der äthiopischen Kirche ein und zeigt ihr einheitliches Zeugnis gegen Kritiker der Zeit. Maria kann über-all gefunden werden. Der kurze dritte Traktat behandelt die Barmherzigkeit, auch im Namen Marias. Doch der Glaube an ihren Sohn macht gerecht ohne gute Taten, wozu der Editor die lutherische Auffassung als gleich heranzieht. Der letzte Traktat geht auf die christliche Taufe ein. Die Zuschreibung des Textes an einen der Evangelisten, nämlich Johannes, nimmt der Editor als Kampf gegen die Ablehnung der Lesung mancher Wunder in Kirchen und Klöstern ­ kurzum gegen die Kleriker, die die extreme Marienverehrung des Kaisers Zär’a Yacqob für übertrieben hielten. Interessant ist auch die Frage der Lebensmittel und Getränke für die Presbyter. Offenbar zögerten arme Fami-lien die Taufe ihrer Kinder unendlich hinaus, da sie die Gaben nicht aufbringen konnten. Eine Däggä Sälam (Amharisch) ist stets in der Nähe einer Kirche, damit die Kleriker in dieser Halle nach dem Gottesdienst tafeln konnten. Zwar erwähnt der Editor den damaligen Reichtum der Kirche in Äthiopien, fragt sich aber nicht, ob der einfache Kleriker daran partizipierte.

Er dürfte eine eher bescheidene Existenz gelebt haben und durchaus auf die Versorgung durch die Gläubigen angewiesen gewesen sein. Die Autorschaft des Kaisers kann der Editor für diese vier Traktate auch nur "most probably" machen. Er rechnet ohnedies mit Gelehrten, die unter der Leitung des Kaisers und für diesen arbeiteten. Sein Hauptargument ist immer wieder die extreme Marienverehrung des Kaisers, die er so keinem anderen zutraut. Auf sicherem Boden steht er nur in dem Falle des zweiten Traktats, der sich stark auf des Kaisers Buch Mshäfä Berhan (Buch des Lichts) stützt, insbesondere bezüglich der 10 Gebote und des Leibes der gesegneten Jungfrau. Von daher meint H., das "there is little doubt that the author of these tracts (Plural) is Zär’a Yacqob".

Beigegeben sind noch neun Wunder Mariens (äthiopischer Text mit englischer Übersetzung und kurzer Einleitung). Die Texte sind unter Kaiser Lebnä Dengel (Weihrauch der Jungfrau; 1508-1540) kopiert worden. Sie gehen deutlich auf die Zeit des Kaisers Zär’a Yacqob (1434-1468) zurück, wie zeitgenössische Anspielungen zeigen. Die Wunder der Eucharistie und der Marienfeiertage können an seinem Hofe aufgezeichnet worden sein. Bemerkenswert ist, daß der Heilige Georg von Lydda auf einem weißen Pferde als ihr ständiger Begleiter vorgestellt wird.

Vier Tafeln mit Bildern der Gottesmutter bereichern das Buch. Ein Index der Schriftzitate und ein allgemeiner Index runden das gelungene Werk ab. Auf jeden Fall wird man H. für die sorgfältige Editionsarbeit dankbar sein, die uns wieder ein wichtiges Stück äthiopischer Literatur zugänglich gemacht und sorgfältig erschlossen hat. Bedauern wird man, daß die ägyptische Literatur überhaupt nicht herangezogen wurde, um Abhängigkeiten zu konstatieren und näher zu beleuchten. Als sichere Werke des Kaisers Zär’a Yacqob konnte er freilich nicht alle Texte zeigen. Seine Beweise sind von unterschiedlicher Kraft und lassen Raum für weitere Studien und Analysen, für die sie einen Anreiz bieten mögen. Haile, Getatchew: The Mariology of Emperor. Zär’a Yacqob of Ethiopia. Texts and Translations. Roma: Pontificium Institutum Studiorum Orientalium 1992. XII, 210 S. gr.8° = Orientalia Christiana Analecta, 242. ISBN 88-7210-292-8. Äthiopien ist seit jeher für seine Verehrung der Jungfrau Maria bekannt. Daher war es ein glücklicher Gedanke, die Mariologie des Kaisers Zär’a Yacqob (= Sproß Jakobs; 1434-1468) herauszuarbeiten ­ eines Kaisers, der sich in besonderem Maße der Theologie und der kirchlichen Sitte annahm. Er verkörpert geradezu das Idealbild des äthiopischen Herrschers als Kirchenoberhaupt.

Das Buch ist so eingerichtet, daß auf ein Literatur- und Abkürzungsverzeichnis eine allgemeine Einleitung folgt. Nach kurzen Hinweisen auf die äthiopische Tradition wird der Kaiser ­ dem Gelübde seiner Mutter folgend ­ als der Einführer des Marienkultes in Äthiopien vorgestellt, der jährliche und monatliche Feste zu Ehren der Jungfrau festlegte und sie wie den Sonntag beachtet wissen wollte. Wunder Mariens wurden überall gesammelt, in das Äthiopische übersetzt und gegen den Widerstand theologischer und geistlicher Autoritäten in der Kirche verlesen. Man machte durchaus Front gegen einen übertriebenen Marienkult. Doch der Kaiser wies in allen seinen Werken auf die Wichtigkeit der Marienverehrung hin und fügte entsprechende Ab-schnitte ein. Bis auf den heutigen Tag spielen Arbeiten, die diesen Kaiser als Verfasser haben, eine Rolle im kirchlichen Leben Äthiopiens.

Getatchew Haile bietet dann in englischer Übersetzung drei Geschichten, die möglicherweise der Kaiser und sein Klerus zu Ehren der Jungfrau verfaßten. Sie gehören noch heute zu den täglich gelesenen Texten in den Kirchen und Klöstern. Sie zeigen die überschwengliche Marienverehrung der Äthiopier. Schon Adam und Eva als Ahnen wurden um ihretwillen geschaffen. Sie gilt als reiner als die Engel. Sie kennt nicht nur den Himmel, sondern auch die äußerste Finsternis und weiß, was die Sünder erwartet. Ihren Sohn bittet sie inständig um die Erfüllung ihres Herzenswunsches, die Rettung der Verdammten. Schon der aus dem Paradiese vertriebene Adam wird getröstet, wenn der Heiland ihn darauf hinweist, daß Er von seiner Tochter geboren werden werde. Eine Geschichte illustriert ihre Hilfe, die selbst einem Menschenfresser zuteil wird. Die Geschichte von dem reichen Bankrotteur und dem Satan illustriert besonders deutlich die Bedeutung der Gottesmutter für Äthiopien. Der Satan hilft unter der Bedingung, daß er Christo, den Cherubim und Seraphim, Taufe und Christentum, sowie der Heiligen Jungfrau Maria abschwöre. Er ist zu allem bereit, nur Maria kann und will er nicht verleugnen.

Nach dieser, die äthiopische Marienverehrung verdeutlichenden Einleitung folgen die Texteditionen: Zunächst eine Homilie zu Ehren des Erzengels Gabriel für den 19. Tahsas, an dem der Verkündigung an Maria gedacht wird. Der Kaiser Zär’a Yacqob sucht auch auf diese Weise die Marienverehrung zu fördern. Eine ausführliche Einleitung analysiert den Text. H. sieht seine Bedeutung nicht in dem, was über den Erzengel ausgesagt wird, sondern in der theologischen Ansicht über die Jungfrau und Inkarnation des Wortes Gottes durch sie. Damit sie ihr Heilswerk durchführen kann, wurde sie schon im Mutterleibe gereinigt, um unbefleckt geboren zu werden. Der Erzengel wird als "Bringer guter Botschaft" bezeichnet ­ ein Ehrentitel, den ihm bereits die Ägypter gaben.

Die Verkündigungsszene wird in englischer Übersetzung nach allen dem Vf. bekannten äthiopischen Texten entsprechenden Inhalts geboten. Erst dann folgt die Homilie Äthiopisch und Englisch in synoptischer Anordnung. Ein kritischer Apparat, die benutzten Handschriften betreffend, begleitet den äthiopischen Text; kurze Erläuterungen und Hinweise auf Bibelstellen die englische Übersetzung. Das Opus wird zu Beginn als Dersan gekennzeichnet. Als Homilie im eigentlichen Sinne wird man es kaum be-zeichnen können, eher als Traktat oder erbauliche Betrachtung, was August Dillmann in seinem äthiopischen Lexikon als weitere Übersetzungsmöglichkeiten verzeichnet. Die rhetorische Form der Homilie fehlt dem Text vollständig, der sich auch jedweder Verfasserangabe enthält. In der Tat ist er in erster Linie dem Wirken Gabriels als Freudenbringer und damit theologischen Fragen gewidmet ­ angefangen von Adam und Eva bis hin zu der Inkarnation des Heilandes. Auch Daniel erklärte er den Sinn seiner Visionen. Henoch wird weiter zitiert. Gabriel wurde auch zu Joseph und Ni-kodemus gesandt und übergab Claudius das Schwert. Das Wunder in der Kirche von Gabal an-Naqlu-n (Fajjum) wird zitiert. Gabriel stärkt den Märtyrer Abba Akawh.

Ein Schlußteil weist auf die Verehrung Gabriels hin, wobei der Vf. sich als Sünder bezeichnet. Zwei Manuskripte nennen eine Zäkkaryas als Vf., zwei sind ohne Namen. In Übersetzung wird noch ein Kolophon für das Gesamtmanuskript geboten. Ob der Kaiser alles schrieb oder von dem genannten Zacharias schreiben ließ, bleibt unklar. Leider geht der Editor den Quellen nicht nach. Warum werden eine ägyptische Kirche und ihr Marienwunder erwähnt? Sind koptische Quellen (in arabischer Übersetzung) benutzt? Auch der naheliegende Vergleich mit der nach Stil und Form bereits besser erschlossenen koptischen Homiletik fehlt völlig. Sonst hätte der Editor sicher nicht die Bezeichnung "Homilie" gewählt, wie oben dargelegt wurde.

Als zweiter Text wird eigentlich eine Gruppe von Texten geboten, die Maria betreffen und jeweils einleitend als Offenbarung eines Wunders (nämlich Mariens) bezeichnet werden, die Johannes, dem Donnersohn zuteil wurden. Es handelt sich um vier Traktate, die abwechselnd vor den Marienwundern gelesen wurden. Es geht um die Reinheit der Jungfräulichkeit Mariens, die der Hg. mit den Ausführungen über die Göttlichkeit Jesu im Johannesevangelium vergleicht: Jesus als Heiland ­ Maria als reine Jungfrau. Schriftworte über den Heiland werden ohne weiteres auf Maria übertragen. Der erste Traktat schildert Maria als Jungfrau im Geist und Leibe. Der zweite geht auf die 81 kanonischen Schriften der äthiopischen Kirche ein und zeigt ihr einheitliches Zeugnis gegen Kritiker der Zeit. Maria kann über-all gefunden werden. Der kurze dritte Traktat behandelt die Barmherzigkeit, auch im Namen Marias. Doch der Glaube an ihren Sohn macht gerecht ohne gute Taten, wozu der Editor die lutherische Auffassung als gleich heranzieht. Der letzte Traktat geht auf die christliche Taufe ein. Die Zuschreibung des Textes an einen der Evangelisten, nämlich Johannes, nimmt der Editor als Kampf gegen die Ablehnung der Lesung mancher Wunder in Kirchen und Klöstern ­ kurzum gegen die Kleriker, die die extreme Marienverehrung des Kaisers Zär’a Yacqob für übertrieben hielten. Interessant ist auch die Frage der Lebensmittel und Getränke für die Presbyter. Offenbar zögerten arme Fami-lien die Taufe ihrer Kinder unendlich hinaus, da sie die Gaben nicht aufbringen konnten. Eine Däggä Sälam (Amharisch) ist stets in der Nähe einer Kirche, damit die Kleriker in dieser Halle nach dem Gottesdienst tafeln konnten. Zwar erwähnt der Editor den damaligen Reichtum der Kirche in Äthiopien, fragt sich aber nicht, ob der einfache Kleriker daran partizipierte.

Er dürfte eine eher bescheidene Existenz gelebt haben und durchaus auf die Versorgung durch die Gläubigen angewiesen gewesen sein. Die Autorschaft des Kaisers kann der Editor für diese vier Traktate auch nur "most probably" machen. Er rechnet ohnedies mit Gelehrten, die unter der Leitung des Kaisers und für diesen arbeiteten. Sein Hauptargument ist immer wieder die extreme Marienverehrung des Kaisers, die er so keinem anderen zutraut. Auf sicherem Boden steht er nur in dem Falle des zweiten Traktats, der sich stark auf des Kaisers Buch Mshäfä Berhan (Buch des Lichts) stützt, insbesondere bezüglich der 10 Gebote und des Leibes der gesegneten Jungfrau. Von daher meint H., das "there is little doubt that the author of these tracts (Plural) is Zär’a Yacqob".

Beigegeben sind noch neun Wunder Mariens (äthiopischer Text mit englischer Übersetzung und kurzer Einleitung). Die Texte sind unter Kaiser Lebnä Dengel (Weihrauch der Jungfrau; 1508-1540) kopiert worden. Sie gehen deutlich auf die Zeit des Kaisers Zär’a Yacqob (1434-1468) zurück, wie zeitgenössische Anspielungen zeigen. Die Wunder der Eucharistie und der Marienfeiertage können an seinem Hofe aufgezeichnet worden sein. Bemerkenswert ist, daß der Heilige Georg von Lydda auf einem weißen Pferde als ihr ständiger Begleiter vorgestellt wird.

Vier Tafeln mit Bildern der Gottesmutter bereichern das Buch. Ein Index der Schriftzitate und ein allgemeiner Index runden das gelungene Werk ab. Auf jeden Fall wird man H. für die sorgfältige Editionsarbeit dankbar sein, die uns wieder ein wichtiges Stück äthiopischer Literatur zugänglich gemacht und sorgfältig erschlossen hat. Bedauern wird man, daß die ägyptische Literatur überhaupt nicht herangezogen wurde, um Abhängigkeiten zu konstatieren und näher zu beleuchten. Als sichere Werke des Kaisers Zär’a Yacqob konnte er freilich nicht alle Texte zeigen. Seine Beweise sind von unterschiedlicher Kraft und lassen Raum für weitere Studien und Analysen, für die sie einen Anreiz bieten mögen.