Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Dezember/2009

Spalte:

1289–1302

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Eberhard Hauschildt

Titel/Untertitel:

Mission und Werbung – eine Bisoziation

1. Zum Begriff der Mission



Bekanntlich ist im letzten Jahrzehnt das Stichwort Mission in der innerkirchlichen Debatte verstärkt wieder aufgenommen worden.1 Daran zeigt sich, dass es ein neues, ein weiter als in den Jahrzehnten davor verbreitetes innerkirchliches Interesse für Mission gibt. Der Verlauf der Debatte macht auch deutlich, dass der Begriff in sehr verschiedener Weise verwendet wird und seine terminologische Unschärfe nicht nur viele einlädt, sich gemeinsam unter dem Dach zu versammeln, sondern auch Missverständnisse pro duziert.2 Wenn die Bedeutungsgehalte des Begriffs so weit aus einanderliegen, dass sie von den an einer Kommunikation über Mission Beteiligten nicht gegenseitig erschlossen werden können, sinkt sein Nutzen beträchtlich. Die folgenden Überlegungen verstehen sich als Begriffsarbeit. Sie spielen durch, welcher Erkenntnisgewinn, Beschreibungsfortschritt und kriterienbildender Ertrag sich ergeben, wenn man Mission im Sinne einer Bisoziation mit dem Begriff der Werbung verknüpft. Unter Werbung sei dabei Folgendes verstanden: »Werbung ist ein geplanter Kommunikationsprozess und will gezielt Wissen, Meinungen, Einstellungen und/oder Verhalten über und zu Produkten, Dienstleistungen, Unternehmen, Marken oder Ideen beeinflussen. «3
Meines Erachtens ist es hilfreich, einen sektoralen, einen dimensionalen und einen fundamentalen Begriff von Mission zu unterscheiden, und dabei darauf zu achten, welche Formen der Kommunikation dabei im Blick sind.4
Der sektorale Missionsbegriff versteht Mission als eine spezifische Weise christlicher Kommunikation, die sich von anderen gängigen Formen christlicher Kommunikation unterscheidet. Während in der Verkündigung der Inhaltsaspekt im Vordergrund steht, in der Liturgie der Aspekt der Selbstkundgabe und in der Seelsorge der der Beziehung, geht es in der Mission darum, eine Veränderung von Einstellungen und/oder Verhalten beim Gegenüber zu erzielen. Damit tritt der Appellaspekt der Kommunikation in den Vordergrund.5 Aus Nicht-Christen sollen Christen werden, aus Nicht-Kirchenmitgliedern Kirchenmitglieder, aus Lauen Brennende, aus Unsicheren und Unbefähigten Sichere und Befähigte. Das mag plötzlich und radikal geschehen (Modell: Bekehrung) oder eben doch auch in vielen kleinen Schritten (Modell: Wachstum) oder immer wieder (Modell: tägliche Buße).
Der dimensionale Missionsbegriff trägt der Erfahrung Rechnung, dass Kommunikationen Unschärfen haben. Es mag ein be stimmter Kommunikationstyp in einer Situation dominieren; das schließt aber nicht aus, dass andere Dimensionen mitlaufen. Jede christliche Kommunikation, wenn sie gelingt, lässt nicht nur alles beim Alten, sondern ändert zum Christlichen hin. Gute Seelsorge, gute Verkündigung, gute Liturgie usw. haben werbende Nebeneffekte. Insofern ist alles christliche Handeln letztlich auch missionarisch. Aber eine solche Ausweitung des Missionsbegriffs wird unbestreitbar und darum auch nichtssagend. Aus den gedanklichen Plattitüden wird man jedoch dann geweckt, wenn man den sektoralen Begriff wieder ins Spiel bringt. Vertragen sich missionarische Kommunikationsepisoden im Sinne des sektoralen Begriffs von Mission mit dem dominierenden Kommunikationstyp einer Situation? Konkret: Wann vertiefen und wann stören missionarische Episoden dezidiert missionarischer Kommunikation den Gottesdienst und die Liturgie, den Unterricht, die Seelsorge, die Diakonie? Und umgekehrt: Wann verunklaren und wann bestärken Episoden liturgischer, seelsorglicher, diakonischer Kommunikation das missionarische Handeln?
Der fundamentale Begriff von Mission ist identisch mit dem der Kommunikation des Evangeliums, der Wahrheitsfindung im Dialog. Hier wäre dann zu bedenken, wie in kommunikativen Prozessen Glaube entsteht. Glaube ist ja eben nicht mit diesen Prozessen zu identifizieren, nicht deren einfaches Resultat, sondern – christlichem Selbstverständnis nach – ein Wirken Gottes durch den Heiligen Geist. Christlichem und gerade evangelischem Verst ändnis nach ist dies ein Geschehen, das – so sehr es gerade nicht menschengemacht ist – dennoch immer kommunikativ am Menschen ge schieht ( solo verbo), und zwar auf der Basis verbaler Präzisierungen (Gottes Wort in der Heiligen Schrift – sola scriptura) und damit im Schauen und Hören auf Jesus Christus (solus Christus).
Kommunikationstypen haben ihre spezifischen Risiken. Das gilt z. B. für den religiösen Monolog (Predigt) ebenso wie für die rituelle Kommunikation (Liturgie); erzieherische oder helfende Beziehungen (Katechese, Seelsorge, Diakonie) sind immer auch offen für deformierenden Missbrauch. Nicht anders verhält es sich bei der Mission. Mission und »missionarisch« ist nicht an sich gut (und auch nicht »an sich« schlecht, nur weil es eine Geschichte kolonialistischer und antimoderner Mission gibt).6 Bezeichnet man Mission als Werbung, so legt dies die Ambivalenz von Mission offen, w ährend harmlosere Benennungen (»Einladung« aussprechen, »Angebote« machen, zum Glauben locken usw.) natürlich sofort Einverständnis erzielen können, aber das Prekäre des Tuns nicht mitausdrücken. Werbung kann leicht scheitern, weil sie ihr Ziel nicht erreicht, und kann leicht schon als Kommunikationsvorgang misslingen, wenn sie vom Gegen über gar nicht erst wahrgenommen wird oder das Ansinnen, sich werben zu lassen, abgelehnt wird. Erkenntnisse aus der Werbeforschung und Konzeptionen zur Werbung bieten eine interessante Möglichkeit, um zu prüfen, was denn Mission kann und soll und mit welchen Problemen sie zu tun hat. Das alles dient dazu herauszuarbeiten, was bei den vielen Ge ­meinsamkeiten sie nun gerade von sonstiger Werbung grundlegend unterscheidet.


2. Missionarische Ziele



Wofür wird geworben, worauf zielt Mission? Es gibt da sehr viele denkbare Ziele. Ihr gemeinsamer Nenner: Es geht um eine Einstellungs änderung – Menschen sollen glauben, sich als Christen erfahren, sie sollen so gerettet werden und selig werden. Aber wenn auch eine Verhaltens änderung angestrebt wird, dann unterscheiden sich die Ziele doch beträchtlich: Sie sollen aus Heiden zu Christen werden durch Bekehrung und Taufe, sie sollen Kirchenmitglieder werden, sie sollen sich stärker am Gemeindeleben beteiligen, sie sollen eine ganz bestimmte Veranstaltung besuchen.
Wie verhalten sich diese Ziele zueinander? Die Einstellungsänderung ist ein Prozess, der jeden Tag neu angebracht ist, wenn man der christlichen Anthropologie des simul iustus et peccator folgt. Allenfalls gibt es hier graduelle Unterschiede, dass manche st ärker, anderer weniger stark der Änderung ihrer Einstellung hin zum Glauben bedürfen, dass manche mehr der Werbung dazu von außen bedürfen, andere weniger. Aber die Unsicherheiten, was hier mehr und weniger sei und wer mehr und wer weniger der Werbung bed ürfe, sind berechtigterweise sehr groß.
In der kommerziellen Werbewirtschaft wird auf Einstellungsveränderungen gezielt, weil und insofern sie den Grund dafür legen, dass bestimmtes Verhalten, letztlich der Kauf einer Ware, erfolgt. Bei der Mission liegt der Sachverhalt eher umgekehrt: Die angezielte Verhaltens änderung ist darum anzustreben, weil und insofern sie eine Einstellungsänderung zeigt. Verhaltensänderungen wie der Besuch einer Veranstaltung, aktivere Teilnahme am kirchlichen Leben usw. sind dann instrumentelle Ziele. Sie sind berechtigt nur insofern, als Derartiges erwartbar dazu helfen kann (aber nicht muss), Glauben zu fördern. Anders verhält es sich bei der Taufe: Sie zeigt nicht einfach nur an, dass da Glaube ist (und sei es derjenige derer, die ihr Kind zur Taufe bringen), sondern in ihr wird Gottes Beteiligung fassbar, seine Zusage sichtbar und körperlich fühlbar im sakramentalen Akt. Insofern stellt die Taufe ein eigenständiges Ziel dar, dem nur eben Glaube vorausgeht.
Das Interesse der Kirchen in Deutschland an Mission steht auch im Zusammenhang der Wahrnehmung dessen, dass die Kirchenmitgliederzahlen abnehmen. Manchmal wird diese Verbindung ausdr ücklich gezogen, manchmal auch vehement abgelehnt. Wei terführender ist zu fragen, wie genau sich denn das Ziel, Kirchenmitglieder zu gewinnen, zu dem der Mission im Sinne von Bekehrung und Ähnlichem verhält. Es gibt hier die Versuchung, das Einstellungsziel und das Ziel des Organisationserhalts gleichzusetzen. Als ob Wachstum an Mitgliedern identisch w äre mit Gewinn an Glauben. Das eigentliche Movens könnte dabei dann nichts anderes als der Wunsch nach Selbsterhalt und Stärkung des »eigenen Ladens« sein. Aber umgekehrt ist es auch nicht berechtigt, hier keinerlei Verknüpfungen vorzunehmen. Denn Glaube ist darauf an gewiesen, dass es auch Organisationen gibt, die diesen be wahren und kultivieren. Auf Dauer und im Großen und Ganzen kommt Glaube nicht ohne Kirche aus. Darum ist Selbsterhalt – nicht unbedingt der eigenen Pfarrstelle, des eigenen Kirchturms, des eigenen Kirchenkreises, der eigenen Landeskirche, aber sehr wohl der Erhalt evangelischer Kirche vor Ort, in der Stadt, im Land und auf dem Globus – ein berechtigtes Ziel von Mission.
Bei der Mission sind die Ziele der Werbung für den Glauben und der Werbung für Kirche also zu unterscheiden und aufeinander zu beziehen. Ziel 1: Den Glauben als Glauben angemessen darstellen lässt sich nur, wenn man ihn nicht mit der Kirche identifiziert, aber doch deutlich macht, welche Bedeutung eine Kirche f ür die Förderung des Glaubens spielt. Ziel 2: Kirche darf ruhig auch für sich als Organisation, für deren Produkte und Leistungen (Ange bote, Veranstaltungen) werben, und zwar so, dass einerseits spezifische Produktleistungen benannt sind, andererseits auch deutlich ist, dass sich hier besonders hilfreiche Möglichkeiten finden, sich auf Gott einzulassen.


3. Werbung für Gott?


Zwischen Image- und Produktwerbung

Die meisten Werbekampagnen werben für ein konkretes Produkt: einen Gegenstand, den es zu kaufen gibt. Im Non-Profit-Bereich werben Organisationen auch um Spenden und Sponsoring, für Veranstaltungen, zum Beitritt.7 Auch bei der Kirche lässt sich für Derartiges werben.
Eine Produktwerbung, die Mitte der 90er Jahre zu einem reißendem Absatz führte, war die Werbung für das neue Evangelische Gesangbuch in Bayern (das bekanntlich anders als die der Landeskirchen im Norden farblich durchgestaltet und mit Graphiken versehen ist). Binnen Kurzem waren die ersten Exemplare ausverkauft und das Hauptproblem bestand darin, nun nachliefern zu können, als die Nachfrage nach oben schnellte. Das Beispiel zeigt, wie sinnvoll eine klare Fokussierung kirchlicher Werbung auf ein bestimmtes Produkt ist. Hier ließ sich einleuchtend machen, dass es neu ist, darstellen, was man mit ihm machen kann, und es zeigte die Kirche als eine, die die Frömmigkeitspraxis von Einzelnen und Gruppen unterstützt.
Häufiger bei Non-Profit-Organisationen ist die Werbung für nicht-materielle Anliegen. Die Währung, die dann der Umworbene einsetzen soll, ist dabei sehr oft die der Zeit: »Gib von deiner Zeit ab und komme zu einer Veranstaltung; beteilige dich in unserem Verein.« Dann stellt sich die Frage, worin der Gegenwert für die eingesetzte Zeit besteht. Werbung kann darauf verweisen, dass es Spaß bringt, dass man hier Freunde und Gemeinschaft finden kann. Oder – auch dies ein selbstbezüglicher Gegenwert: dass man so sein Gewissen beruhigt.
Werbung hat es aber auch mit Überzeugungen zu tun. Schon wenn man für bestimmte Produkte wirbt, ist man davon abhängig, dass die Beworbenen auch Überzeugungen teilen. Wer Plastikprodukte vertreibt, muss ggf. Vorbehalte gegen Plastik abbauen, wer teurer ist als die Konkurrenten, das Interesse für Qualität wecken. Darum verbreitet selbst die kommerzielle Werbung oft zugleich auch Botschaften, die die Einstellung verändern sollen: Plastik kann elegant sein, Qualität zahlt sich auf Dauer aus usw. Bei Non-Profit-Organisationen ist die Botschaft der Zweck der Organisation. Sie soll verbreitet werden. Darum werden die Umworbenen um ihr Geld oder ihre Zeit gebeten. So manche Werbung, auch bei der Kirche, gerät in einen Selbstwiderspruch zur altruistischen Botschaft, wenn man bei den angestrebten Verhaltens änderungen und Einstellungsänderungen nur darstellt, welche Vorteile für die Einzelnen daraus entstehen. Freilich zu fordern, für altruistische Überzeugungen müsse man allein mit altruistischen Motiven werben, übertreibt. Für den Glauben wurde schon immer auch mit dem Motiv geworben, für das eigene Seelenheil zu sorgen. Aber das ist ambivalent. Passend zur Botschaft des Glaubens an Jesus Chris tus ist die Kombination aus egoistischen und altruistischen Motiven. Und in der Praxis gehen sie auch meist ineinander über, beim Helfen, bei der Gemeinschaft mit anderen, beim Glauben. Und auch das Liebesgebot selbst bezieht beides aufeinander: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.
Verhalten und Überzeugung sind sozial eingebunden. Welcher Klang, welches Ansehen sich mit der Organisation verbindet, die wirbt, oder den Vorstellungen, Namen usw., die bei der Werbung benutzt werden, spielt eine ma ßgebliche Rolle dabei, wie wahrscheinlich eine Übernahme der Verhaltensmuster und Einstellungen ist. Darum steht in der Werbewirtschaft neben der Produktwerbung auch die Imagewerbung. Es gibt Kampagnen, deren Ziel allein darin besteht, das Image des Unternehmens zu verbessern.
Der evangelischen Kirche täte eine Imageverbesserung durchaus gut.8 Allerdings: Es ist einfacher, das Image passend zu den Er wartungen einer begrenzten Zielgruppe zu verbessern (also z. B. wie jugendlich-modern oder wie gebildet solide das Unternehmen sei). Die Kirche aber wendet sich per definitionem an alle. Das Image der Kirche auf Plakaten als Teil der Kommunikationskampagne »Misch dich ein« des Kölner Evangelischen Stadtkirchenverbandes im Jahr 1993/949 zeigt die Schwierigkeit auf: Eine Profilierung des Images in Richtung auf Passung zu bestimmten Milieus (jugendlich-intellektuell und provokant) beschädigt zugleich das Image bei den konträren Milieus. Der Glaube, die Gemeinschaft in der Kirche, die kirchlichen Feste lassen sich eben nicht ohne Milieu-Atmosphäre darstellen,10 schon gar nicht, wenn man damit auf Plakatwänden Aufmerksamkeit erregen will. Eine kirchliche Imagekampagne sollte darum besser sehr informativ ausgerichtet sein. Wer hat eigentlich das Sagen in der evangelischen Kirche? Was macht die evangelische Kirche mit ihrem Geld? Was tut die Pfarrerin in der Woche? Was verstehen wir unter Mission?
Wirbt Mission nicht eigentlich für Gott? Sie wirbt um Gottes willen und dafür, dass Menschen im Glauben ihre Gottesbeziehung leben, aber sie sollte dabei Gott nicht zu einem Gegenstand ihrer Werbung machen. Als wäre Gott ein Produkt, das die Kirche vertreibt. Als wäre Gott ein Ding, das die Glaubenden zur Verfügung haben. (Darum wirkt das plumpe »Kennst du schon Gott?« so verräterisch und erschwert eher eine sinnvolle Eröffnung der Kommunikation.) Um das Image von Gott brauchen Gläubige und Kirche sich nicht zu sorgen. Er ist nicht auf menschliche Versuche zur Imageverbesserung angewiesen. Das macht ja jederart Theologie schief, wenn sie den Eindruck mittransportiert, sie habe Gott, sie wisse alles. Theologie zeigt an, wie man nach Gott fragt; sie sammelt, was sie von Gott weiß und was nicht; sie rekonstruiert, was das bedeutet, das die Gläubigen bekennen; sie legt die Heilige Schrift aus. Damit lässt sich dann sehr wohl für den Glauben wie für die Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden werben: dass hier nach Gott gefragt und gesucht wird, dass hier auf das Wort Gottes geh ört und Gott bekannt wird in Wort und Tat.


4. Missionarische Aktivität und dann?



Hat die Werbung ihre Ziele erreicht? »Gesendet heißt noch lange nicht empfangen! Empfangen heißt noch lange nicht verstanden! Verstanden heißt noch lange nicht einverstanden! Einverstanden heißt noch lange nicht getan! Getan heißt noch lange nicht dabeigeblieben!«11 – Erzielung von Aufmerksamkeit, Erreichen von Verstehensprozessen, Veränderung von Einstellungen, Veränderung von Verhalten und Nachhaltigkeit sind zu unterscheiden. Die Werbewirkungsforschung konzentriert sich gerne auf die Messung der bloßen Kontaktzahlen,12 weil sich das so einfach überprüfen lässt. Mit einer Aktivität, die Aufmerksamkeit erregt, hätte Mission ihr Ziel nur dann erreicht, wenn es hauptsächlich darum ginge, sich selbst als »missionarisch« bezeichnen zu können.
Schon das Erwecken von Aufmerksamkeit kann von den Um worbenen als unangenehme Störung interpretiert werden.13 Penetrante Werbung nervt und verbessert gerade nicht das Verhältnis zur werbenden Organisation. Auch wenn eine Veranstaltung auf Grund von Werbung gut besucht ist, heißt das zunächst einmal nicht mehr, als dass Aufmerksamkeit erzielt wurde. Das ist ein erster notwendiger Schritt von Mission, aber noch nicht hinreichend. Wird denn auch verstanden, dass es hier um den Glauben geht und worin der besteht? Sind die Umworbenen bereit, neue Wege zu gehen? Und sind sie dabei bereit, sich auf den Glauben einzulassen? Und wie lange h ält das an?
Ob Mission das Teilziel der Aufmerksamkeitserregung erreichte, lässt sich einfach überprüfen. Auch bestimmtes verändertes Verhalten (Gottesdienstbesuch, Zahl der Ehrenamtlichen) lässt sich sehr gut von außen sehen. Wachstum an Bekanntheit und an Teilnahmezahlen sind Indikatoren für erreichte Teilziele der Mission, nicht mehr. Und es sind allein die die Organisation betreffenden Werbeziele, die hier gemessen werden. Eine Gemeinde, in der viel los ist, in der sich viele Menschen zusammenfinden, gilt aber gern als im umfassendem Sinn missionarisch. 14
Bei dem Ziel der Glaubensförderung gestaltet sich die Prüfung der Zielerreichung viel schwieriger: In der Werbewirtschaft werden Überzeugungen gerne in Kundenbefragungen abgefragt. Abgesehen von der Messung des Kirchen- und Glaubensverhältnisses der evangelischen Kirchenmitglieder allgemein, wie es in Kirchenmitgliedschaftsumfragen geschieht, ist dies in der evangelischen Kirche ein im Vergleich unterentwickeltes Mittel. Will man etwa in wachsenden Gemeinden wirklich wissen, wie man wächst, dann sind dazu Befragungen hilfreich, die Motive, Verhalten und Einstellungen von Gemeindemitgliedern erfragen und danach fragen, wie diese Elemente sich ver ändern durch die werbende Gemeinde.
Die Qualität der Glaubensförderung und des Glaubens lässt sich freilich auch so nicht fassen. Die qualitativ-empirische Auswertung von Einzelinterviews kann zus ätzlich aufzeigen, welche Typen es hier gibt. Bisherige Forschungen weisen darauf hin, dass das Umstellen der Kommunikation von N ähe auf Distanz in viel höherem Maße von der biographischen Logik der Individuen ge steuert ist als von der Seite der Missionare.15 Die Qualität religiöser personaler Kommunikationsprozesse – guter Predigt, guter Seelsorge, guter Bildung und eben auch guter Mission – lässt sich nicht direkt messen, sondern man kann sich ihr nur indirekt über möglichst passende Indikatoren nähern. Die sind schwierig zu finden. Expertengutachten gelten als probates Mittel. Als einigerma ßen treffsicher erweist sich auch die Frage nach Investitionen. Wie viel investiert eine Organisation in die Aus- und Fortbildung entsprechender Kommunikation? Wie viel investiert die Kirche in gute Werbung – in Ausbildung und Forschung? Welcherart Werbung für die Kirche und für den Glauben wird von der Kirche, von der Gemeinde durch welche Maßnahmen unterstützt? Konkret: Wie steht es hier um die massenmediale Werbung? Wie um die zielgruppenorientierte Mission? Wie um die Unterst ützung für das alltägliche Zeugnis? Wie um die Förderung von Professionalität in diesen Bereichen und wie um Befähigung möglichst vieler Mit­glieder?
Auf der Ebene der »Mikrokommunikation«, also der Kommunikation im direkten sozialen Umfeld, in den »Primär- und Quasiprimärgruppen«16 oder auch in den alltäglichen Kommunikationskontexten von Individuen, erweist sich die Qualität der Predigt als maßgebliches Mittel der Mission – und zwar nicht so sehr darin, dass selbst der missionarisch werbende Kommunikationstyp eingenommen wird, sondern darin, dass die Predigt die Hörenden stützt und fördert, wie sie zu anderen werbend vom Glauben und einladend für die Kirche reden können.17
Empirische Untersuchungen zeigen, dass auch gerade mit der Kirche hoch Verbundene nicht darin ge übt sind, vor anderen ihre Mitgliedschaft plausibel zu begründen. Hinweise auf durch Sozialisation erworbene Zugehörigkeit, auf persönliche Geschmacksurteile oder auf funktionale Unterstützung der kirchlichen sozialen Leistungen sind dabei leicht zur Hand, taugen aber nicht als angemessene Begr ündung. Dass die Teilnahme an Kirche einen aus dem Alltag herausholt, dass hier Begegnung mit ganz anderen Menschen, zu denen man sonst nie in Kontakt treten w ürde, stattfindet, dass man dort wichtige Bedürfnisse auch tatsächlich verwirklichen kann, wären hingegen Gründe, die ganz andere Überzeugungskraft haben, aber eben auch erst ins Bewusstsein zu heben und von der Kirche auch deutlicher zu beachten wären. 18
Schließlich stellt sich die Frage der Nachhaltigkeit: Wie lange halten die missionarischen Erfolge an? Welcherart Mission zeitigt welche Erfolge auf Dauer? Das ist komplexer als die Fragen des Kirchenaustritts allein und die der Nichtbeteiligungsquote am Gemeindeleben. Die neue Deconversions-Forschung hat hier interessante Ergebnisse zutage gebracht. 19
Größere missionarische Erfolge der USA liegen nicht in der nachhaltigen Bindungsfähigkeit einzelner Gemeinden, sondern in der anderen kirchlichen Struktur: Beim Verlassen einer Kirche, beim Entt äuschtsein von einer Kirche ist der Kontakt mit einer anderen der unzähligen Denominationen dennoch relativ wahrscheinlich, während bei im Wesentlichen nur zwei vorherrschenden Kirchen in Deutschland die Option Austritt aus der Kirche, aber nicht aus dem Christentum, möglich ist, die dann letztlich doch mehrheitlich säkularisierende Folgen hat, weil mit ihr das Verlernen von kirchlicher Beteiligung einhergeht. Außerdem zeigt sich: Wird im evangelikalen Muster biographisch alles auf eine Karte gesetzt und nun dieses Lebensprojekt enttäuscht, dann ist ein Austritt aus dem religiösen Feld überhaupt besonders wahrscheinlich.
Auch darüber, wie nachhaltig Bekehrungen tatsächlich durchschnittlich sind, gibt es leider bislang meines Wissens keine brauchbaren Daten. Die hohe Zahl an Bekehrungen, die die evangelikalen Gemeinden in den USA erwirken, führen jedenfalls insgesamt auch dort nicht zu einer Erhöhung von Religiosität in der Gesellschaft insgesamt. Andererseits: Wohl jeder kennt Beispiele von kompetenten Theologinnen und Theologen, die eine Bekehrungsvergangenheit haben und im Resultat über diese Frömmigkeit weit hinausgewachsen sind, dabei entweder diesen Hintergrund organisch integriert haben oder hier lebenslang bleibende Narben mit empfindlichen Aversionen zeigen.
Das Erfassen dessen, wie weit Werbung ihre Ziele erreicht hat, ist also immer nur ann äherungsweise möglich.20 Vorstellungen, den Prozess von Werbewirkung komplett operationalisieren zu können, sind falsch. Werbewirkung kann nie eindeutig vorausgesagt werden, weil die Umweltfaktoren nicht konstant gehalten werden können.21 Doch das entbindet nicht von der Verantwortung, sich Rechenschaft zu geben über das Tun, so wie es den Umständen entsprechend möglich ist.

5. Was kosten und nutzen
die missionarischen Aktivitäten?


Kosten-Nutzen-Analyse der Werbung

Die Ressourcen der evangelischen Landeskirchen in Deutschland sind groß, aber sie sind auch begrenzt. Sie werden voraussichtlich in der Zukunft allein schon auf Grund des demographischen Trends deutlich abnehmen, was Finanzmittel und Mitgliederzahl betrifft.
Werbekampagnen sollten einer Kosten-Nutzen-Analyse unterzogen werden. Was kosten sie an Einsatz von Zeit, Personen, Geld, sonstigen Mitteln? Bei Profitunternehmen besteht ein Interesse, die Kosten gering22 und den zusätzlich erreichten finanziellen Profit möglichst hoch zu halten. Bei Non-Profit-Organisationen und auch bei der Mission besteht eine Pflicht, haush älterisch mit den von den Mitgliedern anvertrauten Ressourcen umzugehen. Bei der Mission verstehen die Missionare ihre Ressourcen als von Gott anvertraute Gaben.
Je mehr eine Mission Kampagnen-Charakter hat, desto nötiger und auch einfacher ist eine solche Kosten-Nutzen-Analyse. Freilich zwingt sie dazu, sich Rechenschaft darüber zu geben, welche Ziele mit den eingesetzten Mitteln tatsächlich erreicht werden können und in konkreten Fällen erreicht wurden (siehe oben). Erstes Element der Analyse ist, überhaupt die Kosten einer Maßnahme zu kennen: Wie viele Personen, wie viel Zeit, wie viel Geld nahm sie in Anspruch? Dann stellt sich die Frage: In welchem Maße wurden welche Ziele erreicht? Und schließlich: Wie verhalten sich die Kosten zu alternativen Maßnahmen und alternativen Zielen?
Zu beachten ist auch, ob missionarische Aktivitäten einen Mehrfachnutzen haben. Gute, einladende Gottesdienste sind werbewirksam für zufällige Besucher und stärken zugleich diejenigen, die nicht erst geworben werden müssen. Gleichzeitig sind aber die negativen Nebeneffekte zu prüfen. Wer wird angesichts der Bindung der Ressourcen vernachlässigt, wer wird abgestoßen? Gefahren des dezidierten missionarischen Engagements könnten darin bestehen, wieder einmal mehr nur auf Bildungsmittelschichten zu setzen. Der Glaubenskurs mag sich darin wenig von der liberalen Erwachsenenbildung unterscheiden. Wer normativ die Erfordernisse an Kirchenmitglieder erh öht, was die Erwartungen an Glaubensfestigkeit und Engagement betrifft, und nur die Engagierten als wahre Christen zählt, sendet damit zugleich die Botschaft an die Mehrheit der Kirchenmitglieder, sie geh örten nicht wirklich zur Kirche, und produziert Entfremdung von Kirche.
Schließlich: Auch das ist zu prüfen: Welche Kosten verursacht und welchen Nutzen bringt die Beschäftigung mit einer Kosten-Nutzen-Analyse? Wir brauchen meines Erachtens nicht die st ändige Analyse überall, aber sehr wohl exemplarische Studien und gewisse Grunddaten.
Wir wissen z. B., dass innerhalb von zehn Jahren 600.000 Menschen in eine der Gliedkirchen als über 14-Jährige aufgenommen wurden.23 Wir wissen – nur für die Evangelische Kirche von Baden, denn die hat es untersuchen lassen –, dass dort die allermeisten entweder als Getaufte von der römisch-katholischen Kirche zur evangelischen wechselten (so fast die eine Hälfte) oder nach Austritt wieder in die evangelische Kirche eintraten (so knapp die andere H älfte); nur rund 5 % machten solche Personen aus, die hier neu in eine Kirche überhaupt eintraten und sich taufen ließen.24 55 % erleben ihre neue Zuwendung zur Kirche als einen selbst gesteuerten Prozess, der nicht maßgeblich von Gesprächen mit anderen abhängt (ansonsten werden die Gespräche mit dem Pfarrer oder die mit der Familie als wichtig genannt, aber fast nie die mit anderen Gemeindegliedern). 25 Was wir nicht wissen, ist, ob der niedrige Anteil der Taufen zum Ausdruck bringt, wie erfolglos die Mission unter Nicht-Getauften ist oder dass die Anstrengungen dafür bislang eben sehr gering sind. Was wir nicht wissen, ist, ob nicht doch missionarische Kommunikation dimensionaler Art eine wichtige Vorbedingung ist für den Wiedereintritt. Insgesamt lassen die Zahlen aber eher vermuten: Dass sektorale missionarische Kommunikationen in Richtung auf Erhöhung von landeskirchlichen Mitgliederzahlen sehr erfolgreich sei, wird wohl in der Regel von den Betreibern missionarischer Kampagnen weit überschätzt.
In der Werbewirtschaft wachsen die Kampagnen-Werbung und die Darstellung in den Informationssendungen der Medien, die gleichzeitig werbenden Charakter haben, immer mehr zusammen.26 Dass die Kirche in den Medien präsent ist, hat werbenden Charakter, solange sie dort nicht nur erscheint als Konflikt- und Skandalgegenstand, sondern als eine Organisation, die etwas zu bieten hat, in der Personen sich mit berichtenswerten Beitr ägen zu einem Thema äußern. Was die Medien von kirchlichen Personen und über die Kirche veröffentlichen, bestimmt das Medien-Image der Kirche maßgeblich mit. Diese »Werbeminuten« »kosten« nichts. Aber sie ergeben sich auch nicht von allein. Sie stellen sich nur dann ein, wenn Personen in verantwortliche Ämter der Kirche gewählt werden, die etwas zu sagen haben, es sagen dürfen und es so sagen können, dass es von Journalisten leicht verstanden werden kann. Und es braucht die F örderung von Talenten in der evangelischen Kirche für die massenmediale Kommunikation.


6. Welche Mittel heiligt der missionarische Zweck?


Zur Ethik der Werbung

Werbung ist ambivalent. Mission ist ambivalent. Die Ambivalenz liegt darin, dass Machtkonstellationen eine Rolle spielen, wenn die eine Seite von der anderen will, dass sie etwas Bestimmtes tut und denkt. Bei Werbung wird manipuliert 27, beschönigt, irregeführt28. Bei der Mission auch? Wenn Profitunternehmen bei der Werbung mit allen Tricks arbeiten, dann kann man vermuten, dass das Produkt relativ schlecht ist und anders nicht gut verkauft werden kann (aber es k önnte auch einfach nur die Werbung schlecht ge macht sein). Wenn Non-Profit-Unternehmen, die für eine Idee stehen, dabei mit allen Tricks arbeiten, dann beschädigt das die Glaubwürdigkeit der Idee. Wenn für den Glauben geworben wird mit Mitteln, die der Freiheit durch Glauben und den Zehn Geboten widersprechen, dann besch ädigt das den guten Ruf des Glaubens.29
Gerade die Aufmerksamkeit erregenden sektoralen Missionsaktionen beschädigen so womöglich den Ruf des Glaubens. Das gilt für die Verquickung mit kolonialistischen Zielen in der Mission vergangener Jahrhunderte ebenso wie für Missionsweisen, die auf Bangemachen setzen, die den Glauben vereinfachen oder mit Mogelpackungen arbeiten (beworben wird z.B. eine sportliche Freizeit, das Ziel ist aber Bekehrung). Der Schaden, den manche nicht-landeskirchlichen Gruppen für den guten Ruf des Glaubens etwa mit ihren Fernsehprogrammen anrichten, dürfte be trächt­lich sein. Dagegen hilft nur, offensiv zu klären, was denn die evangelischen Landeskirchen unter Mission verstehen. Zu beteuern, dass man selbstverst ändlich gegen jede Manipulation sei, reicht nicht aus. Hier sind Präzisierungen nötig. Ich plädiere dafür, Standards für evangelische Mission zu entwickeln, zu diskutieren und dann auch zu beschließen.


7. Fazit: Standards für Mission
in evangelischen Landeskirchen


Ein Vorschlag zur Diskussion

Was könnten Regeln solcher Standards sein? Für fünf Bereiche mit selbstverpflichtenden Regeln seien Formulierungen an dieser Stelle ausprobiert. Es wird dazu die Wir-Form der Aussage gewählt.

7.1 Wir stehen für Mission ohne Irreführung:

Die Kirche und ihre Mitglieder bieten anderen Menschen vieles an: Gottesdienste, Seelsorge, Diakonie, Freizeitbesch äftigung, nette Gemeinschaft, Kultur. Sie tun dies, weil dies alles für uns Formen gelebten Glaubens sind. Sie freuen sich, wenn dabei der Glaube von Menschen gestärkt wird, wenn dabei Menschen dem Glauben näherkommen. Wir erlauben uns, von unserem Glauben zu reden. Wir erlauben uns dafür zu werben, was in der Kirche geschieht und unsere Kirche tut.
Wenn wir für Aktionen, Veranstaltungen, Gottesdienste werben, stellen wir dabei das in den Vordergrund, was f ür uns im Vordergrund steht. Wir bieten keine Mogelpackungen.

7.2 Wir stehen für Mission mit Kontrollmöglichkeiten
gegen Manipulation:

Gefühle sind wichtig, sollen ruhig auch bisweilen dominieren. Aber wir setzen nicht die Angst als Mittel ein. Wir ersetzen nicht Gedanken durch Gef ühle. Wir drängen nicht auf schnelle Entscheidung, sondern geben Zeit. Zu unserer Mission gehört dazu, Dis kussionen zuzulassen, zur kritischen Selbstreflexion zu ermutigen, Glauben nicht gegen Wissen und Wissenschaften auszuspielen, sondern der Frage nachzugehen, wie er dazu angemessen in Beziehung treten kann.30

7.3 Wir stehen für Mission ohne Reduktion
auf einen Missionsstil:

Individuen und Gruppen in der Kirche mögen sich auf einen bestimmten Missionsstil für bestimmte Menschen spezialisieren. Die evangelischen Landeskirchen tun das bewusst nicht; Gemeinden k önnen gewisse Schwerpunkte setzen, sofern diese mit be nachbarten Gemeinden abgestimmt sind. Wir vertreten als Kirche nicht die Ansicht, ein bestimmter Missionsstil aus einer bestimmten Fr ömmigkeit sei prinzipiell (in jeder Situation) besser – sei es der Stil der Glaubensseminare, der Evangelisationen, der Kirche als Institution der Bildung, der Kirche als prägende Kraft der Kultur, der Kasualien als missionarische Gelegenheiten. Sie alle haben ihre Vorteile und Nachteile.

7.4 Welche Mission wir uns verbieten und
welche Mission wir betreiben:

Uns ist Mission an Juden theologisch verboten. Nicht allein aus Gründen der speziellen Schuld auch der Kirchen in Deutschland halten wir es für untragbar, Juden zu missionieren, sondern auch, weil wir überzeugt sind, dass der Heilsweg der Juden und der der Christen erst am Weltenende konvergieren werden.31
Uns ist kirchlich und gemeindlich und durch kirchliche Gruppen organisierte Mission an Mitgliedern anderer christlicher Kirchen mit dem Ziel, sie zu Mitgliedern unserer Kirche zu machen, verboten. Wir nehmen die christliche Taufe ernst.
Wir heißen alle willkommen, die aus eigenem Entschluss Mitglieder unserer Kirche werden wollen, und bitten sie, sich selbst über die Gründe Rechenschaft abzulegen.
Wir heißen alle willkommen, die aus welchen Gründen auch immer in welchem Maße auch immer mit evangelischen Christen und mit der evangelischen Gemeinde bzw. der evangelischen Kirche zu tun haben wollen. Wir laden alle dazu ein, das Ma ß dabei selbst zu bestimmen – nur dann wird unserem Verständnis von Mission entsprochen.
Wir verknüpfen keine Hilfe und Zuwendung an Gegenleistungen in Sachen Annäherung an den Glauben. Wir schließen Kommunikation über Sinnfragen und Religion nicht aus dem Bereich des Helfens aus. Wir sind bereit, zu einem Leben im Kontakt bei Religionsverschiedenheit und zu einem Lernen voneinander.

7.5 Was wir für die Verbesserung
missionarischer Fähigkeiten tun:

[Hier wäre nun ein Katalog an Maßnahmen samt Zielen, Kosten und erwartetem Nutzen und Evaluationsverfahren zu nennen – von Strukturmaßnahmen über den Einsatz in Forschung und Ausbildung bis zu geeigneten Mitteln der Förderung missionarischer Mikrokommunikation.]

Summary



»Mission« and advertising – a bisociation. In recent year in the German Churches the term »mission« has been rediscovered and is widely debated again. After an introductory distinction between a sec torial, a dimensional and a fundamental meaning of the term, the article suggests testing what insight may be gained if »mis-sion« is taken to be simply a special way of ad vertising and a form of public promotion, as found in profit and non-profit organisations.
In this case goals must clearly be defined, the promotion of an image and of products must be distinguished, effectivity controlled and costs and benefits compared. »Mission« as a form of religious communication is ethically as ambivalent as advertising. The author therefore suggests that churches clearly define standards of their Christian »mission« activities.

Fussnoten:

1) Um nur die beiden wirkungsreichsten Synoden-Beschäftigungen mit dem Thema zu nennen: Wachsen gegen den Trend. Auf dem Weg zu einer missionarischen Kirche. Proponendum der Landessynode der Evangelischen Kirche von Berlin-Brandenburg, 1998; Schwerpunkthema der EKD-Synode 1999: »Reden von Gott in der Welt – Der missionarische Auftrag der Kirche an der Schwelle zum 3. Jahrtausend«.
2) Als Beispiel vgl. die Debatte zwischen H.-J. Abromeit und R. Kähler: Hans-Jürgen Abromeit (Initiativkreis »Kontextuelle Evangelisation im gesellschaftlichen Wandel«), Auf die missionarischen Herausforderungen des kirchlichen Alltags vorbereiten. Was sich in der Ausbildung von Pfarrerinnen und Pfarrern ändern muss. Ergebnisse eines Hearings in Hanstedt am 2./3. Februar 2001, in: PTh 91 (2002), 126 –136; Reinhard Kähler, Missionarische Kompetenz. Fragen an einige Feststellungen des Initiativkreises »Kontextuelle Evangelisation im ge sell schaftlichen Wandel«, in: Ebd., 137–145; Hans-Jürgen Abromeit, Kommunikationsstörungen über Mission. Warum manche für die theologische Ausbildung Verantwortlichen das missionarische Profil nicht wollen, in: Ebd., 146 –149.
3) Gabriele Siegert/Dieter Brecheis, Werbung in der Medien- und Informationsgesellschaft. Eine kommunikationswissenschaftliche Einf ührung, Wiesbaden 2005, 26. Ich übernehme nicht die Einschränkung auf klare Werbemittel und -träger im Folgesatz der zitierten Definition, weil die damit mögliche Abgrenzung zu »public relations« zunehmend schwieriger wird (44 f.). Der klassischen Unterscheidung nach ist public relations Managementaufgabe, richtet sich an alle, die von den Entscheidungen der Organisation betroffen sind, und ist langfristiger ausgelegt, w ährend die Werbung kurzfristiger denkt, Akteuren im Bereich des Vertriebs übertragen wird und die Nutzer der Produkte anspricht (44). Günter Schweiger/Gertraud Schrattenecker, Werbung. Eine Einführung, Stuttgart 1986, unterscheiden Werbung für politische Zwecke, Werbung für wirtschaftliche Zwecke und Werbung für religiöse und kulturelle Zwecke (5).
4) Vgl. Eberhard Hauschildt, Praktische Theologie und Mission, in: Christian Grethlein/Helmut Schwier [Hrsg.], Praktische Theologie. Eine Theorie- und Problemgeschichte, Leipzig 2007, 457 –509, hier: 503–505.
5) Diese vier grundsätzlichen Aspekte der Kommunikation unterscheidet bekanntlich Friedemann Schulz von Thun, Miteinander reden, Bde. 1 u. 2, Reinbek 1981/1989.
6) Der Begriff der Mission als Terminus technicus entsteht im 16. Jh. als Begriff f ür die Beauftragung (missio) von Personen/Orden durch die Papstkirche zur Verkündigung und Lehre mit dem Ziel der Taufe in den unter Oberherrschaft christlicher Regenten gelangten Gebieten S üdamerikas (Art. Mission, RGG4 Bd. 5, Tübingen 2002, 1271–1298, hier: 1273 u. 1280 f.). Die deutschen Begriffe Mission und Missionare werden erst im 18. Jh. geläufig. Die Bezeichnung der Perikope Mt 28,16–20 als Missionsbefehl erfolgt seit Beginn des 19. Jh.s (Ulrich Luz, Das Evangelium nach Markus, EKK 1/4, Z ürich 2002, 444–447) im Zuge der Selbstlegitimierung evangelischer Missionsvereine und Missionsgesellschaften.
7) Vgl. z. B. Ehrenfried Conta Gromberg, Handbuch Sozialmarketing, Berlin 2006.
8) Überlegungen zur Frage der Evangelischen Kirche als »Marke« hat T. Gundlach angestellt: Thies Gundlach, Zum Mentalitätswandel in der Kirche. Wie wächst kirchliche Qualität?, in: PTh 97 (2008), 14–29, hier: 21–25.
9) Günter A. Menne, »Misch dich ein«. Die Kampagne Köln als erstes Beispiel einer Dialog-Initiative der Volkskirchen in Deutschland, in: PTh 83 (1994), 452–467. Die Milieu-Perspektive taucht hier noch nicht einmal am Horizont auf.
10) Zur Diskussion der Relevanz der Milieu-Perspektive für kirchliches Handeln siehe Claudia Schulz/Eberhard Hauschildt/Eike Kohler, Milieus praktisch. Analyse- und Planungshilfen f ür Kirche und Gemeinde, Göttingen 2. Aufl. 2009.
11) Schweiger/Schrattenecker, a. a. O., 40.
12) Siegert/Brecheis, a. a. O., 215. Siegert/Brecheis kritisieren, dass auch bei Profit-Unternehmen oft die Erwartungen an Werbeeins ätze und die Ziele nicht genau bedacht werden (218).
13) Siegert/Brecheis, a. a. O., 195.
14) Es wäre auch genau zu messen: Zuwachs »wachsender Gemeinden« ist oft bedingt durch Zuströmen von Personen mit Wohnsitz außerhalb der Parochie und Zuzug kirchennaherer Milieus. Da liegt dem Wachsen nicht eine missionarisch erzielte Einstellungs- und Verhaltens änderung zu Grunde, sondern es haben sich nur bereits entsprechend eingestellte Menschen hier statt andernorts versammelt. Vgl. Eberhard Hauschildt, Zur Analyse wachsender Gemeinden. Selbstverst ändlichkeiten, Mythen und Rätsel des Wachsens gegen den Trend, in: PTh 97 (2008), 404–415, hier: 407–409.
15) Gerald Kretzschmar, Kirchenbindung. Praktische Theologie der mediatisierten Kommunikation, G öttingen 2007.
16) Wolfgang Reinbold, Mission im Neuen Testament, in: PTh 95 (2006), 76–87, hier: 85, mit Verweis auf ders., Propaganda und Mission im Ältesten Chris­tentum. Eine Untersuchung zu den Modalitäten der Ausbreitung der frühen Kirche, Göttingen 2000.
17) Dörte Gebhard, Glauben kommt vom Hörensagen. Studien zu Renaissancen von Mission und Apologetik, Habilitationsschrift Bonn 2009.
18) Vgl. insgesamt dazu die aufschlussreiche Analyse von Gruppendiskussionen durch Claudia Schulz, Kirche in Ver änderung: Wahrnehmungen einer sich wandelnden Organisation, in: Kirche in der Vielfalt der Lebensbez üge. Die vierte EKD-Erhebung über Kirchenmitgliedschaft. Bd. 2: Analysen zu Gruppendiskussionen und Erzählinterviews, hrsg. v. Jan Hermelink, Ingrid Lukatis und Monika Wohlrab-Sahr, Gütersloh 2006, 195–228.
19) Heinz Streib/Ralph W. Wood Jr./Barbara Keller/Rosina-Martha Csöff/ Christopher F. Silver: Deconversion. Qualitative and quantitative results from cross-cultural research in Germany and the United States of America, G öttingen 2009.
20) Siegert/Brecheis, a. a. O., 127.
21) Siegert/Brecheis, a. a. O., 214.
22) Gängig ist dabei der Standard des Preises pro tausend Kontakte (Siegert/Brecheis, a. a. O., 199) als Kostenvergleichsgr öße.
23) Michael Nüchtern, Kirche evangelisch gestalten, Münster 2008, 25.
24) A. a. O., 26.
25) Rainer Volz, Massenhaft unbekannt – Kirchenaustritte. Forschungsbericht über die Eintrittsstudie der Evangelischen Landeskirche in Baden. Kurzfassung von Michael N üchtern, Karlsruhe 2005, 13 (http://www.ekiba.de/ekiba_neu/images/forschungsbericht.pdf).
26) Siegert/Brecheis, a. a. O., 42–49. Der Oberbegriff in betriebswirtschaftlicher Perspektive ist dann der der integrierten Marketingkommunikation (48).
27) »Die Beeinflussungsmöglichkeit ist um so größer, je geringer die gedankliche Kontrolle des Umworbenen ist. Solange der Umworbene Einflu ßversuche der Werbung erkennt, hat er die Chance sich ihnen bewußt zu widersetzen. In manchen Fällen erfolgt jedoch eine Steuerung des Verhaltens, eine Beeinflussung durch Werbung ohne gedankliche Kontrolle des Betroffenen «, dann nämlich, wenn 1. »der Betroffene die Wirkung der Werbung nicht durchschaut«, wenn 2. »Werbung zwanghaft wirkt, der Betroffene also automatisch reagiert« (z. B. Aktivierung durch erotische Reize) und wenn 3. durch »unterschwellige (sublimale) Wirkung« Verhalten unbemerkt gesteuert wird: »Reize werden so kurz dargeboten, daß sie nicht bewußt wahrgenommen werden können« (Schweiger/Schrattenecker, a. a. O., 60).
28) Irreführung ist bei kommerziellen Produkten durch das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) verboten. Sie liegt danach vor, wenn de facto verdeckt geworben wird oder die Mehrheit bei fl üchtiger Wahrnehmung auf Grund der Formulierungen etwas anderes versteht, als der Fall ist. Bei der Schleichwerbung ist die werbende Absicht f ür die Beworbenen unkenntlich gemacht (Schweiger/Schrattenecker, a. a. O., 212). Die Mogelpackung kann einen anderen oder umfangreicheren Inhalt erwarten lassen.
29) Siegert/Brecheis stellen allgemein zur Werbung fest: »Produktnutzen«, »Nutzenbegründung« und »Stil der Werbung … [müssen] aufeinander abgestimmt sein« (208).
30) Für die Mischung aus rationalen, emotionalen und moralischen Appellen, die generell bei Werbung zu beobachten ist (Siegert/Brecheis, a. a. O., 209), gibt es also in der evangelischen Kirche bestimmte Anforderungen, was ihr Verh ältnis zueinander betrifft.
31) Diese These ist nicht unumstritten. Wenn man eine andere vertreten will, müsste man das eben dann an dieser Stelle ebenfalls deutlich zum Ausdruck bringen.