Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Juni/2009

Spalte:

649–664

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Irene Mildenberger

Titel/Untertitel:

Die Geschichte zweier Zwillingsbrüder
Interdependenzen zwischen christlicher und jüdischer Liturgie

»Die Christenheit ist bleibend mit Israel als dem erstberufenen Gottesvolk verbunden.« So betont das am 1. Advent 1999 eingeführte Evangelische Gottesdienstbuch (EGb). Dazu wird erläutert: »Der christliche Gottesdienst hat in den Anfängen vieles aus den Traditionen der jüdischen Hausgottesdienste und der Synagoge ge­schöpft ... durch ihre Bindung an das Alte Testament und ihre Verwurzelung im jüdischen Gottesdienst wird die christliche Kirche davor bewahrt, sich an heidnische Kulte und Aberglauben zu verlieren.«1 Als »Mutter-Tochter-Modell« kann man diese Verhältnisbestimmung zwischen jüdischem und christlichem Gottesdienst be­zeichnen: Der christliche Gottesdienst ist aus dem jüdischen erwachsen, hat dort jedenfalls bestimmende Wurzeln. Die Beziehung ist einseitig, Beeinflussung erfolgt nur in eine Richtung.

Dieses Modell bestimmt in der deutschen evangelischen Liturgik und Liturgiewissenschaft bis heute ganz überwiegend das Bild der Beziehungen zwischen Judentum und Christentum. Das zeigen z. B. die liturgiedidaktischen Erläuterungen des EGb.2 Aber auch Karl Heinrich Bieritz vermittelt in seiner Liturgik, die noch lange ein Standardlehrbuch darstellen wird, dieses Bild.3

Neuere Untersuchungen zur Entwicklung des Christentums wie des Judentums und ihrer jeweiligen Liturgie in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung haben gezeigt, dass diese Be­trachtungsweise die tatsächliche Entwicklung unzulässig vereinfacht, ja verfälscht. Das rabbinische Judentum mit seiner Liturgie und das Christentum haben sich in ihren Anfängen nebeneinander entwickelt. Für beide war dabei die Zerstörung des Tempels ein entscheidender Einschnitt bzw. Ausgangspunkt dieser Entwick­lung. In dieser Anfangszeit, aber auch im Verlauf der weiteren Geschichte bis hin zur Gegenwart ist dabei immer wieder mit Beeinflussungen zu rechnen – und zwar in beide Richtungen.

Dieser Beitrag wird im Folgenden – schwerpunktmäßig anhand des Verhältnisses von Pesach und Ostern – die vielfältigen Beziehungsmöglichkeiten zwischen christlicher und jüdischer Liturgie aufzeigen. Davor steht ein kurzer Forschungsüberblick über die Deutung der Beziehungen zwischen jüdischer und christlicher Liturgie. Der dritte Schritt fragt nach aktuellen Entwicklungen, vor allem auf christlicher Seite, die zeigen, wie auch heute das Gegen­über zum Judentum christliche Liturgie beeinflusst.

1. Überbietung und Neuanfang – Verwurzelung – Wechselbeziehung

Ein Blick in die Forschungsgeschichte

Für einen genaueren Einblick in die Forschungsgeschichte ist auf verschiedene Beiträge von Albert Gerhards aus den letzten Jahren zu verweisen.4 Wie er aufzeigt, wurden über lange Zeit hinweg die Beziehungen der christlichen Liturgie zur jüdischen negiert bzw. in ihrer Bedeutung heruntergespielt. Betont wurde das völlig Neue des Christentums oder zumindest die Weiterentwicklung, Überhöhung, Vollendung des jüdischen Gottesdienstes durch den christlichen. Zum Teil ist auch einfach eine Nichtbeachtung des Judentums festzustellen.5

So war es ein großer Fortschritt, als – mehrheitlich erst in der zweite Hälfte des 20. Jh.s – die grundlegende Beziehung zwischen Judentum und Christentum neu beachtet wurde. Der englische Liturgiewissenschaftler Gregory Dix eröffnete 1949 eine Vorlesungsreihe mit dem Satz: »Das Verständnis unserer gottesdienstlichen Formen hat vor vierzig Jahren eine radikale Umwandlung erfahren, als jemandem der Gedanke kam, daß Jesus Jude war.«6 Eine wichtige Etappe in dieser Entwicklung ist markiert mit dem bis heute bedeutenden Quellenband Prex Eucharistica aus dem Jahr 1968.7 Hier werden als grundlegend für das christliche Eucharistiegebet noch vor den neutestamentlichen Texten Gebete aus der jüdischen Liturgie abgedruckt. Auf evangelischer Seite hat Frieder Schulz im Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie 1984 wichtige Ergebnisse zusammengefasst.8 Dieser Erkenntnisstand spiegelt sich, wie bereits erwähnt, noch im EGb wider. Für die katholische Liturgiewissenschaft in Deutschland war eine Tagung 1978 in Aachen von großer Bedeutung, in der grundlegende Informationen über die jüdische Liturgie vermittelt und Forschungsanregungen gegeben wurden.9

Der Schritt über das Mutter-Tochter-Modell hinaus verdankt sich einem neuen Verständnis der Entstehungsgeschichte sowohl jüdischer als auch christlicher Liturgie. Wir haben auf beiden Seiten in den ersten Jahrhunderten nur relativ wenige und großen­teils auch indirekte Quellen für liturgische Texte vorliegen. Die Datierung von Traditionen, die erst spät schriftlich belegt sind, ist schwierig und oft umstritten. Viele jüdische Texte wurden lange trotz später schriftlicher Bezeugung als Voraussetzung und Quelle christlicher liturgischer Entwicklung betrachtet. Heute werden sie auf Grund ihrer Überlieferung deutlich später datiert und so als jünger eingestuft als die entsprechenden christlichen Texte. Zu­dem wird inzwischen klarer gesehen, welch ein komplexes Geschehen die Liturgieentwicklung sowohl auf jüdischer als auch auf christlicher Seite in den ersten Jahrhunderten n. Chr. darstellte. Den Anfang bildet nicht eine einzige Urform – eventuell auch zwei oder drei –, die sich später in eine Vielfalt hinein ausdifferenzierte. Vielmehr steht am Beginn der Entwicklung eine große Vielfalt, die erst später vereinheitlicht wurde. Klare Traditionslinien vom Judentum zum Christentum sind so schwer festzustellen. 10 Vor allem aber ist in Betracht zu ziehen, dass solche Verbindungslinien nicht nur in eine Richtung verlaufen. Das rabbinische Ju­dentum und das Christentum standen in Konkurrenz zueinander. Es gab wechselseitige Abgrenzung, immer wieder aber auch positive Be­einflussung und Übernahme. Einen ausführlichen Überblick über diese Entwicklung vor allem in den ersten Jahrhunderten n. Chr. bietet der 2008 in dem katholischen Handbuch der Liturgiewissenschaft »Gottesdienst der Kirche« erschienene Beitrag von Gerard Rouwhorst. 11 Er stellt jüdische liturgische Traditionen vor und nach der Zerstörung des zweiten Tempels dar (514–534), aber auch »die Entwicklung der frühchristlichen Liturgie in ihrem Verhältnis zu den liturgischen Traditionen des Judentums« (535–562). Vor allem ist auf die Fülle von Literaturangaben hinzuweisen.12

Welches Bild aber kann angesichts dieses neuen Blicks helfen, die Beziehung zwischen Juden und Christen, zwischen dem Gottesdienst Israels und dem Gottesdienst der Kirche, angemessen wiederzugeben? Kirchenväter wie rabbinische Theologen verwendeten das Bild der Zwillingsbrüder Esau und Jakob. Paulus nennt die beiden Brüder als Beweis dafür, dass Gott frei ist, zu erwählen (Röm 9,10–13). Später ist für Christen klar, Jakob steht für die Jüngeren, Erwählten, also für die Kirche, die Juden sind Esau. Andererseits wird in der jüdischen Auslegung Esau mit Rom identifiziert, damit dann spätestens im 4. Jh. auch mit den Christen. Wer ist tatsächlich der ältere, wer der jüngere Bruder, wer der erwählte, wer der übergangene? Israel Yuval, der dieses Bild der beiden Zwillingsbrüder ausführlich diskutiert, verweist in einem Ausblick darauf, wie in der Bibel die Geschichte der beiden Brüder endet: Beide überleben den Konflikt – anders als bei Kain und Abel –, es kommt zur Wiederbegegnung und Versöhnung. 13 So könnte das Bild uns vielleicht auch heute bei der Neubestimmung des Verhältnisses der Kirche zu Israel hilfreich sein. Jedenfalls aber hat es in der neuesten Forschung das Modell der Mutter-Tochter-Beziehung zwischen Judentum und Christentum abgelöst, gerade auch im Bereich der Liturgie.

Im folgenden zweiten Teil soll an einigen exemplarischen Themen das Miteinander und Gegeneinander der beiden Brüder auf­gezeigt werden. Ich stütze mich überwiegend auf die im deutschsprachigen Kontext geführte bzw. veröffentlichte Diskussion. Angestoßen von der bereits genannten Aachener Tagung 1978 wurde innerhalb der Arbeitsgemeinschaft katholischer Liturgikdozentinnen und -dozenten im deutschen Sprachgebiet (AKL) und darüber hinaus diese Diskussion weitergeführt, die Ergebnisse sind zu einem guten Teil in der Reihe Quaestiones disputatae veröffentlicht worden. 14 Zu nennen sind des Weiteren die liturgiewissenschaftlichen Forschungen im Rahmen des Bonner Sonderforschungsbereichs Judentum – Christentum.15 Zudem sind in den vergangenen Jahren einige Qualifizierungsarbeiten erschienen, die sich mit verschiedensten Aspekten des Verhältnisses von jüdischem und christlichem Gottesdienst beschäftigen.16

Hinweisen möchte ich daneben aber auch auf eine Publikationsreihe aus den USA, die deutlich zeigt, wie die wissenschaft­liche Arbeit auch durch die jeweilige gesellschaftliche bzw. religiöse Situation bestimmt wird, in diesem Fall also durch das selbstverständlichere Nebeneinander von Juden und Christen im Alltag wie auch in Forschung und Lehre. Während die Diskussion im deutschsprachigen Raum mehrheitlich von christlichen Wissenschaftlern geführt wird, ist die Reihe »Two Liturgical Traditions« (TLT) gleichberechtigt von Christen und Juden verantwortet. Die Diskussion ist nicht nur historisch orientiert, auch gegenwärtige Praxis wird gegenseitig vorgestellt. Inzwischen sind in dieser Reihe sechs Bände erschienen, 17 die sich dem Gottesdienst allgemein (Band 1 u. 2), Ostern und Pesach (Band 5 u. 6) sowie der gottesdienstlichen Musik (Band 3) und der Frage nach Lebenszyklen und Liturgie (Band 4) widmen. Die teilweise thematisch sehr breit angelegten Bände verhelfen dazu, einen Überblick zu gewinnen, wechselseitiges Kennenlernen zu ermöglichen und Gegensätze wie Gemeinsamkeiten zu erkennen. An einer Stelle finden die Herausgeber ein anregendes neues Bild für die Beziehungen zwischen Juden und Christen: »The essays that we have collected explore the two traditions not only as they developed in isolation from each other, but also as they in­fluenced each other, and thus exemplify the double helix that binds Jews and Christians in their common path as they swirl about each other through time.« (TLT 6, 11)

2. Gemeinsame Wurzeln – Abgrenzung – Streit – Übernahme


Wie jüdische und christliche Liturgie sich gegenseitig beeinflussen

2.1 Pesach und Ostern
Pesach und Ostern – kaum irgendwo sonst ist die Beziehung zwischen christlichem und jüdischem Feiern so sehr auf den ersten Blick sichtbar. Im Lateinischen heißt das christliche Fest pascha, die romanischen Sprachen haben diesen Namen übernommen. Es handelt sich nicht nur um eine zufällige Übereinstimmung des Termins, bedingt durch die Kreuzigung Jesu am Beginn des Festes oder an dessen Vortag. Schon Paulus stellt eine tiefere Beziehung her, indem er den Tod Jesu als Schlachtung des Passalammes deutet (1Kor 5,7).

Fragt man aber genauer danach, wie die Beziehung zwischen dem christlichem und dem jüdischem Fest aussieht, dann stellen sich viele Fragen. Wir wissen wenig über die Feier des Pesachfestes zur Zeit des zweiten Tempels. Nach dessen Zerstörung konnten keine Pe­sachlämmer mehr geschlachtet werden. Das Fest musste völlig neu geordnet werden, ein Prozess der sich über einen langen Zeitraum erstreckte, innerhalb dessen sich Pesach von einem Wallfahrtsfest zu einem Familienfest wandelte. Im gleichen Zeitraum entwickelte sich das christliche Osterfest – die Abgrenzung gegenüber dem Judentum, die dabei erfolgte, zeigt sich nicht zuletzt darin, dass das Konzil von Nicaea endgültig den Festtermin auf den Sonntag legte. Aber nicht nur die Christen grenzten sich von den Juden ab – gerade an der Entwicklung des Pesachfestes lässt sich zeigen, dass auch die jüdische Liturgie auf das Christentum reagierte.

Ausführlich haben sich mit dieser Frage in den letzten Jahren vor allem Israel Yuval und Clemens Leonhard beschäftigt.18 Der katholische Liturgiewissenschaftler Leonhard untersucht schwerpunktmäßig die ersten Jahrhunderte n. Chr. Aus nichtliturgischen Quellen schließt er, dass weder Ordnungen für den Sederabend, also die Pesachhaggada, noch Liturgien für die Osternacht vor dem 4. Jh. entstanden. Juden und Christen war also im 2. und 3. Jh. der Mangel an Liturgien gemeinsam.19

Yuvals Forschungen beziehen stärker auch das Mittelalter ein, sind zudem nicht nur liturgiewissenschaftlich orientiert. Sein Thema ist – vor allem in seiner großen Untersuchung »Zwei Völker in deinem Leib« – nicht nur Pesach und Ostern, sondern überhaupt die »Gegenseitige Wahrnehmung von Juden und Christen in Spätantike und Mittelalter«.20 Yuval geht von pointierten Thesen aus: Wenn sich nicht ausdrücklich zeigen lasse, dass ein jüdisches Phänomen älter ist als das vergleichbare christliche, dann handle es sich um einen christlichen Einfluss auf das Judentum. Vor allem in der Zeit von Talmud und Midrasch sei die Auseinandersetzung mit dem Christentum für das Judentum bestimmend gewesen. Yuval betont auch, dass die beiden Seiten voneinander gewusst und ihre jeweiligen Zeremonien und Texte gekannt hätten. Das gelte insbesondere für das Mittelalter, speziell für die von ihm untersuchte Situation in Aschkenas, also in Deutschland und Mitteleuropa.

Er beobachtet nach der Zerstörung des Tempels bei Christen und Juden zwei konkurrierende Deutungen des Pesachfestes. Da­bei sei der Beschluss des Konzils von Nicaea, Ostern am Sonntag zu feiern, der »Höhepunkt eines andauernden Prozesses, den jüdischen Ursprung des Osterfestes zu vertuschen«. Ebenso zeigen für ihn frühe Bestandteile der Pesachhaggada, wie das Fest in Abwehr gegenüber christlicher Auslegung bewusst jüdisch verstanden wurde. Ein Beispiel dafür ist die Deutung der drei Festsymbole, Pesach-Opfer, Mazze und Bitterkräuter. Ephraim der Syrer stellt fest, »durch seinen Opfertod habe Jesus die Opfer aufgehoben. Mit seinem Tod sei das Passahlamm abgeschafft, sein heiliges Brot sei an die Stelle der Mazza getreten und sein Leiden an die des Bitterkrautes« (87). Dagegen betont Rabbi Gamaliel: »Wer diese drei Dinge zu Pessach nicht genannt hat, der hat seiner Pflicht nicht genügt, und zwar: Das Pessach-Opfer, das ungesäuerte Brot ( Mazza) und das Bitterkraut. Wofür steht das Pessach-Opfer, das unsere Väter aßen, als der Tempel noch bestand? Dafür dass der Heilige gelobt sei Er an unseren Vätern in Ägypten vorübergegangen ist (passach) ... Wofür steht das ungesäuerte Brot, das wir essen? Dafür dass der Teig unserer Väter keine Zeit zum Säuern hatte ... Wofür steht das Bitterkraut, das wir essen? Dafür dass die Ägypter unseren Vätern in Ägypten das Leben verbittert haben.« (87) Gamaliel verlangt also ein jüdisches Verständnis des Festes, das (juden-) christliche Deutungen ausschließt und damit die Teilnahme von Judenchristen an einem jüdischen Pesachmahl unmöglich macht.

Ein zentrales Moment der Abgrenzung sieht Yuval in der Schriftauslegung der Pesachhaggada und in dem dafür gewählten Text Dtn 26,5–8, in dem weder vom Pesach noch von Mose die Rede ist. Der Verzicht auf Exodus 12 und auf das Pesachopfer verweise auf eine Abgrenzung gegenüber christlicher Auslegung des Exodus, wie sie sich bei Meliton und Origenes findet. Mose werde in der Pesachhaggada nicht genannt, weil in Abwehr christologischer Aussagen betont werde, dass Gott selbst, ohne einen Engel oder Gesandten, das Volk aus Ägypten geführt hat (90–93).

Leonhard urteilt deutlich vorsichtiger: »Die Frage nach religiösen Konflikten in der Haggada ist nach den Dimensionen von Zeit und Intensität differenziert zu diskutieren. In ihrer Entstehungssituation im Bereich des palästinensischen Ritus in nachtalmudischer Zeit und ihrer frühen Entwicklung innerhalb des babylonischen Ritus setzt die Haggada unpolemisch Positionen fest. Erst knapp vor dem Ende der Epoche, in der ihr Kerntext noch verändert werden konnte, im Hochmittelalter, werden Passagen als Stellungnahme in einem religiösen Diskurs und als biblisch versteckte Verfluchung von Gegnern eingetragen.« 21

Zu diesen späten Elementen der Pesachhaggada gehört die Er­öffnung mit den Worten »Dies ist das armselige Brot, das unsere Väter im Lande Ägypten gegessen haben. Jeder, der hungrig ist, komme und esse ...«. Die Beziehung zu Jesu Deutung der Mazze in den Einsetzungsberichten des Abendmahls liegt auf der Hand: »Nehmet, esset; das ist mein Leib.« (Mt 26,26) Man könnte argumentieren, dass Jesus hier eine schon zur Zeit des zweiten Tempels gebräuchliche Formel umdeutet. Aber Leonhardt hat gezeigt, dass die gesamte Pesachhaggada deutlich später als das Neue Testament entstanden ist. 22 Der eröffnende Satz und die dazugehörige Geste des Hausvaters, der die Mazze hochhebt und zeigt, können also als hochmittelalterliche Gegenreaktion auf die christliche Eucharistiefeier verstanden werden.23

Ein weiteres in unserem Zusammenhang diskutiertes Element der Pesachhaggada ist das sog. Dayyenu, erst Ende des 10. Jh.s schriftlich belegt und damals noch kein fester Bestandteil der Seder-Ordnung. In diesem Lied werden die Wohltaten aufgezählt und gepriesen, die Gott Israel im Zusammenhang mit dem Exodus und der Gabe des Landes erwiesen hat. Für jede einzelne von ihnen gilt: Hätte Gott nur dies getan, es wäre genug gewesen, dayyenu. Schon in der Osterhomilie des Meliton von Sardes24 ist von diesen Wohltaten die Rede, zugleich aber auch von der Undankbarkeit Israels, mit der es auf diese gnädige Zuwendung Gottes antwor­tete. Melitons antijüdische Aufzählung und Argumentation hat ihren Weg in die christliche Karfreitagsliturgie gefunden, sowohl im Osten als auch im Westen, dort in Form der sog. Improperien, einer Anklagerede Christi an sein Volk.25

Während in älteren Forschungen die Osterhomilie des Meliton als christliche Haggada und der entsprechende Passus als Reaktion auf das Dayyenu verstanden wurde, deutet Yuval dieses Stück als bewusste Antwort auf christliche Polemik. Auch Leonhard sieht zumindest die Möglichkeit, dass das Dayyenu im hohen Mit­telalter als Gegentext zu den Improperien verstanden werden konnte.26

Ein Element der Haggada, das eindeutig in polemischer Absicht entstanden ist und so auch von den Christen wahrgenommen wurde, ist der Abschnitt »Schfoch Chammatcha« »Gieße deinen Zorn über die Völker«, eine Zusammmenstellung aus Bibeltexten, u. a. Ps 79,6 f.; Ps 69,25; Klgl 3,66, die frühestens zur Zeit der Kreuzzüge in Aschkenas, also Mitteleuropa, entstand. »Schfoch Chammatcha ist der deutlichste Fall der Nutzung von Text und Ritual zum Diskurs über interreligiöse Konflikte in der Haggada.« 27

Während also die Feier von Pesach in Antike und Mittelalter teilweise auf das Christentum reagierte,28 sind in den vergangenen Jahrzehnten deutliche Einflüsse des Judentums auf die christliche Feier des Triduum Sacrum, insbesondere des Karfreitag, erkennbar. Der Themenbereich Pesach und Ostern ist darum im dritten Teil noch einmal aufzunehmen.

2.2 Weitere Berührungen im Festjahr
2.2.1 Jom Kippur
Daniel Stökl Ben Ezra untersucht verschiedene Formen der Rezeption des Jom Kippur im Christentum.29 Er sieht eine »apostolische Rezeption« in einer Zeit, in der noch gemeinsam mit den Juden gefeiert wird. So ist für ihn Apg 27,9 ein Beleg dafür, dass Lukas wie die Heidenchristen, für die er schreibt, »Fasten« völlig klar als Jom Kippur identifizieren, was sich nur erklären lasse, wenn dieser Tag auch Teil ihres Festkalenders sei (173). Noch bei Origenes und Chrysostomus finden sich Belege dafür, dass es zumindest noch einzelne Christen, wenn auch keine ganzen Gemeinden mehr gibt, die mit den Juden fasten (172 f.). Eine zweite Beziehungsmöglichkeit ist die »zeitgenössische« oder »direkte« Rezeption. Leo der Große versteht die Herbstquatember, eine Fastenzeit im September, in seinen Predigten als christianisierte Form des jüdischen Fastens (175 f.). Dabei lässt sich ein Teil der Lesungen der Herbstquatember in Rom nicht einfach durch Rückgang auf das Alte Testament erklären, sondern setzt Vertrautheit mit jüdischer Liturgie voraus. Eine solche Vertrautheit ist auch in Predigten Leos erkennbar. Das barfuss Gehen der Juden, auf das er sich bezieht, ist z. B. erst in der Mischna erwähnt (176–179). Eine »Schreibtischrezeption«, also eine Übernahme aus dem Alten Testament ohne direkte Berührungen, sieht Stökl Ben Ezra in der Datierung der Verkündigung an Zacharias auf den Jom Kippur, wie sie sich im Orient findet (179–183).30

2.2.2 Der 10. Sonntag n. Trinitatis und der 9. Ab
Der 10. Sonntag nach Trinitatis mit der Evangelienlesung Lk 19,41–48 fällt in zeitliche Nähe zum jüdischen Gedenktag der Zerstörung Jerusalems, dem 9. Ab. Umstritten ist, ob diese Beziehung schon die Wahl der altkirchlichen Evangelienperikope bestimmt hat, wie Amnon Linder meint,31 oder ob der Zusammenhang erst in der Reformationszeit bewusst wurde.32 Seit dem 16. Jh. wird Lk 19,41–48 jedenfalls im evangelischen Gottesdienst im Lichte der Zerstörung Jerusalems am 9. Ab bzw. am 10. August gelesen, auch zeigen evangelische Prediger eine klare Kenntnis der jüdischen Feier des 9. Ab. Es gibt sogar den Versuch, ein Element der jüdischen Liturgie, die Lesung der Klagelieder, in den christlichen Gottesdienst dieses Tages zu übernehmen.33

2.3. Jüdisches und christliches Beten
Die Frage nach jüdischem und christlichem Beten steht im Zentrum des Bandes »Identität durch Gebet«, der auf ein Symposion im Jahr 2001 im Rahmen des Bonner Sonderforschungsbereichs »Ju­dentum und Christentum« zurückgeht.34 Dabei ist die Betrachtungsweise anregend und weiterführend, nicht nur nach der Entstehung von Gebetstexten, sondern nach ihrer Bedeutung für die Identität der jeweiligen religiösen Gemeinschaft zu fragen.

Einleitende Beiträge von Paul F. Bradshaw und Gerard Rouwhorst zeigen unter der Überschrift »Möglichkeiten und Grenzen eines jüdisch-christlichen Vergleichs liturgischer Gebetstraditionen« auf, wie vorsichtig man methodisch sein muss, direkte Ab­hängigkeiten und Beziehungen zu postulieren. Bradshaw stellt dar, wie dünn und unsicher sich einerseits die Quellenlage in den ersten Jahrhunderten darstellt, wie vielfältig sie gleichzeitig ist. Insgesamt sei darum eher auf eine strukturelle als auf eine direkte literarische oder auch formale Beziehung zu verweisen: Jüdisches wie christliches Beten ist in der Anamnese verwurzelt, diese stellt auch Bitte und Fürbitte in einen festen Rahmen – ein Unterschied zum Gebet anderer Religionen. 35 Rouwhorst untersucht Parallelen zwischen frühchristlichen und jüdischen Gebetsformen. Typisch sind einerseits reine Lobpreisungen oder Danksagungen – die jüdische Bezeichnung Beracha will Rouwhorst dabei für christliches Beten nicht übernehmen. Eine zweite Form verbindet die indikativische Anamnese, die lobpreisende, verkündigende Erinnerung der Heils­taten Gottes, mit der Epiklese, der bittenden Anrufung. Für diese Form hat sich die Bezeichnung »todah« eingebürgert. Was die Danksagungen oder Berachoth angeht, ist unterscheidend festzustellen, dass sie im Christentum immer in einen liturgischen Kontext gehören, während die jüdischen Berachoth bis heute im Alltag verwurzelt sind. Zudem wird diese Form im Christentum ab dem 4. Jh. marginal.36

Im Zentrum des Bandes stehen die Amida – das Achtzehnbittengebet – und das Vaterunser als für die jeweilige religiöse Identität zentrale Gebetstexte. Hierbei wird deutlich, dass einerseits die Amida – trotz existierender Vorläufer in der Zeit des zweiten Tempels37 – durch das ganze erste Jahrtausend n. Chr. textlich noch nicht fixiert war.38 Eine direkte Beziehung des Va­terunsers auf die Amida, wie sie gerne angenommen wurde, ist also auszuschließen. Im Übrigen hatte das Vaterunser – trotz der Vorgabe in Didache 8,2f. – in den ersten Jahrhunderten noch keinen festen Platz im christlichen Gottesdienst. Origenes behandelt das Vaterunser als Gegenstand exegetischer Auslegung – das rechte Verstehen des Vaterunsers, nicht das Beten, prägt christliche Identität.39 Noch bei Theodor von Mopsuestia, der das Vaterunser im Rahmen seiner katechetischen Homilien als Grundlage des ethischen Handelns auslegt, wird es nicht als liturgischer Text ge­sehen.40

Weiterführend im Sinne der von Bradshaw genannten strukturellen und theologischen Parallelen ist eine theologische Analyse verwandter Gebetstexte – der ostsyrischen Anaphora der Apostel Addai und Mari und der Benediktionen des Schema Israel, also der Segenssprüche, die die morgendliche und abendliche Rezitation des »Höre Israel« einrahmen – die Reinhard Meßner und Martin Lang vorlegen.41

2.4. Christliche Abendmahlsliturgie und jüdische Mahlgebete
Zentraler Bestandteil des christlichen Betens sind die Eucharistiegebete. Es stellte einen wichtigen Schritt in der Forschung dar, als die Beziehung der Abendmahlsliturgie zu den jüdischen Mahlgebeten – aber auch zu den Benediktionen des Schema Israel und zur Amida – festgestellt wurde. Die Verbindung gerade zu den Mahlgebeten in Didache 9 und 10 ist immer wieder gesehen worden.42 Dennoch dürfen nicht vorschnell und unhistorisch direkte Beziehungen zwischen diesen jüdischen Gebeten und den christlichen Abendmahlsgebeten hergestellt werden.

Noch die Mischnah schreibt keinen festen Text für das Gebet nach der Mahlzeit, die »Birkat ha-mazon«, vor, sondern benennt nur die Themen der einzelnen Teile. Es gibt zwar schon ältere Hinweise auf solche dreiteiligen Gebete – der vierte Teil wurde erst später hinzugefügt – mit den entsprechenden Themen, aber es sind daneben auch Tischgebete in ganz anderen Formen bekannt.43 Rouwhorst sieht zwar, dass sehr wohl ein Teil der christlichen Eucharistiegebete, neben Didache 9–10 insbesondere die Anaphora von Addai und Mari, in jüdischer Gebetstradition ihren Ursprung hat, dass aber auch hier nicht vorschnell direkte literarische Beziehungen zu konstatieren sind. Die Gebete hätten sich vielmehr gleichzeitig entwickelt, teilweise als abgrenzende Reaktion auf die andere Seite, aber zum Teil auch ganz unabhängig, nur von ähnlichen Grundlagen ausgehend. 44

Einen interessanten Einwand dagegen, christliche und jüdische Benediktionen über Brot und Wein zu parallelisieren, hat vor Kurzem Clemens Leonhard vorgebracht. Er zeigt, dass die jüdischen Berachoth vor dem Genuss von Speisen dazu dienen, heilige, das heißt Gott gehörende Speisen zu profanieren, also deren Genuss für die Menschen zu ermöglichen. Diese Birkhot ha-nehenin seien erst im 2. Jh. entstanden. Die christlichen Gebete vor der Kommunion hätten gerade die gegenteilige Funktion, nämlich eine profane Speise zu heiligen. »Therefore, birkhot ha-nehenin cannot have been a model for first and early second century Chris­tianity because of their date of origin and because of their liturgical function.« 45

Eine einseitige Herleitung der christlichen Eucharistie aus der jüdischen Liturgie wird aber auch dadurch in Frage gestellt, dass das hellenistische Symposion als eine Wurzel der christlichen Abendmahlsfeier wieder neu in die Diskussion gebracht worden ist, wobei hier weniger die Texte als die soziale Dimension der Feier in den Blick genommen wurde.46 Rouwhorst, der Stärken und Schwächen der jüdischen wie der hellenistischen Herleitung aufweist und beide nebeneinander sehen will, betont gleichzeitig, dass das typisch Christliche nicht aus dem Blick geraten darf, das sich sowohl auf der Ebene der Texte als auch in den nichtsprachlichen Elementen findet. Ein Beispiel dafür ist die große Bedeutung, die das Brotbrechen im Christentum schon in neutestamentlicher Zeit gewinnt, wofür sich weder in der jüdischen noch der hellenis­tischen Umwelt Parallelen finden. 4 7

Noch viele weitere Beispiele könnten hier genannt werden, so z. B. die Frage der Gebetsostung im Judentum und im Christentum in den ersten Jahrhunderten,48 die Übernahme liturgischer Melodien von der Synagoge in die Kirche des Mittelalters,49 das deutsche Reformjudentum des 19. Jh.s mit seinen aus der Kirche übernommenen Bräuchen wie regelmäßige Predigt in der Landessprache, Orgel- und Chormusik, Konfirmation sowie der neuen Bedeutung, die die Rabbiner für die Gemeinden gewannen.50 Auch ein Vergleich lebensgeschichtlich bedeutsamer Riten wie Taufe, Beschneidung, Hochzeit und Bestattung wäre interessant.51 Darauf wird hier verzichtet. Stattdessen soll der Blick im Folgenden auf die Gegenwart gerichtet werden. Wie reagiert die christliche Liturgie heute auf das Judentum?

3. Einige aktuelle Interdependenzen zwischen christlicher und jüdischer Liturgie


3.1 Welche Aussagen finden sich in christlicher Liturgie über das Judentum?
In der eigenen Liturgie nicht herabsetzend über die jeweils andere Religion zu reden, das ist nicht erst ein Anliegen der Gegenwart. Als die jüdische Reformbewegung im 19. Jh. begann, traditionelle Ge­betstexte zu ändern, wurden dabei auch Stellen gestrichen, die sich gegen die Christen richteten bzw. jedenfalls so verstanden werden konnten, wie sehr exklusive Teile des Alenu-Gebets, das die jüdischen Gebetszeiten beschließt,52 das Schfoch Chammatcha der Pesachhaggada oder die 12. Benediktion der Amida (der sog. »Ketzersegen«). Statt partikularistischer wurden universalistische Aussagen betont. Allerdings sind in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s – auch als Reaktion auf den Holocaust – in den Reformgebetbüchern partikularistische Aussagen wieder stärker aufgenommen worden. »Our liturgists were now challenged to be at once unapologetically particularistic and patently respectful of ›the other‹.« 53 In der Zeit der Aufklärung gibt es auch innerhalb des Christentums Beispiele für die Wahrnehmung der Problematik liturgischer Texte. So kritisiert Johann Gottfried Herder Johannes Bugenhagens Historie von der Zerstörung Jerusalems, die am 10. Sonntag n. Trinitatis verlesen wurde, da durch sie »der christliche Haß gegen eine unschuldige und gegenwärtig durch weltliche Rechte beschützte Nation ... heilig und kirchenagendemäßig gestärkt werde«. 54

Bedeutsam wurde das Anliegen, in der Liturgie der Kirche in rechter Weise vom Judentum zu sprechen, erst in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg. Die Erklärung des Vatikanum II über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen, Nostra aetate, legt im Kapitel 4 über das Judentum auch Gewicht auf die praktische Umsetzung der neuen Erkenntnisse: »Gewiß ist die Kirche das neue Volk Gottes, trotzdem darf man die Juden nicht als von Gott verworfen oder verflucht darstellen, als wäre dies aus der Heiligen Schrift zu folgern. Darum sollen alle dafür Sorge tragen, daß niemand in der Katechese oder bei der Predigt des Gotteswortes etwas lehre, das mit der evangelischen Wahrheit und dem Geiste Christi nicht im Einklang steht.«

Ein prominentes Beispiel für die neue theologische Würdigung des Judentums in der Liturgie war die im Missale Romanum von 1970 erneuerte Karfreitagsfürbitte für die Juden.55 Das Gebet stellt Maßstäbe auf, die in anderen liturgischen Texten noch einzuholen sind.56 Wie bedeutsam dieses erneuerte Gebet ist, wurde jüngst deutlich an den heftigen Reaktionen auf die Wiederzulassung der vorkonziliaren Karfreitagsliturgie durch Papst Benedikt XVI.57 Auch die bereits genannten Improperien (s. o. 2.1), die als gegen die Juden gerichtet verstanden werden können, sind für die römische Karfreitagsliturgie nicht mehr verbindlich vorgeschrieben. In den reformatorischen Kirchen sind in den vergangenen Jahrzehnten zudem auch neue Fassungen dieses Textes entstanden.58

Im Rahmen der deutschen evangelischen Kirche ist noch einmal auf das EGb hinzuweisen. Angestoßen durch die Konferenz Landeskirchlicher Arbeitskreise Christen und Juden (KLAK) wurde nicht nur das zu Beginn dieses Beitrags zitierte Israelkriterium unter die maßgeblichen Kriterien aufgenommen, es wurden auch die Ge­bets­texte des Vorentwurfs Erneuerte Agende von 1990 unter dem Blickwinkel des Redens über die Juden kritisch überprüft.59 Inzwischen sind auch einige Beiträge erschienen, die versuchen, das Israelkriterium in der gottesdienstlichen Arbeit umzusetzen.60

Eine weitere entscheidende Veränderung in der Liturgie der meisten westlichen Kirchen – die nicht nur, aber doch zu einem guten Teil auch auf eine neue Wahrnehmung des Judentums zu­rückgeht – sind die neuen gottesdienstlichen Leseordnungen, die in den vergangenen Jahrzehnten entstanden sind und in denen das Alte Testament einen deutlich gewichtigeren Platz gefunden hat als in den Jahrhunderten zuvor. Dennoch werden hier weitere Verbesserungen eingefordert.61

3.2 Aktuelle Übernahmen aus der jüdischen Tradition
Abschließend sollen zwei Versuche dargestellt werden, heute jü­disch-liturgische Formen in christliche Gottesdienste zu übernehmen – Beispiele, die auch die Problematik solcher Versuche zeigen.

Obwohl es alte Traditionen einer christlichen Begrüßung des Sonntags gibt,62 geht die Neubelebung des Brauches sicher auf Anregungen durch die jüdische Begrüßung des Sabbat zurück. 1987 veröffentlichte die Jesus-Bruderschaft Gnadenthal ein Heft: Wir begrüßen den Sonntag. Feier zum Tag des Herrn.63 Die hier dokumentierte Ordnung greift auf das jüdische Vorbild der Sabbatfeier zurück. Gleichzeitig aber wird diese Feier sehr klar christlich um­gestaltet: Nicht mehr der siebte Tag der Woche als Ruhetag, sondern der erste Tag der Woche als Auferstehungstag wird begangen, aber dankbar werden die Anregungen des jüdischen Brauchs und der jüdischen Liturgie dafür genutzt. Die Feier beginnt mit dem Entzünden einer Sonntagskerze, begleitet von Schriftwort und Gebet, 64 es folgen die »Begrüßung und Heiligung des Sonntags« sowie der »Segen über der Mahlzeit« – angelehnt an den Kiddusch, das jüdische häusliche Ritual zur Begrüßung des Sabbat. Das Ab­schlussgebet nach der Mahlzeit nimmt Elemente des jüdischen Dankgebets nach dem Essen, der Birkat ha-mazon auf.65 Die Ordnung hat ihren Weg über verschiedene Kommunitäten schließlich auch in Gemeinden66 und in Familien67 gefunden. Die Sonntagsbegrüßung ist Beispiel einer dankbaren Befruchtung durch jüdische Praxis. Hochproblematisch erscheint dagegen eine christliche Sabbatbegrüßung, die Feierformen messianischer Juden aufnimmt.68 Hier wird der wahre Sabbat und »Jesus, der Messias« als »die wahre Ruhe« gefeiert und die jüdische Feier überboten und damit entwertet.69

Ein weiteres Beispiel für die Übernahme jüdischer Liturgie durch die Kirche in jüngerer Zeit ist die Feier des Seder in christlichen Gemeinden am Gründonnerstag oder an anderen Tagen der Karwoche. Dieser Brauch hat sich in den letzten Jahrzehnten relativ weit verbreitet. Dahinter steckt vor allem das Anliegen, dem letzten Mahl Jesu mit seinen Jüngern und der Einsetzung des Abendmahls möglichst nahezukommen. Die deutlich jüngere Pesachhaggada ist dafür allerdings denkbar ungeeignet. Vor allem aber sind christliche Sederfeiern ein enteignender Übergriff auf besonders zentrale jüdische Traditionen. 70 Der Brauch ist im Übrigen nicht auf Deutschland beschränkt. Frank C. Senn, der seit den späten 60er Jahren Ordnungen für christliche Sederfeiern kennt, lehnt diese ab und fordert stattdessen eine bewusste Feier der Osternacht: »The point is that the true Christian Passover is the Easter Vigil, and it expresses both Christian continuity and discontinuity with the Jewish Passover. Until congregations have learned to observe and celebrate well their own paschal feast, they have no business trying to celebrate someone else’s ... a proper celebration of the Christian Passover gives Christians food for sharing in interfaith dialogue, which could lead to affirming our common experience of life under the gracious rule of a faithful and loving God.« 71 Nachdem die Problematik solcher Sederfeiern bewusst wurde,72 sind in jüngster Zeit neue Materialien erschienen, die versuchen, auf verantwortliche Weise Anregungen aus der jüdischen Feier von Pesach in die christliche Liturgie aufzunehmen, vor allem eine aus der Jugendarbeit stammende christliche »Exodus-Feier«.73

Summary


In recent years, a new model for the relations between Jewish and Christian liturgy has proved to be helpful: the emergence of rab­binic Judaism and Christianity is to be understood not as the one-sided dependence of mother and daughter but rather as the con­tinuous interaction between two twin brothers.

This is particularly obvious with respect to their respective worship services. There are parallel developments as well as take­overs and polemical demarcations as can clearly be shown in the case of Pesach and Easter.

The mutual influence is not limited to the first centuries AC but can also be found in mediaeval and modern times. Today also Chris­tian worship must respond to the current challenges by Judaism.

Fussnoten:

1) Dieses sog. Israelkriterium ist eines der sieben maßgeblichen Kriterien für die Gestaltung des Gottesdienstes, die das Evangelische Gottesdienstbuch nennt. Vgl. Evangelisches Gottesdienstbuch. Agende für die Evangelische Kirche der Union und für die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands, hrsg. v. d. Kirchenleitung der VELKD u. i. A. d. Rates v. d. Kirchenkanzlei der EKU, Berlin 1999, 15–17, Zitate 16. Das Israelkriterium findet sich noch nicht im Vorentwurf Erneuerte Agende von 1990. Vgl. zu seiner Entstehung unter 3.1 sowie Helmut Schwier, Die Erneuerung der Agende. Zur Entstehung und Konzeption des »Evangelischen Gottesdienstbuches«, Hannover 2000, 313–335.402–407.
2) Dazu a. a. O., 488 mit Anm. 769, vgl. auch die frühere Fassung des Israelkriteriums, die Schwier (403, Anm. 252) zitiert.
3) Karl-Heinrich Bieritz, Liturgik, Berlin-New York 2004, vgl. z. B. Bieritz’ Ausführungen zu den Themen Abendmahl, 279–301, Wortgottesdienst, 308 f., sowie zu den Tagzeitengebeten, 606 f.
4) Albert Gerhards, Kraft aus der Wurzel. Zum Verhältnis christlicher Liturgie gegenüber dem Jüdischen: Fortschreibung oder struktureller Neubeginn? KuI 16 (2001), 25–44; ders., Impulse des christlich-jüdischen Dialogs für die Liturgiewissenschaft, in: Peter Hünermann/Thomas Söding, Methodische Erneuerung der Theologie. Konsequenzen der wiederentdeckten jüdisch-christlichen Gemeinsamkeiten (QD 200), Freiburg 2003, 183–211; ders.: Jüdische Liturgie und christliche Liturgiewissenschaft – Zum Stand der Forschung, in: Dialog oder Monolog (s. u. Anm. 14), 34–49.
5) Gerhards, Kraft aus der Wurzel (s. o. Anm. 4), 25–33, vgl. auch ders., Jüdische Liturgie und christliche Liturgiewissenschaft (s. o. Anm. 4), 35–39.
6) Zitiert nach Thomas J. Talley, Von der Berakah zur Eucharistia. Das eucharistische Hochgebet der alten Kirche in neuerer Forschung. Ergebnisse und Fragen, LJ 26 (1976), 93–115; 93.
7) Anton Hänggi/Irmgard Pahl, Prex Eucharistica. Textus e variis liturgiis antiquoribus selecti, Freiburg/Schweiz 1968, 3. Aufl. 1998.
8) Frieder Schulz, Die jüdischen Wurzeln des christlichen Gottesdienstes, JLH 28 (1984), 39–55.
9) Die Ergebnisse sind veröffentlicht in dem Band: Hans Hermann Henrix (Hrsg.), Jüdische Liturgie. Geschichte – Struktur – Wesen (QD 86), Freiburg u. a. 1979.
10) Vgl. Paul F. Bradshaw, Parallels between Early Jewish and Christian Prayers. Some Methodological Issues, in: Identität durch Gebet (s. u. Anm. 15), 21–36; ders., Ten Principles for Interpreting Early Christian Liturgical Evi­dence, TLT 1 (s. u. Anm. 17), 3–21; Stefan C. Reif, The Early History of Jewish Worship, TLT 1, 109–136; ders., The Meaning of the Cairo Genizah for Students of Early Jewish and Christian Liturgy, in: Jewish and Christian Liturgy and Worship (s. u. Anm. 14), 43–62.
11) Gerard Rouwhorst, Christlicher Gottesdienst und der Gottesdienst Israels. Forschungsgeschichte, historische Interaktionen, Theologie, GdK 2/2, Regensburg 2008, 491–572.
12) Vgl. hierzu auch den Literaturbericht: Clemens Leonhard/A. Gerhards/Peter Ebenbauer, Liturgie und Judentum, ALW 46 (2004), 407–451.
13) Israel Yuval, Zwei Völker in deinem Leib. Gegenseitige Wahrnehmung von Juden und Christen in Spätantike und Mittelalter (Jüdische Religion, Geschichte und Kultur 4), Göttingen 2007, 15–44.
14) Hanspeter Heinz/Klaus Kienzler/Jakob J. Petuchowski (Hrsg.), Versöhnung in der jüdischen und christlichen Liturgie (QD 124), Freiburg u. a. 1990; Klemens Richter/Benedikt Kranemann, Christologie der Liturgie. Der Gottesdienst der Kirche – Christusbekenntnis und Sinaibund (QD 159), Freiburg u. a. 1995; Albert Gerhards/Hans Hermann Henrix (Hrsg.), Dialog oder Monolog? Zur liturgischen Beziehung zwischen Judentum und Christentum (QD 208), Freiburg 2004; vgl. daneben: Gerhards, Albert, u. Clemens Leonhard: Jewish and Christian Liturgy and Worship. New Insights into its History and Interaction. Leiden-Boston: Brill 2007. VII, 334 S. gr.8° = Jewish and Christian Perspectives Series, 15. Geb. EUR 129,00. ISBN 978-90-04-16201-3.
15) Gerhards, Albert, Doeker, Andrea, u. Peter Ebenbauer [Hrsg.]: Identität durch Gebet. Zur gemeinschaftsbildenden Funktion institutionalisierten Betens in Judentum und Christentum. Hrsg. unter Mitarbeit v. S. Wahle. Paderborn-München-Wien-Zürich: Schöningh 2003. 430 S. gr.8° = Studien zu Judentum und Christentum. Kart. EUR 54,00. ISBN 978-3-506-72368-0; A. Gerhards/Stephan Wahle (Hrsg.), Kontinuität und Unterbrechung. Gottesdienst und Gebet in Judentum und Christentum, Paderborn u. a. 2005.
16) Andrea Bieler, Die Sehnsucht nach dem verlorenen Himmel. Jüdische und christliche Reflexionen zu Gottesdienstreform und Predigtkultur im 19. Jahrhundert (PTHe 65), Stuttgart 2003; Harald Buchinger, Pascha bei Origenes (IThS 64), 2 Bde., Innsbruck-Wien 2005; C. Leonhard, The Jewish Pesach and the Origins of the Christian Easter. Open Questions in Current Resarch (SJ 35), Berlin-New York 2006; Wahle, Stephan: Gottes-Gedenken. Untersuchungen zum anamnetischen Gehalt christlicher und jüdischer Liturgie. Innsbruck-Wien: Tyrolia 2006. 519 S. 8° = Innsbrucker theologische Studien, 73. Kart. EUR 49,00. ISBN 978-3-7022-2743-2; Alexander Deeg, Predigt und Derascha. Homiletische Textlektüre im Dialog mit dem Judentum (Arbeiten zur Pastoraltheologie, Liturgik und Hymnologie 48), Göttingen 2006.
17) P. F. Bradshaw/Lawrence A. Hoffman (Hrsg.), The Making of Jewish and Christian Worship, TLT 1, Notre Dame 1991; dies. (Hrsg.), The Changing Face of Jewish and Christian Worship in North America, TLT 2, 1991; L. A. Hoffman/Janet R. Walton (Hrsg.), Sacred Sound and Social Chance: Liturgical Music in Jewish and Christian Experience, TLT 3, 1992; P. F. Bradshaw/L. A. Hoffman (Hrsg.), Life Cycles in Jewish and Christian Worship, TLT 4, 1996; dies., Passover and Easter. Origin and History to Modern Times, TLT 5, 1999; dies., Passover and Easter. The Symbolic Structure of Sacred Seasons, TLT 6, 1999.
18) I. Yuval, Easter and Passover as Early Jewish-Christian Dialogue, in: TLT 5 (s. o. Anm. 17), 98–124; ders., Passover in the Middle Ages, in: TLT 5, 127–160; ders., Pessach und Ostern: Dialog und Polemik in Spätantike und Mittelalter, Kleine Schriften des Ayre-Maimon-Instituts 1, Trier 1999; ders., Zwei Völker in deinem Leib (s. o. Anm. 13); C. Leonhard, Pessachhaggada und Osternacht. Gegenseitige Beeinflussung von jüdischer und christlicher Liturgie, KuI 16 (2001), 45–48; ders., Die älteste Haggada, ALW 45 (2003), 201–231; ders., Das alt­tes­tamentliche und das jüdische Pesachfest, in: Hansjörg Auf der Maur, Die Osterfeier in der alten Kirche, Liturgia Oenipontana 2, Münster 2003, 11–31; ders., Die Ursprünge der Liturgie des jüdischen Pesach und das christliche Osterfest, in: Dialog oder Monolog? (s. o. Anm. 14), 150–166; ders., Die Pesachhaggada als Spiegel religiöser Konflikte, in: Kontinuität und Unterbrechung (s. o. Anm. 15), 143–171; ders., The Jewish Pesach and the Origins of the Christian Easter (s. o. Anm. 16).
19) Clemens Leonhard, Die Ursprünge der Liturgie des jüdischen Pesach (s. o. Anm. 18).
20) So der Untertitel des genannten Werkes (s. o. Anm. 13); Seitenzahlen im folgenden Text beziehen sich auf diesen Band.
21) So Leonhard in seinem Beitrag »Die Pesachhaggada als Spiegel religiöser Konflikte« (s. o. Anm. 18), in dem er sich ausdrücklich mit Yuvals Thesen auseinandersetzt, 168. Vgl. zu der Rolle des Mose auch ders., Warum wird Mose in der Pesachhaggada nicht erwähnt? Überlegungen zu einer scheinbar versäumten Gelegenheit, den zweitwichtigsten Akteur des Auszugs aus Ägypten zu ehren, in: Marcel Barnard/Paul Post/Els Rose, A Cloud of Witnesses. The Cult of Saints in Past and Present, Liturgia condenda 19, Leuven u. a. 2005, 129–143. Leonhard kommt hier zu dem Schluss (141): »Die Haggada übernimmt … die Tendenz, die Bedeutung der Mittlerschaft des Mose zu reduzieren, aus der rabbinischen Literatur und ist selbst kein Zeugnis eines unmittelbaren Disputs mit dem Christentum.«
22) Leonhard, Die älteste Haggada (s. o. Anm. 18).
23) Leonhard, Die Ursprünge der Liturgie des jüdischen Pesach (s. o. Anm. 18). Yuval verweist zudem auf den ehrfürchtigen Umgang mit der Mazze, besonders dem Afikoman, dem Stück, das das Mahl abschließt. Dieser erinnert an den christlichen Umgang mit der Hostie, von der nichts umkommen darf. Die besonderen Rituale des Verhüllens und Verbergens des Afikoman ähneln zudem Ritualen von Gründonnerstag/Karfreitag/Karsamstag, wenn eine der am Gründonnerstag geweihten Hostien am Karfreitag ins Heilige Grab gelegt wird; vgl. dazu Joachim Kettel, Zur Liturgie des Gründonnerstags, LJ 3 (1953), 60–74. Der Afikoman erhielt zudem im Hochmittelalter eine messianische Bedeutung; vgl. Yuval (s. o. Anm. 13), 240–248.
24) Josef Blank, Meliton von Sardes: Vom Passa. Die älteste christliche Osterpredigt, Freiburg 1963.
25) Vgl. zu den Improperien A. Gerhards, Art. Improperia, in: RAC 17, 1996, 1198–1212; dort auch weitere Literatur. Zum antijüdischen Verständnis der Improperien im Mittelalter vgl. S. Wahle, O liebes folgk, sage mir an: was han ich dir zu leide getan. Auf der Spurensuche einer Wirkungsgeschichte der Improperien in spätmittelalterlichen Passionsspielen, in: Kontinuität und Unterbrechung (s. o. Anm. 15), 173–212.
26) Yuval (s. o. Anm. 13), 83–85; Leonhard, Die Pesachhaggada als Spiegel religiöser Konflikte (s. o. Anm. 18), 152–160, dort auch der Text des Dayyenu.
27) A. a. O., 161 f., Zitat 161; vgl. auch Yuval (s. o. Anm. 13), 133–145.
28) Im Zusammenhang mit Pesach und Ostern werden auch weitere Be­rührungen im Festjahr diskutiert. Zum einen geht es hier um die Vorbereitungszeit auf das jeweilige Fest und um den »großen Sabbat«. Vgl dazu: TLT 6 (s. o. Anm. 17), Teil I: Preparing for Sacred Time: History and Typology in Great Sabbath and Lent, darin folgende Beiträge: L. A. Hoffman, The Great Sabbath and Lent: Jewish Origins?, 15–35; Maxwell E. Johnson, Preparation for Pascha? Lent in Christian Antiquity, 36–54; Hoffman/Johnson, Lent in Perspective: A Summary Dialogue, 55–68; vgl. außerdem Yuval (s. o. Anm. 13), 215–232. Zum anderen werden Beziehungen zwischen den jeweils auf das Fest folgenden 50 Tagen mit Schawuoth bzw. Pfingsten als Abschluss hergestellt. Vgl. dazu Reinhard Messner, Einführung in die Liturgiewissenschaft, Paderborn u. a. 2001, 326–330 mit Verweis auf ältere Literatur. Rouwhorst, GdK 2/2 (s. o. Anm. 11), 545–547, und auch Leonhard, The Jewish Pesach and the Origins of the Christian Easter (s. o. Anm. 16), 140–188 und 429 f., stehen solchen Versuchen kritisch gegenüber.
29) Daniel Stökl Ben Ezra, Zur Rezeption des Jom Kippur in der frühchristlichen Liturgie, in: Dialog oder Monolog? (s. o. Anm. 14), 167–183, zu den verschiedenen Rezeptionsweisen 170 f.; vgl. auch ders., The Impact of Yom Kippur on Early Christianity. The Day of Atonement from Second Temple Judaism to the Fifth Century, WUNT 163, Tübingen 2003; Seitenzahlen im folgenden Text beziehen sich auf den zuerst genannten Beitrag.
30) Die Thematik des Jom Kippur ist daneben an verschiedenen Stellen im christlichen Kalender und der christlichen Liturgie aufgenommen, nicht zuletzt am Karfreitag und in der Feier der Buße. Vgl. dazu die Beiträge in dem Sammelband »Versöhnung in der jüdischen und christlichen Liturgie« (s. o. Anm. 14).
31) Amnon Linder, The Destruction of Jerusalem Sunday, in: SE 30 (1987/88), 253–293, dazu und zu weiteren Beiträgen von Linder: Evelina Volkmann, Vom Judensonntag zum Israelsonntag. Predigtarbeit im Horizont des christlich-jüdischen Gesprächs, Stuttgart 2002, 22–24.
32) Irene Mildenberger, Der Israelsonntag – Gedenktag der Zerstörung Jerusalems. Untersuchungen zu seiner homiletischen und liturgischen Gestaltung in der evangelischen Tradition, SKI 22, 2. Aufl., Berlin 2007, 57–66, zum 9. Ab und seinem Bezug zum 10. Sonntag n. Trinitatis: 54–57, zur Auseinandersetzung mit Linder: 56 f., Anm. 144.
33) Durch Nikolaus Selnecker, vgl. dazu Mildenberger, a. a. O., 59 f. Weitere Hinweise auf Berührungspunkte im Festkalender bei Michael Hilton, »Wie es sich christelt, so jüdelt es sich«. 2000 Jahre christlicher Einfluss auf jüdisches Leben, Berlin 2000, englische Originalausgabe London 1994. Hilton untersucht die Beziehungen zwischen Weihnachten und Chanukka, 29–39, sowie zwischen Karneval und Purim, 39–45.
34) S. o. Anm. 15.
35) Bradshaw, Parallels between Early Jewish and Christian Prayers (s. o. Anm. 10), 33 f.
36) G. Rouwhorst, Identität durch Gebet. Gebetstexte als Zeugen eines jahrhundertelangen Ringens um Kontinuität und Differenz zwischen Judentum und Christentum, in: Identität durch Gebet (s. o. Anm. 15), 37–55.
37) Joseph Tabory, The Precursors of the Amidah, a. a. O., 113–125.
38) Ruth Langer, The Amidah as Formative Rabbinic Prayer, a. a. O., 127–156.
39) H. Buchinger, Gebet und Identität bei Origenes. Das Vaterunser im Ho­rizont der Auseinandersetzung um Liturgie und Exegese, a. a. O., 307–334.
40) C. Leonhard, The Lord’s Prayer Between Christian Ethics and Liturgy. Its Interpretation in Theodore of Mopuestia’s Catechetical Homilies and the Reception by Later East-Syrian Authors, a. a. O., 335–367. Vgl. zum Vaterunser auch den Beitrag von Karl-Heinz Müller, Das Vater-Unser als jüdisches Gebet, a. a. O., 159–204.
41) R. Meßner/Martin Lang, Die Freiheit zum Lobpreis des Namens. Identitätsstiftung im eucharistischen Hochgebet und in verwandten jüdischen Gebeten, a. a. O., 371–411.
42) Vgl. dazu die Darstellung bei Bieritz (s. o. Anm. 3), 281–285.294–299.
43) Bradshaw, Parallels between Early Jewish and Christian Prayers (s. o. Anm. 10), 26.
44) Rouwhorst, Identität durch Gebet (s. o. Anm. 36), 52.
45) C. Leonhard, Blessings over Wine and Bread in Judaism and Christian Eucharistic Prayers. Two Independent Traditions, in: Jewish and Christian Liturgy and Worship (s. o. Anm. 14), 309–326, Zitat 326.
46) Vgl. z. B. Matthias Klinghardt, Gemeinschaftsmahl und Mahlgemeinschaft. Soziologie und Liturgie frühchristlicher Mahlfeiern, TANZ 13, Tübingen-Basel 1996, sowie den instruktiven Überblick zu hellenistischen Mahlbräuchen von Blake Leyerle, Meal Customs in the Greco-Roman World, TLT 5 (s. o. Anm. 17), 29–61.
47) G. Rouwhorst, The Roots of the Early Christian Eucharist. Jewish Blessings or Hellenistic Symposia? In: Jewish and Christian Liturgy and Worship (s. o. Anm. 14), 295–308.
48) Martin Wallraff, Gerichtetes Gebet. Wie und warum richten Juden und Christen in der Spätantike ihre Sakralbauten aus? In: Dialog oder Monolog? (s. o. Anm. 14), 110–127.
49) Schulz (s. o. Anm. 8), 50–53.
50) Vgl. dazu Hilton (s. o. Anm. 33), 173–184.
51) Vgl. dazu den Band TLT 4: Life Cycles in Jewish and Christian Worship (s. o. Anm. 17), vor allem die Zusammenfassung der beiden Hrsg.: Life Cycle als Theology, 286–294: Für die Christen steht die Bedeutung von Tod und Auferstehung Jesu im Zentrum, darum sind von Anfang an Rituale um den Tod, aber auch rund um Krankheit, bestimmend. Die Taufe ist ursprünglich unabhängig von der natürlichen Geburt. Im Judentum dagegen sind Abrahams- und Sinaibund entscheidend, darum ist einerseits die Beschneidung von besonderer Bedeutung, andererseits sind es die Rituale, die mit Thora und ihrer Erfüllung zu tun haben.
52) Hilton (s. o. Anm. 33), 183 f.
53) Samuel E. Karff, The Perception of Christians in Jewish Liturgy: Then and Now, TLT 2 (s. o. Anm. 17), 31–45, zum Reformjudentum 36–38, Zitat 38. Zu der jüdischen Reformbewegung auch Bieler (s. o. Anm. 16), 64–96.
54) Zitiert nach Mildenberger, Der Israelsonntag (s. o. Anm. 32), 112.
55) Vgl. zu diesem Erneuerungsprozess und der theologischen Bedeutung der neuen Bitte: Daniela Kranemann, Israelitica dignitas? Studien zur Israeltheologie Eucharistischer Hochgebete, MthA 66, Altenberge 2001, 77–102.
56) Vgl. neben der bereits genannten Arbeit von Daniela Kranemann z. B. dies., Teilhabe an der Würde Israels. Anmerkungen zur Israeltheologie in den Gebetstexten des Messbuches, in: Dialog oder Monolog? (s. o. Anm. 14), 284–305; sowie Georg Braulik, Gott für Israel preisen. Zur Heilsprärogative Israels und zum 4. Hochgebet, a. a. O., 223–253. Ein neuer Gebetstypus, der Israel im christlichen Gottesdienst prominent zu Wort bringt, ist für die römisch-katholischen Wort-Gottes-Feiern entstanden, von Laien geleitete Wortgottesdienste. Vgl. dazu Daniela Kranemann, Lobpreis für das Wort der Heiligen Schrift – Lobpreis für Israel. Anmerkungen zu einem neuen Gebetstypus, in: »... dass er euch auch erwählet hat« (s. u. Anm. 60), 137–154.
57) Daran änderte auch die Umformulierung der alten Bitte durch den Papst nichts. Vgl. dazu Walter Homolka/Erich Zenger (Hrsg.), »... damit sie Christus erkennen«. Die neue Karfreitagsfürbitte für die Juden, Freiburg u. a. 2008.
58) Vgl. dazu I. Mildenberger: "Mein Volk, meine Kirche, was habe ich dir getan?"
Neue Improperien in den protestantischen Kirchen, in: " dass er euch auch erwählet hat" (s. u. Anm. 60), 203-226.
59) Vgl. Schwier (s. o. Anm. 1), 313–335.402–407.
60) Vgl. A. Deeg (Hrsg.), Der Gottesdienst im christlich-jüdischen Dialog. Liturgische Anregungen – Spannungsfelder – Stolpersteine, Gütersloh 2003; ders./I. Mildenberger (Hrsg.), »... dass er euch auch erwählet hat«. Liturgie feiern im Horizont des Judentums (Beiträge zu Liturgie und Spiritualität 16), Leipzig 2006.
61) Vgl. dazu Ansgar Franz (Hrsg.), Streit am Tisch des Wortes? Zur Deutung und Bedeutung des Alten Testaments und seiner Verwendung in der Liturgie, PiLi 8, St. Ottilien 1997; sowie ders., Das Alte Testament und die gottesdienstlichen Lesungen. Zur Diskussion um die Reform christlicher Lektionare, in: »... dass er euch auch erwählet hat« (s. o. Anm. 60), 227–257, dort auch weitere Literatur zu dieser Frage.
62) Belege aus Irland, Äthiopien und der syrischen Tradition bei Guido Fuchs, Wochenende und Gottesdienst. Zwischen kirchlicher Tradition und heutigem Zeiterleben, Regensburg 2008, 113 mit Anm. 107.
63) Jesus-Bruderschaft, Wir begrüßen den Sonntag. Feier zum Tag des Herrn, Gnadenthal-Hünfelden 1987, 2. Aufl. 1988.
64) A. a. O., 18: »Gepriesen bist du, Herr, unser Gott, du hast am ersten Tag das Licht erschaffen, und du hast deinen Sohn, das Licht der Welt, auferweckt, um eine neue Schöpfung zu beginnen. Gepriesen bist du, Herr, unser Gott, König der Welt. Du schenkst uns Freude, das Licht für den Tag des Herrn zu entzünden.«
65) A. a. O., 21–29. Es gibt auch eine knappere Ordnung zur Verabschiedung des Sonntags am Sonntagabend, hier werden Elemente des jüdischen Ab­schiedsrituals für den Sabbat, der so genannten Hawdala, aufgenommen: Eingangsgebet, Segen über dem Wein, das Löschen der Sonntagskerze, a. a. O., 30–33.
66) Vgl. Franz Rudolf Weinert, Feier der Eröffnung des Sonntags, in: Hans-Jochen Jaschke (Hrsg.), Gott unser Vater. Wiederentdeckung der Verbundenheit der Kirche mit dem Judentum, Bonn 1999.
67) Vgl. dazu eine weitere Veröffentlichung der Jesus-Bruderschaft (Hrsg.), Den Sonntag feiern. Eine kleine Hausliturgie zu Beginn des Sonntags, Gnadenthal-Hünfelden 1995.
68) Peter u. Dorothee Gleiss/Jakob Damkani/Waltraud Rennebaum, Chris­ten feiern jüdische Feste. Schabbat, Passa, Jom Kippur, Laubhüttenfest, Schawuot (Wochenfest), Hamburg, 2. Aufl. 2003.
69) »Wir feiern den Beginn des Schabbat zur Ehre Gottes, der diesen Ruhetag eingesetzt hat. Wir feiern ihn ... zur Ehre Jesu, des Messias. Er ist die wahre Ruhe – am Schabbat und an jedem Tag, bis in Ewigkeit.«, a. a. O. ,16. Noch deutlicher ist solche Überbietung und auch Enterbung bei anderen Festen, vor allem der christlichen Feier des Jom Kippur. Dort werden Elemente der jüdischen Versöhnungsgebete mit neutestamentlichen Texten unterbrochen, die von der einmalig geschehenen Versöhnung in Christus sprechen, 38–41.
70) Aus der vielfältigen Diskussion zum Thema seien hier nur genannt: C. Leonhard, Eine Hypothese feiern? Zur Problematik von »christlichen« Sedermahl-Feiern am Gründonnerstag, in: Gottesdienst 37 (2003), 20 f.; D. Kranemann, Pessach für Christen? Eine liturgische Grenzüberschreitung und ihre Probleme, in: BiLi 77 (2004), 52–56; Annette Böckler, Eine Nacht, anders als alle Nächte. Gedanken zu Sederfeiern in Kirchen, FrRu 2005, 94–107.
71) Frank C. Senn, Should Christians Celebrate the Passover? TLT 6 (s. o. Anm. 17), 183–205, Zitat 201 f.
72) So findet sich im neuen Entwurf der lutherischen Agende II im Zusammenhang mit Tischabendmahlsfeiern am Gründonnerstag auch der Hinweis: »Bei dieser Feier sollte beachtet werden, dass jede Verwechslung mit einem jüdischen Passamahl vermieden wird.« Gottesdienstfeiern von Palmsonntag bis Ostern. Entwurf der Agende für evangelisch-lutherische Kirchen und Gemeinden, Band II, Teilband 1, rg 21, Hannover 2008, 9.
73) Exodus-Feier. Jugend feiert Aufbruch, hrsg. v. Erzbischöflichen Jugendamt München und Freising, München 2004; vgl. daneben Wolfgang Raupach-Rudnick, Abend-Mahl-Zeit. Jüdische Tradition im christlichen Gottesdienst, Arbeitshilfe 21: Pessach und Gründonnerstag, Hannover 2006.